Quellen zur Geschichte der Krankenpflege

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Quellenmaterial zu folgenden Themenschwerpunkten zusammen: — Pflegealltag — Professionalisierung — Geschlechterbeziehungen — Religion/Ethik/Caritas — Eugenik/Nationalsozialismus. Einführungen in die Themenbereiche stellen die übergeordneten Zusammenhänge dar, Kommentare zu jeder Quelle leisten eine historische Einordnung. Die Einführungen und Kommentare präsentieren den aktuellen Stand

Quellen Quellen zur zur Geschichte Geschichte der Krankenpflege Krankenpflege

Dieses Buch stellt umfangreiches

Sylvelyn Hähner-Rombach (Hrsg.) unter Mitarbeit von Christoph Schweikardt

Quellen zur Geschichte der Krankenpflege Mit Einführungen und Kommentaren

4., erweiterte Auflage

inkl. CD-ROM

Quellen so in einzigartiger Weise für Pflegeausbildung und -studium.

ISBN 978-3-86321-338-1

Sylvelyn Sylvelyn Hähner-Rombach Hähner-Rombach(Hrsg.) (Hrsg.)

der Forschung und erschließen die

Mabuse-Verlag


Sylvelyn H채hner-Rombach, geb. 1959, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut f체r Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart. Christoph Schweikardt, geb. 1967, ist wissenschaftlicher Assistent an der Abteilung f체r Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin an der Ruhr-Universit채t Bochum.


Sylvelyn Hähner-Rombach (Hrsg.) unter Mitarbeit von Christoph Schweikardt

Quellen zur Geschichte der Krankenpflege Mit EinfĂźhrungen und Kommentaren

Mabuse-Verlag Frankfurt am Main


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2008 Mabuse-Verlag GmbH Kasseler Str. 1a 60486 Frankfurt am Main Tel.: 069 / 70 79 96 – 13 Fax: 069 / 70 41 52 verlag@mabuse-verlag.de www.mabuse-verlag.de

Satz: Alex Feuerherdt Umschlaggestaltung: Karin Dienst, unter Verwendung des Gemäldes „Sisters of Saint Martha“ von Robert Thom Druck: freiburger graphische betriebe ISBN: 978-3-940529-11-4 Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten


Inhalt

Einführung in die kommentierte Quellensammlung Sylvelyn Hähner-Rombach

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Krankenpflege in der Antike Sünje Prühlen

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Mittelalter und Frühe Neuzeit Sünje Prühlen

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I. Christentum und Krankenpflege – einige historische Anmerkungen Norbert Friedrich Kommentar zur Quelle I,1: Kommentar zur Quelle I,2: Kommentar zur Quelle I,3: Kommentar zur Quelle I,4: Kommentar zur Quelle I,5: Kommentar zur Quelle I,6: Kommentar zur Quelle I,7: Kommentar zur Quelle I,8: Kommentar zur Quelle I,9:

Regel des Basilius, Augustinus, Benedikt von Nursia, Kommentar Hildemar von Corbie, Wilhelm von Hirsau (Mittelalter) Berichtsheft und Empfehlungen für Besucherinnen des „Weiblichen Vereins für Armen- und Krankenpflege“ (19. Jahrhundert) Bericht Schwester Bertha Wiese: Wann und auf welche Weise darf die Schwester Seelsorge an ihren Kranken ausüben (1899) Jüdische Krankenpflegerinnen (1903) I. Jahresbericht des Jüdischen Schwesternheims Stuttgart (1905) Jüdisches Schwesternheim Stuttgart. Bestimmungen für die Schwestern (1905) Die Pflege männlicher Kranker durch die Barmherzigen Schwestern (1901) Begleitbrief zur Denkschrift betr. die katholische Ordens-Krankenpflege (1904) Ärztliche Denkschrift betr. die katholische Ordens-Krankenpflege (1904)

43

59 66 70 77 88 93 100 104 104


Kommentar zur Quelle I,10: Kommentar zur Quelle I,11: Kommentar zur Quelle I,12: Kommentar zur Quelle I,13:

Agnes Karll: Schwesternschaft und Fachverband (1910) Agnes Karll: Materialismus und Idealismus (1910) Pater Bernhard Rüther: Die Gefahr der Entpersönlichung im Krankendienst (1951) Ethikkodex des International Council of Nurses (2005)

II. Berufliche Entwicklung der Krankenpflege in Deutschland, Österreich und der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert Christoph Schweikardt Kommentar zur Quelle II,1: Kommentar zur Quelle II,2: Kommentar zur Quelle II,3: Kommentar zur Quelle II,4: Kommentar zur Quelle II,5: Kommentar zur Quelle II,6: Kommentar zur Quelle II,7: Kommentar zur Quelle II,8: Kommentar zur Quelle II,9: Kommentar zur Quelle II,10: Kommentar zur Quelle II,11: Kommentar zur Quelle II,12: Kommentar zur Quelle II,13: Kommentar zur Quelle II,14: Kommentar zur Quelle II,15: Kommentar zur Quelle II,16: Kommentar zur Quelle II,17:

109 114 117 121

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Ordnung des Straßburger Hospitals (1466) 151 Oetheus: Gründtlicher Bericht, Lehr unnd Instruction, von rechtem und nutzlichem brauch der Artzney, den Gesunden, Krancken und Kranckenpflegern (1574) 158 Krankenprotokollbuch des Hospitals der Barmherzigen Brüder in Graz (1685) 164 Lehrgedicht über die Berufspflichten, Leistungen und Verdienste der Barmherzigen Brüder (1695) 169 Der beeden dürftigen Schwestern gelübd und Ordnung (1744) 174 Nicolai: Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz (1781) 181 Ordnung für die Schwäbische Feld-Kreis-Lazarethe (1794) 187 May: Unterricht für Krankenwärter (1784) 191 Dieffenbach: Anleitung zur Krankenwartung (1832) 199 Hilfspflegerinnen-Verband. Ein neuer Frauenberuf (1899) 205 Hilfspflegerinnen-Verband (1899) 205 Bestimmungen des Hilfspflegerinnen-Verbands (1899) 209 1. Rechenschaftsbericht des HilfspflegerinnenVerbands (1900) 213 Pflegerinnenordnung des HilfspflegerinnenVerbands (1905) 216 Mugdan/Meyer: Ausbildung und Organisation des Krankenpflegepersonals (1905) 222 Brief an den Präsidenten der Aufsichtskommission Friedmatt (1920) 227 Großmann: Aktennotiz über eine Besprechung betr. Ausbildung und Verlängerung der Lernzeit (1929) 232


