Suizidprävention im Alter - Barbara Schneider, Uwe Sperling, Hans Wedler

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08.07.2011

13:05 Uhr

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Dieses Buch trägt wissenschaftlich fundiert und praxisnah zur Aufklärung über den Suizid bei alten Menschen bei. Vermittelt werden Kenntnisse über Häufigkeit und Ursachen des Alterssuizids, über Möglichkeiten der Früherkennung, der Prävention und konkreten Hilfe in Krisensituationen. Ethische, religiöse und juristische Aspekte der Suizidalität, Adressen, wie und wo man Hilfe findet, sowie Hinweise auf weiterführende Literatur runden die Arbeitshilfe ab.

Dem Buch ist eine CD-ROM mit Vortragsfolien für die Aus-,

ISBN 978-3-86321-003-8

Mabuse-Verlag

www.mabuse-verlag.de

Barbara Schneider, Uwe Sperling, Hans Wedler Suizidprävention im Alter

Fort- und Weiterbildung beigefügt.

Barbara Schneider, Uwe Sperling, Hans Wedler

Suizidprävention im Alter

Folien und Erläuterungen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung

Mabuse-Verlag


Wichtige Hinweise zu diesem Schulungsmaterial Literaturquellen und Links sind aus Platzgründen nicht auf den Folien, sondern in den nachfolgenden Erläuterungen aufgeführt. Für Angaben über Indikation und Dosierung von Arzneimitteln übernehmen die ­Herausgeberinnen und Herausgeber keine Gewähr. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit findet bei geschlechtsunterschiedlichen Wortformen jeweils nur eine (in der Regel die männliche) Form in den nachfolgenden ­Texten Verwendung, auch wenn beide Geschlechter gemeint sind. Die im Buch und auf der beigefügten CD-ROM enthaltenen Folien und Texte dürfen auch zum Vortrag auf öffentlichen Veranstaltungen verwendet werden.

Die Arbeitsgruppe Alte Menschen ist Teil des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für Deutschland (NaSPro), das 2002 auf Initia­tive der Deutschen ­Gesellschaft für Suizidprävention gegründet ­wurde und rund 80 gesellschaftlich ­relevante Gruppierungen und Akti­vitäten umschließt.


Barbara Schneider, Uwe Sperling, Hans Wedler für die AG Alte Menschen im Nationalen Suizidpräventionsprogramm für Deutschland (NaSPro)

Suizidprävention im Alter Folien und Erläuterungen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung

Unter Mitarbeit von Norbert Erlemeier, Daniela Hery, Rolf D. Hirsch, Reinhard Lindner, Sylvia Schaller, Martin Teising und Claus Wächtler

Mabuse-Verlag Frankfurt am Main


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren AutorInnen und zum Verlag finden Sie unter: www.mabuse-verlag.de. Wenn Sie unseren Newsletter zu aktuellen Neuerscheinungen und anderen Neuigkeiten abonnieren möchten, ­schicken Sie einfach eine E-Mail mit dem Vermerk „Newsletter“ an: online@mabuse-verlag.de. © 2011 Mabuse-Verlag GmbH Kasseler Str. 1 a 60486 Frankfurt am Main Tel.: 069 -70 79 96-13 Fax: 069 -70 41 52 verlag@mabuse-verlag.de www.mabuse-verlag.de Satz: Björn Bordon/MetaLexis, Niedernhausen Umschlaggestaltung: Caro Druck GmbH, Frankfurt am Main Umschlagabbildung: Van Gogh, Trauernder alter Mann Druck: Prisma Verlagsdruckerei GmbH, Saarbrücken ISBN: 978-3-86321-003-8 Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten


