Humor im therapeuthischen Prozess

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Humor – Eckhard Lotze rückt diesen für die Pflege bislang zu wenig berücksichtigten Aspekt menschlicher Fähigkeiten in das Scheinwerferlicht des Interesses. Der Humor birgt als „Haltung zur Welt“ therapeutisches Potenzial für Pflegeempfänger, sogar für Pflegende selbst. Doch es geht in diesem Buch um mehr: Humor ist dazu geeignet, der Beziehung zwischen Pflegenden und Pflegeempfängern neue Qualität zu verleihen und sie so potenziell zu verbessern. Mit diesem Ziel sollte der Humor – so wird plausibel gemacht – in den Katalog der professionellen Handlungskompetenzen von Pflegenden aufgenommen werden. Durch die Näherbetrachtung des therapeutischen Humors erinnert der Autor daran, was der Ursprung und Kern beruflicher Pflege ist: die helfende Beziehung! Pflegende sind Therapeuten – man muss sie nur lassen.

ISBN 978-3-935964-19-7

Mabuse-Verlag

Humor im therapeutischen Prozess

13.02.2003

Eckhard Lotze

Humor im therapeutischen Prozess Dimensionen, Anwendungsmöglichkeiten und Grenzen für die Pflege

Eckhard Lotze

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Mabuse-Verlag


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Eckhard Lotze, geboren 1968, hat den Beruf des Krankenpflegers gelernt und ist Ăźber den Umweg eines Medizinstudiums zum Studium der neuen Wissenschaftsdisziplin Pflegewissenschaft gekommen. Als Pflegewissenschaftler arbeitet er beim Gesundheitsamt Bremen an der Entwicklung von Konzepten und Strukturen zur zukĂźnftig kultursensibleren pflegerischen Betreuung von Migrantinnen und Migranten. Er ist Mitglied bei HumorCare Deutschland (www.humorcare.com).


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Humor im therapeutischen Prozess Dimensionen, AnwendungsmĂśglichkeiten und Grenzen fĂźr die Pflege

Mabuse-Verlag Frankfurt am Main


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3. Auflage 2016 © 2003 Mabuse-Verlag GmbH Kasseler Str. 1 a 60486 Frankfurt am Main Tel.: 069-70 79 96-13 Fax: 069-70 41 52 verlag@mabuse-verlag.de www.mabuse-verlag.de www.facebook.com/mabuseverlag

Umschlaggestaltung: Marianne Gräber, Frankfurt am Main Umschlagfoto: Irmi Long, Frankfurt am Main Druck: Faber, Mandelbachtal ISBN: 978-3-935964-19-7 Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten


Inhaltsverzeichnis

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Inhalt Danksagung______________________________________________ 8 Geleitwort________________________________________________ 9 Vorwort_________________________________________________ 11 Einleitung und Erkenntnisinteresse __________________________ 16 1. Was ist Humor? ________________________________________ 22 1.1 Etymologische und historische Annäherung _____________ 1.1.1 Der Wortursprung ________________________________ 1.1.2 Der Bedeutungswandel des Wortes___________________ 1.1.3 Die Eindeutschung des Humorbegriffs bis in die Moderne

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1.2 Entstehung der Humortheorien _______________________ 29 1.2.1 Perspektiven auf den Humor ________________________ 29 1.2.2 Aktuelle Humortheorien ___________________________ 30 1.3 Exkurs zur psychoanalytischen Humortheorie Sigmund Freuds __________________________________________________ 1.3.1 Der Witz _______________________________________ 1.3.2 Die Komik ______________________________________ 1.3.3 Der Humor______________________________________

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1.4 Ausgewählte Tendenzen der Humorforschung ___________ 1.4.1 Vom „state“ zum „trait“____________________________ 1.4.2 Die empirische Forschung über Humor _______________ 1.4.3 Der „Sinn für Humor“ _____________________________ 1.4.4 Zukunftsperspektiven _____________________________

