Ostdeutsches Energieforum April 2013 - Sonderausgabe der Leipziger Volkszeitung

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ENERGIE

Donnerstag, 25. April 2013

Ziehen Deutschlands Unternehmer den Stecker? 700 Millionen Euro soll die deutsche Industrie beisteuern, damit die ÖkostromUmlage nicht noch weiter steigt. Der Mittelstand sieht seine Existenz bedroht und droht angesichts steigender Energiepreise mit Abwanderung. Die stromintensiven Unternehmen wehren sich dagegen, mehr für die Energiewende zu zahlen und mahnen alle politischen Akteure, Industrie und Endverbraucher nicht gegeneinander auszuspielen.

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www.ostdeutsches-energieforum.de

EDITORIAL Von Klaus Olbricht und Hartmut Bunsen

Energiewende – ein Eingriff ins offene Herz der Wirtschaft ie Energiewende dürfte nach der Wiedervereinigung die größte gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderung der letzten Jahrzehnte sein. In der Vergangenheit konnte man sich stets auf die technische und planerische Gestaltungskraft Deutschlands und seiner Unternehmen verlassen. Inzwischen haben technologische und strukturelle Großprojekte in den letzten Jahren aber ein derartig komplexes Niveau angenommen, Klaus dass ernste Zweifel für die Zukunft aufkomOlbricht men. So gravierend die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen dieser Großprojekte auch sind, letztlich bleiben es begrenzte Einzelfälle. Bei der Energiewende stellt sich die Situation weitaus dramatischer dar, schließlich stellt die Energiebranche die Blutversorgung des Organismus Wirtschaft sicher und jeder Eingriff ist eine Operation am offenen Herzen. Die Energiewende kann nur gelingen, wenn sie alle Energieformen diskriminierungsfrei einHartmut bezieht, zentral koordiniert sowie nachhaltig Bunsen umgesetzt wird. Und dabei sollten wir uns in Mitteldeutschland unserer Tradition bewusst sein, denn hier wurde vor 300 Jahren erstmalig der Begriff Nachhaltigkeit geprägt. 1713 schrieb Hannß Carl von Carlowitz in Freiberg mit der „Sylvicultura Oeconomica – Anweisung zur wilden Baumzucht“ das erste forstliche Lehrbuch, in dem er den Begriff der „nachhaltigen Nutzung“ der Wälder prägte. Und vergleichbar mit heute, verfasste von Carlowitz sein Buch während einer Energiekrise. Die Erzgruben und Schmelzhütten des Erzgebirges mussten mit viel Holz als Energiequelle versorgt werden, was zu einem Raubbau der Wälder führte. In diesem Sinne soll das Ostdeutsche Energieforum nach seiner Premiere im letzten Jahr wiederum als Denkfabrik zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik fungieren, um Lösungsansätze für die bestehenden Herausforderungen aufzuzeigen. Mit effizienter Planung, Engagement und neuen Ideen kann die Energiewende geschafft werden. Das Ostdeutsche Energieforum wird als etablierte Veranstaltungsreihe dazu beitragen, Antworten in einem der wichtigsten Zukunftsfelder der nächsten Jahrzehnte zu geben. Foto: dpa

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Foto: Armin Kühne

as Vertrauen der deutschen Wirtschaft in den Fortgang der Energiewende hat erheblich gelitten. Das belegt der neue „Energiewende-Index“ der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur (Dena). Im ersten Quartal 2013 sank die Stimmung in Bezug auf die Energiewende um fast sieben Punkte und lag mit einem Wert von 95,8 erstmals unter der Marke von 100 Punkten. Damit sieht eine Mehrheit der von der Energiewende betroffenen Investoren, Verbrauchern, Netzbetreibern und Unternehmen das Projekt erstmals eher negativ. Vor allem haben die steigenden Strompreise der Skepsis Vorschub geleistet. Die Frage der Unternehmer: Wie können die steigenden Strompreise eingedämmt werden? Bund und Länder sind sich weiter uneins. Der Vorschlag der Länder, die Stromsteuer zu senken, fand beim Energiegipfel im März keine Zustimmung. Mit Blick auf den Bundeshaushalt 2014 gebe es dafür keine Spielräume. Eine grundlegende Reform des ErneuerbareEnergien-Gesetzes (EEG) wird es nach Einschätzung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erst in der nächsten Wahlperiode geben. In der Industrie stößt die Vertagung auf Kritik: „Dies ist ein fatales Signal für die notwendige Steuerung der Energiewende insgesamt“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Energiewirtschaft, Hildegard Müller. BDI-Chef Ulrich Grillo sprach von einer verpassten Chance: „Dieses Spiel auf Zeit gefährdet fahrlässig Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze.“ Ursprünglich wollten Bund und Länder noch vor der Bundestagswahl versuchen, bei der rasch steigenden Ökostrom-Umlage gegenzusteuern. Die Ökostrom-Umlage, auch EEG-Umlage genannt, ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Börsen-Strompreis und der gesetzlich garantierten Einspeisevergütung für Ökostrom. Es ist das erklärte Ziel von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), eine Strompreisbremse durchzusetzen. Im Gespräch sind Einsparungen im Milliardenbereich. Dazu sollten Rabatte für die Industrie und Vergütungen für die Ökostrom-Branche nachträglich gekürzt werden. Die rotgrün regierten Länder wehren sich gegen den Plan der Bundesregierung. Auf dem zweiten Ostdeutschen Energieforum, das am 29. und 30. April auf der Leipziger Messe stattfindet, wollen die Vertreter der neuen Bundesländer ihre Vorstellungen diskutieren. „Wir haben schon jetzt Energiekosten, die 20 Prozent über dem West-Niveau liegen“, sagt Hartmut Bunsen, Sprecher der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände Ostdeutschlands und Berlins. Für ihn stünden die Versorgungssicherheit und die Preisstabilität im Vordergrund. Wolfgang Topf, Präsident der Industrie- und Handelskammer Leipzig, bekräftigt das. Die Stromkosten für die mittelständischen Betriebe seien in diesem Jahr um zwölf Prozent geklettert. Bei einem Industrieunternehmen mit einem Jahresverbrauch von vier Millionen Kilowattstunden ergebe sich daraus eine Zusatzbelastung von 200 000 Euro. Die von Altmaier – er kommt ebenso zur Tagung wie Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) – vorgeschlagene Strompreisbremse sei ein richtiger Schritt, „löst aber nicht das systemische Problem“, meint Topf.

Klaus Olbricht ist Vizepräsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hartmut Bunsen Sprecher der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände Ostdeutschlands und Berlin


ENERGIE REPORT

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Peter Altmaier: „Alle mĂźssen bereit sein, Ăźber ihren Schatten zu springen.“

Foto: dpa

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und sein schleswig-holsteinischer Amtskollege Robert Habeck (GrĂźne) sind pausenlos in Sachen Energiewende gefordert – da bleibt wenig Zeit fĂźr ein gemeinsames Streitgespräch mit Journalisten. „Geboxt wird hier aber nicht“, scherzt Schwergewicht Altmaier noch, um dann umso härter verbal auszuteilen. Was einen promovierten Philosophen wie Habeck nicht so schnell aus der Fassung bringen kann. Es sei denn, es geht um Altmaiers Idee einer Strompreisbremse.

Donnerstag, 25. April 2013

Robert Habeck: „Es geht gar nicht so sehr um gute Ideen, sondern um einen Wertekompass, um ein Ziel.“ Foto: dpa

„Sie haben die Leute aufgehetzt!“ Frage: Herr Habeck, Sie leben auf dem Land nahe der dänischen Grenze und haben eine GroĂ&#x;familie mit vier Kindern zu versorgen. Wie hoch ist Ihre jährliche Stromrechnung? Robert Habeck: Keine Ahnung. Ich weiĂ&#x; aber auch nicht, wie viele Stunden ich arbeite. Peter Altmaier: Ich kann es bei mir auch nicht sagen. Allerdings habe ich im vergangenen Jahr Geld zurĂźckbekommen, weil ich als Umweltminister noch weniger zu Hause bin als vorher. Der Strompreis spielt bei Ihrem hohen Gehalt privat keine groĂ&#x;e Rolle. Vielen Menschen in Deutschland geht es da anders. Herr Altmaier, warum haben Sie sich mit Ihrer Idee der Strompreisbremse nicht durchsetzen kĂśnnen? Peter Altmaier: Wir sind noch nicht am Ende. Ich habe einen ersten Stein ins Wasser geworfen. Die Energiewende wird am Ende nur gelingen, wenn die Menschen sie akzeptieren. Und dafĂźr muss sie bezahlbar bleiben. Wir haben uns mit den Ländern jetzt nicht kurzfristig einigen kĂśnnen. Robert Habeck: Ich habe ein grundsätzliches Problem. Die gesamte Energiewende wird gerade nur noch als Preisproblem diskutiert. Das wird dem Projekt nicht gerecht. Es geht doch darum, dass wir jetzt eine Stromversorgung bauen, damit kommende Generationen sauberen und gĂźnstigen – ja letztlich fast kostenlosen – Strom beziehen kĂśnnen. Das ist die wahre Story.

Peter Altmaier: NatĂźrlich, aber zur Ehrlichkeit gegenĂźber den Menschen gehĂśrt auch, dass man ihnen sagt, was auf sie zukommt. 80 Euro mehr fĂźr Strom im Jahr sind fĂźr uns beide kein Problem, fĂźr viele Rentner oder Alleinerziehende aber schon. Wenn der Strom fĂźr Ihre Kinder bezahlbar sein soll, Herr Habeck, mĂźssen wir jetzt handeln. Robert Habeck: DafĂźr mĂźssen wir aber das System ändern und keine kurzfristigen Preisbremsen einfĂźhren. Wir haben mehrere grundsätzliche Probleme: Der sinkende Strompreis macht die EEG-Umlage teurer. Wir haben zu viele Ausnahmeregelungen fĂźr die Industrie. Wenn man hier und da einen Bonus raus nimmt, lĂśst man nicht das systematische Problem. Zudem: Wieso mĂźssen die groĂ&#x;en Energieversorger eigentlich Milliarden an der StrompreisbĂśrse verdienen? Auch da kĂśnnte man ansetzen. Wir haben den Eindruck: Beim Thema Energiewende sind die Fronten total verhärtet. Jeder kämpft gegen jeden. Keiner gĂśnnt dem anderen etwas. Peter Altmaier: Ich habe das doch aufgebrochen. Ich bin der erste Umweltminister, der die Ausnahmen in der EEGUmlage fĂźr Industrieausnahmen beschränken will. Dabei geht es um 700 Millionen Euro. Die grĂźnen Landesumweltminister ziehen da mit, doch einige SPD-Ministerpräsidenten sind dagegen. Wissen Sie nicht, was Sie wollen, Herr Habeck?

kann man nicht einfach mit Solarenergie Robert Habeck: Herr Altmaier hat gleichsetzen. Wind ist das GemĂźse der schon Recht. Die rot-grĂźn regierten LänEnergiewende. Nur weil man sich einmal der verfolgen unterschiedliche Ziele. Gean der Solarschokolade Ăźberfressen hat, rade die Kohle-Länder machen auch mir sollte man nicht auf das GemĂźse verzichpersĂśnlich das Leben extrem schwer. ten. Im Ăœbrigen macht es mich ganz nerDer Bundesumweltminister tut dies vĂśs, dass wir hier nur noch Ăźber eine aber auch. Warum wollen Sie nicht die Ausbaubremse reden. Wenn das die eidort meisten Windräder bauen, wo der gentliche Agenda hinter der von ihnen meiste Wind weht, Herr Altmaier? formulierten Preisbremse ist, Herr AltPeter Altmaier: Dagegen habe ich maier, dann wird das hier mit uns beiden nichts. Die Windenergie im Norden muss nichts mehr. ausgebaut werden. Da der SĂźden aber Nicht hilfreich war es wohl auch fĂźr ebenfalls ausbaut, liegen wir in der länIhre Zusammenarbeit, dass der BundesderĂźbergreifenden Planung mehr als 60 umweltminister die Kosten fĂźr die EnerProzent Ăźber dem giewende auf eine BilWert, der fĂźr den ErINTERVIEW lion Euro veranschlagt folg der Energiewende hat. notwendig ist. AuĂ&#x;erRobert Habeck: Ich schätze Herrn Altdem haben wir im Moment gar nicht die maier ja sehr, aber damit hat er alle nĂśtigen Leitungen. wuschig gemacht. Die ganze Diskussion Robert Habeck: Sie mĂśchten also die hat mehr CO2 verbraucht, als dass sie geWindenergie so lange anhalten, bis die holfen hätte. Netze stehen? Das kann man fordern – Peter Altmaier: Ich habe die Zahl einich hielte es auch fĂźr falsch –, aber man mal Ăśffentlich genannt, und seither wird sollte es nicht mit der Preisdiskussion besie zu meiner groĂ&#x;en Freude gerade von grĂźnden. grĂźnen Umweltministern immer wieder Peter Altmaier: Ich habe nie gesagt, aufgegriffen. Gut so, denn sie muss in die dass ich den Ausbau der Windenergie anKĂśpfe. Ich halte es fĂźr mĂśglich, dass wir halten will. Zurzeit erleben wir hier nur Kosten um ein Drittel reduzieren kĂśnnen. einen ähnlicher Boom wie vor Kurzem Es geht um 250 Milliarden bis 2040. bei der Solarenergie. Das bittere Ende ist Robert Habeck: Aber nicht mit dem, bekannt. Das mĂśchte ich der Windenerwas Sie vorschlagen. Das ginge nur mit giebranche und uns allen ersparen. einer richtigen EEG-Reform. Robert Habeck: Nur zur Erinnerung: Onshore-Strom ist die eindeutig preisgĂźnstigste erneuerbare Energieform. Das

Peter Altmaier: In der Tat. Da sind wir uns einig. Aber wie sollen wir die schaf-

fen, wenn wir nicht mal imstande sind, uns auf eine kurzfristig wirksame Kostenbremse zu verständigen? Robert Habeck: Das frage ich mich auch. Aber was Sie jetzt liefern, ist keine Antwort auf die von Ihnen gestellte OneBillion-Dollar-Frage. Er ist nur der Schattenriss einer Antwort. Peter Altmaier: Es ist viel mehr als das. Ab jetzt wird niemand mehr die Kostenfrage verniedlichen kĂśnnen. Wer sich Einsparungen widersetzt, Ăźbernimmt Verantwortung fĂźr steigende Preise. Robert Habeck: Nein, ist es nicht. Sie haben die Leute aufgehetzt und versuchen jetzt, die Dinge wieder einzufangen. Herr Altmaier, wie groĂ&#x; ist Ihre Lust, diesen ganzen FĂśderalismus- und Parteienstreit hinter sich zu lassen und mit diktatorischer Macht die Energiewende durchzupeitschen? Peter Altmaier: Auch ein Diktator hat ja so seine Probleme. Das Gute an Demokratie ist, dass viele mitreden kĂśnnen. Das verlangt aber auch, dass alle mal bereit sind, Ăźber ihren Schatten zu springen. Gibt es die Erleuchtung im Wirtschaftsministerium? Mit Philipp RĂśsler liegen Sie ständig Ăźber Kreuz. Brauchen wir auf Bundesebene nicht auch ein echtes Energieministerium? Peter Altmaier: Herr Habeck ist ja so ein Energieminister in Schleswig-Holstein. Trotzdem muss er sich ständig mit Herrn Albig (Ministerpräsident Schles-

Ă–kostromrekord verschärft Schieflage bei Energiewende FĂźr die BĂźrger wird das teuer

