Psychosoziale Therapie bei beginnender Demenz - Häusler, Krause-Köhler, Niemann-Mirmehdi, Nordheim

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Inhalt 1 Einleitung

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2 Übersicht – Modulare Intervention

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3 Behandlungsmanual ................................................................................................................................. 35 3.1 Erste Sitzung: Anamnese und Psychoedukation Demenz ........................................................ 35 3.2 Zweite Sitzung: Netzwerk und Aktivitäten .................................................................................................... 54 3.3 Dritte Sitzung: Partnerschaftliche Stressbewältigung . ...................................................................... 70 3.4 Vierte Sitzung: Partnerschaftliche Kommunikation bei Demenz ...................................... 83 3.5 Fünfte Sitzung: Telefonische Konsolidierung I ......................................................................................... 92 3.6 Sechste Sitzung: Probleme lösen ................................................................................................................................... 95 3.7 Siebte Sitzung: Alltagspraktisches Coping . ................................................................................................101 3.8 Achte Sitzung: Telefonische Konsolidierung II . ..................................................................................112 3.9 Neunte Sitzung: Abschluss ...............................................................................................................................................114 4 Literatur

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Einleitung

Johanna Nordheim, Michael Rapp, Mechthild Niemann-Mirmehdi

Worin liegt die Besonderheit des Angebotes?

Das hier vorgestellte Trainings- und Unterstützungsprogramm soll Demenzerkrankten und ihren Partnern (bzw. Angehörigen) dabei helfen, ihre persönlichen und gemeinsamen Bewältigungsfähigkeiten zu stärken und das soziale Netz individuell zu nutzen oder ggf. auszubauen. Ziel dieses Angebotes ist es, die mit der Erkrankung verbundenen Alltagsprobleme besser zu meistern, Lebensqualität zu fördern sowie damit einen längeren Verbleib demenzkranker Menschen in der eigenen häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Bei vielen Paaren, die sich erstmals mit dem Thema Demenz auseinandersetzen müssen, treten anfänglich Fragen auf zum Umgang mit Gedächtnisverlust, Alltagsproblemen und Betreuungs- und Pflegeabhängigkeit sowie Ängste um den Verlust der eigenen Selbstständigkeit. Durch die Erkrankung werden bisherige Muster, Rollen und Rituale in Frage gestellt, einhergehend mit dem Risiko der Auflösung des gewohnten Beziehungsund Lebensgefüges. Es entsteht eine Krisensituation, die einen Anpassungsprozess der Lebenspläne erforderlich macht. Verschiedene Paare haben für solche Krisen unterschiedliche Copingstrategien. Häufig werden die Erkrankung und der antizipierte Verlauf als Bedrohung empfunden, was dazu führen kann, dass Kommunikation darüber zwischen den Partnern oder auch im weiteren Familien- und Bekanntenkreis kaum oder gar nicht stattfindet. Somit wird auch die Aktivierung von möglicherweise bereitstehenden Ressourcen erschwert. Ungünstig wirkt sich ferner aus, dass demenzielle Erkrankungen gesellschaftlich auch weiterhin mit einem Stigma belegt sind. Bisherige Hilfsangebote, sei es individuell oder in Gruppen, richten sich meist entweder an den Demenzerkrankten oder an die Angehörigen, vor allem wenn diese bereits als „pflegende Angehörige“ wahrgenommen werden oder sich selbst als solche wahrnehmen. Der Ansatz, beide Seiten 9


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gemeinsam „an einen Tisch zu holen“, um die Demenz, ihre Folgen für die Partnerschaft und den Umgang damit zu thematisieren, ist hingegen neu. Im Forschungsprojekt DYADEM – „Förderung der Autonomie durch ein kombiniertes Trainings- und Unterstützungsprogramm für PatientAngehörigen-Dyaden bei leichter bis mittelschwerer Demenz“ – wurde ein solcher Ansatz entwickelt und getestet. Die Studie war Teil des Forschungsverbundes „Autonomie trotz Multimorbidität im Alter (AMA)“, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Das entwickelte sozial- und psychotherapeutische Programm entspricht einer lösungsorientierten Intervention bzw. Kurzzeittherapie und geht damit vom Inhalt und vom Umfang her deutlich über bisherige Hilfs-, Beratungs- und Behandlungsangebote bei Demenzerkrankungen hinaus. Es orientiert sich zudem an regionalen Netzwerken und Versorgungsstrukturen. Vor allem für das Frühstadium demenzieller Erkrankungen existieren bislang kaum Beratungsangebote. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass gerade frühzeitige Interventionen die Bereitschaft erhöhen, auch in späteren Phasen der Erkrankung mit professionellen Helfern zusammenzuarbeiten und damit letzten Endes die Versorgung Demenzkranker verbessern sowie Angehörige entlasten können. Was ist das Ziel des Angebotes?