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1.5 Zusammenfassung __________________________________ 42 2. Gelotologie – Die Lachforschung__________________________ 44 2.1 Das Lachen ________________________________________ 44 2.2 Erkenntnisse der Gelotologie _________________________ 46 2.3 Lachen ist nicht Humor ______________________________ 48 2.4 Auswirkungen positiver Emotionen am Beispiel des Lachens48 2.5 Zusammenfassung __________________________________ 52


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3. Wirkungen des Humors in der Therapie ____________________ 53 3.1 Beispiele aus der Psychotherapie ______________________ 53 3.1.1 Die rational-emotive Therapie (RET) _________________ 53 3.1.2 Die Provokative Therapie __________________________ 54 3.2 Beispiele aus der Heilpädagogik _______________________ 55 3.2.1 Fallbeispiel _____________________________________ 55 3.2.2 Der Clown in der Heilpädagogik ____________________ 56 3.3 Die Definition des „therapeutischen Humors“ ___________ 56 3.4 Zusammenfassung __________________________________ 57 4. Die Bedeutungsdimensionen des Humors für eine zukunftsorientierte Pflege_____________________________________ 59 4.1 Der Humor im pflegerischen Bezugsrahmen_____________ 59 4.1.1 Humor und Pflegepraxis ___________________________ 60 4.1.2 Humor und Pflegewissenschaft ______________________ 61 4.2 Der Paradigmenwechsel in der Pflege als Chance für den Humor __________________________________________________ 4.2.1 Wittnebens Modell der multidimensionalen Patientenorientierung _____________________________________ 4.2.2 Die gesundheitsfördernde Pflege_____________________ 4.2.3 Der „Sinn für Humor“ als personale Ressource von Pflegeempfängern _______________________________________

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4.3 Zusammenfassung und Perspektive ____________________ 83 5. Die Anwendungsmöglichkeiten des Humors als Pflegeintervention ___________________________________________ 86 5.1 Das Pflegeprozessmodell im Humorkontext _____________ 5.1.1 Das Pflegeprozessmodell __________________________ 5.1.2 Die Humoranamnese ______________________________ 5.1.3 Die Planung des Humoreinsatzes ____________________ 5.1.4 Die Durchführung der Humorintervention _____________ 5.1.5 Die Evaluation des Humoreinsatzes __________________

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5.2 Kritische Betrachtung _______________________________ 95 6. Die Integration des Humors in die Curricula der Pflegebildung _ 97


Inhaltsverzeichnis

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6.1 Die Pflegepädagogik und der Humor ___________________ 98 6.2 Untersuchung gängiger Curricula: Humorlose Pflege? ___ 100 6.3 Anforderungen an neue Pflegecurricula _______________ 105 6.4 Humor als Schlüsselqualifikation von Pflegenden _______ 107 6.5 Zusammenfassung _________________________________ 110 7. Die Grenzen des Humors für die Pflege ____________________ 112 7.1 Die Unabhängigkeit des Humoreinsatzes von medizinischen Diagnosen ______________________________________________ 112 7.2 Das Humorkontinuum ______________________________ 113 7.3 Hilfreicher und verletzender Humor __________________ 114 7.4 Mögliche Fehler beim Humoreinsatz __________________ 116 7.5 Die Ablehnung therapeutischen Humors _______________ 117 7.6 Die erforderliche Diskussion ethischer Richtlinien _______ 118 7.7 Strukturelle Innovationen durch Humor? ______________ 120 7.8 Zusammenfassung _________________________________ 124 8. Ausblick – die Zukunft der „humorvollen“ Pflege ___________ 126 8.1 Die neue Ausbildung _______________________________ 126 8.2 Eine veränderte Berufspraxis ________________________ 128 8.3 Humor als ein neuer Inhalt der Pflegeforschung ________ 129 Schlusswort ____________________________________________ 131 Literaturverzeichnis______________________________________ 132 Internetverzeichnis ______________________________________ 140 Anhang _______________________________________________ 141