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CO2 mĂźssen Kohlekraftwerke wegen eiDer Wind hat sich gedreht, er bläst nun von vorn. Kräftig. Es ist keine zwei nes dramatischen Verfalls im EU-EmissiJahre her, da klopften sich Union, FDP, onshandel teils nur unter vier Euro pro SPD und GrĂźne auf die Schultern und Tonne zahlen. Das Europaparlament hat sprachen von einem historischen Beeinen Markteingriff zur Steigerung der schluss fĂźr einen Atomausstieg bis Preise fĂźr CO2-Zertifikate abgelehnt. 2012 2022. Heute hĂśrt sich manche Ă„uĂ&#x;estiegen auch wegen der Kohlestromerrung so an, als seien Solar- und Windzeugung die CO2-Emissionen in Deutschstrom reines Teufelszeug. land erstmals seit langem wieder um zwei Prozent. Braunkohle hat noch einen Die Energiewende ist, befeuert durch Anteil von 25,7 Prozent an der ErzeuDebatten Ăźber hohe Kosten und Stromgung, Steinkohle kam 2012 auf preisbremsen, vom Positiv- zum Negativ19,1 Prozent. projekt geworden. Entsprechend defensiv Zwar dĂźrfte der Anteil von Ă–kostrom geht die Ă–koenergiebranche mit einem am Verbrauch in diesem Jahr auf Ăźber neuen Rekord um: Noch nie wurde so 25 Prozent klettern und Bundesumweltviel Wind- und Solarstrom erzeugt wie minister Peter Altmaier (CDU) hofft, dass am 18. April – zeitweise war es die Leisder Anstieg des CO2-AusstoĂ&#x;es ein Austung von 26 Atomkraftwerken. „Wer jetzt wieder von einem ĂœberanreiĂ&#x;er bleibt. Aber nach Ansicht von Exgebot an Wind- und Solarenergie redet, perten hat er viel Zeit und Arbeitskraft vergisst: Es ist allenfalls zu viel Kohlemit dem Einsatz fĂźr seine gescheiterte strom im Netz“, betont Hermann Falk, Strompreisbremse verbraucht, statt sich GeschäftsfĂźhrer des Bundesverbands Ermehr dem Systemkonflikt bei der Enerneuerbare Energie. Die nackten Zahlen: giewende zu widmen. Am Mittag des 18. Aprils lieferten SolarBis Ende März exportierte Deutschland und Windstrom rund 35 900 Megawatt bereits 16 Terawattstunden (TWh) ins Strom – Solar kam dabei auf fast Ausland – im gesamten Jahr 2012 waren 20 000 Megawatt. Wäre es ein Sonntag es 22,8 TWh – das war schon fast viergewesen, wenn am wenigsten Strom vermal so viel wie 2011. Neben ĂźberschĂźssibraucht wird, hätte mit dieser Menge an gem Ă–kostrom befeuert besonders KohleĂ–kostrom fast der gesamte Strombedarf strom die Stromexportrekorde. Durch in Deutschland gedeckt werden kĂśnnen. das Ăœberangebot purzeln die Preise im Das bedeutet, die Energiewende stĂśĂ&#x;t Stromeinkauf – weshalb auch RWE und nun in neue, kritische Dimensionen vor. Vattenfall mit Kohlekraftwerken nur be„Erstmals wurde Deutschland an einem dingt gute Geschäfte machen. laststarken Werktag zwischenzeitlich zu Leidtragende sind die Verbraucher. Ihr mehr als 50 Prozent mit Strom aus WindEndkundenpreis setzt sich zusammen und Solaranlagen versorgt“, betont der aus dem Preis fĂźr den Einkauf, NetzgeDirektor des Wirtschaftsforums RegenebĂźhren – und 50 Prozent Steuern und rative Energien, Norbert Allnoch. Fossile Abgaben. Wird der Strom im Einkauf Kraftwerke lieferten parallel 33 300 Meimmer billiger, wächst paradoxerweise gawatt „grauen Strom“. Besonders klimadie im Strompreis enthaltene Umlage zur schädlicher Kohlestrom ist dabei weiter FĂśrderung von Wind- und Solarstrom. dominierend – Kohle- und Atomkraftwerke kĂśnnen bei viel Sonne nicht mal eben rasch runtergefahren werden. Somit kann der in diesem Jahr mit rund 20 Milliarden Euro von den BĂźrgern gefĂśrderte Ausbau erneuerbarer Energien zum klimapolitischen Nullsummenspiel werden. Statt geplanter 30 Euro pro ausgestoĂ&#x;ener Tonne Es ist zu viel Kohlestrom im Netz, sagen Experten. Foto: dpa

wig-Holstein, Anm.d.Red.) auseinandersetzen. Robert Habeck: Das läuft blendend, wie Sie sehen. Peter Altmaier: Aha. Deshalb hat er also anders als Sie beim Energiegipfel keinen Mucks zu den Einsparungen bei energieintensiven Unternehmen in Schleswig-Holstein gesagt? Herr Altmaier hat neulich getwittert: „Die GrĂźnen haben manchmal ganz gute Ideen, aber es ist besser, wenn wir sie ausfĂźhren.“ Ist das nicht auch ein verstecktes Kompliment, Herr Habeck? Robert Habeck: Erstmal ist es das Eingeständnis, dass die CDU selbst keine Ideen hat. Im Ernst: Es geht gar nicht so sehr um gute Ideen, sondern um einen Wertekompass, um ein Ziel. Man muss wissen, wo man hin will. Wir wissen das im Unterschied zur Union, die offensichtlich immer abschreiben muss. Prima. Dann kĂśnnen Ihre beiden Parteien nach der Bundestagswahl die Energiewende ja in gemeinsamer Regierungsverantwortung gestalten. Robert Habeck: Was fragen Sie mich denn jetzt so was? Ich bin in der Regierung mit der SPD, und die läuft geschmeidig. Peter Altmaier: Die GrĂźnen sind vergeben. Sie haben sich auf Gedeih und Verderb an die SPD gebunden. Wir kämpfen fĂźr eine bĂźrgerliche Mehrheit und Koalition.

Länder streiten um Verteilung der EEG-Umlage Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) poltert gerne, wenn er auf den Länderfinanzausgleich (LFA) angesprochen wird. Nicht ohne Grund wĂźrde der Freistaat jetzt gemeinsam mit Hessen das Prinzip vor dem Bundesverfassungsgericht anfechten. Bayern werde ĂźbermäĂ&#x;ig belastet, beschwert sich Seehofer angesichts der 3,9 Milliarden Euro, die es in den Ausgleich einzahlt. Doch so dĂźster, wie der Ministerpräsident die Lage schildert, ist sie gar nicht. Denn bei der Zuteilung der Ă–kostrom-Umlage profitiert sein Bundesland. Betreiber von Ă–kostrom-Anlagen in Bayern bekamen durch die Umlage im vergangenen Jahr rund 3,5 Milliarden Euro fĂźr den erzeugten Strom vergĂźtet, wie der Bundesverband der Energieund Wasserwirtschaft errechnet hat. Die dortigen Stromverbraucher zahlten aber nur 2,3 Milliarden Euro an Ă–kostrom-Umlage, so dass am Ende 1,2 Milliarden Euro Profit fĂźr das Bundesland Ăźbrig bleiben. Auch SchleswigHolstein (413 Millionen Euro), Brandenburg (408 Millionen Euro), Sachsen-Anhalt (308 Millionen Euro) und ThĂźringen (zehn Millionen Euro) kommen beispielsweise am Ende auf einen positiven Saldo. Nettozahler ist dagegen das Land Nordrhein-Westfalen: Es gibt 1,849 Milliarden Euro in das System. Auch Hessen (minus 613 Millionen Euro), Baden-WĂźrttemberg (minus 471 Millionen Euro) und Sachsen (minus 116 Millionen Euro) gehĂśren zu den Verlierern der Ă–kostrom-Umlage. Insgesamt betrug das Volumen der Ă–kostrom-Umlage 2012 gut 18 Milliarden Euro. „116 Millionen Euro Kaufkraft gingen in Sachsen verloren, um beispielsweise Solaranlagen auf Villendächern am Starnberger See zu subventionieren“, schimpfte Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow Ăźber die Belastung des Freistaates. Diese neuesten Zahlen erhitzen die Debatte um die FinanzstrĂśme zwischen den Ländern nun zusätzlich. „Die Welt ist lange nicht so einfach, wie Bayern und Hessen uns mit ihrer Klage gegen den Länderfinanzausgleich glauben machen wollen. Es ist schlicht falsch, wenn Bayern beispielsweise behauptet, es wäre in allen Belangen Netto-Zahler“, sagte Torsten Albig (SPD), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. „Man muss also die FinanzstrĂśme als Gesamtgebilde betrachten und nicht nur den Länderfinanzausgleich in den Blick nehmen.“


ENERGIE REPORT

Donnerstag, 25. April 2013

„Der Strommarkt muss neu geordnet werden“

INTERVIEW Vor welchen nächsten Schritten sehen Sie die neuen Länder? Die neuen Bundesländer starten unter guten Voraussetzungen in die Energiewende, weil das dortige Energiesystem nach der Wiedervereinigung bereits modernisiert worden ist. Die grĂśĂ&#x;ten Herausforderungen liegen auch hier im notwendigen Netzausbau zum Transport der Erneuerbaren. Die groĂ&#x;flächigen Windund Solarparks mĂźssen besser mit den Lastzentren in ganz Deutschland vernetzt werden. Netzausbau-Projekte wie die „ThĂźringer BrĂźcke“ mĂźssen zĂźgig umgesetzt werden. Zudem steht die heimische Solarindustrie derzeit stark unter Zugzwang, die Kosten schnell zu reduzieren und Innovationen in den Markt einzufĂźhren. Neben dem weiteren Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie in fast allen ostdeutschen Bundesländern darf auch die Bedeutung der Stromerzeugung aus Braunkohle als BrĂźckentechnologie in der Systembetrachtung nicht vernachlässigt werden. In den Werften in WarnemĂźnde und Wismar werden dagegen derzeit die ersten Offshore-Netzanbindungs-Pattformen fĂźr die Offshore-Windparks in der Nordsee gefertigt. Hier kann die ostdeutsche Industrie eine wichtige Rolle in der Umsetzung der Energiewende leisten. Was steht fĂźr mittelständische Firmen jetzt auf der Agenda? In der aktuellen Diskussion Ăźber die Energiewende geht es vorrangig um die Suche nach alternativen Energiequellen. FĂźr eine erfolgreiche Energiewende braucht es aber auch eine effizientere Nutzung von Energie. Dies ist auch fĂźr die mittelständischen Industrieunternehmen ein Thema. Denn die grĂśĂ&#x;ten Einsparpotenziale liegen bei der Industrie, die fĂźr 30 Prozent des deutschen Energieverbrauchs steht. Gefordert sind LĂśsungen und Services, um Energieressourcen effizient zu managen sowie wirtschaftliche Effizienz und Produktivität mit einer Ăśkologisch verantwortungsvollen industriellen Produktion in Einklang zu bringen. Energieeffizienz ist neben den Ăśkologischen Aspekten auch ein zentraler Hebel, um die Wettbewerbsfähigkeit eines Industrieunternehmens zu steigern.

EnergiebĂśrse sieht sich auf gutem Weg Die European Energy Exchange (EEX), die europäische EnergiebĂśrse, ist mit dem vorigen Jahr zufrieden. „In einem schwierigen Marktumfeld haben wir gute Handelsergebnisse erzielt und unser Produktportfolio erfolgreich auf die veränderten Rahmenbedingungen angepasst“, sagte in Leipzig Vorstandschef Peter Reitz. Die EEX habe ihre fĂźhrende Rolle als europäische EnergiebĂśrse weiter ausgebaut und gefestigt. Zwar habe der Strom-Terminmarkt unter dem Vorjahreswert gelegen. DafĂźr seien in den Märkten fĂźr Erdgas und CO2-Emissionsberechtigungen „signifikante Steigerungen“ zu beobachten gewesen, sagte Reitz. Hier seien Rekordergebnisse eingefahren worden. So habe die EEX das Volumen im Emissionsrechtehandel um 139 Prozent auf 254,6 Millionen Tonnen CO2 steigern kĂśnnen. Beim Handel mit Erdgas wuchs nach Angaben von Reitz das Volumen am Termin- wie am Spotmarkt kräftig. Dagegen sank das Handelsvolumen am Strom-Terminmarkt um 13 Prozent.

Freistaat steckt Ziele fĂźr erneuerbare Energien zurĂźck Die CDU/FDP-Regierung in Sachsen rĂźckt erwartungsgemäĂ&#x; von ihren Zielvorgaben fĂźr den Ausbau der erneuerbaren Energien ab. Das Kabinett habe sich darauf geeinigt, dass deren Anteil am Stromverbrauch in den kommenden Jahren nur noch auf 28 Prozent steigen soll, sagte Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) in Dresden. UrsprĂźnglich waren 33 Prozent geplant. Daran gibt es massive Kritik. Nach Angaben von Morlok ist es ein Gebot der Vernunft, die eigenen Ziele nach unten zu korrigieren. Zum einen gebe es groĂ&#x;e Vorbehalte in der BevĂślkerung gegenĂźber Windrädern, zum anderen seien bundesweit bereits ausreichend Kapazitäten in Planung. So gebe es in Deutschland in Zukunft wesentlich mehr Windenergie als von der Bundesregierung beschlossen. Schon deshalb bestehe keine Notwendigkeit, dass sich Sachsen hier entscheidend engagiere, sagte Morlok. Derzeit liegt der Anteil der erneuerbaren Energien im Freistaat bei rund 20 Prozent. In den kommenden zehn Jahren sollen dann weitere acht ProSven zentpunkte hinzukomMorlok men. Die korrigierte Zielvorgabe der Regierung ist Teil des beschlossenen Energie- und Klimaprogramms, das unter dem Titel „Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit“ steht. Danach setzt Sachsen weiterhin auf einen Mix verschiedener Energieträger, zu denen auch die umstrittene Braunkohle zählt. AuĂ&#x;erdem soll die Energieeffizienz in den Un-

Vom „Wildwuchs der Windkraftanlagen“ spricht FDP-Parteichef Holger Zastrow.

Grßner Strom aus Ostdeutschland Schlusslichter bei der Bruttostromerzeugung aus erneuerbaren Energien waren demnach unter den Flächenländern das Saarland mit 4,5 Prozent und NordrheinWestfalen mit 4,8 Prozent. Bundesweit lag nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung 2010 bei 16,4 Prozent. 2011 gab es dann einen deutlichen Anstieg auf rund 20 Prozent. Auch bei den Erzeugungsarten gibt es Unterschiede: Während die Bioenergie fast ßberall eine wichtige Rolle spielt, wird der

Rest der erneuerbaren Stromerzeugung im SĂźden vorrangig von Wasserkraft und Solarenergie getragen. In den nĂśrdlichen Bundesländern steuert hingegen die Windenergie die grĂśĂ&#x;ten Anteile bei. Das fortschrittlichste Bundesland beim Ausbau der Erneuerbaren Energien ist Brandenburg. Die Stärken des Landes liegen neben seiner politischen Programmatik im Bereich Erneuerbare Energien vor allem auch in der hohen Bedeutung, die die Nutzung regenerativer Ressourcen bereits erlangt hat.

ThĂźringen baut auf Erdwärme Erstes Pilotprojekt in Meiningen geplant Das Erdinnere wird zur Zentralheizung ThĂźringens: Bis 2015 soll in Meiningen ein erstes Pilotprojekt zur Nutzung der Erdwärme starten. Das Land hat sich jetzt die Bergrechte gesichert. ErhĂśhte Erdbebengefahr durch die Bohrungen bestehe nicht. Tiefengeothermie bietet ein nahezu unerschĂśpfliches Potenzial: Bereits ab einer Tiefe von drei bis vier Kilometern wird es glĂźhend heiĂ&#x; untertage. ThĂźringen will die Energie jetzt anzapfen, um Strom und Wärme zu gewinnen. Zwischen Erfurt und Meiningen sind die Bedingungen dafĂźr am besten, ergab eine Studie des Wirtschaftsministeriums. „Erdwärme kann als grundlastfähiger Energieträger ein wichtiger Teil des zukĂźnftigen Energiemixes sein. Wir gehen jetzt gezielt auf Investoren zu“, sagte ThĂźringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD). Die Projektkosten fĂźr ein Kraftwerk werden auf 45 Millionen Euro veranschlagt. Die Stadtwerke Meiningen und das westfälische Bohrunternehmen Daldrup haben bereits Interesse signalisiert. Das Tiefengeothermie-Kraftwerk kĂśnnte bis zu 5000 Haushalte mit Strom versorgen. Anders als Wind- oder Sonnenenergie bietet sich die Erdwärme aber vor allem fĂźr die Einspeisung in das Fernwärmenetz grĂśĂ&#x;erer Städte an. Bis in eine Tiefe von 3800 Meter sollen dazu in Meiningen zwei BohrlĂścher abgeteuft werden. Dort hat das Granitgestein eine Temperatur von etwa 130 Grad Celsius. Zwischen den Bohrungen werden hydraulisch feine Risse im heiĂ&#x;en Gestein

Aufwendige Bohrarbeiten sind erforderlich, um Erdwärme nutzbar zu machen.

erzeugt, durch die kaltes Wasser gepresst, und erwärmt wieder an die Oberfläche gepumpt wird. Das Verfahren gilt als erprobt. In Deutschland sind derzeit 20 Kraftwerke dieser Art in Betrieb, weitere 90 sind in Bau oder Planung. Dennoch sorgten Vorfälle wie in Basel oder Landau, wo die Bohrungen mittelschwere Erdbeben auslĂśsten, oder im sĂźdbadischen Staufen, wo eine Gipsschicht durch das Wasser aufquoll und die Erde anhob, immer wieder fĂźr Kritik. Auch in ThĂźringen reagierten BĂźrgerinitiativen skeptisch auf die Pläne. Sie hatten sich gegrĂźndet, weil die kanadische Erdgasfirma BNK in WestthĂźringen ebenfalls mit Tiefenbohrungen und der umstrittenen Fracking-Technologie nach Gas suchen wollte – vor wenigen Wochen hat BNK die Pläne aber aufgegeben. Machnig warnte vor Technologie-Skepsis: „Diese Neinsager-Kultur und Besserwisserei geht mir inzwischen ziemlich auf die Nerven. Wir dĂźrfen nicht alles skandalisieren.“ Anders als beim Fracking werde fĂźr das Aufbrechen des Gesteins kein Chemiecocktail verwendet. Es bestehe auĂ&#x;erdem in der ausgewiesenen Zone keine Erdbebengefahr. Dies bestätigte ein Gutachten der Firma Jena Geos. „Wir haben bewusst Bereiche gewählt, die nicht geologisch gestĂśrt sind. Wir sind seismisch absolut stabil“, sagte GeschäftsfĂźhrer Andreas Schaubs. Dabei handelt es sich um den sogenannten ThĂźringer Hauptgranit, eine etwa 450 Millionen Jahre alte Gesteinsschicht. Nur im Norden und Osten ThĂźringens bebt die Erde häufiger, weshalb sich Tiefengeothermie hier nicht anbietet. Machnig ist vom Potenzial Ăźberzeugt. „Sie ist erneuerbar, schadstofffrei, dezentral und vor allem ist sie grundlastfähig“, betont der Wirtschaftsminister. Bis 2015 gebe es vom Bund einen FrĂźhstarterbonus durch die Ă–kostrom-Umlage. Diese soll genutzt werden. Die Realisierung eines Kraftwerkes dauere etwa zwei Jahre. Unter Nutzung der Erneuerbare-Energien-Gesetz-EinspeisevergĂźtung werde sich die Investition nach 20 Jahren rentieren. Die zu erwartende Rendite liege bei etwa zehn Prozent, sagte DaldrupProjektleiter Peter Maasewerd. Auch er schätzt die Risiken gering ein. „Wir wissen, was uns dort unten erwartet. Es wird nichts passieren.“ Daldrup habe bereits mehrere Kraftwerke in Bayern und den Niederlanden – dort etwa fĂźr die Beheizung von Gewächshäusern – in Betrieb genommen.