Das Behandlungsmanual eröffnet professionellen Helfern einerseits neue Wege, andererseits bündelt es erprobte Methoden, um betroffene Paare dabei zu unterstützen, die sich ergebenden Herausforderungen besser zu meistern. Indem persönliche und partnerschaftliche Bewältigungsressourcen erkannt, entwickelt und stabilisiert werden, sollen sich Autonomie und Lebensqualität des Betroffenen und seines pflegenden Partners1 erhalten und nach Möglichkeit erhöhen. Negative individuelle und paarspezifische Auswirkungen der Demenzerkrankung sollen dagegen reduziert werden. Hier ist besonders von Bedeutung, ein Verständnis des Angehörigen für die Bedürfnisse des demenzerkrankten Partners zu erzielen und gleichzeitig 1 Zur besseren Lesbarkeit wird hier die männliche Form für beide (Partnerin/Partner, Betroffene/ Betroffener, Therapeut/ Therapeutin usw.) verwendet.

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den Betroffenen zu stärken, seine Anliegen auch weiterhin in die Partnerschaft einzubringen. Das hier vorgestellte Behandlungsmanual haben die Autoren aus diesem Grund gezielt mit Betroffenenzitaten unterlegt. Konkret zielt das Programm bei beiden Partnern auf die nachfolgenden Parameter ab: • Förderung der Autonomie: Unterstützung, Erhalt bzw. Wiederherstellung von Selbständigkeit und Unabhängigkeit, • Erhalt bzw. Verbesserung der Lebensqualität, • Stabilisierung der Paarbeziehung als Ressource, • erleichterte Annahme von Hilfsangeboten, Mobilisierung externer Ressourcen, • Stärkung bzw. Erhalt sozialer Einbindung, • längerer Verbleib und Versorgung des Demenzkranken im gemeinsamen Wohnumfeld. Darüber hinaus lassen sich je nach individueller Lage weitere Problembereiche benennen, bei denen sich das Unterstützungsprogramm als hilfreich erweisen kann: • Verarbeitung von vielfältigen Verlusterfahrungen, • Krisenintervention, • Stabilisieren beider Partner nach Diagnosestellung (gestützter Verarbeitungsprozess), • Verbesserung des partnerschaftlichen Zusammenwirkens und Erhöhung der Selbstfürsorge. Wer kann von dem Angebot profitieren?

Es eignet sich vor allem für Paare, bei denen der erkrankte Partner sich im Stadium einer beginnenden bis mittelschweren Demenz befindet. Auch innerhalb dieser Schweregrade lassen sich, abgesehen von den ohnehin vorhandenen individuellen Besonderheiten, unterschiedliche Problemlagen und Beratungsbedarfe ausmachen. Das Behandlungsmanual enthält insgesamt eine gemeinsame Grundstruktur zum Vorgehen sowohl für Demenzerkrankungen im Frühstadium als auch für die weiter fortgeschrittene Phase. Das therapeutische Angebot ist sowohl inhaltlich als auch zeitlich 11


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komplex und erfordert daher bestimmte Fähigkeiten im Bereich der Aufnahmefähigkeit und des Kommunikationsvermögens. Bei Menschen in schwereren Demenzstadien empfiehlt es sich, die Behandlung den kognitiven Fähigkeiten anzupassen und ggf. die Sitzungsinhalte entsprechend zu kürzen und zu vereinfachen. Eine weitere Voraussetzung zur Teilnahme stellt die Einwilligung beider Partner in die Durchführung der Intervention dar. Dies kann unter Umständen für beide Seiten Schwierigkeiten bereiten: Zum einen kann die Einsicht in das Krankheitsgeschehen bei den Partnern differieren. Zum anderen mag es für manche Paare bereits zu einer Verschiebung der Rollen in der Interaktion gekommen sein – der Demenzkranke wird nicht mehr gleichberechtigt in eine solche Beratungssituation einbezogen und kann somit letztlich nicht mehr für sich selbst sprechen. Die individuelle Teilnahmeintention beider Partner sollte daher im Vorfeld möglichst genau abgeklärt werden. Weitere wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Teilnahme an der Intervention sind z. B.: • Offenheit und Pragmatismus, • Lese- und Schreibfähigkeit, • Bereitschaft, den gemeinschaftlichen Paar-Belangen höhere Priorität einzuräumen, als (nur) den eigenen persönlichen psychischen Befindlichkeiten. Hinderlich für eine erfolgreiche Teilnahme können dagegen Ausgangssituationen sein wie z. B.: • weitere, schwere Erkrankungen bei einem oder beiden Partnern (z. B. schwere Depressionen und Angststörungen), • langjähriger Paarkonflikt bzw. emotional nicht mehr in Partnerbindung lebende Paare, chronische Unzufriedenheit und Frustration, unrealisierbare Erwartungen an den Partner u. a., • bekannte akute Suizidalität bei einem der Partner, • keine gemeinsame Wohnung, • mangelnde Sprachfähigkeit, • fortgeschrittene Demenz (Mini Mental Status Test < 15), • externe Stressoren (z. B. Schulden, Wohnungsverlust). 12


Einleitung

Was ist bei der Durchführung zu beachten?