Kommentar zur Quelle II,18: Kommentar zur Quelle II,19: Kommentar zur Quelle II,20: Kommentar zur Quelle II,21: Kommentar zur Quelle II,22:

Störck: Die Krankenpflegerin und die Hebamme (1930) 238 Die Stationshelferin (1958) 245 Bericht über eine Informationsreise nach Japan, Korea, Taiwan (1967) 251 Rahmenausbildungsunterlage für die sozialistische Berufsausbildung (1968) 263 Interview Erika Kalbe (2001) 271

III. Alltag in der Krankenpflege Sylvelyn Hähner-Rombach

279

Kommentar zur Quelle III,1: Kommentar zur Quelle III,2: Kommentar zur Quelle III,3: Kommentar zur Quelle III,4: Kommentar zur Quelle III,5: Kommentar zur Quelle III,6: Kommentar zur Quelle III,7: Kommentar zur Quelle III,8: Kommentar zur Quelle III,9: Kommentar zur Quelle III,10: Kommentar zur Quelle III,11: Kommentar zur Quelle III,12: Kommentar zur Quelle III,13: Kommentar zur Quelle III,14: Kommentar zur Quelle III,15: Kommentar zur Quelle III,16: Kommentar zur Quelle III,17: Kommentar zur Quelle III,18: Kommentar zur Quelle III,19: Kommentar zur Quelle III,20: Kommentar zur Quelle III,21: Kommentar zur Quelle III,22: Kommentar zur Quelle III,23: Kommentar zur Quelle III,24: Kommentar zur Quelle III,25:

293 298 298 298 298 298 298 298 298 298 298 298 298 298 298 298 298 305

Buch Weinsberg (16. Jahrhundert) Protokoll Schwestern-Konferenz (1874) Protokoll Schwestern-Konferenz Konferenzfragen der Schwestern (1889) Bericht der Schwestern-Konferenz (1878) Schwestern-Brief (1850) Schwestern-Brief (1850) Schwestern-Brief (1850) Auszug eines Schwestern-Briefes (1872) Auszug eines Schwestern-Briefes (1872) Auszug eines Schwestern-Briefes (1877) Auszug eines Schwestern-Briefes (1877) Auszug eines Schwestern-Briefes (1879) Auszug eines Schwestern-Briefes (1879) Auszug eines Schwestern-Briefes (1880) Schwestern-Brief (1890) Auszug eines Schwestern-Briefes (1890) Auszug eines Schwestern-Briefes (1892) Brief einer Diakonisse aus Hamburg zur Zeit der Cholera-Epidemie Bericht der Schwester Bertha Wiese an den Ev. Diakonieverein (1897) Bericht der Schwester Bertha Wiese: Die Bedeutung der Tracht (1900) Bericht der Schwester Bertha Wiese: Nachtwachen (1900) Bericht der Schwester Bertha Wiese (1903) Bericht der Schwester Bertha Wiese: Krankenspaziergänge (1904) Dienstordnung für das Wartpersonal der Irrenanstalt Basel (1899)

307 314 321 324 327 330 333


Kommentar zur Quelle III,26: Kommentar zur Quelle III,27: Kommentar zur Quelle III,28: Kommentar zur Quelle III,29: Kommentar zur Quelle III,30: Kommentar zur Quelle III,31: Kommentar zur Quelle III,32: Kommentar zur Quelle III,33: Kommentar zur Quelle III,34: Kommentar zur Quelle III,35: Kommentar zur Quelle III,36: Kommentar zur Quelle III,37: Kommentar zur Quelle III,38: Kommentar zur Quelle III,39: Kommentar zur Quelle III,40: Kommentar zur Quelle III,41: Kommentar zur Quelle III,42: Kommentar zur Quelle III,43: Kommentar zur Quelle III,44: Kommentar zur Quelle III,45: Kommentar zur Quelle III,46: Kommentar zur Quelle III,47: Kommentar zur Quelle III,48: Kommentar zur Quelle III,49: Kommentar zur Quelle III,50: Kommentar zur Quelle III,51:

Unsere Irrenwärter (1918) Verhandlungen des Reichstags (1900) Verhandlungen des Reichstags (1901) Verhandlungen des Reichstags (1903) Verhandlungen des Reichstags (1913) Verhandlungen des Reichstags (1913) Verhandlungen des Reichstags (1914) Schwarz: Skizzen aus dem Leben einer Krankenschwester (1915) Heilstätte für Barmherzige Schwestern (1904) Kinn:Vertrauliches Rundschreiben (1909) Kinn:Vorschlag zum Kampfe gegen die übergroße Sterblichkeit (1916) Tromp: Die Sterblichkeit der Schwestern des Diakonissenhauses (1914) Caritasverband: Reichserhebung der TbErkrankungen beim Pflegepersonal (1928) Bekämpfung der Tb in den Orden der Barmherzigen Schwestern (1914) Paul: Berufsschäden der Schwestern (1937) Sternberg: Die Lage der Krankenpflegerinnen (1917) Tätigkeit der Fürsorgeschwestern (1914) Dienstanweisung für die Fürsorgeschwester (1918) Bericht aus Stettin (1922) Beschwerde der Eltern eines Patienten gegen das Pflegepersonal (1921) Neuhaus: Wie sieht die Jugend aus, die in unsere Seminare kommt (1929) Zimmerordnung für das interne Personal des Bürgerspitals (1930) Die Not der Schwesternarbeit (1950) Düring: Aus dem Alltag einer Gemeindeschwester (1952) Die Halbtagsschwester im Krankenhaus (1953) Interview mit Schwester Christel

