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FAMOSE DIALEKTCHANSONS
Die Ukulele am PACKLTRÄGER
„I bleib do“, sagt die Mostviertlerin Sigrid Horn mit dem Titel ihres neuen Albums. Das tut sie: im Ohr, im Kopf, im Herz – mit genialen Dialektchansons. Lockdown und Release fielen zusammen, dennoch ist der Applaus groß.
Text: Viktória Kery-Erdélyi Foto: Magdalena Blaszczuk
Es hat bestimmt viele Hunderte Kilometer auf dem Buckel. Nicht nur ihr Fahrrad, sondern auch jenes Instrument, das „zerbeult“ an der Küchenwand hängt, wie sie sagt. Gern wären wir unter dieser Ukulele, die einen so wichtigen Part im Schaffen der bemerkenswerten Künstlerin einnimmt, gesessen. Aber nicht mal Sigrid Horn tat es während des Skype-Interviews; sie war aus der 37 Quadratmeter-Wohnung in Wien, die sie mit ihrem Freund teilt, dem ebenfalls vielseitigen Musiker Felipe Scolfaro Crema, ein bisserl aufs Land geflüchtet.
Am 13. März erschien Sigrid Horns „I bleib do“. Gleich im Anschluss sollte dieses zweite Album, über das Ernst Molden sagt, es enthält „berauschend arrangierte Songlandschaften“, mit vielen Konzerten gefeiert werden. Für den Herbst war eine vom Auslandsministerium geförderte Tour nach Chile geplant. Doch dann kam der Lockdown …
NIEDERÖSTERREICHERIN: Wie erlebst du die Zeit gerade?
Sigrid Horn: Ich hatte mich irrsinnig auf die Konzerte gefreut; da steckt sehr viel Arbeit drinnen, nicht nur von mir. Ich habe nun die absurde Situation, dass ich 2019 mit meinem Brotjob aufgehört habe (sie unterrichtete an der AHS und BAfEP Amstetten, Anm.), um mich voll auf die Kunst zu konzentrieren und jetzt habe ich kein Einkommen. Ich habe mir lang gedacht: Das geht schon. Irgendwann ist es mir aber gar nicht gut gegangen, das habe ich auch geteilt. Es tut gut, das auch mal sagen zu können und ich habe viele coole Reaktionen bekommen. Auch von Kolleginnen und Kollegen, die gemeint haben: Wir werden nach Corona umso stärker zurückkommen, die Leute werden hungrig auf Kultur sein.
Dann denke ich wieder: Der 13. März ist auch ein Glücks-Veröffentlichungsdatum, weil alles fertig werden konnte. Mein Album bekommt viel Aufmerksamkeit – von Medien und Fans. Erst kürzlich hat eine Dame gleich 21 CDs bestellt, um sie Freunden zu schenken. Das Bewusstsein bei Menschen, die noch Gehalt bekommen, ist ganz groß, die Kultur zu unterstützen. Das ist total schön.
Dein Album-Release war auch ein bisserl mit deinem Geburtstag getimed …
Ich bin am 16. März 30 geworden. Aber ich hab‘ beschlossen, ich werde erst 30, wenn ich mit meinen Freundinnen feiern kann, wenn ich meine Mama wieder umarmen kann (lacht).
Mittlerweile hast du – in toller Tonqualität, für die dein Partner verantwortlich ist (ebenso wie für den Sound der Platte) – Konzerte via Internet gegeben. Wie erlebst du deine Live-Auftritte?
POETISCH,
POINTIERT UND AUCH POLITISCH.
Wenn Sigrid Horn,
Bernhard Scheiblauer und Sarah Metzler Musik machen, empfehlen wir:
Herz öffnen, lauschen und tanzen.
Das sind die Momente, in denen ich im Hier und Jetzt sein kann. Ich kriege gar nicht mit, wie die Zeit vergeht. Ich durchlebe meine Lieder jedes Mal neu.
Du bist in Neuhofen/Ybbs aufgewachsen. Wie bist du zur Musik gekommen?
Meine Eltern hören sehr viel Musik, auch viel Klassik. Mama mag die Austropop-Klassiker, Chansonniers aus Frankreich, chilenische Folklore … Mein Papa ist bildender Künstler und hat von Freunden Gitarre spielen gelernt; er hat oft ein paar Akkorde gespielt und Texte dazu erfunden, um uns zu unterhalten. Wir Kinder haben das dann auch gemacht. Dabei hatte ich immer das Gefühl, ich kann nichts falsch machen. Das ist der Zugang zur Kunst, den ich von
Wenn ich auftrete, kriege ich nicht mit, wie die Zeit vergeht. Ich durchlebe meine Lieder immer neu.
Sigrid Horn, Singer-Songwriterin
meinem Vater mitgekriegt habe: Man muss keinen Normen entsprechen.
Wann wurde daraus ein Beruf?
Die Musik war immer da, ich hab‘ schon mit 15 Lieder geschrieben. Aber ich wollte Biologie studieren und Frösche retten oder Ärztin werden und Menschen retten (lacht). Ich war gern auf der Bühne, habe viele Instrumente gespielt, aber dass ich eine Musikerin bin, habe ich mir lange nicht zugestanden. Bis ich 18 war und viele gefragt haben: „Willst du nicht doch probieren, Musik zu studieren?“ Dann bin ich‘s doch ernsthaft angegangen, war auf der Musikuni – mit Hauptfach klassischer Gesang. Das waren für mich ganz starke Erfahrungen mit großartigen Lehrerinnen.
Worum geht es in deinen Liedern?
Sie ergeben sich aus den Themen, die mich beschäftigen; das können auch politische sein. Es ist mir wichtig, dass man sich Gedanken über die Gesellschaft macht; manchmal wird das in den Liedern so konkret wie bei „baun“ (ihr Protestsongcontest-Siegerlied 2019 gegen den Bauwahn, Anm.). Im neuen Album ist das eher subtil.
Wieso Mundart?
Ich spreche verschiedene Sprachen ganz gut. Aber einzig im Dialekt fühlt es sich richtig an. Zusätzlich finde ich die Vokalfärbungen sehr schön.
Nicht alltäglich ist die Besetzung deiner Band. Erzähl mal!
Wir spielen Instrumente, mit denen man im Park spielen kann; das mochten wir immer. Ich bin gerne unterwegs, auf Reisen und auch mit dem Fahrrad; so kam ich auf die Ukulele und verliebte mich auch in die Klangfarbe. Bernhard, mit dem ich in Neuhofen aufgewachsen bin, spielt die Concertina und die Banjolele. Sarah studierte Konzertharfe und hat sich sogar eine Harfe gebaut, mit der sie unterwegs sein kann. Wir sind schon lange befreundet, sind oft zusammengesessen und haben einfach Musik gemacht. Daraus wurde dann meine Band – und auch die zweite Formation namens „SarahBernhardt“, in der wir Bernhards lustige und tiefgründige Dialekttexte dreistimmig singen. sigridhorn.at, sarahbernhardt.at