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Danksagung Dieses Buch war nicht immer eins. Es hat als schüchterne Diplomarbeit im pflegewissenschaftlichen Fachbereich der Universität Bremen begonnen. Ich bin froh, dass ich nun durch den Mabuse-Verlag die Möglichkeit bekomme, „mein Thema“ bekannter zu machen. Zu einem lobenden oder kritischen Austausch mit den Lesern bin ich gerne bereit. Ich danke allen, die mich beim Schreiben und Durchdenken dieser Arbeit/dieses Buches unterstützt haben. Genannt seien an dieser Stelle in Auswahl: Iren Bischofberger, Prof. Stefan Görres, Prof. Otto Döhner, Joachim Lotze und Roswitha Zago.


Geleitwort

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Geleitwort Das Thema des vorliegenden Buches ist bisher für die Pflege und Pflegewissenschaft nicht entdeckt. Ein Grund dafür mag die Frage sein, inwieweit es legitim ist, sich in Zeiten grundlegender Probleme in der Pflegepraxis und einer andauernden Richtungssuche der Pflegewissenschaft einem Thema zu widmen, das scheinbar mit den Realitäten von Sparpolitik, Personalknappheit und Etablierung einer neuen Wissenschaftsdisziplin wenig gemein hat. Dabei ist Humor sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft kein unbekanntes Phänomen. Und: Humor ist ein konstitutives Element menschlicher Existenz und damit auch für die Pflege relevant. Durch das vorliegende Buch wird der Humor sozusagen in einen pflegerischen und pflegewissenschaftlichen Bezugsrahmen gestellt und es wird deutlich gemacht, dass der Paradigmenwechsel in der Pflege, d. h. die Abwendung vom rein naturwissenschaftlichen, krankheitsorientierten hin zum gesundheitsfördernden, ressourcenorientierten Paradigma, geradezu als Chance für den Humor und seine Etablierung als pflegerische Intervention gesehen wird. Anhand ausgewählter Beiträge der Humorforschung und Wirkungen des Humors in der Therapie – so etwa auf das Immunsystem, die Entspannung zahlreicher Muskelpartien und die Förderung von Wohlbefinden – zeigt der Autor, dass Humor vor allem eine unterstützende Funktion bei der Bewältigung von schwierigen Lebenssituationen und der Ressourcenaktivierung hat. Vermutungen – so der Autor – gehen sogar so weit, im Humor eine entscheidende Variable nicht nur beim Gesundwerden, sondern auch beim Gesundbleiben, also im primärpräventiven Sinne, zu sehen. Angesichts der therapeutischen Wirkungsweise des Humors gilt eine abschließende Überlegung der Möglichkeit, den Humor in die Curricula der Pflegeaus-, fort- und -weiterbildung dort zu integrieren, wo es einerseits um interaktive therapeutische Konzepte im Sinne einer Gesundheitsförderung und andererseits die dazu notwendigen kommunikativen und sozialen Kompetenzen geht. Dem Humor wohnt – so der Autor – ein Bildungsmoment inne, das ihn als personale "Dach"-Kompetenz von Pflegenden erstrebenswert macht, weil er sich auf Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenzbereiche bezieht. Humor als eine Schlüsselqualifikation von Pflegenden?