337 342 351 353 358 361 364 367 378 388 392 396 399 404 412 416 423 427 436 442 448 456 459 464 468 474

IV. Geschlechterverhältnisse in der Krankenpflege Sylvelyn Hähner-Rombach

479

Kommentar zur Quelle IV,1: Kommentar zur Quelle IV,2:

500 509

Haas: Pflegeschwestern und Pflegedienst (1899) Juliusburger: Arzt und Krankenschwester (1918)


Kommentar zur Quelle IV,3: Kommentar zur Quelle IV,4: Kommentar zur Quelle IV,5:

Stangenberger: Unter dem Deckmantel der Barmherzigkeit (1901) Streiter: Das Geschlechtsproblem in der Krankenpflege (1911) Umfrage über vermehrtes männliches Pflegepersonal (1944)

513 519 525

V. Eugenik und Nationalsozialismus

531

Eugenik im Deutschen Reich und im Nationalsozialismus Ulrike Gaida

531

Geschichte der Eugenik in der Schweiz Sabine Braunschweig

544

Krankenpflege im Nationalsozialismus Christoph Schweikardt

554

Kommentar zur Quelle V,1: Kommentar zur Quelle V,2: Kommentar zur Quelle V,3: Kommentar zur Quelle V,4: Kommentar zur Quelle V,5: Kommentar zur Quelle V,6: Kommentar zur Quelle V,7: Kommentar zur Quelle V,8: Kommentar zur Quelle V,9: Kommentar zur Quelle V,10: Kommentar zur Quelle V,11: Kommentar zur Quelle V,12: Kommentar zur Quelle V,13: Kommentar zur Quelle V,14: Kommentar zur Quelle V,15: Kommentar zur Quelle V,16:

Petri: Zum Problem der Unfruchtbarmachung Minderwertiger (1932) Lauerer: Der Wert der helfenden Liebe für die Volksgemeinschaft (1933) Sievers: Die fürsorgerische Betreuung Sterilisierter (1935) Keßler: Lebenslauf von 1936 Der Stosstrupp. Examenszeitung von 1937/38 Wolf: Bericht über ihr Leben (1965) Gesetz zur Ordnung der Krankenpflege (1938) Glück oder Unglück durch Vererbung (1940) Nachwuchs für die krankenpflegerischen Berufe (1942) Berufswechsel der Schwestern (1942) Schwesterneinsatz (1942) Herbeiziehung weiterer Kräfte für den Krankenpflegedienst (1942) Schwester Agnes und ihre Patienten (1942) Auslese des Schwesternnachwuchses (1944) Planungsstelle für das Schwesternwesen (1944) Konferenz der Caritas zu Fragen der katholischen weltlichen Krankenschwester (1944)

565 570 576 584 588 592 602 608 612 616 620 624 629 634 638 645


Zeittafeln

651

Deutschland Ă–sterreich Schweiz

651 655 658

Liste der kommentierten und unkommentierten Quellen

662

Bibliographie

677

Quellen

717

Stichwortregister

730

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

737


Einführung in die kommentierte Quellensammlung Sylvelyn Hähner-Rombach

Die Pflegegeschichte ist im Kommen. Das ist in erheblichem Maß der Unterstützung der Robert Bosch Stiftung zu verdanken, die mit ihrem Förderprogramm „Beiträge zur Geschichte der Pflege“, das im August 2004 aufgelegt wurde, viele Projekte, darunter das vorliegende, unterstützt und finanziert. Die Etablierung der Pflegegeschichte an pflegewissenschaftlichen Institutionen an Fachhochschulen und Universitäten ist unterschiedlich weit vorangeschritten. Diesen Prozess zu unterstützen, das heißt, die Pflegegeschichte stärker in die Lehre zu integrieren bzw. ihren Anteil auszuweiten, dazu soll das vorliegende Buch beitragen. Es gibt zwar schon Quellensammlungen zur Geschichte der Pflege, diese sind jedoch entweder älteren Datums und konnten deshalb neue Blickwinkel auf die Geschichte der Pflege nicht berücksichtigen, oder es fehlt an ausführlicheren Kommentaren und thematischen Einführungen, die den Einsatz in der Lehre erleichtern können. Zudem ist das Feld der Pflegegeschichte so groß und komplex, dass auch die vorliegende Quellensammlung nur ein weiterer Baustein sein kann. Auch sie ist daher weder vollständig noch lückenlos, was die Abdeckung weiterer möglicher Aspekte der einzelnen Themenfelder betrifft. Zudem sind bei weitem nicht alle Zeiten oder gar Epochen vollständig abgehandelt. Das liegt zum einen daran, dass wir in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht noch mehr Quellen eruieren konnten, zum anderen war immer auch der Umfang des Buches im Auge zu haben, der ein gewisses, im wörtlichen Sinn handhabbares Format nicht überschreiten sollte. Leider konnten Bildquellen in Ich danke Karen Nolte für wertvolle Anregungen bei der Abfassung dieser Einführung.

