Bens Sonnenblumen

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Andrea Hendrich, Bernadette Schmitt

Bens SoNNeNblumeN Ein Kinderfachbuch zum Thema Trauer

Mabuse-Verlag


Andrea Hendrich, Bernadette Schmitt

Bens SoNNeNblumeN Ein Kinderfachbuch zum Thema Trauer

Mabuse-Verlag Frankfurt am Main


Funken sprühend grenzenlos Meine Liebe zu Dir kann der Tod nicht zähmen. (Margarete Clasen) Andrea Hendrich, geb.1967, ist Diplompädagogin, Systemische Familientherapeutin und Trainerin für Elterngruppen. Sie blickt auf langjährige Erfahrung an Erziehungsberatungsstellen zurück, seit 2014 unterrichtet sie auch als Dozentin für Sozialpäda­ gogik. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von München.

Familie Wittmann ist eine Familie wie viele andere: Die Mutter arbeitet als Lehrerin, Bernadette Schmitt, geb.1964, ist Krankenschwester. Sie arbeitete 15 Jahre in der Krankenpflege, davon acht Jahre in der Hauspflege, wo sie ihren persön­ lichen Schwerpunkt in der Begleitung Schwerkranker und Sterbender sah. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Hückelhoven und ist als freie Illustratorin tätig.

der Vater betreibt eine kleine Landwirtschaft. Die drei Kinder Noah, 15, Ben, 13, und Mica, 6, besuchen Schule und Kindergarten.


Mama hat den Autoschlüssel in der Hand. Wir wollen ins Schwimmbad. Das wird toll. Ben ist mal wieder der letzte. Mein großer Bruder Noah und ich, Mica, sitzen schon hinten im Auto.

Ich habe meine Schwimmnudel dabei und hüpfe zu Mama ins Wasser. Noah und Ben sind am liebsten an der Riesenrutsche.


Als wir müde und hungrig nach Hause kommen, ist Papa gerade mit dem Melken fertig. „Und, Ben, wie schnell bist du geschwommen?“, fragt er. Ben ist unsere Sportskanone und Noah liebt Musik. Ben lacht und erzählt, Noah ist ganz leise. Dass Papa mit Ben immer nur über Sport spricht, ich glaube, das macht Noah traurig.


1. Trauer: ein Gefühl, das keiner haben will und mit dem wir dennoch leben Unser ganzes Leben lang erfahren wir die unterschiedlichsten Gefühle – ob wir wollen oder nicht. Die positiven lassen uns glücklich und zufrieden sein. Wir sind gerne erleichtert, be­ geistert, stolz, hoffnungsvoll oder heiter. Gerne fühlen wir uns entspannt, geborgen, geliebt und angenommen. Doch wie gehen wir mit den schmerzhaften, den dunklen Gefühlen um? Gefühle, die uns das Gleichgewicht und den Atem rauben? Was, wenn wir wütend, enttäuscht, verwirrt oder zornig sind? Wenn wir uns allein gelassen fühlen, ängstlich oder misstrauisch? Oder wenn wir gar mit endgültigem Abschied ­umgehen müssen, mit Trauer und großem Schmerz? 2. Welche Haltung haben wir als Helfende zum Thema? Wenn wir Trauernde begleiten wollen, sollten wir vorab unsere Haltung zu Tod und Schmerz überprüfen, unsere eigenen ­psychischen und körperlichen Grenzen – und unsere Kräfte und Ressourcen. • Wie stehe ich zu Leben und Tod? Glaube ich an ein Weiter­ leben nach dem Tod oder nicht? Habe ich eigene Trauer­ prozesse gut durchlaufen? • Bin ich selbst ausgeruht, entspannt und kann ich die mög­ liche „Last“ tragen und dann wieder abgeben? • Woher stammen meine eigenen Kraftquellen?

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Wenn Sie im Moment selbst mit eigenen Prozessen beschäftigt sind und mit fremder Trauer nicht gut umgehen können, seien Sie ehrlich. Trauernde sind immer dankbar für echte Nähe und hilfreiche Gespräche – auch zu einem späteren Zeitpunkt.