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Hingewiesen wird allerdings auch auf die Grenzen des Humors für die Pflege. Humor ist nicht nur als hilfreiche, therapeutische, sondern auch mitunter verletzende Kategorie anzusehen angesichts existentiell bedrohlicher Situationen von Pflegeempfängern. In der Summe fordert deshalb der Autor auch zurecht sogenannte "ethische Leitplanken", was den Einsatz therapeutischen Humors betrifft. Ein Ausblick auf die Zukunft der "humorvollen" Pflege und das mögliche Entwicklungspotential zeigt, dass das Wissen über therapeutischen Humor integraler Bestandteil jeder Pflegeausbildung sein kann. Dies wirkt sich auch auf die Praxis des Pflegeberufs aus. Pflegende sind ihrem Selbstverständnis nach in der Zukunft Salutotrainer und der Autor äußert die Hoffnung, dass sich der Humor eines Tages als zutiefst humane, gesundheitsfördernde Grundhaltung in der Pflege etablieren wird und eine ihm gebührende Würdigung für eine professionelle Beziehungsgestaltung zukommt. Die vorliegende Arbeit kann als eine Pioniertat im Bereich der Pflege(wissenschaft) verstanden werden und führt zu vielfachen Forschungs- und Praxisfragen um das Phänomen des Humors herum. Damit ist es dem Autor gelungen, eine Brücke zu schlagen für das in der Pflege kaum beachtete und doch gegenwärtige Alltagsphänomen und seinen gesundheitsfördernden und ressourcenstärkenden Aspekten, die es durch Pflegeforschung und Pflegepraxis zu entdecken und fruchtbar zu machen gilt.

Prof. Dr. Stefan Görres Universität Bremen Institut für angewandte Pflegeforschung (iap)


Vorwort

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Vorwort Humor ist ein Alltagsbegleiter und tritt fast jedem Menschen täglich vor Augen. Sogar in der Pflege entdeckt man immer wieder Inseln des Humors, die wachen Auges jedermann erkennen kann. Zu Beginn der Bearbeitung dieses Themas jedoch entstand schon nach kurzer Zeit die drängende Frage: Ist es legitim, in Zeiten grundlegender Probleme in der Pflegepraxis und einer andauernden Richtungssuche der Pflegewissenschaft ein Thema in den Vordergrund zu rücken, das sich scheinbar abgehoben und fern der Arbeitsrealität sowie der Forschungsinteressen der Pflegeexperten bewegt? Nach langer Zeit der Beschäftigung mit der Theorie und der Praxis des Humors erlaube ich mir die Antwort: Ja, und gerade deshalb ist es legitim! Diese Einschätzung wird am Ende dieses Buches – so denke ich – verständlich und ausreichend begründet erscheinen. Um im weiteren Verlauf jede apologetische Grundhaltung zu vermeiden, gehe ich an dieser Stelle bewusst kurz auf potentielle Bedenken und Einschränkungen aus Praxis und Theorie ein: Möglichen Einwänden von Pflegepraktikern ist zu entgegnen: Die Beschäftigung mit dem Humor hat keinesfalls die Funktion, als „Opium“ für zurecht unzufriedene Mitarbeiter des größten Gesundheitsberufes der Bundesrepublik – der Pflege – zu dienen. Ohne die dringend notwendige gesellschaftliche Höherbewertung der Pflege werden keine berufspolitisch relevanten Probleme zu lösen sein. Jedoch sei angemerkt, dass Professionalisierung durch Akademisierung der Ausbildungswege und andere makrostrukturelle Veränderungen nur eine strategische Option für die Pflege sein müssen. Diese sollen in diesem Buch Berücksichtigung finden. Aber es wird die Pflege bewusst auch von der unmittelbar interaktionalen Seite, der Pflegende-Pflegeempfänger-Beziehung, her betrachtet. Und hier sehe ich ein weites, wenig bearbeitetes Gebiet für das Wissen über den therapeutischen Nutzen von Humor. Die Pflegeexpertin Christel Bienstein beschrieb jüngst bei einem Symposium zur Zukunft der Pflegeausbildung drei Grundforderungen, die laut Umfragen in der Bevölkerung an eine „gute Pflege“ gestellt werden: • Dem Patienten freundlich begegnen. • Die Meinung des Patienten akzeptieren. • Krisen gemeinsam meistern.