Verhandlung und Behandlung im Trialog Zur therapeutischen Haltung wie zum konzeptionellen Grundsatz der DYADEM-Intervention zählt die Durchführung aller Interventionsmodule im Trialog. Alle drei Beteiligten, der Erkrankte, der Partner und der Therapeut, sind gleichberechtigte Kommunikations- und Interaktionspartner. Sie begegnen und verständigen sich mit gegenseitigem Respekt. Jeder bringt aus seiner jeweils unterschiedlichen Perspektive sein Expertenwissen mit. Die Erfahrungen beider Partner, ihre Erkenntnisse, ihre Wünsche, Bedürfnisse und Beiträge fließen gleichwertig in die Therapiesitzungen ein. Im trialogischen Ansatz werden in den Gesprächen mit den Therapeuten weder der Erkrankte noch der Angehörige – auch nicht partiell – ausgeschlossen. Nur so obliegt beiden die gleiche Chance, sich auf gleicher Ebene mit den Therapeuten und umgekehrt am Behandlungs- und Entwicklungsprozess zu beteiligen. Die einzelnen Sitzungen mit den Paaren sollten vorzugsweise in der häuslichen Umgebung durchgeführt werden. Dies bietet mehrere Vorteile: Zum einen erleichtert es den Zugang zu mobilitätseingeschränkten Personen und sorgt für weniger Aufwand auf Seiten der (pflegenden) Partner, die oftmals bereits viel zusätzliche Belastung erfahren, zum anderen ermöglicht es, die tatsächliche Lebenssituation des Paares alltagsnah kennenzulernen und entsprechend individuelle Hinweise zu geben (z. B. angepasste Gestaltung des Wohnumfeldes). Neben dem bereits erprobten ambulanten Behandlungssetting lässt sich das Unterstützungsprogramm sehr gut auch in teil- und vollstationären Versorgungsbereichen implementieren. Sowohl in der klinischen Akutbehandlung (gerontopsychiatrische und geriatrische Tageskliniken und Stationen), als auch im Kontext der poststationären und ambulanten psychiatrischen Behandlung, Rehabilitation und der Integrierten Versorgung demenziell Erkrankter. Zudem wäre das hier vorgestellte kombiniert psychosoziale, psychologische Behandlungskonzept eine Behandlungsoption der in unserer Versorgungslandschaft noch immer ausstehenden Rehabilitationsangebote für 13


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Menschen mit einer demenziellen Erkrankung unter Einbeziehung ihrer Partner. Denkbar wäre das DYADEM-Programm auch als Angebotsergänzung für Betroffene im frühen und mittleren Krankheitsstadium in gerontopsychiatrischen und/oder geriatrischen Tagesstätten und im Kontext ebenfalls fehlender psychosozialer Eingliederungsmaßnahmen für Menschen mit Demenzerkrankungen nach SGB XII. Allgemeine Hinweise zum Behandlungssetting

Einige allgemeine Anforderungen zur Durchführbarkeit im häuslichen (wie ggf. auch im institutionellen) Setting sollten bei allen Sitzungen Beachtung finden und mit dem Paar (vorab) besprochen werden. Idealerweise sollte das gemeinsame Gespräch an einem Tisch erfolgen, so dass sich das Paar und die Therapeuten gegenübersitzen und alle Beteiligten auch bequem schreiben können. Auch die Sitzmöglichkeiten sollten bequem gestaltet sein, zum einen, wegen des großen zeitlichen Rahmens der Behandlungssitzungen, zum anderen können auch die geplanten Entspannungsübungen nur in angenehmer Sitzposition sinnvoll durchgeführt werden. Frühzeitig gilt es zu arrangieren, dass potentielle Störquellen, wie Telefon, Handys usw. minimiert werden. Auch sollen die Teilnehmer ermutigt werden, nach ihrer Bedürfnislage Pausen anzuzeigen und diese dann einzubauen (ggf. hier Symbol oder Geste vereinbaren). Die Gestaltung der Sitzungen sollte immer die Tagesform der/ des Erkrankten berücksichtigen und Überforderung vermeiden. In Einzelfällen sind demenziell Erkrankte möglicherweise mit dem Ausfüllen der in dieser Intervention verwendeten Arbeitsmaterialien überfordert. Hier gilt es darauf hinzuweisen, dass der Angehörige den Betroffenen unterstützen kann, jedoch dabei die Fragen und Daten nicht aus seiner, sondern aus der Perspektive des erkrankten Partners beantwortet, ihn dazu befragt, ihm die Fragen verständlich zu machen versucht und die Fragebögen mit ihm zusammen ausfüllt.

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Einleitung

Umgang mit schwierigen therapeutischen Situationen

Aus der besonderen Konstellation der DYADEM-Intervention, bei der zwei Therapeuten mit einem von Demenz betroffenen Paar therapeutisch interagieren, ergeben sich möglicherweise besondere Situationen, die den therapeutischen Prozess erschweren oder behindern können. Neben vielen anderen Punkten sind beispielsweise eine einseitige Motivationslage bei einem der beiden Partner oder eine akute Suizidalität denkbare Problembereiche, denen Rechnung getragen werden muss, um eine therapeutische Intervention zu erleichtern bzw. überhaupt zu ermöglichen. Im Anhang dieses Kapitels befindet sich eine tabellarische Übersicht über eine Auswahl möglicher Probleme, die sich in einer solchen Intervention ergeben können und Vorschläge, wie damit jeweils umgegangen werden kann. Was ist zu tun, wenn Angehörige selbst erkrankt und pflegeabhängig sind?