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einführung in die kommentierte quellensammlung

dieser Ausgabe nicht berücksichtigt werden, obwohl die Bedeutung von Bildern unzweifelhaft ist. Doch ist geplant, die Quellenerhebung und ihre Kommentierung weiterzuführen und zugänglich zu machen, ob als Buch oder in digitaler Form, ist noch nicht entschieden. Damit können dann die Lücken der vorliegenden Sammlung hoffentlich nach und nach gefüllt werden. Die Idee, eine kommentierte und mit Einführungen versehene Quellensammlung zur Geschichte der Pflege herauszugeben, stammte von Christoph Schweikardt. Die Robert Bosch Stiftung machte das ganze Unternehmen durch ihre großzügige Förderung überhaupt erst möglich. Die Konzeption der vorliegenden Sammlung ist das Resultat dreier intensiver Treffen einer Arbeitsgruppe, deren Mitglieder maßgeblich an der Entstehung des Buches beteiligt waren, sei es durch Zusendung von Quellentexten, sei es durch die Abfassung von Einführungen und/oder Kommentaren, sei es durch kritische Lektüre von Kommentaren und Einführungen, sei es durch konstruktive Kritik oder auch schlichtweg Ermunterung oder Rat in Einzelfragen. Ohne diese vielfältige Unterstützung wäre die Herausgabe dieses Buches nicht möglich gewesen. Bei dem ersten Treffen der Arbeitsgruppe im Mai 2005 kristallisierte sich in der Diskussion schnell heraus, dass die Quellensammlung nicht chronologisch, sondern thematisch strukturiert sein sollte. Eine erste Aufnahme möglicher Themen ergab eine Zahl, bei der gleich klar war, dass eine Einschränkung erfolgen musste. Schlussendlich fiel die Wahl auf fünf Themenfelder: • • • • •

Religion/Ethik und Krankenpflege Berufliche Entwicklung der Krankenpflege Pflegealltag in der Krankenpflege Geschlechterverhältnisse in der Krankenpflege Eugenik und Krankenpflege im Nationalsozialismus.

Der Umfang der einzelnen Themenfelder ist verschieden, das Schwergewicht liegt eindeutig beim „Pflegealltag“, weil dieser in der Geschichte der Krankenpflege – im Vergleich zur Professionalisierung etwa – bislang zu kurz gekommen ist. Die Auswahl der kommentierten und nichtkommentierten Quellen war insofern „willkürlich“, als wir die eingesandten Vorschläge berücksichtigten und teilweise noch fehlende Quellen selbst eruierten. Ein Problem, das sich dabei für 12


einführung in die kommentierte quellensammlung

die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg stellt, ist die Zugänglichkeit mancher Quellenbestände, für die es nach den Archivgesetzen Sperrfristen gibt, die den Schutz der Persönlichkeit gewährleisten sollen.

Aufbau des Buches Die Zuordnung der Quellen zu den jeweiligen Themenfeldern war nicht immer einfach, weil viele Texte mehrere Themenfelder berührten. Möglicherweise können manche Leserinnen und Leser die Zuordnung nicht ad hoc nachvollziehen. Das wiegt jedoch nicht allzu schwer, da jede Quelle mit mehreren Stichworten versehen wurde, so dass sie auch für den Einsatz in anderen Themenfeldern leicht auffindbar ist. Zunächst war geplant, die kommentierten Quellen ganz oder auszugsweise in die Druckversion aufzunehmen, während nichtkommentierte und die Vollversion gekürzter Quellentexte in die digitale Fassung kommen sollten. Da die eingegangenen Kommentare, die Einführungen und die umfangreiche Biblio­ graphie das Seitenlimit bereits überschritten, wurde beschlossen, alle Quellentexte in die digitale Fassung zu stellen. Die Kommentare der Quellen umfassen immer auch eine Darstellung des historischen Kontextes. Bei Quellen, die inhaltlich und zeitlich zusammenhängen, wurden die historischen Rahmenbedingungen nur einmal skizziert. Die Abfassung der Kommentare und Einführungen versuchte, sich an Lehrenden zu orientieren, die nicht Geschichte studiert haben oder nicht in allen Epochen und Themenfeldern beschlagen sind und sich ansonsten den historischen Kontext zeitaufwendig hätten erarbeiten müssen. Bei den ausgesuchten und zum Teil gekürzten Quellen wurde versucht, ihre Länge den Unterrichtsgegebenheiten anzupassen. In der Regel sollten sie einen Seitenumfang von drei bis fünf Seiten nicht überschreiten, es sei denn, die Texte – zum Beispiel Transkriptionen von Interviews – sind so leicht verständlich, dass auch mehr als fünf Seiten in relativ kurzer Zeit gelesen werden können. Bei den Literaturangaben sind nur die Werke, die für die Kommentare bzw. Beim Aufbau der Quellensammlung haben wir uns an dem Buch „Frauengeschichte(n). Dokumente aus zwei Jahrhunderten zur Situation der Frauen in der Schweiz“, herausgegeben von Elisabeth Joris und Heidi Witzig (Zürich 1986), orientiert.

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einführung in die kommentierte quellensammlung

für die Einführungen von Belang waren, aufgeführt, um das Buch nicht mit Literaturhinweisen zu überfrachten. Sie sind aus Platzgründen in Kurzform gehalten, in der Gesamtbibliographie findet sich der vollständige Titel. Jeder Kommentar wurde mit Stichworten versehen, die sich im Register am Ende des Buches wiederfinden, um auch die anderen Quellen ausfindig machen zu können, die zu den jeweiligen kommentierten Quellen passen. Bei den Quellentexten, die wir aus Büchern entnommen haben, wurde nicht der gesamte Text in die digitale Fassung aufgenommen; nur Texte, deren Langfassung nicht so einfach zugänglich ist, weil sie aus Archiven stammen oder nur vereinzelt in Bibliotheken nachgewiesen sind, finden sich in der digitalen Fassung vollständig wieder. Außerdem wurden weitere Quellentexte in die digitale Fassung aufgenommen, die im Zusammenhang mit kommentierten Quellen stehen oder für die sich keine Kommentatorin bzw. kein Kommentator fand, die aber so aussagekräftig sind, dass wir wenigstens die Quelle an sich zugänglich machen wollten. In den Fällen, in denen sich der Kommentar nur auf Teile des gesamten Quellentextes bezieht, gibt es zwei Versionen des Textes: eine mit Markierungen durch Fettdruck, um zu kennzeichnen, auf welche Stelle(n) sich der Kommentar bezieht, und eine ohne, falls die Quelle unmarkiert ausgegeben werden soll (auf der CD am „oM“ im Dateinamen zu erkennen). Die digitalisierten Quellen können als PDF-Dateien auf allen gängigen Rechnern geöffnet und gelesen werden. Jede Einführung und jeder Kommentar soll in sich schlüssig sein, das heißt, jede einzelne „Einheit“ sollte alle die Informationen enthalten, die zum Verständnis notwendig sind. Dadurch kommt es zu Wiederholungen, wenn man alles liest. Da Letzteres nicht vorausgesetzt werden kann, wurde eine gewisse Redundanz in Kauf genommen, denn Verweise auf Ausführungen in anderen Kommentaren oder Einführungen stören den Lesefluss. Wie eingangs erwähnt, wurden die kommentierten Quellen fünf Themenbereichen zugeordnet. Jeder Themenbereich beginnt mit einer Einführung, gefolgt von Kommentaren der zugeordneten Quellen in chronologischer Reihenfolge. Letztere wurde nur dann durchbrochen, wenn Quellen aus unterschiedlichen Jahren inhaltlich zusammengehören. Die Kommentare sind mit wenigen Ausnahmen nach einem bestimmten Schema, das sich sofort erschließt, abgefasst worden. Am Schluss der jeweiligen Kommentare sind die vergebenen Stichworte 14


