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MAGISCHER LÖSSHOF
HERZENSMENSCHEN.
Seit Kurzem lebt das Ehepaar mit einer ukrainischen Gastfamilie unter einem Dach. Ihr Festival „LOESS IS MORE“ soll vom 28. Juli bis zum 7. August stattfinden.
Die Suche nach dem Zauberstab
Anna-Eva Köck und Gregor Schindler kauften den historischen Lösshof in Großriedenthal. Damit das magische Festival, das sie dort ins Leben riefen, eine Fortsetzung finden kann, initiierten sie ein Crowdfunding. Mitmachen ist bis 10. Mai möglich.
Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Apollonia Theresa Bitzan
LIEBE UND NOCH VIEL MEHR. Er ist ihr Festivalpartner, sie seine „Innenarchitektin“: Anna-Eva Köck und Gregor Schindler.
KURZBIOS E s war wenige Tage vor Druck der Sommerausgabe 2021, als die Presseinfo über das erste „LOESS IS MORE“ die Redaktion erreichte. Das, was da Anna-Eva Köck wuchs in Salzburg auf, drinnen stand, oszillierte zwischen manach dem Schauspieldiplom 2008 folg- gisch und unglaubwürdig: Ein Salzburten Engagements u. a. am Burgtheater, ger Paar kaufte in Großriedenthal den Kosmos Theater und dem Wald4vler alten Lösshof, renovierte ihn und rief Hoftheater (auch 2022). In Alvis Herma- ein Festival ins Leben. Alles innerhalb nis‘ Inszenierung von „Die Soldaten“ tritt eines von Lockdowns geprägten Jahres. sie in Salzburg, später an der Mailänder Die Quellen, die wir konsultierten, Scala auf. In New York spielt sie u. a. in ließen keinen Verdacht für Fake News „A Streetcar Named Desire“, in Los An- aufkommen; zu den engen Verbündeten geles erhält sie ein Stipendium an der zählte etwa Theater Jugendstil-GründeStella Adler Academy of Acting & Thea- rin Susi Preissl und Kulturpreisträgerin tre. Sie verkörpert zwei Jahre lang die Sophie Aujesky. In der Nacht vor dem US-Alma in Paulus Mankers Produktion Drucktermin fand eine kleine feine Stound dann mehrere Figuren in „Die letz- ry einen Ehrenplatz im Magazin und im ten Tage der Menschheit“. Sommer pilgerten wir zur Eröffnung. Es war ein großartiger Abend, der Gregor Schindler wuchs in Salzburg schon herzlich begann: „Nehmen‘S ruhig auf und studierte Architektur an der Uni- meine Einfahrt, wenn Sie keinen Parkversität für angewandte Kunst sowie an platz finden“, bot ein Lösshof-Nachbar der Technischen Uni Wien. Nach dem an. Die Eigenproduktion „KönigstöchDiplom 2012 arbeitete er in Wien, Salz- ter“ war poetisch, aufwühlend, tiefburg, München und L.A.. Sein Architek- gehend, pointiert, musikalisch – genial. turbüro ist heute im Lösshof beheimatet. Danach gaben „Luna & The Stars“ ein Jazzkonzert.
Als heuer viel früher ein verlockendes „LOESS IS MORE“-Programm in die Redaktion flatterte, wollten wir es genau wissen: Wie kamen Schauspielerin Anna-Eva Köck und Architekt Gregor Schindler in die rund 1.000-Seelen-Gemeinde im Weinviertel – und wie zum Teufel gelingt ihnen all das, worüber Sie auf diesen Seiten gewiss ebenso staunen werden? Wir machten uns auf die Suche nach ihrem Zauberstab und fanden besondere Liebes- und Lebensgeschichten.
Die Liebe. Die beiden lernten einander vor gut achten Jahren kennen. „Gregor, leider, ich fahr‘ weg“, sagte sie nach dem ersten Rendezvous. Sie hatte ein Engagement an der Mailänder Scala. „Ich komme mit“, entgegnete er und kaufte ein Flugticket. „Du spinnst ja, ich wohne in einem Mini-Airbnb-Zimmer, das Klo ist unterm Hochbett“, lachte sie. Dann verbrachten sie zehn wundervolle Tage in Mailand. Er besuchte sie, als sie dann in New York lebte und als sie nicht mehr voneinander getrennt sein wollten, gingen sie gemeinsam nach Los Angeles. Nach gut zwei Jahren im Ausland zogen sie nach Wien: Anna-Eva Köck spielte
Paulus Mankers US-Alma in Wiener Neustadt, Gregor entwickelte als Architekt weiter sein besonderes Feingefühl, alten Gebäuden neues Leben einzuhauchen. Annas Papa, der leider 2008 starb, war ebenfalls Architekt; auch ihr Blick war für historische Juwelen geschärft.