Ist der Angehörige des demenziell erkrankten Partners selbst erkrankt und/ oder pflegeabhängig, ist seine eigene Situation auch diesbezüglich Gegenstand der Intervention und zwar dahingehend, ihn dabei gezielt zu unterstützen, ein Helfer- und Versorgungssystem in eigener Sache ausfindig zu machen, zu kontaktieren und einzufordern. Für die Therapeuten beinhaltet dies, ihm gezielt geeignete Kontakt-, Beratungs-, Clearing- oder Behandlungsadressen zu nennen, welche ihm weiterhelfen können. Fachliche Anforderungen an die Therapeuten und therapeutische Haltung

Das Unterstützungsprogramm ist grundsätzlich zur gekoppelten Durchführung für Psychotherapeuten und Sozialarbeiter, -pädagogen, -therapeuten konzipiert. Es ist davon auszugehen, dass in der Praxis nicht immer ein solches Therapeuten-Tandem für die Umsetzung des Programms zur Verfügung steht, dies wäre jedoch der Idealfall. Vertreter angrenzender Berufe (z. B. Psychologen, Ärzte, Rehabilitationspädagogen, Sozialgerontologen) können bei entsprechender Weiterbildung zum Thema Demenz bzw. aus15


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reichender Erfahrung in der psychosozialen Arbeit mit bzw. der Beratung von Demenzpatienten ebenfalls mit dem Behandlungsmanual arbeiten. Zur erfolgreichen Durchführung der Intervention ist es erforderlich, dass die Therapeuten eine „allparteiliche“ und grundsätzlich nicht wertende Haltung einnehmen, die Kontextabhängigkeit der Problemkonstellation im Blick behalten, lösungsorientiert arbeiten, als Rollenvorbild fungieren (z. B. hinsichtlich einer deutlichen Aussprache und klaren, transparenten Kommunikation) und ein hohes Maß an Flexibilität, Beobachtungs- und Reflexionsvermögen sowie Deeskalationskompetenz besitzen, um auf therapeutische Herausforderungen professionell reagieren zu können (z. B. aktuelle Befindlichkeit wie Tagesform des Patienten, akute Krisen, Termingestaltung). Die im Rahmen des DYADEM-Forschungsprojektes entwickelte Intervention beinhaltet Methoden verschiedener Therapieschulen. Dies hat mehrere Gründe: Zunächst ist es der unterschiedlichen Arbeitspraxis der beteiligten Berufsgruppen (Sozial- und Psychotherapie) geschuldet. Vor allem ist die Integration verschiedener Ansätze auch ein Ergebnis der Fragestellung, wie – also mit welchen Methoden – den betroffenen Paaren am besten in ihrer schwierigen Situation geholfen werden kann. Wichtig war schließlich auch, dass therapeutische Ansätze gewählt werden mussten, die den Demenzkranken nicht überfordern. Für die Durchführung 120-minütiger thematisch geschlossener Therapieeinheiten mit einem Paar erwies sich die Methodenauswahl als besonders praktikabel. Im Ergebnis entstand so ein Behandlungsansatz, in dem verhaltenstherapeutische neben Methoden der systemischen Beratung stehen und sich in einer – wie die Autoren meinen – erfolgreichen Art und Weise miteinander verschränken. Ablauf der Intervention

Das Behandlungsmanual umfasst sieben Hausbesuche bei dem betroffenen Paar sowie zwei ausführliche Telefonkontakte. Die persönlichen Sitzungen vor Ort haben in der Regel einen zeitlichen Umfang von jeweils rund 120 Minuten. Es ist empfehlenswert, die Durchführung in einem zeitlich zu16


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sammenhängenden Block von ca. zehn Wochen zu gestalten, so dass sich ein etwa wöchentlicher Sitzungsrhythmus ergibt. Die einzelnen Termine bauen weitestgehend aufeinander auf. Der hier vorgegebene Ablauf wurde in der DYADEM-Studie erprobt und den in diesem Zusammenhang gewonnenen Erfahrungen entsprechend angepasst. Es hat sich sehr bewährt, dass die erste Sitzung gemeinsam von Sozial- und Psychotherapeuten durchgeführt wird. Dies dient sowohl einem erfolgreichen Beziehungsaufbau mit dem Paar als auch dem Abschluss des gemeinsamen Behandlungskontrakts. Abhängig von den inhaltlichen Schwerpunkten der geplanten Folgesitzungen ist festgelegt, welche der jeweiligen Module vom Psychotherapeuten bzw. vom Sozialtherapeuten durchgeführt werden. Parallel zur Durchführung der Intervention ist es Aufgabe der Therapeuten, sich zu den jeweils aktuellen Sitzungen und zum gesamten Behandlungsverlauf auszutauschen und abzustimmen. Partnerschaft im Wandel – was ist zu beachten?