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ternehmen gesteigert und der Energieverbrauch in den Haushalten um 15 Prozent gesenkt werden. Opposition und sächsische Vereinigung zur FĂśrderung der Nutzung Erneuerbarer Energien (VEE) sehen das kritisch. Mit der Reduzierung der Ausbauziele werde „die Energiewende in Sachsen weiter ausgebremst“, meinte VEE-GeschäftsfĂźhrer Jan Schubert. Noch härter ging Johannes Lichdi (GrĂźne) zu Werke. „Damit wollen CDU und FDP den Ausbau der erneuerbaren Energien aus ideologischen GrĂźnden brutal abwĂźrgen“, sagte er. Die Bundesländer sollen nach dem Willen Sachsens selbst Ăźber den Ausbau der Windenergie entscheiden. JĂźngst leitete der Freistaat eine Bundesratsinitiative nach Berlin, die eine Ergänzung des Baugesetzbuches betrifft. Demnach sollen die Länder selbst entscheiden dĂźrfen, ob Windräder weiterhin als „privilegierte Vorhaben im AuĂ&#x;enbereich“ gelten. Diese Ausnahme gilt seit 1997. Unter AuĂ&#x;enbereich versteht das Baurecht Flächen, die auĂ&#x;erhalb von Orten liegen und fĂźr die es keine Bebauungspläne gibt. „Die Privilegierung fĂźr Windenergieanlagen wurde 1997 eingefĂźhrt, um Hemmnisse beim Bau zu beseitigen. Inzwischen hat sich die Situation aber vollkommen geändert“, sagte Morlok. Auch der sächsische FDP-Parteichef und Bundesvize Holger Zastrow hält die Windkraft vielerorts fĂźr einen Hemmschuh und ein Ă„rgernis. „Die Subventionierungen aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz haben gemeinsam mit der Privilegierung im Baugesetzbuch zu einem Wildwuchs von Windkraftanlagen ohne volkswirtschaftlichen Sinn und Verstand gefĂźhrt“, sagte Zastrow.

Ă–ko-Revolution paradox

Mecklenburg-Vorpommern vor Thßringen und Sachsen-Anhalt Mecklenburg-Vorpommern hatte 2010 bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien mit einem Anteil von 44,8 Prozent klar die Nase vorn. Das geht nach Angaben der Agentur fßr erneuerbare Energien in Berlin aus aktuellen amtlichen Statistiken hervor. Auf den Plätzen zwei und drei folgten demnach Thßringen mit 36,8 Prozent und Sachsen-Anhalt mit 32,9 Prozent. In MecklenburgVorpommmern und Thßringen ging der Anteil verglichen mit dem Stand von 2009 allerdings jeweils leicht zurßck.

Foto: dapd

Frage: Wie sind Konstruktionsfehler der Energiewende zu beheben? Frank BĂźchner: Die Energiewende sieht den Umbau des deutschen Energiesystems in einem bisher beispiellosen Umfang und einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit vor. Entsprechend groĂ&#x; sind die Herausforderungen bei ihrer Umsetzung. Damit die Energiewende ein Erfolg wird, bedarf es grundlegender Korrekturen am derzeitigen energiewirtschaftlichen System. Der aktuelle regulatorische Rahmen stellt kein Wettbewerbsumfeld dar, auf dem sich unter den wichtigen Aspekten Versorgungssicherheit und InnovationsfĂśrderung die kostengĂźnstigste LĂśsung mit fairer Lastenverteilung etablieren kĂśnnte. Eine Neuordnung des deutschen Strommarkts kann jedoch die richtigen Investitionssignale an den Markt und seine Akteure senden. Ein zukunftsfähiges Strommarktdesign muss auf dem Grundsatz aufgebaut sein, dass die Ziele der Energiewende so marktbasiert und kosteneffizient wie mĂśglich erreicht werden sollen.

Sachsen bremst Windräder aus

Foto: AndrĂŠ Kempner

Foto: Promo

„Betrachtet man die Energiewende anhand der installierten Leistung erneuerbarer Energien, sind wir auf einem guten Weg“, sagt Frank BĂźchner, Leiter des Energiesektors bei Siemens Deutschland. Frank Doch die eigentlichen BĂźchner Herausforderungen seien noch nicht genĂźgend angegangen worden. Deshalb verleiht BĂźchner seiner Forderung nach innovativen Kraftwerks- und effizienten Speichertechnologien, intelligenten Netzen sowie verlustarmen Stromautobahnen auf dem 2. Ostdeutschen Energieforum Nachdruck.

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Im vergangenen Jahr wurde deutlich mehr Kohle verstromt Die Energiewende hat paradoxerweise zu einem Rßckschlag fßr den deutschen Klimaschutz gefßhrt. Das belegen Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Der Beitrag der relativ klimaschädlichen Kohlekraftwerke zur deutschen Stromversorgung nahm demnach im ersten vollen Jahr nach Ausrufung der Energiewende weiter zu. Die Menge des aus Steinkohle erzeugten Stroms stieg 2012 im Vergleich zum Vorjahr um 4,7 Prozent auf 117,9 Terawattstunden, aus Braunkohle

um 5,5 Prozent auf 158,0 Terawattstunden. Damit wuchs der Anteil der Steinkohle an der gesamten Stromerzeugung hierzulande von 18,5 Prozent auf 19,1 Prozent, der von Braunkohle von 24,6 Prozent auf 25,6 Prozent. Kraftwerke, die wenig oder gar kein Kohlendioxid (CO2) ausstoĂ&#x;en, kamen auf dem deutschen Strommarkt hingegen deutlich weniger zum Zuge: Durch die politisch angeordnete Abschaltung von acht Atomkraftwerken im Jahr 2011 sank der Beitrag der CO2-frei produzierenden Kernkraft

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im Laufe des vergangenen Jahres von 17,7 auf 16,0 Prozent. Erdgaskraftwerke und Kraft-Wärme-Anlagen, die ebenfalls relativ „sauberen“ Strom produzieren und zudem als Ergänzung der stark schwankenden Ă–kostrom-Quellen gebraucht werden, wurden ebenfalls seltener ans Netz gebracht: Ihr Betrieb ist gegen den gesetzlich garantierten Einspeisevorrang von Ă–kostrom kaum mehr wirtschaftlich. So ging der Anteil von Erdgas in der Stromerzeugung im vergangenen Jahr von 13,6 auf 11,3 Prozent signifikant zurĂźck.

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ENERGIE REPORT

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Donnerstag, 25. April 2013

Billiger Strom fĂźrs Mineralwasser

Ungeliebte Energiewende In Treuen, Marl und Rastatt klagen Unternehmer Ăźber steigende Kosten

Wer die Vestolit-Werke in Marl (Nordrhein-Westfalen) mit einer mittelgroĂ&#x;en Stadt vergleicht, geht nicht fehl. Die riesige Industrieanlage bildet einen groĂ&#x;en Teil des Chemieparkes, der von der Autobahn 52 aus von Weitem zu sehen ist. Hier, am nĂśrdlichen Ende des Ruhrgebiets, hat die Industrie an Bedeutung nicht verloren. PVC-Varianten fĂźr Bodenbeläge, Fensterprofile oder Regenmäntel werden bei Vestolit gefertigt. 450 Millionen Euro Umsatz erzielte das Unternehmen 2011, 16 Millionen Euro Gewinn. „Uns geht es noch gut“, sagt GeschäftsfĂźhrer Michael Träger. Wären da nicht die Strompreise. 41 Millionen Euro wies die Stromrechnung im vergangenen Jahr aus. Und das, obwohl Vestolit als energieintensives Unternehmen von einem GroĂ&#x;teil der zusätzlichen Abgaben befreit war. „Von 2002 auf 2013 haben sich fĂźr uns die Stromkosten um die Hälfte erhĂśht“, sagt Träger. „Das belastet das Ergebnis.“ Er will nicht schwarzmalen, aber in jĂźngster Zeit macht er sich häufiger Gedanken, wo das noch hinfĂźhren soll. Die Konkurrenz in der Branche ist stark. Die Wettbewerber sitzen in den Niederlanden, in Polen, in Frankreich. Sie lächeln mĂźde, wenn sie die Strompreisdebatte in Deutschland verfolgen. „Die haben 20 bis 25 Prozent geringere Industriestrompreise, null zusätzliche Abgaben wie zum

Beispiel die EEG-Umlage“, sagt Träger. Er fĂźrchtet um seine Wettbewerbsfähigkeit. Dabei hat die Vestolit in den vergangenen Jahren in eine neue Anlage investiert. Die 700 Mitarbeiter haben auf TariferhĂśhungen verzichtet, damit die Firma Ăźberleben konnte. Denn in Zeiten der Finanzkrise brach die Nachfrage nach Kunststoffen abrupt ein. Sie hat sich weltweit bisher nicht erholt. „Und jetzt sollen wir, wenn es nach Umweltminister Altmaier und seiner Strompreisbremse geht, noch fĂźnf Millionen Euro zusätzlich fĂźr den Strom zahlen“, so Träger. Er rechnet weiter: Fielen gar alle bestehenden VergĂźnstigungen fĂźr die Industrie weg, mĂźsste Vestolit 41 Millionen Euro nur fĂźr die Ă–kostrom-Umlage entrichten. 40,5 Millionen Euro mehr als aktuell. Diese Kosten auffangen kĂśnne er kaum noch, sagt der GeschäftsfĂźhrer. Vestolit arbeite schon mit einem Minimum an Mitarbeitern und Aufwand. Einen neuen Standort kĂśnne er fĂźr das Riesenwerk auch nicht erschlieĂ&#x;en. „Steigt der Strompreis so weiter, ist hier irgendwann Schluss.“ Wann das sein wird, weiĂ&#x; Träger nicht. „Aber irgendwann ist der Punkt erreicht.“ Rund 400 Kilometer weiter im SĂźdwesten sind die Probleme nicht kleiner. Als eines von sechs mittelständischen Unternehmen in Deutschland behauptet sich die Basi SchĂśberl GmbH & Co. KG in Rastatt (Baden-WĂźrttemberg) seit Jahrzehnten mit seinen technischen Industrie- und Medizingasen gegen die groĂ&#x;en Wettbewerber. Rund 90 Jahre besteht das Unternehmen mittlerweile. Der EigentĂźmer hält viel auf seine Heimat, 70 Millionen Euro hat er in den vergan-

Energieintensives Unternehmen: Im Lager der Vowalon Beschichtung GmbH im sächsischen Treuen stapeln sich Textilfaser-Rollen. Foto: dpa

genen Jahrzehnten hier investiert, 125 Arbeitsplätze geschaffen. JĂźngst durfte die Firma sich gar auf dem Empfang im Rathaus präsentieren, so stolz sind die Rastatter auf die Erfolge. „Wir sind in der Region verwurzelt“, sagt der angestellte GeschäftsfĂźhrer Ingo Nawrath. Und dennoch wird die Firma, das neue 50 Millionen Euro teure Werk wahrscheinlich nicht in Deutschland bauen – sondern im nahen Frankreich. 140 Millionen Kilowattstunden Strom benĂśtigt die neue Fertigungsanlage im Jahr, um technische Gase herzustellen. 140 Millionen Kilowattstunden. So viel soll Bayerns grĂśĂ&#x;ter Windpark im Landkreis Hof demnächst jährlich ins Netz einspeisen. „In Deutschland kĂśnnen wir uns den Betrieb dieser Anlage nicht leisten“, sagt Nawrath. Allein zehn Millionen Euro an Mehrbelastungen kämen auf Basi SchĂśberl aufgrund der Abgaben auf den Strompreis jährlich zu. Knapp ein Viertel des Firmenumsatzes. Egal, wie die GeschäftsfĂźhrung rechnet: Ein Standort in Baden-WĂźrttemberg ist utopisch. Im Elsass, wo die Firma bereits bei StraĂ&#x;burg eine ähnliche Anlage betreibt, liegen die gesamten Stromkosten bei sechs Millionen Euro. „Das Absurde ist, dass der Kostenvorteil in Frankreich die Vertriebsnachteile schlägt“, sagt Nawrath. Selbst wenn er die Transportkosten der Gase von Frankreich zur Logistikzentrale in Rastatt berĂźcksichtigt, sei der Standort bei StraĂ&#x;burg unschlagbar gĂźnstig. Die Franzosen dĂźrfen sich Ăźber 20 Arbeitsplätze und Steuereinnahmen freuen. Entschieden wird zwar erst in den nächsten Monaten, aber GeschäftsfĂźhrer Nawrath bezweifelt, dass sich in dieser Zeit etwas ändern werde: „Den Mittelstand und seine Sorgen bei der Energiewende nimmt die Politik kaum ernst. Deutschland ist keine Alternative mehr.“ Eigentlich sitzt die Vowalon Beschichtungs GmbH im sächsischen Treuen. Im Erzgebirge veredelt das Unternehmen verschiedene Textilprodukte. Fast die Hälfte der Produkte (40 Prozent) wird exportiert, 13 Millionen Quadratmeter verarbeitete Stoffe liefert Vowalon an die Auto-, die MĂśbel- oder die Schuhindustrie. Doch eine der wichtigsten Entscheidungen der 110-jährigen Firmengeschichte wird nicht in Treuen gefällt, sondern vor dem Landgericht in Chemnitz. Die GeschäftsfĂźhrer Gregor GĂśtz und Friedmar GĂśtz fordern von ihrem Energieversorger EnviaM die gezahlte Ă–kostrom-Umlage zurĂźck. Es geht um stolze Beträge fĂźr einen Mittelständler. Denn die Textilwirtschaft gehĂśrt mit ihren Verfahren zu den stromintensivsten Branchen Ăźberhaupt.

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Ziehen energieintensive Unternehmen den Stecker und wandern ab?

Foto: dpa

Landgericht Chemnitz. Vowalon will mit UnterstĂźtzung des Verbandes aber dennoch nicht aufgeben. GeschäftsfĂźhrer Gregor GĂśtz ist in Berufung gegangen. Bis zum Bundesverfassungsgericht werde man klagen, versichert GĂśtz. Die 183 Mitarbeiter zählende Firma Vowalon wird in ihrem Vorgehen vom Verband der Nord-Ostdeutschen Textilund Bekleidungsindustrie (vti) unterstĂźtzt. „Die Energiewende ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Deshalb muss sie aus dem Bundeshaushalt finanziert werden“, erklärte vti-HauptgeschäftsfĂźhrer Bertram HĂśfer. „Wir brauchen Entlastung fĂźr unsere Unternehmen.“Grundlage des Protestes ist ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Gerrit Manssen von der Universität Regensburg. Er stellt darin fest, dass es sich bei der EEG-Umlage um eine unzulässige Sonderabgabe handelt und verweist auf die sogenannte KohlepfennigEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994. Seinerzeit hatten es die Richter fĂźr verfassungswidrig erklärt, dass die Energiekunden mit dem Strompreis eine Subvention fĂźr die deutsche SteinkohlefĂśrderung zahlen.