einführung in die kommentierte quellensammlung

angefügt, die sich im Register wiederfinden. Jede – auch nichtkommentierte – Quelle hat eine fortlaufende Nummer erhalten. Die beigefügte Übersicht über alle Quellen erleichtert auch das Auffinden korrespondierender Texte. Da die Pflegegeschichte der Antike – auch aufgrund der schwierigen Quellenlage – oft zu kurz kommt, für das Verständnis der Pflegegeschichte aber unverzichtbar ist, haben wir beschlossen, den vorliegenden Band mit einem kurzen Kapitel von Sünje Prühlen zur Krankenpflege in der Antike beginnen zu lassen. Darin wurden verschiedene Textfragmente zusammengetragen, um zu zeigen, wie die Arbeit mit antiken Quellen zur Pflegegeschichte aussehen kann. Die kurze Einführung in das Mittelalter und die Frühe Neuzeit, ebenfalls von Sünje Prühlen, soll helfen, die Quellen aus diesen beiden Epochen besser einbetten zu können. Die eigentlichen thematischen Einführungen, an die sich die jeweiligen Kommentare anschließen, beginnen mit Norbert Friedrichs historischen Anmerkungen zu der Verbindung von Christentum und Krankenpflege. Christoph Schweikardt hat die Entwicklung der Krankenpflege vor allem im 19. und 20. Jahrhundert nachgezeichnet. Diese bildet den Grundstein für die Einführung von Sylvelyn Hähner-Rombach in den dritten Themenbereich, den Alltag in der Krankenpflege. Obwohl der Anteil der kommentierten Quellen zum Themenbereich Geschlechterverhältnisse relativ gering ist, hat Sylvelyn Hähner-Rombach es unternommen, dazu eine Einführung zu schreiben, weil in der Geschichte der Krankenpflege die Analyse der Geschlechterverhältnisse bislang noch zu kurz kommt. Wir hoffen, auch hierzu in der Folge mehr Quellenmaterial zur Verfügung stellen zu können. Der letzte Themenbereich trägt den Namen Eugenik und Krankenpflege im Nationalsozialis­mus. Da die „Rassenhygiene“, wie die „deutsche Variante“ der Eugenik hieß, im Deutschen Reich schon lange vor 1933 ein Thema war, hat Ulrike Gaida die Geschichte dieser „Disziplin“ skizziert. In der Schweiz, die von einer nationalsozialistischen Diktatur verschont blieb, brachte die Umsetzung eugenischen Gedankengutes jedoch ebenfalls Leid für die davon betroffenen Menschen. Sabine Braunschweig hat diese Entwicklung für die Schweiz zusammengefasst. Die Einführung in die Krankenpflege im Nationalsozialismus stammt von Christoph Schweikardt.

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einführung in die kommentierte quellensammlung

Allgemeine Fragestellungen Bei allen Quellen, unabhängig davon, welchem Themenfeld sie zugeordnet wurden, kann eine erste Annäherung an den Text über die Abfrage der so genannten sieben „W-Fragen“ erfolgen: wer?, was?, wann?, wo?, an wen?, warum?, wie? Die Beantwortung der Frage, wer der Verfasser bzw. die Verfasserin des Textes ist, kennzeichnet die Quelle primär, denn ob der Autor bzw. die Autorin eine Krankenschwester, ein Arzt oder ein Krankenhausleiter ist, macht einen großen Unterschied. Die Frage „was?“ bezieht sich auf die Art des Textes: ein Brief, eine Anweisung, ein Bericht etc. Die Frage „wann?“ rekurriert primär auf den Zeitpunkt der Abfassung, kann aber auch erweitert werden auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe, wenn dieser zeitlich später liegt (wobei die Gründe dafür aussagekräftig sein können), oder – im Falle von Autobiographien – auf den geschilderten Zeitraum. „Wo?“ fragt nach dem Ort der Abfassung (Stadt, Land, Exil), „an wen?“ nach dem Adressaten oder der Zielgruppe des Textes, also an wen er ursprünglich gerichtet (bzw. für wen er nicht gedacht) war. „Warum?“ soll Antwort geben auf die Frage nach dem Motiv, dem Grund oder dem Anlass für die Abfassung der Quelle, sowohl vordergründig als auch hintergründig. Und die Frage „wie?“ bezieht sich schließlich auf die bei der Abfassung gewählte Art der Darstellung (polemisch, drohend, sachlich etc.). Mit der Abhandlung dieser Hilfsfragen lässt sich die zu bearbeitende Quelle primär charakterisieren, bevor die Frage beantwortet werden kann, was sie schildert (Quellenanalyse). Die eigentliche Quellenkritik basiert auf der Beantwortung der sieben „W-Fragen“, geht aber darüber hinaus, indem sie die Quelle selbst zeitgenössisch einordnet und kritisch hinterfragt, was sie tatsächlich an Informationen bereithält, was sie (bewusst) richtig oder falsch darstellt, was sie nicht anspricht, obwohl das zu erwarten gewesen wäre usw. Ein wesentliches Ziel der historischen Herangehensweise an die Krankenpflege ist es, historisches Denken zu vermitteln und anzuregen. Das heißt – wie schon in den sieben „W-Fragen“ angedeutet –, sich die historischen gesellschaftlichen und sozialen Umstände zu vergegenwärtigen, die das Handeln und Denken der Akteure und Akteurinnen der jeweiligen Epoche geprägt und motiviert haben. So sollten heutige Leser und Leserinnen von Zeitzeugnissen versuchen, sich Handlungs- und Denkweisen früherer Zeiten mit den Maßstäben der damaligen Gesellschaft und Kultur zu erschließen – die Einführungen 16