In den vergangenen Jahrzehnten haben mitbedingt durch die höhere Lebenserwartung deutliche Veränderungen in den Familien- und Partnerschaftstrukturen stattgefunden, auch wahrnehmbar insbesondere in der jüngeren Altengeneration. So verdeutlichen die „Befunde des Deutschen Alterssurveys“ (DEAS; Motel-Klingbeil et al. 2010), dass die Lebensformen der 40- bis 70-Jährigen im Zuge der höheren Lebenserwartung vielfältiger geworden sind. Die Anzahl der Scheidungen bei den über 50-Jährigen hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt (Statistisches Bundesamt). Aber auch Folge-Ehen und nacheheliche Partnerschaften, die sogenannten „nachelterlichen Gefährtenschaften“, ob im gemeinsamen oder im getrennten Haushalt lebend, haben deutlich zugenommen. Der Deutsche Alterssurvey konnte dabei zeigen, dass sich „wiederverheiratete Personen genau so zufrieden mit der Partnerschaft äußerten, wie Menschen, die in der ersten Ehe leben“ (DEAS 2010, S. 287). Erkennbar in den Familienstrukturen aller Generationen ist die Tendenz einer Verlagerung hin zu „Patchworkfamilien“ in der Altersgruppe bis zum 70. Lebensjahr. Dies führt zu einem größeren familiären Netz und trotz zunehmender, 17


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teils hoher Entfernungen der Wohnorte wird die Kontaktdichte zwischen den Generationen als hoch bezeichnet (ebenda). Patchworkfamilien erhöhen das Ressourcen- und Unterstützungspotenzial auch im Alter, wenn auch nicht immer gleichermaßen abrufbar. Den hier nur kurz beschriebenen Aspekten des gesellschaftlichen Wandels, insbesondere den vielfältigen Lebensformen und -stilen ist in der Beratung und Behandlung demenziell Erkrankter und ihrer Partner personennah Rechnung zu tragen. Partnerschaften ohne Trauschein unterscheiden sich auch – im Vergleich zu einer Ehe – in den rechtlichen Grundlagen. Dies bedeutet, dass häufig die von unverheirateten Paaren evtl. gewünschten Regelungsbedarfe noch ungeklärt sind (z. B. Vollmachten und Verfügungen, Unterhaltsverpflichtungen, Witwenrenten, Erbschaftsangelegenheiten). Nach der klinischen Erfahrung der Autoren mangelt es gegenüber langjährigen Beziehungen oder rechtlich abgesicherten Ehen in erst seit Kurzem bestehenden Partnerschaften mitunter an der gefühlten Sicherheit, auch in „schlechten Zeiten“ beieinander zu bleiben. Diesbezügliche Äußerungen oder Hinweise auf Ängste der Erkrankten – („Verlässt mich mein Partner, da ich an einer Demenz erkrankt bin?“, „Kann ich es meinem Partner zumuten, dass er sich um mich kümmert?“, „Werde ich dem Partner zur Last?“) – gilt es offen aufzugreifen und mit zum Gegenstand der therapeutischen Intervention zu machen. Der soziale Wandel des Alterns impliziert auch einen Wandel der Altersbilder. „Die nachberufliche Lebensphase wird heute mehr als früher als Chance für persönliche Weiterentwicklung verstanden.“ (DEAS 2010, S. 259). Der Prozess des Alterns wird als lebenslanger, beeinflussbarer Prozess verstanden, womit immer wieder neue Entwicklungsaufgaben verbunden sind, für den Einzelnen sowie in Partnerschaften (z. B. Rollenveränderungen durch Berufsaufgabe, neue Lebensinhalte, Übernahme neuer Aufgaben wie die Betreuung der Enkelkinder). Damit gehen Veränderungen im Beziehungs- ggf. auch Verantwortungs- und Machtgefüge einher. Häufig wiederkehrende Gründe älterer Ratsuchender für eine Paarberatung sind zum Beispiel: • Sprachlosigkeit in der Beziehung, • Schwierigkeiten mit Kindern und Enkelkindern, z. B. Kontaktabbrüche , 18


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diffuse Unzufriedenheit mit sich, der Beziehung, dem eigenen Leben, Mangel an Zärtlichkeit, Geduld und liebevoller Zuwendung, geringe gegenseitige Wertschätzung und mangelnder Respekt, sexuelle Unzufriedenheit, wenige außerfamiliäre Kontakte, Suchtprobleme, Unzufriedenheit mit der häuslichen Aufgabenverteilung, Mangel an Autonomie und Freiraum für sich selbst, Mangel an gemeinsamen schönen Aktivitäten (unterschiedliche Interessen).

Gesellschafts-, gesundheits- und sozialpolitische Rahmenbedingungen – Gesundheit und Wohlbefinden im Alter