Einführung Suizidalität ist ein menschliches Phänomen, bekannt aus allen Zeiten und Kulturen. Das eigene Leben vorzeitig durch Suizid zu beenden, ist jedoch kein unabweisbares Schicksal, sondern es ist stets ein tragisches Scheitern einzelner oder vieler Menschen, das zudem fast immer von schweren Kränkungen und Verletzungen der Zurückbleibenden gefolgt ist. In den Industriestaaten der ganzen Welt sind es die alten Menschen, die am stärksten suizidgefährdet sind. Paradoxerweise wird diese Tatsache vielerorts noch immer kaum zur Kenntnis genommen. Hilfsangebote, soweit überhaupt verfügbar, richten sich fast ausschließlich an jüngere Menschen. Suizidalität ist beeinflussbar – darauf deuten allein schon die großen Schwankungen der Suizidhäufigkeit zwischen den Ländern und Regionen sowie im Zeitverlauf hin. Auch wenn im Einzelfall die notwendigen Hilfen sehr unterschiedlicher Art sein müssen – von der psychiatrisch-medikamentösen Therapie über konkrete menschliche Zuwendung und soziale Unterstützung bis hin zur pädagogischen Lebensberatung –, haben alle Erfahrungen gezeigt, dass Information, Aufklärung und Schulung die wichtigsten Maßnahmen sind, um Suizidtodesfälle seltener werden zu lassen. Die Arbeitsgemeinschaft Alte Menschen im NaSPro hat deshalb das vorliegende Informationsmaterial ent­ wickelt, um damit die Aufklärung über den Suizid zu fördern und dafür ein gleichermaßen verlässliches wie gut handhabbares Instrument zur Verfügung zu stellen. Die Vorbeugung des Suizids kann nur mit Hilfe großer Teile der Gesellschaft gelingen. Daher richtet sich diese Schrift mit beigefügter CD-ROM grundsätzlich an alle Menschen, insbesondere aber an Multiplikatoren, die in Vorträgen, Seminaren und anderen Formen der Aufklärung die Suizidgefährdung thematisieren. In erster Linie sind diejenigen angesprochen, die alte Menschen betreuen oder in anderer Form mit ihnen Kontakt haben, sowie deren Aus- und Fortbilder. Es werden darin Kenntnisse über die Häufigkeit und die Ursachen des Alterssuizids vermittelt, über die Möglichkeiten der rechtzeitigen Gefährdungserkennung, der Prävention und der konkreten Hilfe. Angefügt sind Informationen über ethische, religiöse und juristische Aspekte der Suizidalität sowie Adressen, wie und wo man Hilfe findet. Das hier zusammengestellte Arbeitsmaterial besteht aus einem Seminar mit 52 Folien im PowerPoint-Format. Weiterführende Erläuterungen, Informationen und Zahlenmaterial stehen in dem nachfolgenden Begleittext in gedruckter Form zur Verfügung. Ein auf das Wichtigste beschränkter, einführender Basisvortrag enthält eine Auswahl von 21 Folien, die die gleiche Nummerierung (in arabischen Ziffern) haben wie in der ausführlicheren Seminar-Fassung, zusätzlich aber durchlaufend mit römischen Ziffern gekennzeichnet sind. Der kürzere Basisvortrag erfordert eine Präsentation von 45 bis 60 Minuten, die ausführlichere Seminarfassung mindestens den doppelten Zeitraum. Soweit erforderlich, werden die Folien zukünftig aktualisiert und an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden. Das Nationale Suizidpräventionsprogramm für Deutschland (NaSPro) wurde im Jahr 2002 auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) unter Leitung von Prof. Dr. Armin Schmidtke gegründet. Es umschließt inzwischen rund 80 gesellschaftlich relevante Gruppierungen und Aktivitäten und wird maßgeblich durch die deutsche Bundesregierung gefördert. In der AG Alte Menschen arbeiten Experten unterschiedlicher Berufe (Psychiater, Psychologen, Juristen, Seelsorger, Psychotherapeuten) mit langjähriger wissenschaftlicher und praktischer Erfahrung in der Suizidologie zusammen. Eine von der AG herausgegebene Broschüre über Alterssuizidalität „Wenn das Altwerden zur Last wird“ steht jedermann kostenlos zur Verfügung. Wir wünschen allen Nutzern eine erfolgreiche Arbeit mit dem vorliegenden Material! Ihr Redaktionsteam Priv. Doz. Dr. Barbara Schneider Dr. Uwe Sperling Prof. Dr. Hans Wedler Für die Förderung danken wir: Verein zur Unterstützung Gemeindenaher Psychiatrie in Rheinland-Pfalz, Badenheim Stark fürs Leben, Dannstadt 5