Der Lösshof. Eines Tages bekommt Anna eine Willhaben-Anzeige von einer Freundin mit einem Gebäude, das zum Verkauf stand. „Wir haben definitiv nichts gesucht“, sagt sie, die Message schien wie ein Irrläufer. Bis sie noch einmal kam und noch einmal. Gefolgt von einem Anruf. „Schau es dir wenigstens an“, befahl die Freundin. Mit einem Klick sah Anna den Festsaal. Sie mochten die
Gregors Umgang mit alter Substanz ist immer respektvoll, um möglichst viel zu erhalten.
Anna-Eva Köck, Schauspielerin
Gegend, waren oft zum Weinverkosten dort, also unternahmen sie an einem Augustsonntag einen Ausflug. Zögerlich läutete das Paar bei der Nachbarin. „Da schaut sie uns ganz ohne Argwohn an und sagt: ,Es ist ja viel zu heiß, kommt rein. Wollt ihr Wein oder Wasser?‘“ Während sie auf Besitzer und Schlüssel warten, plaudern sie mit ein paar Mädchen aus dem Ort, die sich über die Bekanntschaft mit der Schauspielerin freuen. „Wenn du das Haus kaufst, machst du dann ein Theater, wo wir mitspielen können?“, fragen sie. Anna nickt.
Auf der Rückfahrt nach Wien, sagt sie: „Was ist, wenn wir das wirklich kaufen? Du machst unten dein Büro, ich mache ein eigenes Theater, wir wohnen da und können immer zusammen sein.“ Gregor, der Sicherheitsliebende, – und damit rechnete sie gar nicht – nickt.
REICH AN UNGEWÖHNLICHEN LOCATIONS. Apollonia Bitzan gelangen beim Shooting mit den beiden spannende Einblicke in den Lösshof. Hier in der Gastroküche und am Bild unten am Dachboden mit Katze Wuwu
LIEBLINGSGEMÄLDE. Weitere Werke von Annas Onkel Alfred Bachlehner gibt es bei der Vernissage am 31. Juli zu sehen. Da darf man dann nicht nur in den idyllischen Hof, sondern auch ins fantastisch renovierte Haus.
In Windeseile verkauft Gregor seine kleine Wohnung in Salzburg, die Finanzierung des Vorhabens wird zum Drahtseilakt. Als alles auf Schiene ist, feiern sie im Herbst 2020 im Hof Schlüsselübergabe und ersten Hochzeitstag. Dann kommt ein Wetterumschwung und die Romantik ist dahin. „Drinnen war es kühl und es hat gestunken, es wurde sichtbar, was alles zu tun ist“, erzählt sie, die zu dem Zeitpunkt bereits mit Feuereifer an einer Einreichung um Förderungen arbeitete. Am letzten Tag der Frist und nur wenige Minuten vor Schließung der Post gibt sie 40 Seiten über ihre Vision vom perfekten Sommerfestival ab.
Die Baustelle. Sie gehen ihren Brotberufen nach, arbeiten in jeder freien Minute am Lösshof. Weihnachten können sie fix im neuen Zuhause feiern, beteuert ihr Baustellenleiter; sie kündigen die Mietwohnung, doch der Fachmann verkalkuliert sich. Wochenlang lebt das Paar zwischen Möbel- und Kartonbergen, zum Duschen fahren sie zu Freunden. „Alles war voller Staub, selbst unsere Katzen schnieften, wir fragten uns: ,Was haben wir uns da angetan?‘ Aber dank der Beschaffenheit unseres Hirns romantisieren wir vieles rückblickend“, erzählt er lachend. „Wir wussten: Wenn alle Räume fertig sind, haben wir eine ganz besondere Insel geschaffen.“ „Ein riesen Antrieb war das Festival. Vor allem ab dem Moment, wo Interesse da war, uns eine Förderung zu geben“, ergänzt sie. Viele standen hinter Annas Vision. Dass sie diese in Pandemiezeiten umsetzen wollte, dafür erntete sie aber auch Kopfschütteln. Woher kam ihre Zuversicht?