Immer mehr Menschen erreichen ein immer höheres Lebensalter. Wir sprechen inzwischen von zwei Altersgenerationen, der dritten und vierten Lebensphase. In den vergangenen 13 Jahren stieg die mittlere Lebenserwartung in Deutschland um fünf bis sechs Stunden pro Tag; und die Hälfte aller weiblichen Neugeborenen im Jahr 2007 in Deutschland darf erwarten, 102 Jahre alt zu werden (Rott 2012). Zugleich hat sich – „vor allem in den nachberuflichen Altersgruppen – ein sozialer (positiver) Wandel der Altersbilder vollzogen“ (DEAS 2010, S. 259). In Deutschland wird die Gesundheit und Lebenszufriedenheit auch in hohem Alter trotz körperlicher Einschränkungen im Durchschnitt als gut bewertet. Gesundheit und Wohlbefinden im Alter sind beeinflussbar durch Primärprävention über die Lebensspanne, aber auch durch frühzeitige Diagnostik und Therapie und durch Sekundärprävention und Rehabilitation. Dies trifft auch bei bereits bestehenden demenziellen Erkrankungen zu (vgl. S3Leitlinie Demenz; Gräßel et al. 2013). Die Autoren des Altersurveys und zahlreicher anderer Studien (z. B. LISA 2010) weisen jedoch auch darauf hin, dass die durchweg positiven Durchschnittsdaten zur Lebensqualität älterer Menschen hinsichtlich sozioökonomischer Lebensbedingungen, wozu auch harte und schlecht bezahlte Arbeit zählen, differenzierter betrachtet werden müssen: Ausgewogene Ernährung, interessenorientierte 19


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Aktivitäten, Sport und Bewegung sowie ein zufriedenes soziales Leben sind noch immer schicht- und bildungsabhängige Ressourcen für eine zufriedenstellende Gesundheit. Einem höheren Risiko zu erkranken unterliegen finanziell, sozial und in den Bildungs- und Arbeitsplatzchancen benachteiligte Bevölkerungsgruppen (LISA). Sie erkranken häufiger an Koronaren Herzerkrankungen, Diabetes, Adipositas und auch an demenziellen Erkrankungen. Zudem ist subjektives Wohlbefinden im Alter häufiger in den Regionen West- als in den Regionen Ostdeutschlands zu finden und gute medizinische und therapeutische Versorgungsstrukturen eher in Zentren der Großstädte als in deren Randgebieten, Kleinstädten und in ländlichen Regionen (DEAS 2010). Dass sich das Altersbild bei Personen in der beruflichen Lebensphase, „am deutlichsten in der Gruppe der 40 bis 50-Jährigen“ wieder verschlechtert hat und dies mit erhöhter Arbeitslosigkeit und Rentenunsicherheit einhergeht (DEAS 2010), zeigt, dass es sich bei der Angst vor dem Alter in von sozialer Ungleichheit betroffenen Gruppen nicht um eine irreale Sorge handelt. Altersdiskriminierung wird weniger häufig von Menschen erfahren, als man vielleicht vermuten könnte, auch hier mit zwei Ausnahmen: Gehäuft erlebt wird sie dann, wenn es um Arbeit älterer Arbeitnehmer und um medizinische Versorgung im Alter geht (DEAS 2010). Demenziell erkrankte Menschen und ihre oftmals gleichermaßen verunsicherten Partner unterliegen einem doppelten Risiko hinsichtlich guter (fach)ärztlicher psychotherapeutischer Behandlung und Rehabilitation. Mitunter widerfährt ihnen ein therapeutischer Nihilismus aufgrund ihres Alters und der vorhandenen Demenzerkrankung und zudem ein reduziertes Selbstvertrauen um eine gute, dem Stand der Wissenschaft adäquate qualitativ hochwertige Behandlung einzufordern. Gesundheit und Wohlbefinden auch mit einer demenziellen Erkrankung?

Frühzeitige Diagnostik, Therapie, Prophylaxe, Sekundärprävention in allen Krankheitsphasen, Wissenstransfer über die Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs auf Kognition und seelisches Wohlbefinden, Enttabuisierung 20


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des Themas Demenz, Entstereotypisierung des Bildes von Demenz, Entstigmatisierung von Menschen mit Demenz, gesellschaftliche Partizipation, Beendigung des therapeutischen Nihilismus – dazu können wir alle beitragen: „Bei den Demenzen und den Erkrankungen, die dazu beitragen, handelt es sich um ein gesellschaftliches Problem, also ein Problem von uns allen, von jedem Einzelnen.“ (Förstl 2012). Eine gute Behandlung demenziell erkrankter Menschen und ihrer Angehörigen hat sich an den persönlichen Ressourcen und individuellen Stärken der Betroffenen zu orientieren. „In einer Zeit, in der überwiegend nach Kosten-Gesichtspunkten in der Gesundheitsfürsorge gehandelt wird und psychisch kranke alte Menschen von Entrechtung bedroht sind, ist aus Sicht der DGGPP umso mehr geboten, ethische Gesichtspunkte wieder in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen.“2 Die gesellschafts-, gesundheitsund sozialpolitischen Konsequenzen wären, um hier einige zu nennen, soziale Gerechtigkeit und ausreichend wie nachhaltige Investitionen in Gesundheit und in Bildung über die Lebensspanne. Eine weitere wäre die Schaffung von gesplitteten Finanzierungsmodellen mittels Krankenversicherung (SGB V), Pflegeversicherung (SGB XI) und der Sozialleistungen (SGB XII). Beratungs-, Therapie- und Betreuungsangebote und Soziale Netzwerke in der Region