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Da die Professionalisierungsbestrebungen der Pflege in starkem Maß von der gesellschaftlichen Akzeptanz abhängen, müssen solche Umfrageergebnisse ernst- und aufgenommen werden. Wo in der Pflege immer stärker Kernkompetenzen wie Begleitung von Menschen, kommunikative und kooperative Fähigkeiten verlangt werden, müssen eben auch für diese Bereiche neue, fundierte Wissensinhalte Bedeutung erlangen und in die Ausbildung einfließen. Wer also den Versuch unternimmt, die berufliche Tätigkeit der professionell Pflegenden nach den o.g. Kriterien auszurichten, kommt an der Näherbetrachtung des Humors und seinem etwaigen therapeutischen Nutzen für die Pflege nicht vorbei. Und es wird sich herausschälen, dass Humor tatsächlich in einem Atemzug mit Pflege genannt werden darf, eine in der Vergangenheit kaum vorstellbare, fast verboten erscheinende Konnotation. Es ist gewiss kein leichtes Unterfangen, aber Humor ist auch aus wissenschaftlicher Perspektive ein zwar exotisches, doch vielleicht eben deshalb wertvolles Forschungsgebiet, dem über 250 Wissenschaftler weltweit ihr Interesse widmen. Und gerade der therapeutische Humor ist ein Thema, mit dem es sich durchaus wissenschaftlich zu beschäftigen lohnt. Bei der „Humorrecherche“ eröffnen sich dem Interessierten ungeahnte Horizonte und er entdeckt verdienstvolle geistige Vorbilder, die zwar nicht explizit für die Pflege geforscht, aber große Verdienste auf diesem Wissensgebiet in benachbarten (therapeutischen) Disziplinen erworben haben. Das Argument, dass man bisher nicht genug über den therapeutischen Nutzen von Humor wisse, rechtfertigt höchstens stärkere Forschungsbemühungen in den Humanwissenschaften und erscheint mir nicht geeignet, Arbeiten auf diesem Feld als überflüssig abzutun. Die Pflege und ihre Wissenschaft befasst sich mit dem Menschen in seiner Gesamtheit, nicht nur in Zeiten von Krankheit, sondern zunehmend – mit primärpräventivem Anspruch – in Zeiten der Gesundheit. Dass deshalb der Humor als ein seit der Antike und in allen Gesellschaften dokumentiertes Grundphänomen menschlichen Daseins Aufmerksamkeit verdient, ist sogar ohne den Gesichtspunkt des therapeutischen Nutzens einleuchtend. Für die Pflege hat allgemein viel zu lange Karl Valentins Ausspruch gegolten: „Mögen hätten wir schon wollen, aber trauen haben wir uns nicht dürfen.“ Auch deshalb habe ich mich dieses Themas angenommen. Wie viele Autoren, die sich ernsthaft mit dem Humor befassen, ist an


Vorwort

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dieser Stelle zu betonen, dass Ziel dieses Buches nicht ist, humorvoll zu sein. Von Paul McGhee, einem seit Jahrzehnten mit dem Humor befassten US-amerikanischen Arzt, gibt es die Anekdote, dass er nach einer Veranstaltung zum Humor auf den Vorwurf einer Journalistin, sein Vortrag sei nun gar nicht komisch gewesen, mit der Bemerkung reagierte, man erwarte ja von einem Sexualwissenschaftler auch nicht, dass er besonders sexy sei. Ähnlich einem „erklärten Witz“ besteht bei der hier geplanten Betrachtung des Humors zwar die Gefahr, dass sich seine manchmal faszinierende Wirkung aufhebt. Aber formalwissenschaftlicher Anspruch und einfache Lust am Humor sind nicht leicht miteinander zu versöhnen. Ein Versuch, beides in einem Rahmen wie diesem zu verbinden, führt sehr schnell zur Lächerlichkeit. Und das wäre dem Anliegen dieses Buches exakt entgegengesetzt.



