Pflegewissenschaftliche Gutachten in zivilen Rechtsstreitigkeiten – Ursula Laag

Page 1


Ursula Laag, geb. 1965, Krankenschwester, Diplom-Berufsp채dagogin, M. Sc. Pflegewissenschaft, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut f체r angewandte Pflegeforschung.


Ursula Laag

Pflegewissenschaftliche Gutachten in zivilen Rechtsstreitigkeiten

Mabuse-Verlag Frankfurt am Main


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren AutorInnen und zum Verlag finden Sie unter: www.mabuse-verlag.de. Wenn Sie unseren Newsletter zu aktuellen Neuerscheinungen und anderen Neuigkeiten abonnieren möchten, schicken Sie einfach eine E-Mail mit dem Vermerk „Newsletter“ an: online@mabuse-verlag.de. Die gleichnamige Masterarbeit „Pflegewissenschaftliche Gutachten in zivilen Rechtsstreitigkeiten“ wurde von der Autorin an der Pflegewissenschaftlichen Fakultät der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Vallendar (PTHV) eingereicht. © 2013 Mabuse-Verlag GmbH Kasseler Str. 1 a 60486 Frankfurt am Main Tel.: 069 70 79 96-13 Fax: 069 70 41 52 verlag@mabuse-verlag.de www.mabuse-verlag.de Umschlaggestaltung: Marion Ullrich, Frankfurt am Main Umschlagfoto: Peter Scheu, Köln Druck: Faber, Mandelbachtal ISBN: 978-3-86321-148-6 Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten


Inhalt Tabellenverzeichnis .............................................................................. 9 Abkürzungsverzeichnis ........................................................................ 9 Vorwort ............................................................................................... 11 1 Einleitung und Hintergrund ........................................................... 15 2 Theoretische Grundlegung .............................................................. 19 2.1 Literaturrecherche .......................................................................... 19 2.2 Pflegerische Verantwortung aus rechtlicher Perspektive ................ 21 2.2.1 Das Heilpraktikergesetz in der Diskussion ............................. 23 2.2.2 Sozialrechtliche Regelungen und Grenzen ............................. 25 2.2.3 Berufsrechtliche Zuschreibungen ........................................... 28 2.2.4 Zusammenfassung ................................................................. 31 2.3 Pflegerische Verantwortung aus pflegewissenschaftlicher Perspektive ..................................................................................... 32 2.3.1 Aspekte pflegerischen Fachwissens ....................................... 33 2.3.2 Pflegewissenschaftlich-konzeptionelle Aspekte ..................... 38 2.3.3 Zum Verantwortungsgefühl der Pflegenden ........................... 47 2.3.4 Zusammenfassung ................................................................. 49 2.4 Erfassung von Pflegefehlern .......................................................... 51 2.5 Entwicklung der gutachterlichen Tätigkeit der Pflege .................... 54 2.6 Berufszugehörigkeit der Sachverständigen ..................................... 57 2.7 Zentrale Aspekte der Gutachtenerstellung ...................................... 64


2.7.1 Anforderungen an Pflegesachverständige .............................. 65 2.7.2 Allgemeine Grundsätze der Gutachtenerstellung ................... 66 2.7.3 Bedeutung der Sachverständigen in gerichtlichen Auseinandersetzungen ........................................................... 67 2.7.4 Qualifikation ärztlicher Sachverständiger .............................. 68 2.7.5 Objektivität ............................................................................ 69 2.7.6 Rechtliche Kenntnisse ........................................................... 70 2.8 Recherche nach Gerichtsurteilen .................................................... 71 2.9 Forschungsbedarf ........................................................................... 72 3 Methodik .......................................................................................... 75 3.1 Wissenschaftstheoretisches Verständnis ......................................... 76 3.2 Methoden zum Erkenntnisgewinn .................................................. 78 3.2.1 Expertengespräche ................................................................. 78 3.2.2 Analyse der Rechtsprechung .................................................. 86 3.2.3 Gütekriterien.......................................................................... 87 4 Ergebnisse der empirischen Untersuchung .................................... 89 4.1 Begegnungen mit den Richterinnen und Richtern .......................... 89 4.2 Anzahl, Gegenstände, Prozessparteien ........................................... 92 4.3 Grundannahmen der Richterinnen und Richter zur Pflege .............. 97 4.4 Auswahl der Sachverständigen ..................................................... 101 4.5 Fachliche Annahmen der Richterinnen und Richter ..................... 106 4.6 Zusammenfassung der Expertengespräche ................................... 109 4.7 Anforderungen an Gutachten und Erfahrungen ............................ 112 4.7.1 Erfahrungen ......................................................................... 113


