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LÖSUNGSORIENTIERT

LÖSUNGEN

SIND DIE LÖSUNG

Was hat die Genetik mit erfolgreichem Wirtschaften zu tun? Mehr als man denkt! Genetiker Markus Hengstschläger erklärt, was gute Führung ausmacht, wie man nachhaltig die eigene Innovationskraft steigert und was die Lösungsbegabung mit dem Ganzen zu tun hat.

TEXT: LISSI STOIMAIER FOTOS: UDO TITZ, SHUTTERSTOCK, BEIGESTELLT

Unsere Welt verändert sich immer schneller. Klimawandel, Digitalisierung, politischer Populismus, die Covid-19-Pandemie oder die Ukraine-Krise sind nur einige der Gründe dafür, warum wir uns oft überfordert fühlen – nicht nur im Alltag, sondern auch in der Arbeitswelt. Wichtiger denn je, wird daher die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Aber wie kann man diese Fähigkeit verbessern oder ist sie doch schlichtweg angeboren, wie so oft geglaubt wird?

BUSINESS MONAT: Herr Hengstschläger, inwiefern hat sich die Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten verändert?

Markus Hengstschläger: Für Mitarbeiter wie auch Führungskräfte hat sich grundsätzlich die Geschwindigkeit der Veränderung in der Arbeitswelt verändert. Früher war es oft üblich, dass man in einen Beruf einsteigt und diesen bis zur Pensionierung behält. Das gibt es heute so gut wie nicht mehr. Man muss sich ständig neu erfinden. Vor allem weil sich die Ansprüche in der Arbeitswelt laufend verändern. Viele dieser Veränderungen sind vorhersehbar, wie zum Beispiel die digitale Transformation. Manches wie etwa die Pandemie oder die UkraineKrise bergen aber zu einem signifikanten Teil unvorhersehbare Anteile in sich.

Welche Folgen bringt das mit sich?

Das Unbekannte macht dem Menschen mehr Angst als das Vorhersehbare. Und zuviel

Angst hemmt. Dabei brauchen wir gerade in unserer so schnelllebigen Zeit das volle Potenzial, täglich immer mehr Probleme und Fragestellungen lösen zu können.

Sie sprechen von der Lösungsbegabung der Menschen und das diese noch nie so bedeutend war wie heute. Was versteht man darunter genau?

Der Mensch ist eine Spezies, die wie keine andere Spezies auf diesem Planeten Lösungen finden kann – für vorhersehbare Probleme, aber auch für unvorhersehbare. Man braucht nur einen Blick auf die letzten 100 Jahre werfen, um zu erkennen, welche Herausforderungen von Menschen gelöst wurden. Auch die Pandemie hat wieder einmal gezeigt, in welch kurzer Zeit der Mensch fähig ist, enorme neue Lösungen zu finden. Und genau diese Lösungsbegabung wird auch im wirtschaftlichen Bereich immer wichtiger, denn auch hier gilt es, immer öfter und schneller auf Neues reagieren zu müssen.

Die Fähigkeit, Lösungen zu finden, beherrschen manche besser, manche schlechter. Woran liegt das?

Gerade in Österreich ist oftmals die Ansicht noch stark vertreten, dass man gewisse Begabungen und Talente hat oder eben nicht. Da hört man Elina Garanca in der Oper singen oder sieht Lionel Messi am Platz Fußball spielen und denkt sich: „Ich könnte das nie, dieses Talent habe ich nicht.“ Da muss ich als Genetiker aufklären: Ja, es ist unumstritten, dass die Biologie und damit die Gene eine Rolle dabei spielen, aber nur zu einem gewissen Grad. Begabungen sind Potenziale – und Potenziale bedeutet, dass die genetischen Voraussetzungen nur dann zur Entfaltung kommen, wenn man diese Begabungen entdeckt, fördert und durch konsequentes Üben in eine besondere Leistung umsetzt.

Das heißt, durch intensives Training ist alles möglich?

Egal ob es um sportliche, sprachliche, musikalische, mathematische oder sonstige Leistungen geht – jemand, der nicht übt, kann noch so tolle Voraussetzungen haben, es wird trotzdem nichts dabei rauskommen. Und andersrum wird jemand, der vielleicht genetisch schlechtere Voraussetzungen hat, durch Training trotzdem zu he-

ZUR PERSON

Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger studierte Genetik, forschte auch an der Yale University in den USA und ist heute Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik an der Medizinischen Universität Wien. Der vielfach ausgezeichnete Wissenschaftler unterrichtet Studierende, betreibt genetische Diagnostik, ist Berater und Bestsellerautor. Er leitet den Think Tank Academia Superior, ist stellvertretender Vorsitzender der österreichischen Bioethikkommission, war 10 Jahre lang Mitglied des Rats für Forschung und Technologieentwicklung und ist Universitätsrat der Linzer Johannes Kepler Universität. Hengstschläger ist außerdem Wissenschaftsmoderator auf ORF Radio Ö1 und Autor von vier Platz-1-Bestsellern.

rausragenden Leistungen fähig sein können.

Inwiefern betrifft dies nun die Fähigkeit Lösungen zu finden?