FĂźnf Millionen Kilowattstunden Strom benĂśtigen die Anlagen in Treuen. Die Maschinen stehen selten still. 24 Stunden werden hier die Stoffe bearbeitet, FĂźnf Tage die Woche. Nur am Wochenende wird seit Kurzem keine Schicht mehr gefahren, weil effizientere Maschinen dies nicht mehr notwendig machen. 180 000 Euro EEG-Umlage musste Vowalon dennoch 2012 an den Versorger Ăźberweisen. In diesem Jahr wird es wahrscheinlich eine knappe Viertelmillion sein. Rund 1370 Euro pro Mitarbeiter. In der ohnehin kriselnden Textilbranche kĂśnnen diese Kosten Ăźber Wohl und Wehe entscheiden. Die Textilbranche, die im Osten nach der Wiedervereinigung zu einem GroĂ&#x;teil zusammenbrach, muss immer wieder neu investieren, will sie nicht von den internationalen Wettbewerbern abgehängt werden. Vowalon geht deswegen mit zwei anderen Textilfirmen voran. Gemeinsam mit dem Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie streben sie Musterprozesse an. Bisher ohne groĂ&#x;en Erfolg. Das Landgericht Stuttgart hat eine entsprechende Klage abgewiesen, ebenso die Richter am

Pläne fĂźr neue Kraftwerke liegen auf Eis Wirtschaftsverband warnt vor Engpässen Wegen unklarer politischer Rahmenbedingungen und zunehmender Unwirtschaftlichkeit legt die Energiebranche ihre Pläne fĂźr Kraftwerksneubauten vielfach auf Eis. Nach einer Kraftwerksliste des Bundesverbandes der Energieund Wasserwirtschaft (BDEW) fehlt derzeit fĂźr 22 Neubauprojekte eine konkrete Investitionsentscheidung. Zunehmend wĂźrden Projekte trotz vorliegender Baugenehmigungen unter den Vorbehalt einer WirtschaftlichkeitsprĂźfung gestellt, sagte BDEW-Chefin Hildegard MĂźller. „Beim Kraftwerksbau droht eine neue Eiszeit.“ Mittelfristig reiche die neue Kraftwerkskapazität nicht aus, um die Abgänge durch den Kernenergieausstieg und altersbedingte Stilllegungen von rund 16 000 Megawatt zwischen 2013 und 2022 zu ersetzen, sagte MĂźller. AuĂ&#x;erdem drohten zu den absehbaren KraftwerksschlieĂ&#x;ungen weitere Stilllegungen bestehender Kraftwerke in den nächsten Jahren, weil Gas- und Steinkohlekraftwerke wirtschaftlich unter Druck gerieten. Die nächste Bundesregierung mĂźsse bis 2015 ein neues Marktdesign zum Verhältnis zwischen konventioneller und erneuerbarer Energie erarbeiten. Die Branche brauche Klarheit fĂźr ihre milliardenschweren Investitionen, forderte MĂźller. Der starke Zubau von Wind- und Sonnenstrom und der Einspeisevorrang der erneuerbaren Energien hat vor allem die umweltschonenden Gaskraftwerke weitgehend aus dem Markt gedrängt. Die teuren Kraftwerke kommen nur noch auf geringe Laufzeiten, die vielfach nicht einmal fĂźr die Deckung der Kapitalkosten ausreichen, wie etwa der Chef des grĂśĂ&#x;ten deutschen Energiekonzerns Eon, Johannes Teyssen, regelmäĂ&#x;ig beklagt. Konventionelle Kraftwerke werden aber auch in Zukunft benĂśtigt, um die schwankende Einspeisung aus erneuerbaren Energien bei Bedarf ausgleichen zu kĂśnnen, wie MĂźller erneut betonte. Die Branche fordert deshalb eine Reform der Marktordnung. Derzeit haben die beiden grĂśĂ&#x;ten Stromkonzerne Eon und RWE neue Planungen fĂźr neue Gas- und Kohlekraftwerke ganz gestrichen. Eon will nur noch bereits begonnene GroĂ&#x;projekte abschlieĂ&#x;en. Weitere konventionelle Neubauvorhaben kämen „konsequent ad acta“, hatte Teyssen Mitte März bei seiner Bilanzvorlage gesagt. RWE-Chef Peter Terium hatte ebenfalls den Verzicht auf neue „GroĂ&#x;kraftwerke auf Basis von Kohle und Gas“ angekĂźndigt –

Es klingt paradox: Während private Verbraucher unter den immer hĂśheren Energiepreisen stĂśhnen, ist der Strom fĂźr GroĂ&#x;abnehmer so billig wie noch nie. Denn sie kĂśnnen sich von den Umlagen fĂźr Netzausbau und erneuerbare Energien weitgehend befreien lassen. Davon machen immer mehr Betriebe Gebrauch – auch viele, bei denen man es nicht erwarten wĂźrde. Sind Mineralbrunnen oder MilchhĂśfe energieintensive Unternehmen? Offenbar schon. Auf der Liste der energieintensiven Unternehmen, die sich im vergangenen Jahr die EEG-Umlage reduzieren lassen haben, stehen zumindest gleich mehrere davon. In Mitteldeutschland etwa Leisslinger und der Himmelsberger Mineralbrunnen aus Jessen in Sachsen-Anhalt. Auch Sachsenmilch in Leppersdorf ist befreit, ebenso die Osterland-Milchwerke in ThĂźringen. Das geht aus der Aufstellung des Bundesamtes fĂźr Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) fĂźr 2012 hervor. Fast 1000 Unternehmen bundesweit haben sich im vergangenen Jahr von der Umlage befreien lassen. In diesem Jahr dĂźrften es noch mehr werden. Grund: Die Anforderungen wurden gesenkt. Mussten bisher zehn Gigawattstunden pro Jahr verbraucht werden, so reicht jetzt eine Gigawattstunde. Gedacht ist die Regelung, damit energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, konkurrenzfähig bleiben. Sonderregeln gibt es fĂźr Bahnunternehmen – von denen gern Gebrauch gemacht wird. Neben der Deutschen Bahn sind auch alle groĂ&#x;en StraĂ&#x;enbahnbetreiber in Mitteldeutschland dabei: Dresden, Leipzig, Chemnitz, Halle, Magdeburg, Erfurt. 60 Unternehmen aus Sachsen finden sich auf der Liste, 61 aus Sachsen-Anhalt und 39 aus ThĂźringen. Darunter viele Industriebetriebe: Die Stahlwerke in Riesa und Unterwellenborn, die GieĂ&#x;ereien von Georg Fischer und Halberg Guss in Leipzig, die Chemiewerke von Dow in BĂśhlen, Schkopau und Leuna. Doch auch die Lebensmittelbranche nutzt die Befreiung gern: In Weimar wird Wurst ohne Ă–kostromzuschlag hergestellt, in Mockrehna TiefkĂźhlkost, in Bad Bibra Käse. Wiesenhof hat sogar seinen GeflĂźgelhof bei Burg befreien lassen. Selbst Unternehmen, die eigentlich Energie erzeugen, sind von der Umlage befreit: Bei Vattenfall stehen sechs Tagebaue in der Lausitz auf der Liste, beim Leipziger Biokraftstoffhersteller Verbio die Ethanolanlagen in ZĂśrbig bei Bitterfeld und in Schwedt. Ganz erlassen wird den Unternehmen die EEGUmlage zwar nicht. Sie erhalten aber bis zu 99 Prozent Rabatt. Das wird dann bei allen anderen Stromkunden aufgeschlagen. Sie zahlen seit Anfang 2013 knapp 5,3 Cent pro Kilowattstunde. Hinzu kommt noch das Netzentgelt, das inzwischen rund 20 Prozent des Strompreises ausmacht. Hier kĂśnnen sich groĂ&#x;e Stromverbraucher sogar ganz befreien lassen – allerdings erst ab zehn Gigawattstunden Jahresverbrauch.

Immer mehr Betriebe nehmen Erzeugung selbst in die Hand

Foto: GĂźnther Hunger

Nicht nur die Verbraucher stĂśhnen aufgrund der Energiewende. Auch die Wirtschaft kann sich mit dem Projekt nicht anfreunden. Unternehmen sehen sich von der SchlieĂ&#x;ung bedroht oder gehen mit der Produktion ins Ausland. Drei Beispiele aus Deutschland.

Das Kohlekraftwerk Lippendorf im SĂźden von Leipzig. allenfalls mit der Ausnahme eines Braunkohlekraftwerkes im Rheinischen Revier. Nach der BDEW-Erhebung lassen ab 2016 die Neubauplanungen der Branche deutlich nach. Insgesamt sind danach derzeit 76 Anlagen mit einer Leistung von 38 000 Megawatt geplant. Davon sind aber nur 24 in der konkreten Umsetzung, 52 mit oder ohne Genehmigung im Planungsstadium.

Vattenfall: Bis 2017 keine betriebsbedingte KĂźndigungen Der Energiekonzern Vattenfall und die Gewerkschaften IG BCE, Verdi und IG Metall haben sich auf einen Tarifvertrag geeinigt. Nachdem die Verhandlungen Ende März vor dem Hintergrund eines geplanten Sparprogramms mit massiven Stellenstreichungen gescheitert waren, schlossen beide Seiten nun doch einen neuen Vertrag bis Ende Februar 2015. Darin festgeschrieben ist auch ein Ausschluss betriebsbedingter KĂźndigungen im Konzern bis Ende Februar 2017. Zunächst hatte der schwedische Staatskonzern Anfang März angekĂźndigt, wegen wirtschaftlicher Probleme allein in Deutschland rund 1500 von derzeit etwa 15 000 Stellen streichen zu wollen – vor allem in Berlin, Hamburg und Cottbus. Konzernweit sollten demnach insgesamt 2500 Jobs wegfallen.

Immer mehr Betriebe bauen nach Feststellungen des Deutschen Industrieund Handelskammertages (DIHK) eine eigene Stromversorgung auf. „Jedes dritte Unternehmen beschäftigt sich konkret damit, erneuerbare oder konventionelle Energie selbst zu erzeugen“, sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dieser Trend nehme in allen Branchen zu, „nicht zuletzt vor dem Hintergrund wachsender Zweifel an der Versorgungssicherheit“. Grundlage der DIHK-Einschätzung ist eine im Oktober durchgefĂźhrte weitgefächerte Befragung von mehr als 2300 Betrieben rund um die Themen Energiepolitik und Versorgungssicherheit. Auf einer Skala von „sehr negativ“ (minus 100) bis „sehr positiv“ (plus 100) bewerten die Betriebe die Folgen der Energiewende mit minus 12,6. Die Hälfte der Industriebetriebe verbinde mit der Energiewende einen RĂźckgang ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Nur zwĂślf Prozent erwarteten dadurch eine Verbesserung ihrer Lage. Jeder fĂźnfte Industriebetrieb mache sich „zumindest Gedanken Ăźber eine Einschränkung der inländischen Produktion“, heiĂ&#x;t es in der Auswertung. Auch im Baugewerbe, im Handel und bei den Dienstleistern wĂźrden die Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit negativ bewertet. Auch als Folge der Skepsis Ăźber eine sichere und bezahlbare Stromversorgung machten sich immer mehr Betriebe Gedanken Ăźber ihren Energiebezug sowie Einsparungen durch mehr Effizienz. Jeder zweite habe seinen Versorger gewechselt oder erwäge, das zu tun. Gut ein Drittel der Unternehmen beziehe Strom aus regenerativen Quellen. Es scheine sich „zunehmend eine konkrete Nachfrage fĂźr erneuerbare Energien zu entwickeln“. Unterbrechungen der Versorgung seien in Deutschland inzwischen eine „teure Realität“, stellt der DIHK fest. 22 Prozent der Unternehmen berichteten von einer zunehmenden Bedeutung von StĂśrungen, allerdings berichteten auch zwĂślf Prozent vom Gegenteil.


ENERGIE REPORT

Donnerstag, 25. April 2013

Stromanbieter: Im Osten weniger Auswahl Verbraucher in den baden-wĂźrttembergischen Städten Freiburg und Heidelberg sowie im niedersächsischen Hildesheim haben bei der Wahl ihres Stromanbieters einem Vergleichstest zufolge die besten Chancen, ihr Konto zu schonen. In den drei Städten gebe es die gĂźnstigsten Angebote; Stromkunden dort kĂśnnten bei einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden 200 Euro oder mehr gegenĂźber den jährlichen Durchschnittskosten von 1000 Euro sparen, teilte das Vergleichsportal Toptarif mit. In Leipzig, Chemnitz und Dresden sei nur eine Ersparnis von weniger als hundert Euro mĂśglich. Die grĂśĂ&#x;te Auswahl an Anbietern, die gĂźnstiger als der Marktdurchschnitt sind, haben Verbraucher laut Toptarif derzeit in Heidelberg, DĂźsseldorf und Karlsruhe – mit deutlich mehr als 90 Alternativen. Insgesamt seien in drei Viertel aller untersuchten Städte mehr als 70 Anbieter preiswerter als das allgemeine Marktmittel. Schlechtere Karten – sowohl bei der Auswahl ihres Anbieters als auch bei Einsparungen – haben laut Toptarif Kunden in vielen ostdeutschen GroĂ&#x;städten. Während der Durchschnittspreis fĂźr Strom dort durchschnittlich von 54 Anbietern unterboten werde, seien es in westdeutschen Ballungszentren 77. Beim Vergleich des Preisniveaus seien mit einer mĂśglichen Ersparnis von 115 Euro gegenĂźber der durchschnittlichen Stromrechnung in ostdeutschen GroĂ&#x;städten die gĂźnstigsten Angebote im Mittel rund 34 Euro teurer als bei westdeutschen Pendants.

Ein Unternehmen, das die Energiewende in Ostdeutschland voranbringt, ist Mitnetz Strom, eine Tochter des ostdeutschen Energieversorgers EnviaM. Der grĂśĂ&#x;te regionale Verteilnetzbetreiber in den neuen Bundesländern plant in diesem Jahr, rund 277 Millionen Euro fĂźr Investitionen und Aufwendungen in seinem Netzgebiet auszugeben. Dieses erstreckt sich Ăźber Teile der Bundesländer Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und ThĂźringen. Insgesamt sieht der Bauplan mehrere tausend EinzelmaĂ&#x;nahmen im Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetz vor. Schwerpunkte sind der Netzausbau und die Netzverstärkung im Zuge der steigenden Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien, die Modernisierung von Umspannwerken und Trafostationen sowie der Austausch von Freileitungen im Mittelspannungsnetz durch Erdkabel. „Neue und intelligente Stromnetze sind die Grundlage fĂźr das Gelingen der Energiewende. Die Verteilnetze spielen dabei eine SchlĂźsselrolle. Rund 97 Prozent der installierten Leistung aus erneuerbaren Energien sind schon heute an das Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetz angeschlossen“, sagt Adolf Schweer, technischer GeschäftsfĂźhrer der Mitnetz Strom. „Wichtig ist, den Ausbau der erneuerbaren Energien an den Ausbau der Netze zu koppeln. Notwendig ist auch, vorausschauend erneuerbare Energien dort anzusiedeln, wo ein entsprechender Bedarf besteht und die entsprechenden Netze vorhanden sind.“ Der Anteil der erneuerbaren Energien am Endverbraucherabsatz im Netzgebiet der Mitnetz Strom lag 2012 bei 60 Prozent (2011: 49 Prozent). Die Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien nahm gegenĂźber dem Vorjahr um 19 Prozent auf rund 9,6 Milliarden Kilowattstunden (2011: 8,1 Milliarden Kilowattstunden) zu. Dies entspricht dem Stromverbrauch von mehr als 3,8 Millionen Haushalten in Ostdeutschland pro Jahr. Die stetig steigende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Zuge der Energiewende lässt die Stromnetze in Ostdeutschland immer häufiger an ihre Grenzen stoĂ&#x;en. „In keiner anderen Region Deutschlands entstehen ohne RĂźcksichtnahme auf die vorhandenen Stromnetze und die bestehende Stromnachfrage so viele leistungsstarke Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wie hier“, sagt Schweer. Folge dieser Entwicklung sei, dass es nicht nur in den Ăœbertragungsnetzen (HĂśchstspannungsnetzen), sondern auch in den Verteilnetzen (Hoch-, Mittel- und Niederspannung) in den neuen Ländern häufiger zu Netz-Engpässen komme. Um

Laut Schätzungen des Stromnetzbetreibers 50 Hertz wird die Ă–kostromumlage in diesem Jahr auf rund sechs Cent pro Kilowattstunde steigen. Schon jetzt reiche die derzeitige Umlage von 5,3 Cent nicht aus, um die AusBoris gaben fĂźr den Strom Schucht aus erneuerbaren Energien decken zu kĂśnnen, sagte GeschäftsfĂźhrer Boris Schucht. Er gehe bisher davon aus, dass am Ende des Jahres rund 2 bis 2,5 Milliarden Euro fehlen wĂźrden. Miteinberechnet seien dabei noch nicht der zusätzliche Ausbau in diesem Jahr sowie besondere Wettersituationen in den kommenden Monaten. FĂźr das Unternehmen hat das Folgen. Denn die Netzbetreiber bezahlen die Einspeisung der Ă–kostromerzeuger, bevor sie diese Kosten Ăźber die EEG-Umlage erstattet bekommen. So zahlte 50 Hertz allein im vergangenen Jahr 530 Millionen Euro. Um trotz dieser Belastung die Liquidität des Unternehmens zu sichern, musste sich der Netzbetreiber 200 Millionen Euro Fremdkapital beschaffen. In den Netzausbau flossen zudem 254 Millionen Euro. Dennoch konnte 50 Hertz aufgrund von gesetzlichen Neuregelungen das Jahr 2012 mit einem Plus abschlieĂ&#x;en. Das Nettoergebnis lag bei 111 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr wurden ins Netz von 50 Hertz, das den gesamten Osten Deutschlands sowie Hamburg abdeckt, rund 35 Terrawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien eingespeist. Das entspricht einem Anteil vom 35 Prozent am Stromverbrauch. „In unserer Region haben wir die Ziele der Bundesregierung fĂźr das Jahr 2020 schon jetzt erreicht“, sagte Schucht. Es werde in den Unternehmensregionen mehr Ă–kostrom als solcher aus konventionellen Kraftwerken erzeugt. Der GeschäftsfĂźhrer rechnet damit, dass sich der Anteil der Ă–kostrom-Anlagen in den kommenden zehn Jahren mehr als verdoppeln wird. Aktuell sind Anlagen mit einer Leistung von 21410 Megawatt installiert, die ihren Strom ins Netz von 50 Hertz einspeisen. Bis zum Jahr 2014 prognostiziert das Unternehmen eine Leistung von 44800 Megawatt. 70 Prozent entfallen allein auf Windanlagen an Land und vor der KĂźste. Zwar nannte 50-HertzGeschäftsfĂźhrer Schucht die Integration der erneuerbaren Energien positiv. Das Tempo des Netzausbaus mĂźsse dennoch gesteigert werden. An insgesamt 77 Tagen mussten Anlagenbetreiber 2012 die Produktion von Ă–kostrom drosseln, um das Netz stabil zu halten. 2011 waren es noch 45 Tage gewesen. Foto: Wolfgang Zeyen

