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Die Angst, peinlich zu sein

Manche Menschen fürchten sich vor Aufmerksamkeit und davor, abgelehnt oder ausgelacht zu werden. Ohne Grund. Auslöser ist eine negative Einstellung gegenüber sich selbst. Wie sich die Angststörung äussert und behandeln lässt.

Text: Silvia Schütz Illustration: Anja Wicki

Was sind die Ursachen dafür?

Ich bin oft lieber zu Hause, als mich mit Leuten zu treffen. Ist das bereits eine Soziophobie?

Nein. Geht man davon aus, dass jemand zu Hause lieber ein Buch liest, die Pflanzen auf dem Balkon pflegt, kocht, häkelt, meditiert oder einfach nichts macht und sich auf sich selbst konzentriert, ist das keine Soziophobie. Das ist wertvolle Zeit für sich selbst –neudeutsch «Me Time» – die grundsätzlich guttut.

Es ist eine Angststörung. Angst vor Aufmerksamkeit und die Furcht, sich peinlich und beschämend zu verhalten. Im Zentrum steht das negative Kopfkino in Bezug auf sich selbst – ohne Basis in der Realität. Gedanken wie «Was denken andere? Sicher denken sie schlecht über mich» sind typisch. Betroffene werden während sozialer Kontakte schnell rot oder blass, zittern, haben Schweisshände und vermeiden Augenkontakt.

Was sind schwere Soziophobien?

Warum wird ein Mensch soziophob?

Wann wird

Rückzug ein Problem?

Wenn betroffene Menschen soziale Situationen vermeiden, weil sie Angst vor Kontakt mit Menschen haben und sich aus diesem Grund total zurückziehen. Es handelt sich dann nicht mehr darum, sich selbst etwas Gutes zu tun. Im Gegenteil: Angst vor anderen Menschen ist der treibende Faktor, um sich in der Wohnung zu verschanzen.

Leiden alle Betroffenen gleich stark?

Nein, die Ausprägungen sind unterschiedlich, von leicht bis schwer. Eine schwere Soziophobie muss medikamentös mit Antidepressiva behandelt werden. Eine leichte soziophobische Episode ist, wenn man etwa im Ausland unterwegs ist und sich nicht gut verständigen kann. Dann kann eine temporäre, leichte Angstsituation entstehen, die Unsicherheit und Hemmungen verursacht.

Das lässt sich an zwei Beispielen gut zeigen. Beispiel 1: Einem sehr scheuen, jungen Programmierer gefällt eine junge Frau. Seit knapp vier Jahren hat er Angst, sie anzusprechen. «Was, wenn sie mich ablehnt?» Aufgrund des negativen Kopfkarussells vermeidet er den entscheidenden Schritt. Beispiel 2: Eine junge, erfolgreiche Frau vermeidet alle Anlässe und Apéros. Sie mag keinen Smalltalk. Ihr Selbstbild: Ich bin nicht lustig und werde deshalb ausgelacht.

Ungeschickte, auch unabsichtlich gemachte Bemerkungen der Eltern, Gewalterfahrung in der Familie und Mobbing in der Schule können sehr kränkend wirken. Mobbingopfer sind oft «dankbare Opfer», weil die soziale Umgebung die Unsicherheit spürt. Die verschiedenen Kränkungen beim betroffenen Menschen sitzen tief und ziehen ihn immer noch weiter hinunter.

Was können Betroffene tun?

Sich Hilfe holen – um zu erkennen, dass sich ein Gedankenmuster stets wiederholt, und zu ergründen, woher es stammt. In einer psychosozialen Beratung lernt man, seine Eigenwerte und das eigene Potenzial zu entdecken und auszuleben. Dieser Prozess kann Jahre dauern.

Wie lernen Betroffene, den Alltag zu meistern?

Eine konkrete Hilfe für das Meistern des Alltags ist die Konfrontationstherapie: Die Therapeutin geht mit dem scheuen Klienten eine Aufgabe an. Etwa muss er in der Migros fragen, wo sich der Orangensaft befindet. Eine riesige Überwindung, auf die er körperlich mit Schwitzen reagieren kann. Die Therapeutin ist immer in der Nähe und kann sofort zur Stelle sein. Erhält der Klient auf seine Frage ein ganz normales «dort» als Antwort, ist dies für ihn ein Erfolgserlebnis.

Wie kann man einer Soziophobie vorbeugen?

Hinausgehen, etwa das Vereinsleben suchen, irgendwo dabei sein. Freundschaften und Kontakte pflegen, weniger auf den sozialen Medien unterwegs sein. Ein guter Gedanke ist: «Ich muss nicht allen gefallen.»

Die Expertin: Kristina Inglin ist psychosoziale Beraterin (SGfB) bei Wepractise und spezialisiert auf Soziophobie.

Meditieren hilft der Psyche: Infos auf impuls.migros.ch/ meditation iMpuls ist die Gesundheitsinitiative der Migros.

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