Inhaltsübersicht für das Seminar

Folie

Seite

Epidemiologie

ab Folie 2

7

Risikofaktoren

ab Folie 9

14

Erklärungsmodelle

ab Folie 16

23

Erkennen

ab Folie 23

29

Prävention, Therapie, Hilfsangebote

ab Folie 26

32

Einstellungen; ethische, religiöse, rechtliche Aspekte

ab Folie 37

43

Adressen: Information, Hilfe

ab Folie 49

56

Folie 52

58

Links und Literatur

Folienübersicht für den Basisvortrag Folgende Folien werden für einen Basisvortrag empfohlen. Die Folien für den Basisvortrag (Folien I bis XXI) wurden aus dem vollständigen Seminarsatz (Folien 1 bis 52) ausgewählt. Inhalt

Folienzählung

Seite

Basisvortrag Seminar

Titelfolie

I

1

Inhaltsübersicht

II

Suizidraten in Deutschland 1952–2007

III

3

7

Suizidraten in Deutschland nach Alter und Geschlecht 2007

IV

4

8

Statistische Häufigkeit der Suizide in Deutschland 2007

V

5

9

Risikogruppen für Suizid

VI

10

14

Depression im Alter: Erkennen erschwert

VII

12

17

Depression im Alter: Therapeutische Ansätze

VIII

13

19

Einflussfaktoren für Suizidalität im Alter

IX

14

21

Warnsignale für Suizidgefährdung

X

24

29

Wie erkenne ich suizidale Tendenzen bei älteren Menschen?

XI

25

31

Handlungsoptionen

XII

28

34

Hinweise zur Einschätzung der Suizidalität

XIII

29

35

Ziele der Krisenintervention bei suizidgefährdeten älteren Menschen

XIV

30

36

Was ist im Gespräch mit suizidalen alten Menschen zu beachten?

XV

32

38

Wichtige Fragen im Kriseninterventionsgespräch

XVI

33

39

Ethische Argumente für und gegen den Suizid

XVII

43

49

Ethik der Suizidprävention: Schwacher Paternalismus

XVIII

44

51

Grundsatz der Straflosigkeit des Suizids und seine Ausnahmen

XIX

47

54

Ansprechpartner im Krisenfall

XX

50

56

Wenn das Leben zur Last wird (Broschüre der AG Alte Menschen)

XXI

51

57

6


Epidemiologie Risikofaktoren Erklärungsmodelle

Epidemiologie

Verlauf der Suizidraten in Deutschland 1952 – 2009 40

Männer Frauen Zusammen

35

Suizide/100.000

Erkennen

30 25 20 15

Prävention

10 5 0

1955

1960

1965

1970

1975

1980

1985

1990

1995

2000

2005

Epidemiologie

Einstellungen

Jahr 3

3 (III)

Definition: Als Suizidhandlung wird jeder Akt freiwilliger Selbstzerstörung bezeichnet, bei welchem die betreffende Person nicht sicher ist zu überleben. Suizid ist eine Suizidhandlung mit unmittelbar oder mittelbar tödlichem Ausgang. (nach Stengel, 1972) 7

Links und Literatur

Der Rückgang der Suizidraten (Zahl der Suizide je 100.000 der jeweiligen Alters- und Geschlechtsgruppe) in Deutschland korrespondiert mit dem Rückgang in anderen Industrieländern. Gesellschaftliche Veränderungen spielen langfristig für den Verlauf von Suizidraten eine große Rolle. Männer haben in Deutschland (wie in vielen anderen Industriestaaten) eine dreifach höhere Suizidrate als Frauen.

Adressen

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010)


Suizidraten Deutschland nach Alter und Geschlecht 2009

90 80

Suizide/100.000

70 60 50 40 30 20 10 0

Bis -19 -24 20- -29 -34 30- -39 -44 40- -49 -54 50- -59 -64 60- -69 -74 70- -79 -84 80- -89 90+ >90 15 25 35 45 55 65 75 85

Altersgruppe

Alter (Jahre)

weiblich

männlich

Epidemiologie

4

4 (IV) Quelle: Statistisches Bundesamt (2010)

Alte Menschen haben eine deutlich höhere Suizidgefährdung. Die höhere Suizidgefährdung mit ansteigendem Alter kommt vor allem in der Verlaufskurve der Suizidrate (Zahl der Suizide je 100.000 der jeweiligen Alters- und Geschlechtsgruppe) zum Ausdruck. Dieser Anstieg erfolgt nach dem „Ungarischen Muster“. Auffallend ist der starke Anstieg der Suizidrate ab dem 8. Lebensjahrzehnt.