Einspeisung erneuerbarer Energien muss zunehmend gedrosselt werden

Die Idylle trĂźgt: Die ostdeutschen Stromnetze stoĂ&#x;en an ihre Kapazitätsgrenzen. einen Kollaps zu vermeiden, seien die Netzbetreiber gezwungen, die Stromerzeugung insbesondere aus erneuerbaren Energien immer Ăśfter zu drosseln. Mitnetz habe im vorigen Jahr 97 Mal die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, vor allem aus Wind und Sonne, herunterfahren mĂźssen. Nur so sei eine Ăœberlastung des 76 000 Kilometer langen Stromnetzes vermieden worden. „GegenĂźber dem Vorjahr hat sich die Zahl der Eingriffe nahezu verdoppelt“, sagt Schweer. Im Jahr 2011 erfolgten 51 Eingriffe, 2010 war das 16 Mal der Fall. Am häufigsten sei im vorigen Jahr die Stromerzeugung im Netzgebiet in Brandenburg und Sachsen-Anhalt gedrosselt worden. Schwerpunkte seien die Regionen Spremberg-HoyerswerdaWeiĂ&#x;wasser, Jessen-Herzberg-Falkenberg und WeiĂ&#x;enfels-Naumburg-Zeitz gewesen. Im Rahmen des Sicherheitsmanagements ist es Netzbetreibern ge-

stattet, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien herunterzufahren, wenn eine Ăœberlastung des Stromnetzes droht. Grundlage bilden das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Bei Mitnetz erfolgt die Drosselung der Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien per Funksignal Ăźber die zentrale Schaltleitung in Taucha. Die Anlagenbetreiber erhalten vom Netzbetreiber fĂźr die Verringerung der EinspeiseLeistung bei Vorliegen eines Netz-Engpasses eine Entschädigung als Ausgleich fĂźr die nicht eingespeiste Energie. Immer Ăśfter mĂźssen die Ăœbertragungsnetzbetreiber (ĂœNB) in den Betrieb der Kraftwerke eingreifen. Der ĂœNB 50 Hertz sagte, er habe sich im Jahr 2012 rund 260 Mal einschalten mĂźssen, um kritische Situationen im Netz abzufangen. Der ĂœNB Tennet fast 1000 Mal. Im Jahr 2010, also vor der Atomwende, seien le-

Foto: dpa diglich 290 Eingriffe nĂśtig gewesen. Zwar habe man auch 2011 schon ähnlich häufig in die Fahrpläne der konventionellen Kraftwerke eingreifen mĂźssen wie 2012, aber im vergangenen Jahr seien die Aktionen aufwendiger und teurer gewesen, sagte der Deutschland-Chef von Tennet, Martin Fuchs. Allein fĂźr 2012 beziffert Fuchs die Kosten auf 150 Millionen Euro. Ein Eingriff durch den ĂœNB erfolgt entweder auf dem Weg des so genannten Redispatch oder des Countertradings. Beim Redispatch beauftragt der ĂœNB einen oder mehrere Erzeuger, ihre Kraftwerke zu drosseln, während an anderer Stelle Kraftwerke hochgefahren werden, um das Gleichgewicht im Netz zu halten. Beim Countertrading agieren die ĂœNB an kurzfristigen Märkten, um in den Gebotszonen Strom zu kaufen oder zu verkaufen und auf diesem Wege Engpässe im Netz zu beseitigen.

Tillich mahnt Netzausbau an Sachsens Politik und Industrie ziehen an einem Strang Die Staatsregierung in Sachsen hat den Vorschlag von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) zur Begrenzung der Strompreise als Schritt in die richtige Richtung bezeichnet. Er freue sich, dass Altmaier den Stanislaw „dringenden HandTillich lungsbedarf“ erkannt habe, sagte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Nur mit einer schnellen Anpassung der gegenwärtigen Regelungen kĂśnne ein weiterer ungebremster Anstieg des Strompreises vermieden werden. Tillich sagte, er sehe auch auĂ&#x;erhalb der EEG-Umlage „akuten Handlungsbedarf“. So mĂźsse der Netzausbau weiter forciert werden, um Engpässe im Stromnetz zu vermeiden. Auch Wolfgang Topf, Präsident der Industrie- und Handelskammer Leipzig (IHK), stellt sich hinter den VorstoĂ&#x; des Umweltministers. „Vorschläge, die zu bezahlbaren Strompreisen fĂźr Unternehmen und BĂźrger fĂźhren, dabei die Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten sowie eine mittelfristige Planungssicherheit schaffen, sind grundsätzlich zu begrĂźĂ&#x;en.“ Um kurzfristige Entlastungen zu ermĂśglichen, ist es nach Topfs Ansicht jedoch sinnvoller, zuerst die Stromsteuer zu senken. „Diese MaĂ&#x;nahme ist unbĂźrokratisch und wĂźrde Wirtschaft und Verbraucher direkt entlasten.“ Anspruch der Politik mĂźsse es sein, ein langfristig angelegtes Gesamtkonzept vorzulegen, mit dem einem weiteren Anstieg der Energiepreise wirksam und dauerhaft entgegengewirkt werden kĂśnne, fordert der Kammerpräsident. Mittlerweile sehen 60 Prozent der sächsischen Unternehmen in den Energiepreisen das grĂśĂ&#x;te Konjunkturrisiko. „Die schon jetzt deutlich Ăźber dem europäischen Durchschnitt liegenden Energiepreise wirken sich negativ auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen des Freistaats aus. Jedes dritte von ihnen schätzt, dass seine Wettbewerbsposition auf Grund der Energiepreissteigerungen in Gefahr ist. Jedes zehnte denkt sogar Ăźber eine Produktionsverlagerung ins Ausland nach“, sagt Topf. Er stĂźtzt sich auf Ergebnisse einer jĂźngst vorgestellten Studie der sächsischen Wirtschaft. „Dieser Widerspruch und die aktuellen Entwicklungen in der Energiepolitik zeigen, dass unter verschiedenen Interessengruppen auch weiterhin Gesprächsbedarf

nach ProblemlĂśsungen zur Energiesituation der sächsischen Wirtschaft besteht.“ Immer stärker rĂźckt auch die Frage des Ausbaus der Stromspeicherkapazitäten in den Vordergrund. „Die schwankende StromWolfgang erzeugung aus Wind Topf und Sonne kĂśnnte besser genutzt werden, wenn es genug MĂśglichkeiten zur Stromspeicherung gäbe. Laut Bundeswirtschaftsministerium bestehen derzeit Speicherkapazitäten von nur 0,04 Terrawattstunden, während Wind- und Solaranlagen 2011 mehr als 65 Terrawattstunden Strom erzeugten. Hier ist auch die Industrie gefordert, weiter an der Entwicklung neuer Technologien und Anlagen mit wesentlich hĂśheren Speicherkapazitäten zu arbeiten. Auch muss die Forschung im Bereich neuer Speichertechnologien erheblich intensiviert werden“, so Topf. Die im März verĂśffentlichte Studie „Energiesituation der sächsischen Wirtschaft“ zeigt: Die sächsischen Unternehmen schĂśpfen ihre Energiesparpotenziale noch nicht aus. „Auch wenn die Energiekosten maĂ&#x;geblich durch externe Faktoren bestimmt werden, kĂśnnen die Betriebe mit kurz- und mittelfristigen MaĂ&#x;nahmen wirksam Einfluss nehmen“, sagt Topf. In diesem Prozess unterstĂźtzt und begleitet die IHK ihre Mitgliedsunternehmen: Sie bietet unter anderem Erstberatung zu MaĂ&#x;nahmen zur Verbesserung der betrieblichen Energieeffizienz (Energiecoach); Weiterbildung zum Energiemanager mit EU-weit anerkanntem Zertifikatsabschluss; Hinweise zu Bezugskostenoptimierung, SteuerbegĂźnstigungen und FĂśrderprogrammen sowie Publikation von BranchenfĂźhrern (fĂźr 2013 geplant: „Energietechnik in Sachsen“). „Der ,Sächsische Branchenreport Energietechnik’ soll die Leistungsfähigkeit dieser Unternehmen sichtbar machen und deren breites Produkt- und Dienstleistungsspektrum zeigen. Unternehmen aus der Region Leipzig, die daran interessiert sind, sich in der BroschĂźre mit einem Porträt zu präsentieren, kĂśnnen sich mit der IHK in Verbindung setzen. Angesprochen sind vor allem produzierende Unternehmen aus dem Technologiefeld Energietechnik“, erklärt Topf. Foto: AndrĂŠ Kempner

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ThĂźringens Bauminister Christian Carius (CDU) lehnt weitere Starkstromleitungen durch den ThĂźringer Wald ab. „Der Ausbau der Stromleitungen darf nicht zu einer ĂźbermäĂ&#x;igen Belastung einzelner RegioChristian nen und LandschaftsCarius räume fĂźhren“, erklärte Carius in Erfurt. Damit sprach er sich erneut gegen das Projekt einer Trasse von Altenfeld nach Grafenrheinfeld (Bayern) aus, das im Entwurf fĂźr den Netzentwicklungsplan 2013 steht. Vielmehr mĂźsse die geplante ThĂźringer BrĂźcke Ăźber Altenfeld nach Redwitz so leistungsstark ausgebaut werden, dass eine zusätzliche Querung in der fĂźr ThĂźringen so wichtigen Tourismusregion vermieden werden kĂśnne. Die deutsche Energiewirtschaft setzt auf den raschen Bau der 380-kV-Hochspannungsleitung Ăźber den Kamm des ThĂźringer Waldes bis spätestens 2015. Fast zwei Jahre nach der politisch verordneten Abschaltung der ersten Atommeiler in Deutschland fehlt es immer noch an Stromleitungen, die den Ă–kostrom aus den norddeutschen Windparks nach SĂźddeutschland transportieren kĂśnnen. Insbesondere mangelt es 22 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer an Trassen, die die Netze der alten und neuen Bundesländer miteinander verbinden. Doch wo der Weg nach SĂźden blockiert ist, sucht sich der Strom eine neue AbflussmĂśglichkeit. Und so vagabundiert an manchen Tagen die dreifache Menge mecklenburgischen oder brandenburgischen Stroms in polnische Netz, als normalerweise zwischen beiden Ländern gehandelt wird. Ăœber Tschechien erreicht dieser Strom dann auch tatsächlich SĂźddeutschland. Doch den polnischen und tschechischen Trassenbetreibern verdirbt der ungewollte elektrische Transitverkehr das eigene Geschäft mit dem Stromhandel. Sogenannte Phasenschiebertransformatoren sollen das nun verhindern. FĂźr insgesamt 80 Millionen Euro werden die Netzbetreiber 50 Hertz und PSE Operator sogenannte Phasenschiebertransformatoren an den Ăœbergabepunkten ihrer Stromnetze installieren. Die hochkomplexen Bauteile versperren – ähnlich einer Schleuse – dem ĂźberschĂźssigen deutschen Strom den Weg in die fremden Netze jenseits der Grenze. Ein Sprecher von 50 Hertz vergleicht die Wirkung der Technik mit der WasserfĂźhrung in einem groĂ&#x;en See. Ăœblicherweise entleere sich so ein See Ăźber seinen grĂśĂ&#x;ten Abfluss. Werde dieser jedoch ganz oder teilweise geschlossen, suche sich das Wasser andere Wege. Es bleibt der Kunst der Schleusenwärter Ăźberlassen, das System so einzustellen, dass der See trotz der SchlieĂ&#x;ung des Hauptabflusses nicht Ăźber die Ufer trete. Neue Leitungen zwischen Nord und SĂźd mĂźssen her – und nicht erst, seitdem die Bundesregierung die Energiewende ausgerufen hat. Recht weit gediehen, aber seit rund zehn Jahren von Kritikern erbittert bekämpft, ist dabei die sogenannte ThĂźringer StrombrĂźcke. Jener 380-kV-Neubauleitung zwischen zwischen Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) und Redwitz (Bayern) kommt bei den mittelfristigen Netzplanungen von Bundesregierung und Stromversorgern eine zentrale Bedeutung zu. „Bis auf die Ilmkreis-Landrätin Petra Enders stimmen alle Experten der Einschätzung zu, dass diese Leitung unverzichtbar ist“, so ThĂźringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (CDU). „Bis Ende 2015 muss diese Leitung kommen“, so der Sozialdemokrat – oder Nordbayern werde ernsthafte Probleme mit der Energieversorgung bekommen.

„Wir haben die Ziele fĂźr 2020 jetzt schon erreicht“

Ost-Netze: Engpässe häufen sich

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Carius lehnt weitere Trassen ab

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zu Leipzig: Jens Januszewski, Telefon: 0341 1267-1263, E-Mail: januszewski@leipzig.ihk.de


ENERGIE REPORT

Seite 6 Erneuerbare Energien

Zahl der Arbeitsplätze geht zurĂźck Die Zahl der Beschäftigten im Bereich der erneuerbaren Energien in Deutschland ist einer Studie zufolge im vergangenen Jahr leicht zurĂźckgegangen. Im Jahr 2012 arbeiteten 377 800 Menschen in diesem Wirtschaftszweig und damit etwa ein Prozent weniger als im Vorjahr, wie das Deutsche Zentrum fĂźr Luft- und Raumfahrt (DLR) in KĂśln mitteilte. Der grĂśĂ&#x;te Teil (61 Prozent) der knapp 380 000 Beschäftigten, die im Jahr 2012 direkt oder indirekt im Bereich der erneuerbaren Energien arbeiteten, war der Untersuchung zufolge weiterhin im Anlagenbau tätig. Mittlerweile ist demnach aber bereits mehr als ein Drittel (37 Prozent) der Arbeitskräfte im Anlagenbestand beschäftigt, um sich etwa um den Betrieb und die Wartung zu kĂźmmern. In der Branche kĂśnnten auch in den folgenden Jahren weitere Stellen wegfallen. „Wir rechnen damit, dass auch in den Jahren 2013/2014 Arbeitsplätze verloren gehen und Unternehmen schlieĂ&#x;en mĂźssen“, erklärte Marlene O’Sullivan vom DLR-Institut fĂźr Technische Thermodynamik. Insgesamt werde aber davon ausgegangen, dass am Ende der Entwicklung eine Industrie stehe, „die sehr viel unabhängiger von politischer FĂśrderung sein wird und damit ihren Beschäftigten nachhaltige Perspektiven bieten kann“. Das DLR erstellte die Arbeitsmarktstudie nach eigenen Angaben gemeinsam mit dem Deutschen Institut fĂźr Wirtschaftsforschung (DIW), dem Zentrum fĂźr Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-WĂźrttemberg (ZSW), der Gesellschaft fĂźr wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) und der Prognos AG im Auftrag des Bundesumweltministeriums.

ZAHLEN & FAKTEN Butendiek, was Plattdeutsch ist und „auf der Seeseite des Deichs“ bedeutet, heiĂ&#x;t ein geplanter Windpark, 34 Kilometer westlich vor der Nordseeinsel Sylt. Gode Wind (nĂśrdlich der Insel Norderney), Baltic 1 (nĂśrdlich von Zingst), Sandbank a (vor Sylt) oder Albatros (nĂśrdlich der Insel Borkum) sind andere Beispiele. Insgesamt 97 Genehmigungsverfahren fĂźr Offshore-Windkraftanlagen hat das zuständige Bundesamt fĂźr Seeschifffahrt und Hydrographie auf den Schreibtischen liegen, 29 Anlagen hat die BehĂśrde bereits genehmigt. Sechs Projekte sind im Bau, der Rest befindet sich noch in der Planung. Die Windparks sind unterschiedlich groĂ&#x;: Das Versuchsfeld Alpha Ventus hat gerade einmal zwĂślf Windräder. FĂźr Sandbank 24 plant der Energiekonzern Vattenfall gleich 96 Windkraftanlagen; sie sollen so viel Strom liefern wie ein halbes Atomkraftwerk. Die Anlagen entstehen bis zu 100 Kilometer vor der KĂźste. Dort aber sind Tausende Schiffe unterwegs, zum Beispiel an der Baustelle von Borkum West II: Der geplante Windpark befindet sich in der Nähe der Verkehrsroute „Terschelling German Bight“, die wiederum von bis zu 30 000 Schiffen jährlich befahren wird. Keine andere Region ist so sehr von der Schifffahrt beeinflusst wie die Nordsee: 25 Prozent aller weltweiten Schiffsbewegungen entfallen auf dieses Meer. An Werktagen befahren bis zu 500 Schiffe gleichzeitig die Deutsche Bucht.