einführung in die kommentierte quellensammlung

und Kommentare leisten hierzu eine wichtige Hilfestellung und bieten mit der angegebenen Forschungsliteratur darüber hinaus die Möglichkeit, sich in den historischen Kontext zu vertiefen. Erst wenn der historische Hintergrund der Quellen verstanden wird, ist es möglich, eine zentrale geschichtswissenschaftliche Frage zu beantworten, nämlich die nach dem historischen Wandel. Heutige Verhältnisse – so die Grundannahme von Historikern und Historikerinnen – können nur dann mit denen früherer Zeiten verglichen werden, wenn zunächst der historische Kontext gründlich erhoben und gewürdigt wurde. Mit den neuen sozialen Bewegungen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts wurde der bis dahin häufig noch selbstverständlich angenommene Fortschritt in geschichtlichen Entwicklungen zunehmend kritisch hinterfragt. Auch in der Geschichte der Krankenpflege ist nicht ohne weiteres von einer Fortschrittsgeschichte auszugehen – so kann beispielsweise Krankenpflege vor der sys­tematischen Ausbildung von Krankenschwestern im 19. Jahrhundert nicht einfach als rückschrittlich und christliche im Gegensatz zur weltlichen Krankenpflege nicht per se als unprofessionell charakterisiert werden. Das Spannende an früheren Gesellschaften ist – so banal es klingt –, dass sie ebenso vielschichtig und komplex sind wie unsere heutige. Daher seien die Leser und Leserinnen der historischen Zeitzeugnisse in diesem Buch aufgefordert, genau hinzusehen und nicht vorschnell Aspekte mit heutigen Maßstäben zu beurteilen, die sich nicht auf den ersten Blick erschließen oder fremd zu sein scheinen. Bleibt noch, herzlichen Dank auszusprechen: der Robert Bosch Stiftung für die Finanzierung des Projekts und für ihren Druckkostenzuschuss, ohne den das Buch nicht hätte erscheinen können, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Buches, die sich zum größten Teil in den Namen der Autorinnen und Autoren wiederfinden, dazu kommen noch Christina Vanja (Kassel), Kay-Peter Jankrift (Augsburg), Dorothe Falkenstein (Dortmund) und Stephen Pielhoff (Wuppertal), die die Ergebnisse der Arbeitssitzungen mitbestimmt und uns Quellen zugänglich gemacht haben, Elisabeth Dietrich-Daum (Innsbruck), die uns auf die Quellen zur Tuberkulose bei den Barmherzigen Schwestern in Zams aufmerksam gemacht hat, Hans-Walter Schmuhl für die kritische Lektüre vieler Texte, den Archiven, die uns die Erlaubnis zum Abdruck ihrer Quellen gegeben haben, dem Mabuse-Verlag für die Aufnahme des Buches in sein Programm, dem Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Robert Jütte, der das Projekt nicht nur begleitet, sondern die Fertigstellung 17


einführung in die kommentierte quellensammlung

des Buches auch dadurch ermöglicht hat, indem er mich für diese Arbeit von meinen eigentlichen Aufgaben entbunden hat. Herzlicher Dank gebührt auch Christina Parrotta, Philipp Eisele und Franziska Plümmer, die die Texte digitalisiert haben. Christina Parrotta hat zudem das ganze Projekt mitgetragen und mitgestaltet. Oliver Hebestreit hat das Lektorat übernommen, wofür ihm ebenfalls unser Dank gebührt. Irene Scheer hat sich der Biographie angenommen, wofür wir uns ganz besonders bedanken möchten. Jürgen Krauth und Irina Cichon von der Robert Bosch Stiftung haben das ganze Projekt begleitet und in vielfältiger Weise unterstützt, auch ihnen sei herzlich gedankt. Hervorgehoben werden müssen Sabine Braunschweig (Basel), Elisabeth Malleier (Wien) und Carlos Watzka (Graz), die es durch die Einsendung und Kommentierung von Quellen aus der Schweiz bzw. Österreich überhaupt erst möglich gemacht haben, Quellen zur Pflegegeschichte im deutschsprachigen Raum, also nicht nur Deutschlands, anzubieten. Dadurch werden, wenn auch (noch) in beschränktem Maße, länderübergreifende Vergleiche möglich, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzeigen und die Diskussion befruchten können.