8


9616

Männer

7228

Frauen

2388

Bevölkerung

60+-Jährige

11,8

18,6

18,0

28,8

5,7

9,4

3986 41,5 %

2861 39,6 %

1125 47,1 %

1 Suizide/100.000

Epidemiologie

Risikofaktoren

Insgesamt

davon 60+Jährige

Einw. 5

Erkennen

Bevölkerung

Suizidraten1

Erklärungsmodelle

Absolute Zahlen

Epidemiologie

Statistische Häufigkeit Suizide in Deutschland 2009

5 (V)

Die höhere Suizidgefährdung alter Menschen kann noch auf andere Weise statistisch belegt werden: Der Anteil alter Menschen (60+) an allen Suiziden beträgt insgesamt 41,5 %, bei den Männern 39,6 %, bei den Frauen 48,9 %. Jeder zweite Suizid bei Frauen wird von einer 60-Jährigen und Älteren ausgeführt.

Die Geschlechtsverteilung stellt sich wie folgt dar: Männer sind zu 71,8 % an den Suiziden alter Menschen (60+) beteiligt, Frauen zu 28,2 %. Zum Vergleich: Der Anteil an den Suiziden in der Gesamtbevölkerung über alle Altersgruppen beläuft sich bei den Männern auf 75,1 %, bei den Frauen auf 23,9 %.

Links und Literatur

Der Anteil der Suizide an den Todesursachen bei alten Menschen (60+) beträgt bei Männern 0,84 % und bei Frauen 0,27 %.

Adressen

Einstellungen

Zum Vergleich: Der Anteil der 60-Jährigen und Älteren an der Gesamtbevölkerung beträgt bei Männern 23,6 %, bei Frauen 28,6 % (Statistisches Bundesamt 2010).

Prävention

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010)

9


Suizidversuche: Häufigkeit nach Alter und Geschlecht 200 180 160

Suizidversuche/100.000

140 120 100 80 60 40 20 0

15- 2015‐19 20‐24 19 24

2525‐29 29

3030‐34 34

3535‐39 39

4040‐44 44

Männer

45- 5045‐49 50‐54 49 54

Männer

5555‐59 59

Frauen F rauen

6060‐64 64

6565‐69 69

7070‐74 74

75- 8075‐79 80‐84 79 84

85+ 85+

Alter (Jahre)

Suizidversuchsraten in Deutschland: WHO-Erfassungsgebiet Würzburg 2005 - 2006

Epidemiologie

6

6 (–) Quelle: Schmidtke et al. (2009)

Suizidversuchsraten der einzelnen Altersgruppen in der Bundesrepublik Deutschland. Aus Reliabilitätsgründen sind die Jahre 2005 und 2006 zusammengefasst. Die Altersverteilung der Personen mit Suizidversuchen ist der der Suizide entgegengesetzt. Suizidversuche werden in Deutschland häufiger von Frauen als von Männern unternommen. Die Suizidversuchsraten zeigen aber, dass Suizidversuche relativ häufig auch in den älteren Altersgruppen zu finden sind. 2006 betrugen die auf Basis der WHO-Erhebung geschätzten Suizidversuchsraten in der Altersgruppe der 60-Jährigen und Älteren für die Männer 53,7/100.000 und für die Frauen 32,4/100.000.

10


0

20

40

Epidemiologie

Suizidmethoden im Alter 2009 60 %

Erhängen

Risikofaktoren

Vergiften Sturz Erschießen

Erklärungsmodelle

Bahnsuizid Alle

Schneiden

< 60-Jährige > = 60-Jährige

Ertrinken Sonstige

Epidemiologie

Erkennen

7

7 (–)

Generell sind Suizide durch Erhängen und Vergiften am häufigsten, wobei das Vergiften von den Älteren nicht so oft gewählt wird wie von den Jüngeren. Erschießen und Ertrinken kommen als Suizidmethode bei den über 60-Jährigen fast doppelt so häufig vor wie bei unter 60-Jährigen. Bei den Älteren gibt es weniger Tote durch Bahnsuizide. Im Zeitverlauf hat sich bei den Suizidmethoden relativ wenig verändert.