Donnerstag, 25. April 2013

Maschinenbauer stehen hinter Energiewende Verunsicherung Ăźber die Reform des EEG hält viele Projekte auf Viele deutsche Unternehmen sehen in der Energiewende eine groĂ&#x;e Chance, ihre eignen Geschäfte auszubauen. Sie wehren sich aber mit Vehemenz gegen Aussagen aus der Politik, wonach es hierzulande keine Investitionsunsicherheiten etwa fĂźr Meereswindparks mehr gebe. Der jĂźngste Energiegipfel im März habe mehr Verunsicherung erzeugt denn Aufbruchstimmung, erklärten Vertreter des Maschinenbauverbands VDMA, der Windturbinenindustrie und der Kraftwerkstechnologie. Die angedrohten KurzfristmaĂ&#x;nahmen fĂźr eine Novellierung des Erneuerbare Energien

Gesetzes (EEG) seien leider immer noch nicht vom Tisch, sagte Andreas Nauen, der Vorstandsvorsitzende des Windanlagenbauers Repower Systems SE. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Phillip RĂśsler (FDP) hatten sich im März nicht auf eine „Strompreisbremse“ – womit im wesentlichen eine Deckelung der EEG-Umlage gemeint ist – einigen kĂśnnen. Die Umlage ergibt sich aus der Differenz zwischen dem BĂśrsen-Strompreis und der gesetzlich garantierten EinspeisevergĂźtung fĂźr Ă–kostrom. Da der Strom-

preis an der BĂśrse sinkt, steigt die Umlage – zuletzt auf 5,28 Cent pro Kilowattstunde. Neue Vorhersagen rechnen mit einem abermaligen Anstieg in diesem und im nächsten Jahr. Um eine Deckelung zu erreichen, mĂźssen Kosten in HĂśhe von 2,5 bis drei Milliarden Euro, die bislang auf den Stromkunden abgewälzt wurden, von anderen Akteuren Ăźbernommen werden. Die Deckelung hätte zur Folge, dass beispielsweise neue Meereswindparks nach Inbetriebnahme monatelang ohne die kalkulierte hohe AnfangsvergĂźtung arbeiten mĂźssten. Zwar rechnet die deutsche In-

dustrie nicht damit, dass solch einschneidende MaĂ&#x;nahmen vor der Bundestagswahl tatsächlich noch beschlossen werden. „Aber das wissen internationale Investoren nicht“, sagt Thorsten Herdan, energiepolitischer Sprecher des VDMA. Gerade in groĂ&#x;e Kraftwerksprojekte wie Meereswindparks, deren Vorlaufzeit viele Jahre betrage, werde aufgrund der politisch verursachten Verunsicherung nun nicht mehr investiert, sagt Nauen. Die Installationszahlen in der Nord- und Ostsee werden zwar dieses und nächstes Jahr wachsen – was fehlt ist aber die nächste

Stillstand Ăźber den Wellen

Eweline soll in Zukunft Windkraft voraussagen Der Deutsche Wetterdienst (DWD) arbeitet an der Verbesserung seiner Wettermodelle, so dass zukĂźnftig die Leistungen der deutschen Sonnenenergie- und Windenergieanlagen präziser und regional vorhergesagt werden kĂśnnen. Ein entsprechendes Projekt mit dem Namen „Eweline“ ist im vergangenen Dezember gestartet, wie der DWD bestätigte. „Eweline“ steht fĂźr „Erstellung innovativer Wetter- und Leistungsprognosemodelle fĂźr die Netzintegration wetterabhängiger Energieträger“. An dem Projekt sind auch Experten des Fraunhofer-Instituts fĂźr Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel beteiligt. Ziel ist es, fĂźr jede Region in Deutschland Sonneneinstrahlung und Windkraft vorauszusagen, damit die Stromnetzbetreiber ihr Netz besser an die Leistungsschwankungen der Erneuerbaren anpassen kĂśnnen. „Mit den bisherigen Modellen war dies bislang nicht in dem MaĂ&#x;e mĂśglich wie es jetzt von uns angestrebt wird“, sagte Renate Hagedorn, Projektleiterin beim DWD. Meteorologische Daten werden fĂźr die Energiewende immer wichtiger. GroĂ&#x;e Energiekonzerne beschäftigen bereits Wetterforscher, um anhand der Daten Vorhersagen Ăźber das Stromaufkommen aus erneuerbaren Energien treffen zu kĂśnnen. So soll vermieden werden, dass zu viel Ă–kostrom ins Netz flieĂ&#x;t, der nicht von den Verbrauchern abgenommen wird. Denn genau dies hat in der Vergangenheit dazu gefĂźhrt, dass Geld gezahlt werden musste, damit das Ausland deutschen Ă–kostrom abnimmt. Die Daten, die aktuell unter anderem der DWD liefert, eigneten sich aber nicht besonders gut fĂźr die Energiekonzerne und Netzbetreiber. „Bisher haben wir beispielsweise beim Windaufkommen immer Werte fĂźr den Bereich von bis zu zehn Metern BodenhĂśhe ausgegeben. FĂźr Windkraftanlagen braucht es aber Werte im Bereich von 100 Metern Ăźber dem Boden“, sagte Hagedorn. Auch die regionale Vorhersage sei noch nicht detailliert genug. Genau dies ist hingegen notwendig, um die Leistung der Ă–kostrom-Anlagen voraussagen zu kĂśnnen. „Eweline“ soll deswegen vor allem das meteorologische Datenmaterial verdichten. Die insgesamt etwa 25 Forscher, die auf Seiten des DWD und des FraunhoferInstituts an dem neuen Projekt arbeiten, werden nun neue Prognose-Instrumente erstellen. Sie sollen bis auf einen Bereich von rund 7,9 Quadratkilometern die Darstellung und Voraussage der Wetterlage mĂśglich machen. Das Projekt, das mit rund sieben Millionen Euro vom Bundesumweltministerium gefĂśrdert wird, ist auf vier Jahre befristet. Das erarbeitete Prognose-Programm soll in einer dreimonatigen Demonstrationsphase von den potenziellen Kunden getestet werden.

Experte bezeichnet Offshore-Windparks als Irrläufer Die Ziele sind enorm ehrgeizig, wenn nicht sogar Ăźberzogen. Kapazitäten fĂźr 10 000 Megawatt Strom sollen bis zum Jahr 2020 in der Nord- und Ostsee entstehen. 2025 sollen 15 Prozent des deutschen Stroms vor der KĂźste erzeugt werden. Die Idee dahinter ist einfach: Auf der hohen See gibt es kaum Flauten, genĂźgend Wind weht fast immer. Einen besseren Antrieb fĂźr die riesigen Dynamos kĂśnnte sich kein Planer wĂźnschen. Ă–kologische, grĂźne, preiswerte Energie beinahe rund um die Uhr. Nur: Die Realität sieht anders aus. Kein Pfeiler der Energiewende bereitet solche Schwierigkeiten wie die Energieerzeugung auf dem Meer. Während sich viele Besitzer von Photovoltaikanlagen eine goldene Nase verdienen und Windkraftanlagen mittlerweile selbst in Bayern aus dem Boden schieĂ&#x;en, dreht sich Ăźber den Wellen fast nichts. Allein ein Blick auf die Ausbauzahlen verdeutlicht das AusmaĂ&#x;: In Niedersachsen wurden im vergangenen Jahr 154 Anlagen mit einer Leistung von rund 360 Megawatt errichtet, in SchleswigHolstein knapp 333 Megawatt Leistung zugebaut. In der Ostsee waren es: null. Immerhin Anlagen mit 80 Megawatt zogen Unternehmen in der Nordsee hoch. In der Jahresstatistik fällt dies gleichwohl in die Kategorie „Ferner liefen“. Aktuell sind lediglich 200 Megawatt vor der KĂźste installiert. Die GrĂźnde fĂźr den Stillstand auf der See sind bekannt: Die Offshore-Windkraft ist bisher eine einzige Fehlkalkulation. Sowohl was Kosten, Zeit als auch logistischen Aufwand angeht. Mit 19 Cent pro Kilowattstunde hat Offshore-Energie zwar eine hohe AnfangsvergĂźtung, ist deswegen im Prinzip fĂźr Investoren lohnend. Doch die Geldgeber zĂśgern. Denn noch immer ist nicht hundertprozentig gesichert, dass der Netzbetreiber Tennet die notwendigen AnschlĂźsse in der Nordsee bereitstellen kann. Der Energieversorger RWE stoppte bereits neue Offshore-Projekte. Auch Siemens hat zu kämpfen: Bei seinen Projekten hat das Unternehmen Mehrkosten von rund 570 Millionen Euro zu verzeichnen. Unter anderem mĂźssen Konstruktionen viel tiefer in den Meeresgrund verankert werden als geplant. Hinzu kommt, dass der Industriekonzern dringend benĂśtigte Umspannwerke nicht liefern kann, die fĂźr den Anschluss der Windparks unentbehrlich sind. Die NetzanschlĂźsse sind mehr als gefährdet: Dass die Bundesregierung die fällige Entschädigungen mit Hilfe eines neuen Gesetzes durch die Verbraucher kofinanzieren lässt, sollte ein Zeichen sein. Ein Vier-

Personen-Haushalt muss in diesem Jahr 8,75 Euro mehr zahlen. Berlin wollte den Offshore-Ausbau nicht vollends gefährden. Mittlerweile klagen Planer und Betreiber Ăźber die Strapazen auf hoher See. Unumwunden geben sie zu, dass sie den Bau einer tonnenschwere Anlage bei Seegang, bei Wind, umgeben von Wasser – bei schwierigsten Bedingungen also – gänzlich unterschätzt haben. Ihre Investitionskosten schĂśssen in die HĂśhe, heiĂ&#x;t es. Nicht nur deswegen kommt eine im März verĂśffentlichte Studie des Aachener Beratungsunternehmens Consentec und des Fraunhofer Instituts fĂźr Windenergie und Energiesystemtechnik zu dem eindeutigen Ergebnis: Wenn weitgehend auf die Offshore-Windkraft verzichtet werde, spare die deutsche Volkswirtschaft bis zum Jahr 2023 jährlich bis zu zwei Milliarden Euro. Diese Untersuchung hat jetzt durch eine Analyse des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen neuen ZĂźndstoff bekommen. Der Energiereferent Holger Krawinkel kommt darin zu einem eindeutigen Urteil: „Der Bau von Seewindanlagen weit drauĂ&#x;en und tief im Meer stellt sich immer mehr als ein Ăśkonomischer und technologischer Irrläufer heraus“, zitiert ihn die Deutsche PresseAgentur. Selbst der Verband wurde von dieser Analyse Ăźberrascht. GlĂźcklich war niemand Ăźber die politische Diskussion, die diese Worte auslĂśsten. Offiziell betonen Krawinkels Kollegen, dass die Offshore-Energie selbstverständlich nicht aufgegeben werden soll. Das prominente Papier ihres Experten halten die VerbraucherschĂźtzer aber unter Verschluss. Die Nordländer sehen sich bemĂźĂ&#x;igt, die Energiegewinnung auf See zu verteidigen. Schleswig-Holsteins Energieminister, Robert Habeck (GrĂźne), plädierte fĂźr die Offshore-Windenergie. Er stellte trotzdem klar: „Wichtig fĂźr die Energiewende ist aber auch, die Gesamtkosten im Auge zu behalten. Als vergleichsweise junge und teure Technologie haben Windanlagen auf See hier Nachholbedarf.“ Erwin Sellering (SPD), Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, warnte davor, Onshore- und Offshore-Energie gegenseitig auszuspielen. Der energiepolitische Sprecher der GrĂźnen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer, forderte angesichts der aus dem Ruder laufenden Kosten im Offshore-Bereich eine Deutsche Netzgesellschaft in Bundesbesitz: „Nur diese wäre kapitalkräftig genug, die erforderlichen Netze zu finanzieren und den zĂźgigen Anschluss der OffshoreWindparks sicherzustellen.“

Der Sinn der Offshore-Windparks ist umstritten. Im Foto zu sehen ist die Anlage Baltic 1 nĂśrdlich von Zingst (Mecklenburg-Vorpommern). Foto: dpa

„Derzeit herrscht eine hysterische Debatte“ DIW-Expertin: Die Energiewende wird madig gemacht, so schwindet Akzeptanz $ %" $( *&#. #*.!) $ $

struktur, die seit Jahren verWoran denken Sie zuerst beim nachlässigt wird. Der Strompreis Stichwort Energiewende? An den explodiert. Von wegen, die KiloStreit um den Netzausbau? An die wattstunden werden nicht zu Gefahr von Blackouts? Oder an teuer, sie waren jahrelang zu bilsteigende Strompreise? Dann sind lig... Sie bereits den Gegnern der Energiewende aufgesessen. Das beFrage: Deutschland exportiert hauptet Claudia Kemfert in ihrem Strom – wie kann man dem Verneuen Buch „Kampf um Strom. braucher erklären, dass Strom Mythen, Macht und Monopole“. Claudia immer teurer wird? Die renommierte Energieexpertin Kemfert Claudia Kemfert: Kaum. Die des Deutschen Instituts fĂźr WirtEnergiewende muss schaftsforschung (DIW) derzeit als SĂźndenbock verteidigt den Ausbau INTERVIEW fĂźr exorbitante Preisder erneuerbaren Enersteigerungen herhalten. gien vehement. WaFakt ist: es gibt zahlreirum? Es gibt wenige gesellschaftliche che preissenkende Faktoren wie sinkende Prozesse, die in so kurzer Zeit zu so BĂśrsenpreise, CO2- und Kohlepreise. Diese groĂ&#x;en sozialen StrukturbrĂźchen gefĂźhrt werden jedoch nicht an die Verbraucher haben und fĂźhren, wie es die Energieweiter geleitet. Es wäre Aufgabe der Poliwende schon getan hat. Das Geschäftstik, fĂźr Transparenz zu sorgen und bei modell der bis vor Kurzem tonangebenden Energieversorgern die Preissenkunden Stromkonzerne erodiert in geradezu gen einzufordern. atemberaubender Geschwindigkeit; waKann man das gerechter gestalten? ren sie gerade noch Staaten im Staate, machen ihnen heute Privatleute mit SolarJa. Zum einen sollte man aufhĂśren, die zellen auf dem Dach Kilowattstunden abĂ–koenergien als alleinige Preistreiber zu spenstig. Diese Anlagen entmachten RWE stigmatisieren. Zum anderen geht es auch und Co. regelrecht. Kein Wunder, dass um eine faire Verteilung der Kosten zwisich in Politik und Wirtschaft Widerstand schen Verbrauchern, Unternehmen und gegen den vermeintlichen Wahnsinn forStaat. miert. Die grĂźnen Energien wachsen zu Wird zu sehr auf Stromerzeugung und stĂźrmisch, heiĂ&#x;t es. Falsch, sagt Claudia zu wenig auf Energieeffizienz gesetzt? Kemfert, der Ausbau der Netze ist verschleppt worden, auch um die Umstellung Ja. Derzeit ist die Energiewende eher auf grĂźne Energien zu boykottieren. Es eine „Strom-Angebots-Wende“. Die Verdrohen Blackouts, die Wende ist schuld. besserung der Energieeffizienz sowohl im LĂźge, so Kemfert, schuld ist die NetzinfraGebäude-, Industrie-, als auch im MobiliFoto: dpa

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Welle an Projekten. „Niemand startet solche Milliardeninvestitionen, wenn die Rahmenbedingungen unsicher sind, auch was die Netzanbindung angeht“, sagt Nauen. Trotz allem Gegenwind stehen die deutschen Maschinenbauer hinter der Energiewende. Laut einer Umfrage des VDMA unter rund 700 Mitgliedsunternehmen sieht heute schon ein Drittel von ihnen die Auswirkungen der Energiewende fĂźr das eigene Unternehmen positiv, und mit Blick nach vorn wächst ihr Anteil auf fast ein Drittel.

tätsbereich sind derzeit gar nicht Teil der Energiewende. KĂśnnte man mehr AKW schneller abschalten? Man sollte beim jetzigen Atom-Ausstiegsbeschluss bleiben, aber vor allem auf den Zubau von Kohlekraftwerke komplett verzichten. Derzeit werden zahlreiche neue Kohlekraftwerke neu gebaut oder länger genutzt. Das fĂźhrt zu den jetzigen Ăœberkapazitäten und sinkenden BĂśrsenpreisen. VerbraucherschĂźtzer kritisieren die teuren See-Windparks als Ăśkonomische und technologische Irrläufer. Ist das so? Nein. Wir benĂśtigen auch OffshoreWindenergie, wenn wir in einigen Jahrzehnten 80 Prozent erneuerbare Energien haben wollen. Zwar ist diese Technik heute vergleichsweise teuer, aber auch nicht unbezahlbar. Die mĂśglichen zusätzlichen Kosten liegen bei etwa zwei Milliarden Euro im Jahr also knapp 0,3 Cent pro Kilowattstunde oder etwa ein Euro im Monat mehr fĂźr eine vierkĂśpfige Familie. Derzeit herrscht eine hysterische Debatte um die Energiewende, um sie madig zu machen und die Akzeptanz der BevĂślkerung schwinden zu lassen. Ist Deutschland mit der Energiewende Ăźberfordert? Deutschland ist nicht Ăźberfordert. Die Menschen wollen die Energiewende, die Unternehmen sind bereit zu investieren. Die Energiewende ist Opfer einer Negativkampagne geworden.

Buffett gibt Solarfirmen neue Hoffnung Starinvestor Warren Buffett leistete Anfang dieses Jahres der strauchelnden Solarbranche weitere SchĂźtzenhilfe. FĂźr bis zu 2,5 Milliarden Dollar (1,9 Milliarden Euro) kaufte Buffett Ăźber seine Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway das 579-Megawatt starke Antelope-ValleyProjekt des US-Unternehmens SunPower. SunPower und der zu Berkshire gehĂśrende Versorger MidAmerican Energy Holdings bezeichneten das Vorhaben im Sonnenstaat Kalifornien als weltgrĂśĂ&#x;tes Fotovoltaik-Entwicklungsprojekt. Mit dem Aufbau der beiden dazugehĂśrigen Anlagen soll noch in diesem Quartal begonnen werden. Spätestens Ende 2015 soll die Sonnenenergie eingefangen werden. Auch deutsche Solarwerte profitierten offenbar von Buffets Engagement in den USA. „Wenn ein eher konservativ ausgerichteter Anleger wie Buffett in Solarprojekte einsteigt, ist das fĂźr die Branche ein gutes Zeichen“, sagte ein Händler in Frankfurt. FĂźr die deutsche Solarwirtschaft war 2012 ein finsteres Jahr. Der Niedergang der Branche setzte sich unvermindert fort. Immer mehr Firmen gerieten im Laufe des Jahres in den Abwärtsstrudel, fĂźr den die Unternehmen vor allem einen steigenden Preisdruck durch billige Konkurrenz aus China sowie FĂśrderkĂźrzungen verantwortlich machen. Im April 2012 meldete zum Beispiel der Solarzellenhersteller Q-Cells aus Bitterfeld-Wolfen Insolvenz an. Nach Monaten des Bangens gelang im August die Rettung des einstigen Vorzeigeunternehmens der ostdeutschen Solarwirtschaft in Sachsen-Anhalt. Die sĂźdkoreanische Hanwha-Gruppe Ăźbernahm Q-Cells.