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Krankenpflege in der Antike Sünje Prühlen

Der Begriff der Antike umfasst die Entwicklungen, Ereignisse und Verhältnisse im mediterranen Raum über etwa 2000 Jahre, beginnend mit der mykenischen Kultur um 1600 v. Chr. und um 500 n. Chr. endend. Die Alte Geschichte befasst sich hauptsächlich mit der Zeit des „klassischen“ griechisch-römischen Altertums, wobei nicht außer Acht gelassen werden darf, dass die Römer erst im 6. Jahrhundert v. Chr. aus ihrer Region hervortraten, während die Griechen bereits 400 Jahre früher über ihren regionalen Kontext hinaus agierten und den gesamten Mittelmeerraum mit ihrer Kultur beeinflussten. Die römische Blütezeit wird vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. angesetzt. Die griechische und lateinische Sprache sind ein wichtiges verbindendes Glied dieser Kulturen und unterliegen ihrerseits wieder einem Wandel. Die Antike ist durch eine wenn auch langsam, so doch zunehmende Städtebildung und den Wandel von politischen Systemen geprägt. Erstere hatte zur Folge, dass die Kranken nicht mehr – wie bis dahin üblich – hauptsächlich in ihren zumeist auf dem Land lebenden Familien versorgt wurden, sondern in steigendem Maße auf Institutionen in den jeweiligen Städten angewiesen waren. Die Familie blieb aber weiterhin dort der Ort der Pflege, wo es sich aus räumlicher und verwandtschaftlicher Nähe anbot. Innerhalb des Hauses waren nicht nur direkte Angehörige in die Pflege involviert, sondern auch Sklaven und andere Bedienstete. Eigentliche Krankenpflege ist in der Antike schwer nachweisbar. Keiner der für uns greifbaren antiken Autoren hat sich länger oder ausgiebiger mit der Pflege Kranker befasst. Dafür gibt es eine Vielzahl kürzerer Erwähnungen in philosophischen, literarischen, theologischen oder medizinischen Texten. Die Kran19


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kenpflege war nicht losgekoppelt von der Entwicklung des Arztberufs vom Handwerker zum Gelehrten. Die Familie des Erkrankten, die den Arzt zur Konsultation rief und in ihr Haus bat (der „Eid des Hippokrates“ schildert dies aus der Warte des Arztes ), spielte eine wichtige Rolle in der eigentlichen Krankenpflege. Der Arzt selbst hatte nur eine „Werkstatt“ , bei der nicht nachgewiesen werden kann, ob sie auch Räumlichkeiten zur Krankenpflege umfasste. Bei schweren Erkrankungen konnte der Arzt einen Lehrling in das Haus des Patienten zur Überwachung und Krankenbeobachtung schicken. Eine deutliche Abgrenzung seiner Tätigkeiten zur Krankenpflege kann nach heutigem Wissensstand nicht vorgenommen werden. Der antike „Eid des Hippokrates“ lautet in der Übersetzung: „Ich schwöre bei Apollon [Gott der Heilkunde, der Weissagungen, Künste und Wissenschaften], dem Arzt, bei Asklepios [Gott der Heilkunst], bei Hygeia [Göttin der Gesundheit] und bei Panakeia [Göttin für das Heilen mit Heilpflanzen], bei allen Göttern und Göttinnen und ich nehme sie zu Zeugen, dass ich diesen Eid und diesen Vertrag nach Kräften und entsprechend meinem Urteilsvermögen vollständig erfüllen werde. / Dass ich denjenigen, der mich in dieser Kunst unterwiesen haben wird, meinen Eltern gleich achten werde; dass ich mein Leben mit ihm teilen, dass ich ihm, wenn er etwas braucht, abgebe, dass ich sein Geschlecht wie eigene Brüder gleich achten werde. Dass ich sie in dieser Kunst ohne Bezahlung und ohne Vertrag unterrichten werde, wenn bei ihnen der Bedarf besteht, sie zu erlernen; dass ich an den Vorschriften, an der Vorlesung und an der gesamten übrigen Unterweisung Anteil geben werde meinen eigenen Söhnen, den Söhnen meines Lehrers, und den Schülern, die durch den Vertrag und den Eid nach der ärztlichen Satzung gebunden sind, sonst aber keinem. / Die Regeln zur Lebensweise werde ich zum Nutzen der Kranken einsetzen, nach Kräften und gemäß meinem Urteilsvermögen; vor Schaden und Unrecht werde ich sie bewahren. […] / In alle Häuser, die ich betrete, werde ich zum Nutzen der Kranken gehen, wobei ich mich von jeglichem willentlichen, zerstörerischen Unrecht fernhalten werde, insbesondere von lustvollen Handlungen sowohl an Frauen und Männern, seien es nun Freie oder Sklaven. Was ich aber während einer Behandlung vom Leben der Menschen sehen und hören werde, oder auch ohne Behandlung, was nicht nötig ist, dass man es verbreitet, werde ich es verschweigen, im Glauben, dass derartiges heilige Geheimnisse sind.“ Hippokrates († um 398 v. Chr.) gilt als der berühmteste Arzt der Antike. Er wurde vermutlich um 460 v. Chr. auf der Insel Kos als Sohn und Enkel von Ärzten geboren. Es ist nicht sicher, dass der Eid wirklich von Hippokrates stammt, er wurde ihm aber schon in der Antike zugeschrieben. Erst im 1. Jahrhundert n. Chr. wurde der Eid erwähnt und in Zusammenhang mit Hippokrates gestellt.Vgl. Schubert: Der hippokratische Eid (2005), S. 8-11, 15f. – Der Beruf des Arztes war ein Lehrberuf, bei dem das Wissen in erster Linie vom Vater an die Söhne weitergegeben wurde. Andere Schüler können ebenso unterrichtet werden.Vgl. Meißner: Berufsausbildung in der Antike (1997), S. 57. Das griechische Wort ἰατρεῖον = Iatreion bedeutet Wohnung oder Werkstatt des Arztes oder Wundarztes. Passow: Handwörterbuch der griechischen Sprache (1970), S. 1453.