4.7.2 Anforderungen an Gutachten ............................................... 114 4.8 Auswertung der Gerichtsurteile .................................................... 120 4.8.1 Anzahl, Gegenstände, Prozessparteien ................................. 120 4.8.2 Annahmen zur pflegerischen Verantwortung ....................... 123 4.8.3 Zusammenfassung und Vergleich mit bisherigen Ergebnissen ......................................................................... 125 4.9 Weitere empirische Befunde ........................................................ 126 5 Diskussion ...................................................................................... 133 5.1 Die bestehende Situation – ein Erklärungsansatz ......................... 133 5.1.1 Exkurs Denkkollektive ........................................................ 135 5.1.2 Das Denkkollektiv der Richter ............................................. 137 5.2 Notwendigkeit pflegewissenschaftlicher Expertise ....................... 141 5.3 Beurteilung der Kausalität ............................................................ 146 5.4 Empirische Einzelbefunde ............................................................ 149 6 Voraussetzungen und Empfehlungen für pflegewissenschaftliche Gutachten in zivilen Rechtstreitigkeiten ..................................... 151 6.1 Voraussetzungen .......................................................................... 152 6.1.1 Fachwissen und praktische Erfahrung .................................. 152 6.1.2 Fähigkeit zur Analyse und zu wissenschaftlich-systematischem Arbeiten und Schreiben ....................................................... 153 6.1.3 Rechtliche Kenntnisse ......................................................... 154 6.1.4 Objektivität .......................................................................... 154 6.2 Empfehlungen .............................................................................. 155 6.2.1 Grundlagen des Gutachtens ................................................. 155 6.2.2 Aufbau eines Gutachtens ..................................................... 157 6.2.3 Darstellung der gegensätzlichen Positionen ......................... 158


6.2.4 Literaturanalyse und theoretischer Hintergrund ................... 158 6.2.5 Sachverhalt, pflegerisch-medizinische Fakten ..................... 160 6.2.6 Beurteilung .......................................................................... 161 6.2.7 Beweisfragen ....................................................................... 167 6.2.8 Abschluss des Gutachtens .................................................... 169 7 Methodenreflexion ......................................................................... 171 8 Ausblick.......................................................................................... 175 9 Literatur ......................................................................................... 179 Anlagen .............................................................................................. 185


Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Überblick über die Kontakte zu den Richterinnen und Richtern

82

Tabelle 2: Übersicht über die durchschnittlichen Pflegehaftungsfälle pro Jahr je Arzthaftungskammer oder -senat

96

Tabelle 3: Übersicht zur Analyse der Gerichtsurteile und -beschlüsse

124

Tabelle 4: Vorschlag für den Aufbau eines pflegewissenschaftlichen Gutachtens für zivile Haftungsprozesse

159

Abkürzungsverzeichnis BGB BGH BGH NJW BVerfG NJW LG MDK OLG SGB StGB ZPO

Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof, Neue Juristische Wochenschrift Bundesverfassungsgericht, Neue Juristische Wochenschrift Landgericht Medizinischer Dienst der Krankenkassen Oberlandesgericht Sozialgesetzbuch Strafgesetzbuch Zivilprozessordnung