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Nicht nur Ă–l ist billiger geworden, sondern auch Gold, Kupfer und andere Metalle. Im Preis orientieren sich ebenso Agrar-Rohstoffe wie Soja oder Mais nach unten. Braunkohle ist Deutschlands bedeutendster Rohstoff. Auf dem Weltmarkt kann es damit nicht punkten. Gefragt sind Ă–l, Gas, Erze, Seltene Erden – und die sind knapp. Der Kampf um die Vorkommen ist längst entbrannt. Auch Deutschland macht mobil.

„Mit Russland verbindet uns eine lange Tradition“ VNG setzt auf bilaterale Rohstoffpartnerschaften

Foto: Michael Fahrig

tiger ist es, die dauerhafte Deutschland bezieht mehr als Versorgung mit Erdgas sicher40 Prozent seiner Gas- und ein zustellen. Lediglich 14 Prozent Drittel seiner RohĂśllieferungen des inländischen Erdgasbeaus Russland. Es ist damit der darfs deckt Deutschland selbst, grĂśĂ&#x;te Abnehmer fĂźr ErdĂśl der Rest wird aus vielen Länund Erdgas. Dies biete eine dern importiert. Dabei gehĂśgute Verhandlungsposition fĂźr ren Norwegen und natĂźrlich politische und wirtschaftliche auch Russland zu unseren Fragen, sagt Karsten HeuRohstoffpartnern. Mit Russchert, Vorstandsvorsitzender Karsten land verbindet uns eine bedes Leipziger EnergieunterHeuchert sonders lange Tranehmens Verbunddition. VNG kann netz Gas AG. Die INTERVIEW im Juni dieses JahExploration und res auf 40 Jahre Produktion gehĂśre Lieferbeziehungen mit dem Handel, mit Russland zurĂźckblicken. dem Transport und der Speicherung von Erdgas zum Kerngeschäft der Gehen die Beziehungen zwischen VNG VNG. „Entlang dieser WertschĂśpund Russland auch Ăźber reine Lieferbefungskette wollen wir weiter wachziehungen hinaus? sen, um den Markterfolg der VNG zu Ein klares Ja! Wir kooperieren bei der sichern und auszubauen“, betont Gasspeicherung, bei wissenschaftlichen Heuchert. und technischen Fragen und eben auch beim Thema Rohstoffe. Deshalb sind Frage: Welche Bedeutung hat eine siwir auch Mitinitiator des Deutsch-Ruschere und nachhaltige Rohstoffversorsischen Rohstoff-Forums (DRRF). Hier gung aus Sicht der Erdgaswirtschaft? treffen sich Wirtschaft, Politik und WisKarsten Heuchert: Als Energieuntersenschaft, um gemeinsame Strategien nehmen beschäftigt sich VNG umfasfĂźr die effektive Nutzung von Rohstoffsend mit aktuellen Fragen der Rohstoffressourcen zu entwickeln. Wir mĂśchten beschaffung. Dabei geht es uns zunächst mit diesem Engagement auch anderen natĂźrlich um den Energieträger Erdgas, Akteuren Zugang zu wertvollen Erfahmit dem sich Chancen fĂźr eine klimarungen und Kontakten verschaffen und schonende und sichere Energieversorunser Know-how einbringen. Vor zwei gung der Zukunft erĂśffnen. Umso wichWochen fand Ăźbrigens die 6. Deutsch-

Deutsche Energieimporte

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in Exajoule (EJ) und deren Herkunft

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Russische Rohstoff-Konferenz im westsibirischen Chanty-Mansijsk statt. Welche Themen standen dort im Mittelpunkt? Im Fokus der Konferenz standen Projekte zur nachhaltigen Sicherung von Rohstoffen sowie der Einsatz ressourcenschonender und erneuerbarer Energien. Ein zunehmend wichtiges Thema auch fßr die deutsche Industrie sind die Seltenen Erden, die in Chanty-Mansijsk ebenfalls diskutiert wurden. VNG ist es ein wichtiges Anliegen, deutsche Unternehmen bei der Rohstoffsicherung zu unterstßtzen. Das DRRF ist hierfßr eine hervorragende Plattform. Die deutsche Delegation zählte zahlreiche Unternehmensvertreter aus Mitteldeutschland. Insgesamt waren ßber 200 russische und deutsche Wirtschaftsvertreter, Politiker sowie Wissenschaftler dabei. Unterstßtzt wurde das Rohstoff-Forum in diesem Jahr erstmalig vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Beide Partner unterzeichneten in Chanty-Mansijsk eine Kooperationsvereinbarung. Warum ist die Rohstoffbeschaffung fßr Deutschland so wichtig? Der globale Rohstoffmarkt befindet sich im permanenten Wandel. Auch Deutschland steht vor enormen Herausforderungen bei der Rohstoffsicherung, ist es doch bei vielen strategischen Rohstoffen von Importen abhängig. Bilaterale Rohstoffpartnerschaften wie das von VNG initiierte Deutsch-Russische Rohstoff-Forum sind ein vielversprechender LÜsungsansatz fßr aktuelle und zukßnftige Aufgaben. Ein kontinuierlicher und langfristig vertrauensvoller Dialog mit Russland leistet einen wichtigen Beitrag zur Rohstoffsicherung Deutschlands in der Zukunft. Natßrlich benÜtigen wir dafßr auf lange Sicht Akteure, die diese Rohstoffpartnerschaft mit Leben fßllen. Deshalb fÜrdert VNG die Aus- und Weiterbildung junger Menschen. Die TU Bergakademie Freiberg und das St. Petersburger Bergbauinstitut bilden den wissenschaftlichen Kern des DRRF und streben gegenwärtig die Grßndung einer Russisch-Deutschen Ressourcen-Universität an.

Wer kĂźnftig ein Haus baut, muss mehr Geld fĂźr die Wärmedämmung ausgeben. Neue Wohngebäude in Deutschland sollen ab kommendem Jahr mit dreifach verglasten Fenstern und besser abgedichteten Dächern, AuĂ&#x;enwänden und Kellerdecken ausgestattet werden. Das sieht der Entwurf fĂźr die Ăźberarbeitete Energieeinsparverordnung (EnEV) vor, den das Bundesbauministerium erarbeitet hat.

„Die Baukosten werden steigen“ Foto: Christian Nitsche

Mindestarbeitszahl der Wärmepumpe betrifft. VerstĂśĂ&#x;e gegen das EEWärmeG stellen hierbei eine Ordnungswidrigkeit dar und kĂśnnen mit BuĂ&#x;geldern bis 50 000 Euro belegt werden. Welche Arten von Heizungsanlagen empfehlen Sie Ihren Kunden und Bauherren im Zuge Mathias Frage: Auf dem 1. Ostdeutschen des EEWärmeG? Reuschel Energieforum haben Sie sich beDas hängt natĂźrlich immer reits fĂźr die Beachvon der speziellen tung der besonderen INTERVIEW Situation des ObjekSituationen in Osttes (Nutzung, Wärdeutschland innermebedarf, vorhanhalb der Gebäudesanierung eingesetzt. dene Medien) ab. Wir versuchen jedoch Was hat sich seitdem verändert? solche Energieträger zu empfehlen, welMathias Reuschel: Zwischen alten und che nach Fertigstellung des Objektes mĂśgneuen Bundesländern wird nach wie vor lichst keine fortlaufenden Nachweispflichnicht differenziert. Aus meiner Sicht steten und Risiken des EigentĂźmers nach hen wir generell an einer Stufe, wo wir – sich ziehen. Dies trifft vorrangig fĂźr therunabhängig von Ost und West, Altbausamische Solaranlagen, Fernwärme aus nierung oder Neubau – entscheiden Kraft-Wärme-Kopplung und HolzpelletmĂźssen, wie viel Zwang wir beispielsweikessel zu. Bei Wärmepumpen läuft der se im Erneuerbaren Energien–WärmegeBauherr Gefahr, die hohen Anforderungen setz (EE WärmeG) oder mit der neuen an die Arbeitszahlen im Betrieb zu verEnergieeinsparverordnung 2012, welche fehlen. Was dann passiert, ist noch unklar. voraussichtlich 2014 in Kraft treten wird, Bisher ist uns aber noch kein Fall bekannt, ausĂźben wollen. in welchem ein BuĂ&#x;geld verhängt oder eine NachrĂźstung angeordnet wurde. Seit 2008 mĂźssen Neubauten gemäĂ&#x; dem EEWärmeG einen Teil des WärmebeWas bringt nun die EnEV 2012, wenn darfes durch erneuerbare Energien abdesie ab 2014 in Kraft tritt? cken. Hat sich dieses Gesetz bewährt? Die Sache wird immer komplexer; die Dieses Gesetz ist eigentlich ĂźberflĂźssig Formulierungen kĂśnnen teilweise nur ist, da man das vorrangige Ziel der Prinoch von Volljuristen verstanden werden. märenergie- und CO2-Einsparung auch Die erste EnEV (2001) hatte 33 Textseiten, durch entsprechende Anforderungen der während der aktuelle Referentenentwurf Energieeinsparverordnung an den Pri117 Textseiten enthält. Inhaltlich gibt es märenergiebedarf erreichen kĂśnnte. Hinwesentliche Verschärfungen bei der Pflicht sichtlich der Bewährung des Gesetzes in zum Aushang und der Vorlage von Enerder Praxis ist festzustellen, dass die Ausgiepässen, FĂźr jeden auszustellenden gestaltung des Gesetzes so komplex ist, Energiepass muss man eine Registrierdass selbst erfahrene Ingenieure nur benummer beantragen. Die Anforderungen dingt in der Lage sind, die Bauherren sian den Primärenergiebedarf fĂźr Neubaucher zu beraten. Dies ist zum Einen in der ten verschärfen sich um 12,5 und ab 2016 Differenzierung der Arten von erneuerbaum weitere 12,5 Prozent. Die Anforderunren Energien begrĂźndet. FĂźr die einzelnen gen an das Dämm-Niveau von Neubauten Arten (Solar, Biomasse, Erdwärme usw.) werden ebenfalls in zwei Schritten vergibt es unterschiedliche Anforderungen schärft. an den Deckungsanteil und zusätzliche Was bedeutet das fĂźr die Baukosten? Anforderungen an die Qualität der EnerMit den steigenden Anforderungen an giebereitstellung – wie Mindestwirkungsdie energetische Qualität steigen natĂźrlich grade, Arbeitszahlen von Wärmepumpen. auch die Errichtungskosten. Hierbei muss Private Bauherren mĂźssen teilweise die festgestellt werden, dass wir bereits mit ErfĂźllung der Anforderungen im Betrieb der aktuellen EnEV und dem EEWärmeG ihrer Immobilie Ăźber bis zu zehn Jahre einen Zustand erreicht haben, in welchem dokumentieren und nachweisen. Hierbei stärkere DämmmaĂ&#x;nahmen ohne zusätzlaufen sie teilweise Gefahr, die Anfordeliche FĂśrdermittel nicht wirtschaftlich rungen zu verfehlen – vor allem, was die Das Bundeskabinett hat eine neue Energieeinsparverordnung beschlossen. Das Regelwerk sieht verschärfte Vorgaben fĂźr den Bau neuer Häuser ab 2014 vor. Was das bedeutet, erklärt Ingenieur Mathias Reuschel, Vorsitzender der S&P Gruppe.

darstellbar sind. Hinsichtlich der Wahl der Anlagentechnik stellt sich nicht mehr die Frage nach der wirtschaftlichsten Technologie, sondern nach der Technologie mit der ich die bauordnungsrechtlichen Anforderungen ohne groĂ&#x;es Risiko fĂźr den Bauherrn erfĂźlle. Wie wird sich die FĂśrdermittel-Kulisse verändern? Es ist davon auszugehen, dass die FĂśrderkriterien im gleichen MaĂ&#x;e wie die EnEV verschärft werden, womit nächstes Jahr Dinge Standard sind, welche dieses Jahr noch gefĂśrdert werden. Die Latte zur Erreichung eines fĂśrderwĂźrdigen Niveaus wird dann wahrscheinlich so hoch liegen, dass die Einbindung von FĂśrdermitteln nicht mehr lukrativ ist.

Eine Frau hält vor dem ThĂźringer Landtag ein Plakat mit der Aufschrift „Kein Fracking!“ in den Händen. ThĂźringen wird sich fĂźr eine Bergrechtsänderung zur Beschränkung dieser umstrittenen ErdgasfĂśrderung aus tiefen Gesteinsschichten einsetzen. Foto: dpa

Fracking: Schleswig-Holstein und ThĂźringen wollen Bergrecht ändern Schleswig-Holstein will die SchiefergasFĂśrderung mit gefährlichen Chemikalien bundesweit kategorisch verbieten lassen. Eine entsprechende Bundesratsinitiative zur Ă„nderung des Bergrechts werde die Kieler Landesregierung am 3. Mai in die Länderkammer einbringen, teilte das schleswig-holsteinische Umweltministerium vergangene Woche mit. Die Initiative ziele darauf ab, die auch Fracking genannte Methode zur Schiefergas-FĂśrderung auszuschlieĂ&#x;en, wenn dabei Chemikalien verwendet werden, die fĂźr Umwelt, Wasser oder Menschen giftig sind. „Die Risiken von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas sind ungewiss. Zum Schutz der BevĂślkerung und der Umwelt sollte Fracking mit gefährlichen Chemikalien deshalb grundsätzlich verboten werden“, erklärte Schleswig-Holsteins Umwelt- und Energiewendeminister Robert Habeck (GrĂźne). Mit seinem VorstoĂ&#x; bezweckt das von einer Dreierkoalition aus SPD, GrĂźnen und SSW regierte Schleswig-Holstein eine deutlich schärfere Regulierung als die schwarz-gelbe Bundesregierung. Diese hatte vor kurzem einen Verordnungsentwurf vorgelegt, wonach Fracking-Vorhaben in Deutschland nach einer individuellen UmweltverträglichkeitsprĂźfung

(UVP) genehmigt werden kĂśnnten. Grundsätzliche Verbote sollen demnach nur fĂźr sensible Gebiete wie Wasserschutzgebiete gelten. Der Entwurf der Bundesregierung war von verschiedenen Bundesländern als unzureichend kritisiert worden. Ihr Widerstand gegen die SchiefergasFĂśrderung durch Fracking ist groĂ&#x;. Bei der Methode wird Erdgas aus kompakten tiefliegenden Gesteinsschichten gewonnen, indem diese durch mit Chemikalien versetztes Wasser unter hohem Druck aufgebrochen werden. Die FĂśrderung aus solchen sogenannten unkonventionellen Lagerstätten lohnte sich frĂźher nicht. Durch technischen Fortschritt und steigende Energiepreise hat sich dies aber bereits teilweise geändert. In den USA wird Schiefergas bereits in groĂ&#x;em Stil abgebaut. Die Technik ist wegen mĂśglicher Auswirkungen auf die Umwelt hochumstritten. Zweifel gibt es unter Experten aber auch hinsichtlich der längerfristigen Bedeutung der Reserven fĂźr die globale Energie-Versorgung und die kĂźnftige Wirtschaftlichkeit der Schiefergas-FĂśrderung, zumindest in Europa. Experten der Bundesanstalt fĂźr Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) schätzen die Rohstoffvorkommen in Deutschland auf etwa 1,3 Billionen Ku-

Wer sieht bei den immer komplexer werdenden Anforderungen eigentlich noch durch? Kann das mein Architekt noch allein? Ohne dem Architekten hier Kompetenz absprechen zu wollen, wird diese Materie nur noch von Spezialisten verstanden, welche interdisziplinär mit dem Architekten und den anderen Fachplanern zusammen arbeiten. Die erfolgreiche Planung komplexer Bauvorhaben fordert daher nach Generalplanern. Ă„ndert sich fĂźr die Architekten also gar nichts? Doch, es ändert sich vor allem etwas in der Architektur der Gebäude. Die Gebäude mĂźssen deutlich kompakter ausgebildet werden. AuĂ&#x;erdem benĂśtigen wir ein anderes Verständnis fĂźr die Positionierung von Glasflächen, wo wir nicht selten, vor allem im sommerlichen Wärmeschutz, die eingetragene Energie mit aufwendigen technischen Anlagen wieder abfĂźhren mĂźssen.