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Erkrankte jemand außerhalb des häuslichen Umfeldes, bedurfte es einer anderen Versorgung, für die jedoch ebenfalls wenig Quellen zur Verfügung stehen. Vor allem in der Fremde, in den aufkommenden Städten oder bei kriegerischen Handlungen mussten Kranke gepflegt werden. Hier sind die lateinischen Valetudinarien oder die griechischen Iatreia, von denen später noch zu sprechen sein wird, zwar nachweisbar, lassen jedoch weder eine Aussage über Anzahl noch Größe oder gar Versorgung zu. Daneben weiß man von Einrichtungen zur Krankenpflege im Umfeld von Landgütern. Nicht nachweisbar ist die Pflege bei einem der wichtigsten, der Heilung dienenden Kulte, dem des Asklepios. Hier kann nur vermutet werden, dass aufgrund der Schwere der Erkrankungen, die die Pilger in die Tempel des Gottes Asklepios geführt haben, nicht nur die heilende Kraft des Glaubens erfolgreich war. Die folgenden Fragmente aus ganz unterschiedlichen Textgattungen – Briefe, Schriften, dramatische Werke, Bibelauszüge – sollen beispielhaft zeigen, wie sich Asklepios als der heilende Gott gehörte zur jüngeren Göttergeneration. Er gewann an Bedeutung, weil der Mensch zum einen durch die Städtebildung und Verstaatlichung mit dem Leid Anderer konfrontiert wurde, zum anderen erlangten die Ärzte immer mehr Selbstvertrauen sowie medizinisches Wissen und wiesen unter Umständen auch Kranke ab. Es konnten nicht alle Krankheiten geheilt werden, weshalb Menschen seit dem 6. Jh. v. Chr. zu den Tempeln des Asklepios pilgerten. Der Schutzsuchende, wie der Pilger genannt wurde, durfte das Abaton – eine Halle für die Inkubation oder den Heilschlaf – nur betreten, wenn er bestimmte Reinheitsvorschriften eingehalten und sich vor Betreten des Heiligtums kultischen Reinigungen mit Wasser unterzogen hatte. Dann musste er diverse Voropfer bringen. Hatte er alle Vorschriften erfüllt, geleiteten Tempeldiener den Inkubanten in das Abaton. Bei schweren Erkrankungen ist anzunehmen, dass er getragen werden musste. In der Halle bereitete er dann sein Lager für den Heilschlaf vor. Während des Schlafes erschien der Gott Asklepios mit seinen Heilgehilfen, fragte den Pilger nach seinem Leiden und schlug ihm eine Therapie vor. Entweder erwachte der Patient geheilt oder er hatte einen Traum, der von einem Traumdeuter oder Tempeldiener interpretiert wurde. Im Anschluss musste der Pilger dann die üblichen Heilgebühren entrichten. Ob es im Abaton Pfleger oder Ärzte gab, ist unbekannt. Doch erfuhr der Hilfesuchende meist nicht in der ersten Nacht seinen erlösenden Traum. Auch sind Sterbenskranke nachweisbar, die keine Heilung erfuhren. Die Asklepios-Tempel lebten von den erfolgreichen Heilungen, weshalb meist auch nur diese überliefert wurden. Ein krankenpflegerischer Beitrag scheint unter diesen Umständen sehr wahrscheinlich.Vgl. Krug: Heilkunst und Heilkult – Medizin in der Antike (1984), S. 132-133; Steger: Medizinischer Alltag in der römischen Kaiserzeit (2004), S. 110-112; Harig: Zum Problem „Krankenhaus“ in der Antike (1973); Riethmüller: Asklepios (2005), S. 383-385, 390-392.

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das Thema Krankenpflege in den antiken Quellen niedergeschlagen hat und was daraus extrahiert werden kann. Dabei geht es nur um einen ersten Eindruck, da nicht alle zur Verfügung stehenden Quellen auf ihre Aussagen zur Krankenpflege hin gesichtet werden konnten. Die Quellen zeigen, dass die Krankenpflege oft nur durch die Erwähnung eines entsprechenden Gebäudes greifbar wird. Krankenpflege trat dann aus dem familiären, häuslichen Bereich heraus, wenn neue gesellschaftliche und kulturelle Erfordernisse dies mit sich brachten oder wenn sie dem „Werterhalt“ eines Sklaven oder Soldaten und der Wiederherstellung der Gesundheit oder Leistungsfähigkeit dienen sollte. Hier wird sie greifbarer und plastischer. Einen Wert an sich erfuhr die Pflege erst, als sie in einer Institution wie dem Valetudinarium einen festen Platz zugewiesen bekam und die sie Ausübenden gesetzliche Vergünstigungen erhielten. Letztere fanden dabei allerdings nur unter verschiedenen anderen, kriegswichtigen Berufen Erwähnung.

Das römische Heer war endgültig seit dem 1. Jh. v. Chr. ein Berufsheer. Es wurde zunehmend an den Grenzen des Reichs fest stationiert. Die einzelnen Einheiten wurden zudem immer seltener versetzt. Es bildete sich eine festere Struktur innerhalb der Einheiten aus, die es ermöglicht, bestimmte Aufgaben innerhalb des Militärs zuzuordnen. Wann Lazarette für die römische Armee eingeführt wurden, kann man nicht genau sagen. Sie wurden notwendig, als man die verwundeten Soldaten nicht mehr in Rom selbst oder in Privatpflege unterbringen konnte. Die Verwundeten oder Erkrankten wurden bis dahin im Feld von den gesunden Soldaten versorgt, wobei die Konfrontation mit dem Verwundeten und die gemeinsame Unterbringung in einem Lager mit einer gewissen Demoralisierung der Truppe sowie Störung der nächtlichen Ruhe einhergingen.Vgl. Baas: Uranfänge und Frühgeschichte der Krankenpflege (1964), S. 162. Es gibt keine genauen Angaben, wie viele Ärzte, Lazarettverwalter und -gehilfen in dem festen oder den mobilen Lazaretten gearbeitet haben. Wilmanns rechnet für eine Legion (6.400 Mann) mit ca. 20 Sanitätssoldaten (Capsarii und Marsi), die neben den Ärzten (max. 13) den Dienstbetrieb in einem Valetudinarium gewährleisten konnten.Vgl. Wilmanns: Der Arzt in der römischen Armee der frühen und hohen Kaiserzeit (1995), S. 173, 179, 183; siehe auch Schultze: Die römischen Legionslazarette in Vetera und anderen Legionslagern (1934), S. 59f.

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