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Quelle: Larson, G.: Dumme Vögel – Far Side Collection. München 1990


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Einleitung und Erkenntnisinteresse Dieses Buch beschäftigt sich mit einem im Alltag schon aufdringlich erscheinenden Phänomen. Es wird der Humor untersucht. Dieser quillt aus allen Massenmedien und gilt als die am positivsten besetzte menschliche Eigenschaft, wenn man Zeit(geist)schriften, entsprechenden Sendungen und ihren Konsumenten glauben will. Dass der Humor jenseits der vielbeschworenen Spaßgesellschaft ein wichtiges Instrument des sozialen Miteinanders ist und sogar therapeutische Effekte erzielen kann, gilt es für die Humanwissenschaften und insbesondere die Pflege zu entdecken. Es verwundert, dass ein so selbstverständliches Merkmal des Menschen bisher kaum Beachtung in der Literatur der Pflege gefunden hat. Dieses Buch soll einen Beitrag dazu leisten, dass der Humor für die Pflege entdeckt wird und damit begonnen wird, ihn „ernst zu nehmen“. Die Pflegeprofession befindet sich in einem beschleunigten Wandel. Dieser wird teils von den Pflegenden selbst, zu großen Teilen aber auch durch die gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen, in denen sich Pflege vollzieht, bestimmt. Viele Pflegende beginnen dadurch ihre Disziplin aus neuen Blickwinkeln zu betrachten. Es gilt, die notwendigen Veränderungen positiv für die Pflege zu deuten und als Chance für die weitere eigenaktive Professionalisierung unserer Disziplin zu begreifen. Während das traditionell überkommene Bild der Pflege die Eigenschaft des Berufes als „Handwerk“ und „technische Kunst“ (CHINN/KRAMER 1996: 2) betont, wird in der Fachliteratur die Pflege längst viel umfassender und mehrdimensionaler gesehen. So sollte es nicht verwundern, dass auch der „Humor“ als konstitutives Element menschlicher Existenz zunehmend untersucht und vereinzelt auf die Pflege bezogen wird. Humor ist ein Phänomen des Alltags. Er ist in Beziehungen von Menschen zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften gegenwärtig – also universell (BERGER 1998: X). Das macht die Arbeit einerseits einfach. Jeder kennt Humor aus seiner Mitwelt und hat Erfahrungen mit Humor gesammelt. Allerdings handelt es sich beim Wissen der meisten Menschen zum Thema „Humor“ eben um Alltagswissen und betrifft einen nicht immer scharf begrenzten Ausschnitt menschlichen Seins. Dies führt zum Andererseits: Humor ist ein kompliziertes und hoch-


Einleitung

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komplexes Thema. Humor wird „vom Mensch auf der Straße“ unterschiedlichst definiert. Das setzt sich bei näherer Betrachtung bis zu den Koryphäen der Humorforschung fort. Kann denn ein kaum zu operationalisierender Begriff Grundlage von Forschung und Innovation für die Pflege sein? Mut zu Optimismus sollte die Tatsache machen, dass viele Wissensinhalte, die heute selbstverständlich in den Kanon des Pflegewissens Einzug gehalten haben (Basale Stimulation, Kinästhetik, etc.), zunächst auf persönlichen Erfahrungen und „subjektiven Wissensbeständen“ von Pflegenden oder anderer Therapeuten basierten. Erst durch Systematisierung und Strukturierung dieses Wissens wurde es zu objektivierbarem Wissen im wissenschaftlichen Sinne transformiert. Hierzu bedarf es Anstrengung und Forschung, die es bezüglich des Humors in Ansätzen bereits in verwandten Wissenschaftsdisziplinen (Anthropologie, Linguistik, Psychologie u.a.) gibt.1 Es zeichnet sich für die Pflege ab, dass nach der Loslösung vom naturwissenschaftlichen Paradigma Raum für neue Inhalte entsteht. Die Diskussion, ob Humor als Pflege(interventions)konzept Eingang in die Pflege finden soll und kann, ist wichtig. Ein Anliegen dieses Buches ist es, einen Beitrag zu einer derartigen Diskussion zu leisten und einer Antwort näher zu kommen. Das vorliegende Buch ist wie folgt gegliedert: Nach einem ersten allgemeinen Teil zum Humor, seinen Ausdrucksformen und seiner Wirkung in therapeutischen Settings (Kap. 1 – 3) wird im zweiten Teil (Kap. 4 – 8) eine Verbindung zur Pflege hergestellt, die sich auf die im ersten Teil herausgearbeitete „Charakteristik“ des Humors stützen soll. Dabei wird sowohl auf die Pflegepraxis und -theorie sowie die Pflegepädagogik Bezug genommen. Im ersten Kapitel wird der Begriff „Humor“ als Arbeitsgrundlage eingegrenzt. Es nähert sich zunächst aus etymologischer und historischer Perspektive dem Wort „Humor“ an und zeigt anschließend die Entwicklungslinien der Humortheorien auf, um die sehr divergenten Theorieansätze zu klassifizieren. Ein in der gegenwärtigen Humorforschung vielbeachtetes 1