Vorwort Im Zusammenhang mit dem sozialen, technischen und medizinischpflegerischen Wandel unserer Gesellschaft werden Versorgungsprozesse im Pflege- und Gesundheitswesen immer komplexer. Zugleich gibt es seitens der Patientinnen und Patienten, der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen, aber auch in der Öffentlichkeit eine zunehmende Aufmerksamkeit auf Fragen der Versorgungs- und Behandlungsqualität. Dies führt bei nicht angemessenen medizinischen Behandlungen oder Pflege oder bei Behandlungsfehlern nicht selten zu zivilen Rechtsstreitigkeiten um die Fragen nach der Verantwortung und Haftung. Welche Beiträge zur Beantwortung dieser Streitfragen kann und muss dazu die Pflegewissenschaft gerade im Hinblick auf die zunehmenden pflegerischen Versorgungsprozesse leisten? In welcher Form und welchem Umfang greifen die zuständigen Gerichte in Deutschland heute schon auf pflegewissenschaftliche Gutachten in diesen Prozessen zurück? Diese Fragen und Problemstellungen greift Ursula Laag mit ihrer Studie erstmalig grundlegend auf und bearbeitet damit ein relevantes Themenfeld, das zukünftig an Bedeutung noch gewinnen wird. Die Autorin knüpft dabei an eigene Vorarbeiten und -erfahrungen bei der Mitarbeit zur Erstellung von pflegewissenschaftlichen Gutachten in den vergangenen Jahren an und bewegt sich somit auf einem Terrain, das sie bereits seit Jahren grundsätzlich kennt. Die als Masterarbeit zum Abschluss des pflegewissenschaftlichen Studiums an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Vallendar (PTHV) vorgelegte Studie besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil werden vorliegende Gerichtsurteile zu Pflegehaftungsfragen recherchiert und analysiert. Da es aber keine zentrale Datenbank solcher Urteile gibt und vorhandene Sammlungen höchst unterschiedlich bestückt werden, musste die Autorin eine beachtliche Kreativität an den Tag legen, um an aussagekräftige und möglichst aktuelle Quellen zu gelangen. Nur so ist es ihr gelungen insgesamt 38 rele-

11


Pflegewissenschaftliche Gutachten in zivilen Rechtstreitigkeiten

vante Urteile der deutschen Gerichtsbarkeit aus den vergangenen fünf Jahren zu recherchieren und zu bearbeiten. Mit fünf weiteren, die aus der eigenen Arbeit stammen, konnten damit 43 Urteile in die Untersuchung einbezogen werden. In den untersuchten Fällen geht es in der Regel um Haftungsfragen zu Stürzen, Dekubitalgeschwüren, freiheitsentziehende Maßnahmen, Aufsichtspflichtverletzungen etc. zumeist in Krankenhäusern und Altenheimen. Aus diesen und weiteren Erkenntnissen der Studie können wir erstmals abschätzen, dass jährlich in Deutschland zwischen 350 bis 500 Pflegehaftungsfälle überwiegend an Landgerichten verhandelt werden. Durchschnittlich wird also an jedem Tag irgendwo in Deutschland mindestens ein solcher Fall Gegenstand gerichtlicher Prozesse. Das ist keine geringe Zahl! Im zweiten Teil der Studie werden Grundverständnisse und Einschätzungen von zwanzig Richterinnen und Richtern an deutschen Land- und Oberlandesgerichten zur Frage der Einbindung pflegewissenschaftlicher Gutachten in medizinische und pflegerische Haftungsfragen untersucht. Die Entwicklung der Expertengespräche sowie die Zugänge zu den Befragten waren ebenfalls nicht einfach zu gestalten, ist doch das Thema und das Umfeld für alle Beteiligten Neuland. Daher bezieht die Autorin einen ethnografischen Theorieansatz mit ein. Das mag zunächst in einer solchen Bearbeitung überraschen, das Aufsetzen der ethnografischen Brille hilft jedoch außerordentlich dabei, Zugänge, Verständnis und Anschlussfähigkeiten zur Gerichtsbarkeit in diesen spezifischen Fragen zu finden. Die angesprochenen Themenfelder werden von den befragten Richterinnen und Richtern zumeist aus Unkenntnis über die Entwicklung der Pflegewissenschaft in Deutschland üblicher Weise dem ärztlichen Haftungsrecht zugeordnet. Die hier ausgewerteten Expertengespräche liefern mitunter überraschende, aber auch erschütternde Erkenntnisse zur Sachlage. Die gefundenen Grundannahmen der Richterinnen und Richter über die Pflege lassen sich wie folgt zusammenfassend beschreiben: Demzufolge sei die Pflege keine Fachdisziplin und gehöre bestenfalls im weitesten Sinne zu den Heilbehandlungen. Pflege finde im Krankenhaus eher nebenbei statt und wenn, dann stets auf ärztliche Anordnung. Darüber hinaus benötige die Bearbeitung von Pflegehaftungsfällen auch keine spezifische Einarbeitung oder Erfahrung. Schließlich fügt sich dann auch die Einschätzung nahtlos an, dass

