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MAMA-GLEICHGEWICHT
DAS MAMAGLEICHGEWICHT
Wie wir mit Yoga, Tantra (nein, es geht nicht um Sex) und Mentaltraining unsere Gelassenheit trainieren. Die Innviertlerin und ZweifachMama Stephanie Doms hat den Dreh raus und stellt Übungen vor, die sofort wirken.
Text: Petra Kinzl Fotos: Renate Schrattenecker-Fischer Mal sind es schmerzende Milchzähne, die uns den Schlaf rauben. Oder endlos scheinende To-do-Listen. Mal sind es Zorn und Wut, die uns mit Wucht entgegenschmettern. Mal ist es das verlorene Lieblingsstoftier, das Herzschmerz verursacht. Mütter wissen ein Lied davon zu singen: Der Alltag mit Kleinkind(ern) ist oft turbulent, anstrengend und chaotisch. Solchen Situationen entspannt zu begegnen, gelingt den wenigsten auf Anhieb. Die gute Nachricht: Gelassenheit lässt sich trainieren. Yogalehrerin und Mentaltrainerin Stephanie Doms (33), die mit ihrer Familie im Bezirk Ried lebt, nennt es „Mama-Gleichgewicht“. Yoga, die Philosophie des Tantra und Mentaltraining bilden die drei Säulen ihres einzigartigen Konzepts.
Gelassenheit ist quasi Ihr Beruf. Lastet auf Ihnen als Yogalehrerin ein besonderer Druck, dauerhaft tiefenentspannt zu sein?
Mir ist Authentizität wichtiger als vermeintliche Dauer-Gelassenheit. Höhen und Tiefen gehören zum Leben
Stephanie Doms ist Yogalehrerin (Sunshine-Yoga), Autorin und Mentaltrainerin in Ried. Erstmals vereint sie die Ansätze von Yoga, Tantra-Philosophie und Mentaltraining in einem Buch.
dazu. Das macht es spannend! Was ich durch meine jahrelange Beschäftigung mit der Lebenseinstellung Yoga gelernt habe, ist, dass Tiefen ihren Schrecken verlieren und schneller durchgestanden sind, wenn wir sie nicht verdrängen, sondern wir uns ihnen mutig stellen. Äußeren Schein zu wahren kostet nämlich sehr viel mehr Energie als das Suchen und Umsetzen von Lösungen.
Als Mutter von zwei Kindern, fünf und drei Jahre alt, sprechen Sie aus Erfahrung. Was ist es, was Mamas aus dem Gleichgewicht geraten lässt? Und gibt es da überhaupt eine pauschale Antwort?
Das ist von Mama zu Mama verschieden. Was ich aber bei vielen Frauen, die zu mir ins Mentaltraining kommen, beobachte, ist ein hoher innerer Druck, wenn es darum geht, viele verschiedene Rollen unter einen Hut zu bekommen. Meist sind sich diese Frauen gar nicht bewusst, was sie im Alltag alles leisten – als Mama, als Partnerin, als Freundin, als Berufstätige usw. Und sind dann überrascht, warum sie müde und frustriert sind. Durch Kinder verschieben sich die Prioritäten. Hat das Zeitmanagement vor der Geburt gut geklappt, so braucht es mit Kindern plötzlich ganz neue Strategien.
Warum ist Gleichgewicht eigentlich wichtig?
Meist wird betont, dass wir leistungsfähiger werden und besser mit Herausforderungen umgehen können, wenn wir im Gleichgewicht sind. Das ist natürlich eine gute Sache. Gleichgewicht bringt aber noch sehr viel mehr – nämlich Achtsamkeit und Genussfähigkeit. Fühlen wir uns ganzheitlich gut, nehmen wir das Schöne in unserem Leben viel bewusster und intensiver wahr. Am besten sucht man sich zuerst nur ein, zwei Übungen heraus und schenkt denen so oft wie möglich die volle Aufmerksamkeit. Und wenn sich das Üben nicht mehr wie eine Pflicht, sondern wie
Der Untertitel lautet: Stark und ge- ein Geschenk an sich selbst anfühlt – lassen mit Yoga, der Philosophie des dann ist man auf dem richtigen Weg. Tantra und Mentaltraining. Was ist die Quintessenz Ihres Buches „Das Mama- Bei Tantra denken viele als erstes, Gleichgewicht“? dass es mit Sex zu tun hat. Was ist Ihr
Ich möchte Müttern Mut machen, zu Verständnis davon? ihren Empfindungen zu stehen, und sie Neotantra hat mit der indischen Tradabei unterstützen, das Potenzial „ne- dition nichts zu tun. Die Philosophie gativer“ Emotionen des ursprünglichen zu erkennen und Tantra verbindet für Veränderungsprozesse zu nutzen. „Meist sind sich Gegensätzliches, wie Gut und Böse, Zärtlichkeit und bedingungslose Liebe Frauen gar nicht Richtig und Falsch. Alles, was ist, alles, gehören genauso bewusst, was sie was wir denken, zum Gefühlsrepertoire einer Mama im Alltag alles empfinden, erleben, hat seine Berechwie Ungeduld und Wut. Gerade jene leisten – als Mama, tigung. Wichtig ist das Bewusstwerden. Momente, in de- als Partnerin, Dann handeln wir nen wir überfordert oder unzufrieden als Freundin, als plötzlich nicht mehr blind entsprechend sind, stecken voller Möglichkeiten zur Berufstätige.“ unserer Programmierung, sondern Selbstreflexion und der aktuellen SituaPersönlichkeitsent- Stephanie Doms tion entsprechend. wicklung. Das Schöne ist: Freude und Sie haben bereits inneres Gleichgewicht sind erlernbar. als Jugendliche im Alter von 15 Jahren begonnen, Yoga-Praktiken zu erlernen.