Auch diese Begabung muss trainiert werden – und das am besten von klein auf. Überlegen Sie: Was passiert meist, wenn ein kleines Kind mit seiner ersten Herausforderung vor den Eltern steht? Wenn die Eltern die Lösung kennen, werden sie kaum zögern und dem Kind die Lösung zeigen, weil es einfach schneller geht, man sich Nerven spart oder weil man sich sorgt, dass das Kind sich sonst wehtun könnte. Die Folge: Das Kind dreht sich am Stand um, wendet diese vorgezeigte Lösung an, und das Problem ist gelöst. Von da an wird das Kind, wann immer es ein Problem zu bewältigen hat, sich wen zu suchen, der eine Lösung hat, weil es selbst nicht gelernt hat, einen Lösungsfindungsprozess zu initiieren.

Welche Folgen hat das für die Zukunft?

Es bedeutet, dass man eine ganze nächste Generation die wichtigste Begabung, die wir für die Zukunft brauchen, nicht üben lassen. Man kann ja einem Menschen nicht 20 Jahre lang Klavier vorspielen und dann davon ausgehen, dass er vom Zuhören selbst Klavier spielen gelernt hat.

Inwiefern spielt das Bildungssystem da mit hinein?

Unser Bildungssystem ist viel zu sehr von gerichteter Bildung geprägt, also dem reinen Wissenstransfer. Dabei muss man vom Kleinstkindalter diese Lösungsprozesse zulassen. Und das sollte sich über die gesamte Ausbildung, die Lehre, das Studium bis in die Berufswelt ziehen. Mit der Fähigkeit, Probleme zu lösen, entwickeln sich gleichzeitig auch Resilienz, Fehlerkultur, der Umgang mit Rückschlägen und vieles mehr mit. Wer das nicht früh übt, steht dann später im Berufsleben mit einem Problem da und kann dann aber nicht Mama oder Papa fragen. Als Ersatz wird dann die Führungskraft herangezogen.

Jetzt könnte man sagen, die Führungskraft ist ja genau dafür da, um Lösungen vorzugeben, die dann von den Mitarbeitenden umgesetzt werden.

Je mehr Menschen an einem Lösungsfindungsprozess teilhaben, umso mehr Lösungsvorschläge wird es geben. Je öfter diese Prozesse geübt werden, desto besser wird die sogenannte kollektive Lösungsbegabung mit der Folge, dass dadurch das Innovationspotenzial eines Unternehmens gesteigert wird. Daher ist es für mich absolut nicht logisch, zu sagen, ich nutze nur das Lösungspotenzial einer Person, nämlich der Führungskraft. Es wäre daher wichtig, diese Lösungsfindungsprozesse in einem Unternehmen wieder in Gang zu bringen.

Wie kann man diese Prozesse aktivieren?

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Um die Lösungsbegabung zu steigern, ist man nie zu alt. Für Führungskräfte habe ich daher eine einfache Regel. Ich nenne es die 3/24-Regel. Wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin mit einem Problem kommt, sagt man: „Nimm dir 24 Stunden und komme dann wieder mit drei Lösungsvorschlägen. Ich nehme mir auch 24 Stunden Zeit und bringe ebenfalls drei Lösungsvorschläge.“ Dadurch entstehen sechs Lösungsvorschläge, die dann gemeinsam diskutiert werden können.

Wie macht man Ihrer Meinung nach Unternehmen erfolgreicher?

Es gibt drei Typen von Mitarbeitenden in einem Unternehmen. Typ 1 sind die blauäugigen Optimisten. Die gehen davon aus, dass sich alles irgendwie ausgeht, aber am besten ohne einen eigenen Beitrag einzubringen, weil es die anderen schon machen werden. Typ 2 sind die eingefleischten Pessimisten, die glauben, dass es sich sowieso nicht ausgeht und man selbst nichts ändern kann. Typ 3 sind die Possibilisten. Sie sagen, das ist eine Herausforderung, aber es ist möglich. Mein Beitrag ist wichtig, denn ohne diesen wird es nicht gehen. Wer ein erfolgreiches Unternehmen führen will, muss schauen, dass er die blauäugigen Optimisten und die eingefleischten Pessimisten zu Possibilisten macht, wo unter anderem auch wieder das Fördern der Lösungsbegabung mit reinspielt.

Abschließend noch ein persönlicher Tipp von Ihnen zu diesem Thema?

Der Wunsch nach einer Arbeit, die auch einen Sinn macht, wird heutzutage immer mehr zum Thema. Ich glaube aber, dass nicht nur gewisse Tätigkeiten sinnstiftend sind, sondern auch viele Menschen – und da verstärkt die junge Generation – den Sinn ihres Tuns darin finden, dass man ihnen zuhört. Lösungsbegabt zu sein hat wenig Sinn, wenn man eine Lösungsidee hat, aber einem niemand zuhört. Daher sollten sich Führungskräfte intensiv mit der Frage beschäftigen: „Höre ich auf meine MitarbeiterInnen und ihre Lösungsvorschläge?“, und wenn die Antwort „Nein“ ist, diesbezüglich dringend umdenken.

BUCH-TIPP

„Die Lösungsbegabung“ von Markus Hengstschläger Die Fähigkeit, Probleme zu lösen, ist wichtiger denn je. Doch viele Menschen sind davon überfordert. In diesem Sachbuch erklärt der Genetiker, wie man seine Lösungsbegabung aktivieren kann. Ecowin, ISBN: 978-3-7110-0279-2

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