Es gibt einige zentrale Anlaufstellen und Informationsquellen, welche es sich hinsichtlich interessanter, bedeutsamer, hilfreicher Informationen sowohl für demenziell Erkrankte als auch für ihre Bezugspersonen grundsätzlich lohnt aufzusuchen bzw. nachzuschlagen. Hierzu zählen die Internetseite der „Deutschen Alzheimer-Gesellschaft e.V.“3, auch mit Adressenverzeichnissen regionaler Anlaufstellen, Angebote und Projekte und die regional flächendeckenden „Pflegestützpunkte“, welche seit 2009 gemäß § 92c Abs. 8 SGB XII mittels Vereinbarungen aller Bundesländer mit den Pflege- und Krankenkassen ihre umfassende Informations- und Beratungsarbeit aufgenommen haben und auf hohe Akzeptanz in der Bevölkerung 2 3

www.dggpp.de/verein_kurzdarstellung.html www.deutsche-alzheimer.de

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Einleitung

gestoßen sind. Die Bürgerberatungsstellen geben ebenso Informationen über Nachbarschafts- und Familienzentren, Kontakt- und Beratungsstellen oftmals in unterschiedlichen Sprachen je nach kultureller Vielfalt in den jeweiligen Regionen. Möchte sich ein Leser über den einigermaßen aktuellen Stand der evidenzbasierten Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten medizinischer wie nichtmedizinischer demenzieller Erkrankungen informieren, empfiehlt es sich, einen Blick in die S3-Leitlinie „Demenzen“ zu werfen. Leitlinien wurden von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN4) entwickelt in Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe Demenz und vielen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Berufsverbänden und Organisationen, an dieser Stelle sei z. B. die Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und Gerontopsychotherapie (DGGPP5) genannt. Zunehmende Bedeutung gewinnen auch von Bundesministerien geförderte Projekte (z. B. „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“6) für mehr Lebensqualität, Mobilität in der Kommune und Teilhabe am öffentlichen, sozialen und kulturellen Leben. Auch wird sich der 7. Altenbericht7 mit der Unterstützung von Menschen aller Altersgruppen im Quartier durch professionelle wie auch ehrenamtliche Akteure beschäftigen.

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www.dgppn.de www.dggpp.de www.lokale-allianzen.de www.siebter-altenbericht.de


Käufer dieses Buches können alle Anhänge auch als PDF im Format DIN A4 von unserer Website herunterladen. Im Folgenden finden Sie drei Beispielseiten.


Anlage 1 zu Kapitel 1: Handlungsempfehlungen für mögliche Probleme und schwierige Situationen im Rahmen der DYADEM-Intervention – Blatt 1 von 3

Mögliche Folgen und Probleme für die Sitzungen Handlungsempfehlungen

Ursachen motivationale Gründe

krankheitsbedingte Gründe

Paar ist fremdmotiviert (z. B. durch Kinder oder andere Angehörige

Interventionsabbruch, partielle Verweigerung, Schweigen, Boykott von Hausaufgaben, fehlende Einsicht in die Notwendigkeit der Intervention, Nichteinhalten von Terminen und Absprachen

Motivationsanalyse. „Change Talk“ (vgl. hierzu Miller, W. R. & Rollnick, S. 1991; Körkel, J. & Vetrup, C. 2003), Psychoedukation, Wunderfragen.

Ein Partner ist fremdmotiviert

Interventionsabbruch, partielle Verweigerung, Schweigen, Boykott von Hausaufgaben, fehlende Einsicht in die Notwendigkeit der Studie, überkritisches Verhalten

Motivationsanalyse. „Change Talk“, Psychoedukation, Wunderfragen.

Schwerhörigkeit

Person kann nicht oder nicht richtig folgen

Abklären: Liegt Hörgerät vor? Ärztliche Abklärung notwendig? Scham beim Tragen und zum Einsatz motivieren.

Sehbehinderung

Probleme bei der Arbeit mit Stiften und Papier und der Ankerübung

Abklären: Gibt es eine Brille oder andere Sehhilfe? Ärztliche Abklärung notwendig? Eventuell Hilfe bei den Aufgaben durch Partner besprechen.

Inkontinenz

Scham, Störungen durch häufigen WC-Gang

Offener Umgang: Ansprechen und ggf. Pausen festlegen.

Schmerzen

Ablenkung durch Fokus auf Schmerzen

Ärztliche Abklärung notwendig? Werden Schmerzmedikamente (richtig) genommen? Sind Schmerzen akut oder chronisch?

Anosognosie

Probleme bei der Mitarbeit, Störungen des Sitzungsablaufs

Konzentration auf Angehörigen fokussieren? (Psychoedukation) Versuchen dem Betroffenen eine „Brücke“ zu bauen: z. B. anstatt von Demenzerkrankung von Gedächtnisstörung sprechen.

Tremor

Schwierigkeiten bei der schriftlichen Mitarbeit, Verweigerung

Frage nach Akzeptanz beim Partner. Ggf. Aufgaben vom Partner ausfüllen lassen.

Sonstiges

Generell gilt: Autonomie des von Krankheit Betroffenen möglichst fördern und erst zuletzt durch Partner kompensieren lassen.