Worauf mßssen sich Hauseigentßmer und Mieter einstellen? Ob die Menschen tatsächlich akzeptieren, dass man das Fenster nicht Üffnen darf, weil alles ßber Zwangslßftungsanlagen geregelt ist, ist fraglich. Deshalb kommt allen Beteiligten am Bau eine besondere Beratungs- und Aufklärungspflicht zu. Viele spätere Nutzer verstehen die komplexen Folgen in den Kosten fßr Errichtung und Betreibung, aber eben auch fßr den Gebrauchswert nicht ohne Aufklärung. Nicht selten entscheidet man sich dann auch gegen einen Passivhausstandard.

bikmeter, die vor allem in Norddeutschland lagern. Diese Menge wßrde theoretisch ausreichen, um die deutsche Gasversorgung 13 Jahre lang sicherzustellen. Das Umweltbundesamt (UBA), das dem Bundesumweltminister unterstellt ist, warnt jedoch, dass beim Fracking Chemikalien verwendet werden, die das Grund- und Trinkwasser verunreinigen kÜnnten. Daher raten die UBAExperten dringend, Fracking in Trinkwasserschutzgebieten grundsätzlich zu verbieten. Dadurch wßrden sich die abbaubaren Vorkommen allerdings entsprechend verringern. Auch ist noch unklar, bei welchen Vorkommen sich der Abbau tatsächlich wirtschaftlich lohnt. So wächst der Widerstand gegen das Verfahren. Der Bundesrat hat die Bundesregierung bereits aufgefordert, strenge Auflagen fßr das Fracking zu erlassen. Antragsteller waren die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen, SchleswigHolstein, Baden-Wßrttemberg, Bremen und Rheinland-Pfalz. Auch Thßringen wird sich nach Angaben von Umweltstaatssekretär Roland Richwien fßr eine Bergrechtsänderung zur Beschränkung der umstrittenen ErdgasfÜrderung einsetzen. In mehreren Bundesländern haben sich schon Bßrgerinitiativen gegen das Fracking gebildet.


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Uni Leipzig warnt vor sozialen Verwerfungen

Das Thema Energie ist eingebettet in eine Gesamtstrategie, welche die Leipziger Wirtschaftsförderung gemeinsam mit ihren Partnern verfolgt. Schwerpunkte bilden hierbei ausgewählte Uwe Cluster, zu denen auch Albrecht das Cluster Energieund Umwelttechnik gehört. „Insbesondere an den Schnittstellen der Cluster verzeichnen wir eine besondere Dynamik und Innovation. Als Beispiel hierfür stehen das Energie- und Automobilcluster mit Projekten etwa zur Speichertechnik und der Materialforschung“, sagt Leipzigs Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht (CDU).

Die Energiewende kann in der Bundesrepublik die Gesellschaft spalten und zu sozialen Verwerfungen führen. Das sagte Oliver Rottmann vom Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge an der Universität Leipzig. Rottmann legte die Ergebnisse einer Studie zum Energiemarkt vor. Der nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima beschlossene Ausstieg aus der Atomkraft und die damit einhergehende rasante Zunahme der Fotovoltaik verändern den Energiemarkt enorm. Wer Sonnen- oder Windkraft einspeist, bekommt für 20 Jahre eine feste Vergütung garantiert. Das zahlen die Verbraucher über die Öko-Stromumlage. Diese wurde zu Beginn des Jahres kräftig angehoben. Dadurch haben die Strompreise erheblich angezogen. „Wenn nicht gegengesteuert wird, werden die Entwicklungen der Energiewende die Gesellschaft spalten in wohlhabende, die Energiewende aktiv mitgestaltende Bürger und in einkommensschwächere Menschen, die unter steigenden Energiepreisen leiden“, sagte Rottmann voraus. Energieintensive Unternehmen erhalten Rabatte bei der Ökostrom-Umlage. Eigenheimbesitzer können sich Solaranlagen aufs Dach bauen lassen. Mieter können das nicht. Aber das hat nach Einschätzung des Uni-Wissenschaftlers Risiken und Nebenwirkungen. Wohlhabende Bevölkerungsgruppen gingen teilweise zur Selbstversorgung über und klinkten sich so aus den Gemeinkosten der Energieversorgung aus. Finanziell schwache Bürger hätten diese Möglichkeit nicht und litten damit unter steigenden Energiepreisen. Rottmann: „Sie schultern einen Großteil der finanziellen Last einer funktionierenden Energieversorgung.“ Strom müsse aber bezahlbar bleiben. Folglich muss nach Rottmanns Ansicht die Politik über Sozialtarife nachdenken. Weiteres Ergebnis der Studie zur Entwicklung des Energiemarktes, die das Kompetenzzentrum gemeinsam mit der Berliner Strategieberatungsfirma SNCP erstellt hat: Die Industrie wandert nicht etwa von Süd nach Nord wegen günstiger Windstrompreise ab. „Wenn Unternehmen Standorte verlagern, dann eher ins Ausland und aus anderen Gründen als den Energiepreisen“, heißt es. Dagegen hatten Sachsens Industrie- und Handelskammern kürzlich aus den Ergebnissen einer Umfrage berichtet, dass jede zehnte Firma an eine Produktionsverlagerung ins Ausland denke. Ein weiterer Anstieg der Strompreise stelle ein „unkalkulierbares Risiko für den Wirtschafts- und Investitionsstandort Sachsen“ dar, hatte Leipzigs Kammerchef Thomas Hofmann betont. Und: Die Verbraucher werden sich laut Studie zwar immer energiebewusster verhalten. Die dadurch gewonnene Einsparung werde jedoch durch vermehrte Nutzung von Elektrogeräten überkompensiert.

Foto: André Kempner

„Leipzig ist ein gut vernetzter Standort“

INTERVIEW und mittelständische Unternehmen. Der Verein beteiligt sich an den Clusterteams in den Bereichen erneuerbare Energien, Elektromobilität oder Bioenergie. Der NEU e.V. bietet Raum für Austausch und Kooperation bei gemeinsamen Projekten, die einen intensiven Technologietransfer zwischen Wirtschaft und Wissenschaft und umfassende Vermarktungschancen für Produkte und Dienstleistungen ermöglichen. Gibt es bereits einen vorzeigbaren Vermarktungserfolg? Der Netzwerk Energie & Umwelt e.V. hat den Bronze Status der Cluster Exzellenz Initiative erhalten. Dadurch ergeben sich deutlich bessere Chancen für die Einwerbung von Fördermitteln für den Energie- und Umweltcluster in Leipzig. Die überregionale Wahrnehmung Leipzigs und der Region als gut vernetzter Standort für Energie- und Umwelttechnologie wird mit diesem Status weiter gesteigert. Können Sie ein Beispiel für innovationsunterstützende Maßnahmen der Stadt nennen? Die Wirtschaftsförderung ist Koordinator, Berater und oft Impulsgeber. So wurde ausgehend von der Unterstützung durch die Stadt Leipzig das Projekt eines „Innovationszentrums für Bioenergie“ auf den Weg gebracht. Das Projekt wird durch das Deutsche Biomasseforschungszentrum und den Clusterverein Netzwerk Energie & Umwelt umgesetzt. Ziel des Projektes ist es, kleinen und mittleren Unternehmen Büroflächen zur Unternehmensentwicklung zur Verfügung zu stellen. Welches sind weitere Schwerpunkte für das Jahr 2013? Elektromobilität bleibt natürlich in diesem Jahr ein Thema. Beispielsweise ist BMW dabei, den Standort Leipzig zu einem Kompetenzzentrum für Elektromobilität auszubauen. Die Stadtwerke Leipzig und ihre Partner bei HTWK, Universität Leipzig, Fraunhofer MOEZ und DBFZ haben für die Projekte im Rahmen des Schaufensters Elektromobilität Bayern – Sachsen Förderzusagen für die nächsten drei Jahre in Höhe von mehreren Millionen Euro erhalten. Smart Metering, Energiespeicherung sowie die Vernetzung mit internationalen Partnern bleiben wichtige Handlungsfelder. Mitte des Jahres findet das Symposium „Energiecluster trifft Wissenschaft“ und gegen Ende 2013 das bereits 7. „Expertentreffen Energiemetropole Leipzig“ statt. Es bietet eine Plattform, um über die Entwicklungen in der Energieregion Leipzig zu diskutieren.

Sicher ist sicher: Viele Deutsche setzen auf Energiegenossenschaften.

Foto: dpa

Energie in Bürgerhand Zahl der Genossenschaften nimmt rasant zu / Beteiligung meist ab 100 Euro möglich Das Modell der Energiegenossenschaften boomt. 650 gibt es mittlerweile in Deutschland, 150 davon wurden allein 2012 gegründet. Immer mehr Menschen investieren in solche lokalen Gemeinschaften und nehmen per Solaranlage, Windpark oder Biogasanlage die Energiewende selbst in die Hand. Wie jede Genossenschaft besteht auch eine Energiegenossenschaft aus mindestens drei Personen. Die Einbindung ortsfremder Anleger kann dann von Vorteil sein, wenn vor Ort nicht ausreichend Kapital für ein großes Projekt akquiriert werden kann. Genossenschafts-Anteile gibt es ab 100 Euro: Die tatsächliche Beteiligung liegt meist bei 3000 Euro. Und: Die Geldanlage lohnt sich. Zinsen gibt es ab dem ersten Jahr, durchschnittlich sind es zwischen vier und fünf Prozent. Motivation sei in der Regel aber nicht allein die Aussicht auf eine attraktive Rendite, sagt Andreas Wieg, Abteilungsleiter Vorstandsstab beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV): „Die erneuerbaren Energien und die regionale Wertschöpfung zu fördern, motiviert die Menschen zur Gründung einer Genossenschaft.“ Das hatte

rechnet, hängt daher von der SubventiGenossenschafts-Gründer Friedrich Wilonspolitik ab. helm Raiffeisen vor rund 150 Jahren geDass das Konzept der Genossenschaft meint, als er das Motto ausgab: „Das nicht nur auf dem Land funktioniert, Geld des Dorfes dem Dorfe“. Konkret zeigt das Beispiel der Neuen Energie Gesieht das so aus: Bürger investieren in nossenschaft Potsdam. Sie nutzt primär die Infrastruktur ihres Ortes, Kapitalgedie Dächer von öffentlichen Gebäuden. ber sind die örtlichen Banken, lokale Die acht Gründungsmitglieder gingen Baufirmen erhalten die Aufträge – und 2008 mit einer Fotovoltaikanlage auf die Einnahmen fließen zurück in die Tadem Dach einer Schule an den Start. schen der Bürger. In Großbardorf – eiHeute gehen die Stromerträge der nem Ort im unterfränkischen Landkreis 700 Quadratmeter großen Anlage direkt Rhön-Grabfeld – etwa zahlt der Energieins Potsdamer versorger Eon Netz und ver40 Cent pro sorgen durcheingespeister schnittlich 18 KilowattstunHaushalte im de, soweit die Jahr. Dabei Genossenwird es nicht schaftsmitgliebleiben, wie der den Strom Sophie Haebel nicht selbst vom Genossenverbrauchen. s c h a f t s - Vo rDas funktiostand ausführt: niert allerdings „Mittlerweile nur dank staathaben wir 90 licher AbnahMitglieder und meverpflichein tung. Ob sich Fünf Prozent Rendite verspricht Netzbetreiber Ten- konnten die Anlage net. Foto: dpa zweites Projekt

initiieren.“ Potenzial sieht Andreas Wieg in großen Städten auch im Bereich der Nahwärme: „Das ist ein Heizkraftwerktyp, der auch in den Städten und auch in Form von Genossenschaften weiter ausgebaut werden könnte.“ Voraussetzung dafür: Biomasse in greifbarer Nähe, denn ohne natürliche Rohstoffe funktionieren Erneuerbare Energien weder auf dem Land, noch in der Großstadt. In Schleswig-Holstein können sich Bürger ab dem Sommer erstmals in Deutschland mit eigenem Geld am Ausbau einer neuen Stromleitung beteiligen. Der Netzbetreiber Tennet will für den Bau einer Leitung, die Windstrom entlang der Nordseeküste nach Süden leiten soll, bis zu 40 Millionen Euro an privatem Kapital einwerben. Lex Hartman aus der Geschäftsführung des Netzbetreibers sagte, die angebotene Verzinsung werde um die fünf Prozent liegen. Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) lobte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das Vorhaben: „Eine finanzielle Beteiligung von Bürgern an Netzen ist eine klasse Idee.“ Es sei auch ein Beleg dafür, dass „Politik und Tennet zusammen Probleme lösen können“.

Stadtwerke erinnern Politik an ihre Verantwortung Leipzigs Stadtwerke-Chef Thomas Prauße über Preise, Netzentgelte und Kraft-Wärme-Kopplung Zum weiteren Ausbau regenerativer Energien ist die Entwicklung von Speichern für Sonnen- oder Windkraft „ein wesentlicher Faktor“. Das sagte Thomas Prauße, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke Leipzig, im Vorfeld des Ostdeutschen Energieforums. „Wir treten bei der Energiewende auf der Stelle“, mahnte Prauße. „Wir brauchen Speicher für 14 Tage, haben aber nur welche für drei Stunden.“ Frage: Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) ist mit seiner Strompreisbremse vorerst gescheitert. Konkrete neue Pläne, die einen weiteren Anstieg des Strompreises verhindern sollen, gibt es nicht – dennoch will er an die Ursachen der Kostensteigerungen ran. Thomas Prauße: Es ist gut, dass jetzt ganz offensichtlich der Druck aus der Bevölkerung in Richtung bezahlbarer Strompreise bei der Bundesregierung angekommen ist. Der Vorschlag von Herrn Altmaier nimmt eine offenkundige Fehlentwicklung ins Visier und stellt hoffentlich den Beginn dar, den unkontrollierten Ausbau von Wind- und Sonnenenergie zu begrenzen. Diesen unkontrollierten Ausbau kann die Energiewirtschaft nicht verkraften.

Eigenerzeugung auf Gaskraft25 Prozent regenerative Energien werken basiert, selbst wenn sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nach dem Prinzip der Kraftsind zu viel, weil die anderen SysWärme-Kopplung arbeiten. Geteme, etwa die Netze, noch nicht nau da gilt es anzusetzen, nicht in ausreichendem Maße vorhanim Interesse der Stadtwerke, den sind. sondern im Interesse der VerDie Zeche zahlt der Verbraubraucher. cher? Wo liegt das Problem? Das ist politisch so gewollt – die Thomas Die gewollte Förderung der Energieversorger sind lediglich Prauße Kraft-Wärme-Kopplung bedingt die Geldeintreiber des Staates. moderne Gas- und Wir ziehen den Zorn INTERVIEW Dampfkraftwerke. auf uns, der eigentMomentan ist aber lich der Politik gedurch den zu großen bührt. Je mehr die Ausbau von Wind und Sonne genau das Menschen erkennen, wer der eigentliche Gaskraftwerk benachteiligt. GaskraftwerAbsender der Zahlungsaufforderung ist, ke sind kostenintensiver im Vergleich zu desto besser ist es. Die Politiker müssen Kohlekraftwerken, so dass sich ihr Betrieb sich klar zu ihrer Verantwortung bekenim Vergleich zu Kohlekraftwerken weninen und nicht versuchen, die unangenehger rechnet. Die teurer produzierenden, me Seite der Energiewende, nämlich die aber umweltschonenden Gaskraftwerke Kostensteigerung, den Energieversorgern werden systematisch aus dem Markt gein die Schuhe zu schieben. Die exorbitandrängt. Das führt dazu, dass die viel stärten Preissteigerungen, etwa beim Strom, ker CO2 freisetzenden Kohlekraftwerke gehen ausschließlich auf politische Entscheidungen zurück. wieder attraktiv werden. Es mehren sich Stimmen, dass die Inwiefern sind die Stadtwerke dennoch Stadtwerke doch nicht die Gewinner der ein unverzichtbarer Bestandteil der EnerEnergiewende sein werden. giewende? Probleme haben alle Stadtwerke, deren Als regionale Energieversorger bilden Foto: André Kempner

Frage: Wie wird die Zukunftsfähigkeit des Energiestandortes Leipzig gefördert? Uwe Albrecht: Die vorhandenen Kompetenzen wurden im Verein Netzwerk Energie & Umwelt (NEU e.V.) gebündelt. Hand in Hand mit der städtischen Wirtschaftsförderung werden dabei konkrete Projekte umgesetzt. Zu den Akteuren zählen mittlerweile 48 Mitglieder aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, darunter auch Forschungseinrichtungen wie das Umweltforschungszentrum (ufz) oder die Universität Leipzig, aber auch viele kleine

sie die Nahtstelle zwischen der Politik, den Netzbetreibern und den Verbrauchern. Die Stadtwerke kennen genau die Erwartungen ihrer Kunden, aber auch ihre Fragen und Nöte. Unsere Aufgabe ist es, die Energiepolitik an ihre Verantwortung zu erinnern: Ehrlichkeit gegenüber den Menschen, was die Energiewende bedeutet und Lösungen zu finden, die auch bei gegensätzlichen Interessen einen gerechten Ausgleich herbeiführen. Welche nächsten Schritte sind erforderlich, damit die Energiewende eine Erfolgsstory wird? Die Entwicklung der erneuerbaren Energien geschieht in einem sehr dynamischen Umfeld. Daher ist es notwendig, ein integriertes Energiemarktdesign zu entwerfen – wie auch von Verband Kommunaler Unternehmen und einer Kooperation von acht großen kommunalen Energieversorgungsunternehmen vorgeschlagen. Das sollte folgende Schwerpunkte enthalten: den Ausbau der flexiblen und dezentralen Erzeugung, einen bedarfsgerechten Netzausbau, die Entwicklung von Speichertechnologien sowie die Marktintegration der erneuerbaren Energien.

IMPRESSUM Verlagsbeilage der Leipziger Volkszeitung Chefredakteur: Jan Emendörfer Redaktion: Ulrich Milde, Frank Johannsen, Kai Kollenberg, Frank Lindscheid, Patrick Tiede, Petra Rückerl, Jürgen Kochinke, Robert Büssow Leipziger Medien Service GmbH (Simone Liss) Tel.: 0341-2181 1408 Fax: 0341-2181 1568 E-Mail: wirtschaft@lvz.de Fotos/Grafiken/Content: dpa, dapd, AFP, Daniel Wetzel Anzeigen: Dr. Harald Weiß Herstellung und Druck: Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft mbH & Co. KG, Peterssteinweg 19, 04107 Leipzig


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