In diesem Buch werden die sprachwissenschaftlichen Bezüge des Humors bewusst weitgehend unberücksichtigt bleiben, die auf diesem Gebiet getätigte Forschung würde den Rahmen dieses Buches überschreiten.


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theoretisches Konstrukt ist der Ansatz des Emotionsforschers Willibald Ruch, der einen „Sinn für Humor“ über den Alltagssprachgebrauch hinaus ausmacht. Diese und weitere für die Pflege wichtige Tendenzen der Humorforschung würden die Grundlage für Forschungsansätze bilden und sie fundieren, wenn sich die Pflege diesem Wissensgebiet zuwendete. Das zweite Kapitel befasst sich mit einem hierzulande fast unbekannten Wissenschaftsgebiet, der Gelotologie. Die am leichtesten zu beobachtende Reaktion auf einen Humorstimulus ist das Lachen. Die gelotologische Forschung befasst sich mit den positiven Effekten des Lachens, sie ist in den USA seit den frühen sechziger Jahren bekannt und wurde durch William F. Fry begründet. Ihn interessierten als Neurologen die physiologischen Auswirkungen des Lachens auf den Menschen. Es wird zu zeigen sein, dass Lachen keineswegs mit Humor gleichzusetzen ist. Lachen ist lediglich ein möglicher Hinweis auf Humor. Es kann auf Humor hinweisen, wenn jemand lacht, jedoch hat das Lachen so viele Ursachen, dass es unzulässig wäre, die beiden Begriffe als deckungsgleich zu betrachten. Abele-Brehm beschreibt die Auswirkungen positiver Emotionen am Beispiel des Lachens und liefert in Verbindung mit den physiologischen Auswirkungen des Lachens Argumente für den Einsatz von Humor im therapeutischen Prozess. Anhand von Erfahrungssammlungen anderer Disziplinen mit Humor sollen im dritten Kapitel die Wirkungen desselben im therapeutischen Prozess vorgestellt und der Begriff des „therapeutischen Humors“ definiert werden. Die Pflege kann aus den angeführten Erfahrungen lernen (Psychotherapie, Heilpädagogik) und daraus eigenständige Entwicklungen für die Zukunft ableiten. Im vierten Kapitel erfolgt zunächst im ersten Abschnitt eine allgemeine Einordnung des Humors in den Bezugsrahmen der Pflege (Praxis, Theorie). Der historisch erst vor kurzer Zeit vollzogene Paradigmenwechsel der Pflege wird danach im zweiten Abschnitt beispielhaft anhand der Begriffe Patientenorientierung, Gesundheitsförderung und Ressourcenorientierung ausgebreitet. Diese Entwicklungen werden als zukunftweisende Chance für die Integration des Humorphänomens in die Pflege nachvollziehbar gemacht. Zum einen werden die Dimensionen des interaktionalen Humorprozesses in den Zusammenhang mit der von Wittneben geforderten Interaktions- und Kommunikationsorientierung der Pflege gestellt. Und zum anderen wird das wichtigste gesundheitswissenschaftliche Konzept