Anlage 1 zu Kapitel 1: Handlungsempfehlungen für mögliche Probleme und schwierige Situationen im Rahmen der DYADEM-Intervention – Blatt 2 von 3

Mögliche Folgen und Probleme für die Sitzungen

Ursachen Störungsbedingte Gründe

Handlungsempfehlungen

Logorrhoe

Störung und Ablenkung in den Sitzungen, Schwierigkeiten im Zeitmanagement

Ursachenklärung (situativ vs. habituell), ggf. Aufgreifen und therapeutisch verwenden. Professionelles Unterbrechen. „Drei-Satz-Regel“ einführen.

Konzentrations& Gedächtnisstörungen

Betroffene(r) reduziert Aktivität/ Mitarbeit, Störung des Ablaufs möglich, Auswirkung auf Hausaufgaben usw. möglich

Raum für Pausen geben. Eventuell Fokussierung auf den Angehörigen: „Wie gehen sie im Alltag mit Gedächtnisstörungen um?“

Fehlhandlungen

Behinderung und Störung der Sitzungen z. B. durch Distanzlosigkeit oder Affektinkontinenz

Klärung mit Angehörigem: bisheriger Umgang des Angehörigen. Psychoedukation. Klärung der Medikamente anregen. Beruhigend einwirken. Gibt es Frühwarnzeichen?

Ängste

Schweigen, Verweigerung der aktiven Teilnahme

Klärung des Einflusses auf die Intervention. Ggf. Weiterverweisen an Psychiater/Nervenarzt.

Aggressivität (auch Seitens des Angehörigen)

Behinderung und Störung der Therapie

Selbst-/Fremdgefährdung überprüfen. Klar ansprechen. Deeskalieren. Unter Umständen Abbruch der Intervention. Ggf. sozialpsychiatrischen Dienst/Facharzt involvieren.

Suizidalität

Studienabbruch

Voranging thematisieren. Psychiatrische Intervention notwendig? Ggf. SPD involvieren.

Depressionen

Antriebslosigkeit, kog. Beeinträchtigungen mit Auswirkungen auf Aufgaben, Aktivitätenaufbau u. a.

Klärung des Einflusses auf die Intervention. Ggf. sozial-psychiatrischen Dienst/Facharzt involvieren.


Anlage 1 zu Kapitel 1: Handlungsempfehlungen für mögliche Probleme und schwierige Situationen im Rahmen der DYADEM-Intervention – Blatt 3 von 3

Mögliche Folgen und Probleme für die Sitzungen

Ursachen Persönlichkeitsbedingte Gründe

Belastungsfaktoren/ Belastungsgrad

Handlungsempfehlungen

Persönlichkeitsakzentuierungen

Vielfältige Störungen möglich: u. a. Abwertung des Therapeuten, unzureichende Abgrenzung vom Partner, Unsicherheit

Ansprechen (am Besten am konkreten Verhalten). Klares Aussprechen von Grenzen, ermuntern, auf Schweigepflicht verweisen.

strukturelle Mängel

Häufiges Vergessen von Terminen und Aufgaben, Nichteinhalten von Vereinbarungen

Erörtern und ggf. Strukturierungshilfen besprechen.

Aktuell zu starke Belastung für einen oder beide Partner

Abbruch der Intervention

Klärung der Situation bzw. der Gründe. Motivation und Interventionsziele erörtern (Ziel ist nicht Belastung, sondern Entlastung!). Konkrete Hilfestellung für weiteres Vorgehen geben.

subj. Belastung ist zu niedrig

Motivationale Probleme

Motivational Interviewing. Gilt das für beide oder nur für einer?

kein Problembewusstsein

Verweigerung der Teilnahme bzw. von Teilen der Intervention

Gilt das für beide oder nur für einer? Update: Problemerhebung und Bedarfsklärung, Zielklärung.

Chronifizierte Partnerschaftskonflikte

Eskalation von Streits in Sitzungen. Missbrauch der Sitzungen, um sich über Partner zu beschweren

Auftragsklärung und Verweis auf Therapieund Kommunikationsregeln. Bei Streits frühzeitig unterbrechen. Paar gleichberechtigt behandeln.

Mangel an sozialer Unterstützung

Missbrauch der Sitzungen, um sich über Partner zu beschweren

Frühstmöglich unterbrechen, Regeln klären, Neutralitätsgebot seitens des Therapeuten.

übertriebene Erwartungen

Relativierung, Realitätsprüfung, Pychoedukation.

pessimistische Erwartungen

Relativierung, Realitätsprüfung, Motivational Interviewing, Pychoedukation.

Unzureichendes Wissen über die Intervention und Therapie allgemein Sonstige Faktoren

Suboptimale Umgebungsbedingungen (z. B. Telefon, Besuche)

Störungen des Ablaufs möglich

Störungsquellen benennen und auf deren Beseitigung hinwirken.

Therapeutenfaktoren

Suboptimale TherapeutenKlientenpassung

Schwierigkeiten in der therapeutischen Arbeit: Paar verweigert sich

Thematisieren, Validieren, in Ausnahmefällen Therapeutenwechsel.

Therapeutenpersönlichkeit

z. B. Schwierigkeit die Sitzungen im Zeitrahmen zu halten oder mangelnde Fähigkeit zur Abgrenzung

Abgrenzen, Supervision.


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