Die Kämpferin. „Anna hat eine Weitsicht auf die Dinge und die Gabe sich durchzubeißen“, sagt ihr Mann und sie lächeln einander an. „Ich hatte ein Bild vor Augen, dass der Hof voller Menschen ist, dass sie Wein trinken, reden, Musik spielt, das wollte ich erreichen.“ Es hat auch mit ihrer Lebensgeschichte zu tun, sagt sie. Sie war 28 Jahre jung, als bei ihr ein aggressiver GebärAnna hat die Gabe mutterhalsk r e b s durchzubeißen, aber diagnostinicht verkrampft, ziert wurde. „Die Ärzte sondern mit einer sagten mir direkt ins inneren Kraft. Gesicht, dass ich zu 80 Prozent Gregor Schindler, Architekt sterbe.“ Sie bekommt Chemotherapie und wird zwölf Mal operiert. Dann sitzt sie im Rollstuhl und man sagt ihr, sie soll froh sein, dass man ihr das Bein nicht abnehmen musste. Anna kauft sich High Heels, stellt sie auf den Kasten und beschließt, eines Tages damit gehen zu können. Sie trainiert eisern, bewegt sich zunächst mit dem Rollator fort. Eine Behinderung wird bleiben, heißt es. „Heute kann ich laufen, nichts ist geblieben, außer Narben. Ich weiß, wie viel man mit mentaler Kraft erreichen kann.“ Ihr Bild wird auch im Sommer 2021 wahr: Ihr Festival findet statt und ist besser besucht, als sie zu hoffen wagte. Das große Herz. Seit Monaten wird am zweiten „LOESS IS MORE“ gearbeitet, alle privaten Rücklagen sind aufgebraucht, ein Crowdfunding soll gestartet werden. Dann bricht der Krieg in der Ukraine aus. „Wir konnten nicht so weitertun, als wäre nichts geschehen.“ Die Entscheidung fällt Anna schwer, aber sie verschiebt die Finanzierungsinitiative. Sie bringen wochenlang Sachspenden an die Grenze, auf dem Heimweg nehmen sie Flüchtlinge mit, die sie zu Verwandten, Freunden oder Quartieren fahren. Zu ihnen gehört eine Mutter, die mit Kleinkind und Baby zu Fuß unterwegs ist. „Sie hatte solche Angst, dass sie sich bei Eiseskälte drei Tage in den Karpaten versteckt hat“, erzählt sie. Ihrer beider Augen füllen sich mit Tränen, als sie schildern, dass sie eine junge Frau bei sich aufnehmen wollten, die schließlich kurz vor der Grenze umkehrte. „Sie konnte ihren Mann nicht verlassen.“
Heute lebt das Paar mit einer ukrainischen Familie unter einem Dach. „Das Schöne ist, dass sie zumindest vereint ist. Ab drei Kindern darf der Vater mit.“
Es ist vielleicht ein Schicksalswink, als sie vor Wochen mit einer geflüchteten Studentin ins Gespräch kommt, die in der Kulturszene gut vernetzt ist; gemeinsam planen sie einen ukrainischen Gastabend fürs Festival. „Hoffentlich ein Friedensfest“, sagt Anna, die nun wieder Vorfreude auf ihr Herzensprojekt zulässt.
Das Festival. Fürs Crowdfunding gilt nach wie vor: Jeder Euro zählt (schöne Packages bis 10. Mai erhältlich). Die Eigenproduktion liegt in Klara Rabls Händen, ihr „hyperregionales Stück“ namens „Löss“ wird sie filmisch und auf der Bühne im Lösshof umsetzen. Es wird um Löss-Sagen und -Legenden gehen, die vielleicht wahr sind oder auch nicht. „Die Hochzeit“, ein Ö1-Hörspiel um Pannen am schönsten Tag, wird live aufgeführt, Max Simonischek gastiert mit dem Kafka-Programm „Der Bau“. Am selben Abend kommt Jürgen Schallauer mit der Rock ‘n‘ Roll-Combo „Löss Miserables“. Gerald Votava interpretiert Christine Nöstlinger-Gedichte musikalisch unter dem Titel „A schenes Lem!“. „Lösskindl“ beinhaltet einen Theaterworkshop sowie das Kinderstück „Ente, Tod und Tulpe“ mit Florian Stohr und Aline-Sarah Kunisch.
Großartig für alle Geschlechter wird Grischka Voss‘ Abend „Bulletproof“, sagt Anna Eva Köck: „Sie rollt einen Vagina-Teppich aus und nimmt sich kein Blatt vor den Mund.“ Zum Abschluss spielt „Bratfisch“ und bei der Vernissage „Gemischter Satz“ zeigt Alfred Bachlehner seine Arbeiten. Apropos: Während des Festivals werden edle Tropfen kredenzt, für die Kulinarik zeichnet Haubenkoch Ysnait Bräuer verantwortlich.
Crowdfunding, Tickets und Termine: www.loesshof.com