12


Vorwort

pflegewissenschaftliche Gutachterinnen oder Gutachter in diesen Verfahren nicht benötigt würden. Im dritten Teil ihrer Arbeit entwickelt Ursula Laag auf der Grundlage ihrer Befunde einen Empfehlungskatalog für die Voraussetzung und Gestaltung pflegewissenschaftlicher Gutachtenerstellung in zivilen Rechtsstreitigkeiten. Zu den Voraussetzungen der pflegewissenschaftlichen Gutachterin bzw. des Gutachters zählen demnach gleichermaßen Fachlichkeit und praktische Erfahrungen im Berufsfeld Pflege, Fähigkeit zur wissenschaftsfundierten Analyse und Quellenarbeit, juristische Kenntnisse und eine objektive Haltung. Als wichtige Bestandteile des Gutachtens werden die Darstellung der gegensätzlichen Positionen, Literaturanalyse und theoretische Hintergründe zur Sache, Rekonstruktion des Sachverhalts, Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen grundgelegt und beschrieben. Die Studie von Ursula Laag schließt in mehrfacher Hinsicht sowohl wissenschaftlich wie auch praktisch eine bislang vorhandene Lücke im Kontext von Streitfragen zu Pflege- und Behandlungsfehlern. Profund, erfahren, kreativ und sehr eigenständig schafft die Autorin sich zunächst eine belastungsfähige Ausgangsbasis, von der aus sie ihr Untersuchungsfeld, die Gerichtsbarkeit, gründlich erkundet. Sie dringt mit ihrem angeeigneten ethnografischen Blick gut vorbereitet und behutsam in die ihr weithin unbekannte Welt von Richterinnen und Richtern ein und erfährt Erstaunliches, das sie gleichsam distanziert-nüchtern, so wie man es in einer wissenschaftlichen Studie erwarten darf, beschreibt. Sie findet heraus, dass man bei Gericht erschreckend wenig über die Pflege von heute weiß. Schließlich beschreibt sie, dass auch in der Pflegewissenschaft das Wissen um die Grundlegung und Entwicklung von aussagekräftigen Gutachten zu Pflegefehlern nur marginal zu finden ist. Vor diesem Hintergrund gibt die Autorin fundierte und für alle Beteiligten weiterführende Empfehlungen zur Erstellung und zum Umgang und damit zur Bedeutung von pflegewissenschaftlichen Gutachten in zivil-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten ab. Eine rundum gelungene und vorbildliche Arbeit mit hohem Erkenntnis- und Nutzwert!

Köln, März 2013 Univ.-Prof. Dr. Frank Weidner

13


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.