Links und Literatur

Adressen

Nicht tödliche Suizidhandlungen sind überwiegend Vergiftungen und Schnittverletzungen.

Einstellungen

Vergleicht man die Selbsttötungsmethoden von alten Menschen (> 60) mit denen jüngerer (< 60), so ergibt sich folgendes Bild:

Prävention

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010)

11


Suizidalität und Suizidprävention im Alter Gründe für geringe Beachtung der Alterssuizidalität  Suizid seltene Todesursache  Dominanz anderer Altersprobleme  Negatives Altersbild  Höhere Akzeptanz des Suizids im Alter  Geringe Nutzung von Hilfeeinrichtungen

Epidemiologie

8

8 (–)

In der Öffentlichkeit wird die Suizidgefährdung alter Menschen nicht angemessen wahrgenommen: Die geringe Inanspruchnahme von Hilfeeinrichtungen durch alte Menschen rückt sie aus deren Blickfeld. Nur maximal 10 % der Klientel von Krisendiensten sind 60 Jahre und älter. In psychotherapeutischen Praxen sind alte Menschen noch seltener zu finden. Ursächlich hierfür sind oft Unkenntnis der Hilfemöglichkeiten auf Seiten der alten Menschen und die Fokussierung auf Jüngere bei den Helfern und Einrichtungen (Erlemeier 2002). Suizidhandlungen im Alter enden häufiger tödlich als bei jüngeren Menschen. Das vermittelt den Eindruck, Suizid im Alter lasse sich ohnehin nicht verhindern. Alterssuizide erfahren eine höhere Akzeptanz als Suizidhandlungen junger Menschen, gefördert durch Begriffe wie Freitod oder Bilanzsuizid, die die Entscheidung zum Suizid im Alter als plausibel erscheinen lassen sollen. Diese höhere Akzeptanz kann als Ausdruck eines weitgehend negativen Altersbildes gesehen werden. Sie kann unter Umständen auch durch psychologische Alterstheorien ungewollt gestützt werden, insbesondere durch die Disengagementtheorie. Disengagement-Theorie (Cumming & Henry 1961): Der Rückzug des alternden Menschen aus vorher eingenommenen sozialen Rollen ist ein natürlicher und unvermeidbarer Vorgang. Das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft pendelt sich neu und auf anderem Niveau ein. Demgegenüber: Aktivitätstheorie (Cavan 1961): Im Alter notwendigerweise aufgegebene Aktivitäten müssen durch andere Aktivitäten kompensiert werden. Die Disengagement-Theorie hat sich wie auch ihr Gegenpart, die Aktivitätstheorie, in ihrem generellen Anspruch nicht halten lassen. Heute wird dagegen in der Sozialen Gerontologie die Kontinuitätstheorie vertreten, die davon ausgeht, dass der Lebensstil im Alter von lebenslang wirksamen 12


Der AG Alte Menschen im Nationalen Suizidpräventionsprogramm (NaSPro) ist es ein besonderes Anliegen, den Alterssuizid nicht als ein isoliertes Problem zu sehen, sondern ihn aufzunehmen in den Diskurs über konkrete Ethik im Zusammenhang mit Sinnfragen am Lebensende. Die Prävention suizidalen Verhaltens im Alter erfordert Interventionen auf einer Vielzahl von Ebenen. Neben der Behandlung von Depression und Krankheit ist ein Umdenken in der Haltung der Gesellschaft gegenüber alten Menschen und beim alten Menschen selbst gefordert. Das Augenmerk muss von den Defiziten des Alters weg auf die Ressourcen alter Menschen gelenkt werden. Es muss eine Umwelt geschaffen werden, in der soziale Kontakte zwischen Generationen und innerhalb der Generationen leichter möglich sind, um die veränderten familialen Strukturen zu kompensieren.

Epidemiologie Links und Literatur

Adressen

Einstellungen

Prävention

Erkennen

Weiterführende Literatur: Erlemeier et al. (2005); Schmidtke & Schaller (2006); Wächtler (2009)

Risikofaktoren

Die Situation alter schwer leidender Menschen in der letzten Lebensphase bedarf einer eigenen Betrachtung.

Erklärungsmodelle

Aktivitäten, Interessen und Wertorientierungen geprägt wird. Weder Aktivität noch Rückzug kann als verbindliche Norm für das Alter gesetzt werden.

13


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