Nämlich mit Übungen für mehr Was hat sich seither verändert? Klarheit, Energie und liebevolle Verbun- Ich durfte ganz unterschiedliche denheit mit Kind und Partner, die Sie im Stile sowie Lehrerinnen und Lehrer Praxisteil des Buches vorstellen. Dazu kennenlernen. Von allen habe ich etwas gibt es Audio-Anleitungen und Videos gelernt und daraus meinen ganz eigenen für daheim. Wie gelingt es am besten, die Stil entwickelt. Mein Sunshine Yoga ist Übungen zur Routine werden zu lassen? mittlerweile untrennbar mit Achtsam-
Das Buch liefert unterschiedliche keit und mentalem Training verbunden. Übungen, sodass jede Mama sich das Weil ich Menschen ganzheitlich begleiherausnehmen kann, was für sie stim- ten möchte, mache ich außerdem geramig ist. Ein Training entfaltet erst über de die Ausbildung zur psychologischen die Wiederholung seine volle Wirkung. Beraterin.
Belustigt und kritisch hinterfragen Sie außerdem in Blogs und Podcasts alles, was Sie bewegt. Hilft Humor über vieles hinweg?
Meine Grundeinstellung zum Leben ist eine durchwegs positive. Selbst Schwierigem und Kritischem begegne ich mit Neugier. Je genauer ich hinsehen lerne, umso leichter fällt es mir, Chancen in allem zu sehen. Diese Ofenheit dem Leben gegenüber bringt automatisch Freude mit sich. Und diese Ofenheit kann man erlernen. „Bring Freude ins Leben“ lautet darum auch mein Motto in der Arbeit mit Menschen. Es gibt für mich nichts Schöneres, als bei meinem Gegenüber zu spüren: Jetzt ist der Blick auf das Freudvolle im Schwierigen geglückt. In solchen Momenten wird ganz viel Power freigesetzt!
Abschließend: Ist der Muttertag ein Tag, der für Sie Bedeutung hat?
Ein Muttertag im Jahr ist ein Anfang (lacht). Eltern – in vielen Familien sind es immer noch vor allem die Mütter – leisten Großartiges, rund um die Uhr. Wenn andere das gebührend wertschätzen sollen, müssen wir Frauen uns aber zuerst einmal selbst dafür wertschätzen und mit unserer Leistung vor den Vorhang treten. Statt verlegenem „Ach, das ist doch nicht der Rede wert“ bin ich für mehr „Danke, ja, ich gebe mein Bestes; schön, dass du es siehst“.
www.sunshine-yoga.at
DAS MAMA-GLEICHGEWICHT Erschienen 2020 im Stadelmann Verlag, ISBN 978-3-943793-85-7, 19,40 Euro
DIE GEFÄSSÜBUNG
Unterwegs zum Gleichgewicht. Gute Übung zum Einsteigen oder Vertiefen.
1
Nimm eine bequeme und aufrechte Sitzposition ein. Nimm drei tiefe Atemzüge – atme tief durch die Nase ein und vollständig durch den Mund aus. Wann immer du dich bereit fühlst, schließe sanft die Augen. Betrachte deinen ganzen Körper von außerhalb. Stelle dir deinen Körper als durchsichtiges Gefäß vor. An deinen Händen und Füßen kannst du Ventile wahrnehmen. Stelle dir vor, das Gefäß ist mit einer zähen, dunklen Flüssigkeit gefüllt. Diese Flüssigkeit steht für alles, wovon du dich befreien möchtest: Anspannungen und Verspannungen des Körpers, störende Gedanken, Gefühle, die dir unangenehm sind. Und wenn du dich bereit fühlst, dann öfne ganz langsam die Ventile an deinen Händen und Füßen. Stelle dir nun vor, wie der Flüssigkeitsspiegel langsam absinkt. Reinige den Körper in deiner Vorstellung – Stück für Stück. Wo die Flüssigkeit den Körper bereits verlassen hat, machen sich Klarheit und Weite, angenehme Leere breit. Wandere so langsam nach unten bis zu deinen Füßen. Genieße abschließend noch einen Moment die Leichtigkeit des ganzen Körpers.
2
POSITION DES KINDES
Übung für mehr Selbstfürsorge.
„Das Kind“ ist eine beliebte Asana (Körperhaltung) mit regenerativ-beruhigendem Charakter. Sie erdet den ganzen Körper und insbesondere den Kopf, der am Boden abgelegt wird. Achte darauf, dass dein Gesäß sich entspannt. Lass diese Entspannung auch über den Hinterkopf und den Scheitel bis vor zum Gesicht wandern und die Gesichtszüge weich werden. Oftmals braucht der Körper dafür etwas mehr Zeit. Bleibe also mindestens drei Minuten in dieser Haltung, nach Möglichkeit gerne auch länger.
3
MENTALER SCHUTZSCHILD
Übung für mehr Selbstvertrauen.
Dein Schutzschild kann ein Kreis aus Licht sein, eine schillernde Seifenblase, eine Hecke aus bunten Blumen oder auch ein ganz anderes Bild, mit dem du dich wohlfühlst. Visualisiere diesen Schild möglichst detailreich. Du kannst ihn anwenden, wenn dein Kind gerade einen Trotzanfall hat, wenn deine kinderlose Nachbarin Erziehungstipps vorbringt oder dir eine andere Mutter aus der Krabbelgruppe erzählt, was ihr Kind schon alles kann.