4. Wie sind die Schritte durch die Trauer? Nach Elisabeth Kübler-Ross, einer schweizerisch-US-amerikani­ schen Psychiaterin, gibt es verschie­dene Schritte durch die Situa­ tionen von Trauer und Abschied:

3. Welche Trauer begegnet uns? Immer wieder erleben wir kritische M ­ omente und Verluste in ­vielerlei Hinsicht. Wir erleben uns selbst in Lebensübergängen, wir nehmen Abschied von Lebensphasen und Menschen. Besonders schmerzlich – weil endgültig oder plötzlich – ist die Erfahrung von Sterben und Tod. Manchmal ist es ein Haustier, das stirbt. Das ist schlimm genug. Wie viel schwerer ist es, e­ inen Freund zu verlieren, Angehörige der eigenen Familie … oder gar das eigene Kind? Geliebte Menschen zu verlieren ist schmerzhaft, umso mehr, wenn es unerwartet und plötzlich geschieht. Noch belastender, wenn wir mehrere Todesfälle in kurzer Zeit oder den Suizid von geliebten Menschen erleben müssen. Besonders schlimm ist der Tod des eigenen Kindes. Wenn hier keine gute Begleitung möglich, die Situation zu belastend, die Umstände zu schrecklich sind, kann sich ein kom­ plizierter Trauerprozess oder gar eine traumatische Trauer ent­ wickeln. Dann kennt der Schmerz kein Ende und wir finden den Weg ins Leben nicht mehr zurück. In einer solchen Situation kann es Zeit für eine professionelle Trauerbegleitung sein.

• Zeit des Verleugnens und Verdrängens Wenn wir einen Verlust erleben, ist der erste Schritt, die erste Reaktion oft das Leugnen und Verdrängen. Die erschreckende Nachricht ist zu neu, zu plötzlich. Der Körper ist betäubt und der Kopf benommen. Wir verdrängen die Realität, wir funktionieren und lassen den Schmerz noch nicht an uns heran. Das gilt für den Tod eines lieben Menschen ebenso wie für die plötzliche Mitteilung, dass bei uns selbst eine bedrohliche Krankheit fest­ gestellt wurde. • Zeit der Gefühlsausbrüche Im Anschluss folgt in der Regel die Zeit der aufbrechenden ­Gefühle. Vor allem Wut und Ärger, aber auch allgemeine Reiz­ barkeit machen diese Phase aus. Wir lehnen uns auf gegen ein „übermächtiges Schicksal“, wir fragen nach dem „Warum“. Wir erleben Leere, Sinnlosigkeit und Verlassensein und sind ­diesen Gefühlen oft hilflos ausgeliefert. Gefühle von Schuld und schlechtem Gewissen sind dabei besonders schwer zu ertragen. • Zeit des Abschiednehmens Erst jetzt beginnen wir Abschied zu nehmen, erinnern uns an

den Verstorbenen, nehmen Abschied von unerfüllten eigenen Möglichkeiten. Wir finden Trost in der alten Umgebung des ­Verstorbenen. Erinnerungen und Gegenstände trösten uns. Wir suchen durch Gespräche oder Erinnerungen eine Verbindung zum Verstorbenen und beginnen gleichzeitig unser Leben ohne ihn aufzubauen. • Zeit der Erschöpfung Trauern braucht Kraft. Trauer und Schmerz erschöpfen seelisch und körperlich. Wir ziehen uns zurück, haben keine Lust auf Ge­ selligkeit. Manche Menschen in unserem Umfeld können diesen Rückzug nur schwer ertragen und zeigen wenig Verständnis. Doch diese Zeit für uns selbst ist wichtig, denn das ganze Leben muss umgebaut werden. Wir haben einen Menschen verloren, bei dem wir uns wertvoll erlebt haben. Wir fühlen uns hilflos, al­ les ist anders. Kinder fallen jetzt häufig in frühere Entwicklungs­ stufen zurück. • Zeit des Neubeginns Endlich respektieren wir die Realität des Todes oder des Sterbens, das ist der schwerste Schritt. Erst dann erkennen wir, dass der Verstorbene in der Erinnerung oder in einer anderen, ebenso lie­ bevollen Bindung weiterlebt. Uns wird klar, was der Verstorbene uns gegeben hat und wir nehmen diese Geschenke an. Wer ­diese Phase gut durchsteht, für den wird das Leben intensiver und kostbarer. 45


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