Einleitung

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vorgestellt, weil es herausragend zur Erklärung möglicher gesundheitsfördernder Aufgaben der Pflege geeignet erscheint. Bei dem von Antonovsky so genannten Konzept der Salutogenese geraten erstmalig die Gesundheit und die möglichen gesundheitsfördernden Einflüsse (sozial, psychisch und physisch) in den Mittelpunkt der Forschung. Auf der Grundlage der stresstheoretischen Überlegungen und Bewältigungsvorstellungen im Salutogenesekonzept bekommt der Humor seine Bedeutung als enorm wichtige personale Ressource. Vermutungen gehen sogar so weit, im Humor eine entscheidende Variable nicht nur beim Gesundwerden, sondern auch beim Gesundbleiben (primärpräventives Betätigungsfeld für die Pflege) zu sehen. Der „Sinn für Humor“ kann demnach als personale Ressource eines Pflegeempfängers angesehen und gefördert werden. Und die Pflegekraft ist nach Benner/Wrubel die wichtigste professionelle Person bei der Bewältigung von mit Krankheitserfahrungen verbundenem Stress. In der Zusammenfassung wird ein Bündelung des Beschriebenen vorgenommen und mit Perspektiven für die Zukunft der Pflege verbunden. In der Pflegepraxis wird – noch vereinzelt – bereits Humor bewusst eingesetzt. Diese Praktiken werden im fünften Kapitel genannt und es wird ein Konzept der „Pflegeintervention Humor“ vorgestellt. Die Anwendung des Pflegeprozessmodells auf diese pflegerische Humorintervention wird als Beispiel für die Humoranwendung plausibel gemacht. Wenn der Humor ein gesundheitsförderndes Potential hat, wie bis dahin darzulegen versucht wurde, wäre es zu diskutieren, Erkenntnisse über seine positiven Wirkungen in die Curricula oder die Leitziele der Pflegeausbildung zu integrieren, wie im sechsten Kapitel beschrieben wird. Wenn auch die Erfassung des Humors in expliziten Lernzielen nicht ohne weiteres vorstellbar ist, wäre es doch notwendig, den wachsenden Anteil kommunikativer und sozialer Kompetenzen herauszuarbeiten, die mit dem Humoreinsatz verbunden sind und von der Pflege zurecht gefordert werden. Der Humor könnte sich als „Schlüssel“ zur Bewältigung dieser zukünftigen beruflichen Anforderungsfelder herausstellen. Den Chancen des Humors als Innovator der Pflege-PflegeempfängerBeziehung stehen aber auch Grenzen des Humors entgegen, die im siebten Kapitel aufgeführt werden. Es ist weniger die medizinische Diagnose, die die Angemessenheit von Humor in der pflegerischen Beziehung ausmacht, sondern die Qualität der Pflegebeziehung und die Qualität des Humors. Auf


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einem Humorkontinuum kann die Qualität des Humors zwischen „hilfreich“ und „verletzend“ eingeordnet werden. Argumente gegen Humor in der Therapie leiten über zu der Frage nach einer notwendigen pflegefachlichen und interdisziplinären Diskussion über „ethische Leitplanken“ für den therapeutischen Humor. Ob auch strukturelle Änderungen die Folge einer Wahrnehmung des Humors in Institutionen des Gesundheitswesens sein können, soll am Ende des Kapitels kritisch diskutiert werden. Den Abschluss dieses Buches bildet im achten Kapitel ein Ausblick auf mögliche Perspektiven der weiteren Entwicklung des Humors für Zwecke der Therapie in der Pflege. Eine Veränderung der praktischen Pflege und ihrer Ausbildung durch die Einbeziehung des Humors als ein theoretisch durch andere Zweige der Wissenschaft untermauertes Konzept erscheint möglich und wünschenswert. Ein „rezeptfreies“ Therapeutikum sollte von der Pflege, aber auch von der Pflegewissenschaft nicht vorschnell als unseriös und unnötig abgetan werden. Im Gegenteil, die Formulierung eigener, spezifisch pflegewissenschaftlich orientierter Forschungsansätze wäre ein Ziel für die Zukunft, das der Mühe lohnt.


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