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DENKEN IST SEXY

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BUCHTIPPS

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Die neue künstlerische Geschäftsführerin Elisabeth Schweeger und die kaufmännische Leiterin Manuela Reichert im Gespräch mit Doris Nentwich

„Wir wollen kein Feuerwerk, sondern nachhaltig beeindrucken“ – so das Credo von Elisabeth Schweeger und Manuela Reichert, den beiden Geschäftsführerinnen der Kulturhauptstadt Europas 2024 Bad Ischl – Salzkammergut.

Text: Doris Nentwich Fotos: Bettina Gangl, die arge lola

Zwei Frauen, ein Ziel: Der Titel „Kulturhauptstadt Europas 2024 Bad Ischl – Salzkammergut“ soll die Region über das Jubeljahr hinaus nachhaltig weiterbringen. Damit das gelingt, wollen die Geschäftsführerinnen Elisabeth Schweeger (künstlerische Leiterin) und Manuela Reichert (kaufmännische Leiterin) neben der Etablierung neuer Kultur- und Bildungseinrichtungen einen offenen Diskurs – sowohl über aktuelle Probleme im ländlichen Raum wie der Abwanderung junger, gebildeter Menschen als auch über die oft verklärte Sicht auf die Vergangenheit – führen.

OBERÖSTERREICHERIN: Frau Schweeger, bis 2015 haben Sie die Kunstfestspiele in Hannover geleitet. Damals hat man Ihnen vorgeworfen, Ihr Programm sei zu elitär. Ihre Reaktion darauf war, ich zitiere: „Elitär wirkt vieles ja nur, wenn man seinen Kopf nicht bemühen möchte.“ Würden Sie heute auf diesen Vorwurf wieder so reagieren?

Elisabeth Schweeger: Die Aussage war auf die damalige Situation bezogen, die Aufgabe war eine ganz andere. Damals ging es darum, ein neues Format an Festival zu entwickeln, das sich mit Transdisziplinarität beschäftigt und den Schwerpunkt auf moderne Musik legt. Du kannst die Leute dabei nicht von heute auf morgen mitnehmen, dazu braucht es Ausdauer. Das ist nicht elitär, sondern ungewohnt. Das Neue braucht immer seine Zeit und ist eine Einladung, sich damit zu beschäftigen und sich darauf einzulassen.

Manuela Reichert: Denken Sie nur an die Zwölftonmusik ... Das erste Mal gehört, denkst du dir, „das ist doch völlig verrückt“. Aber wenn du dich länger damit beschäftigst, erscheint dir die herkömmliche Klassik fast langweilig. Elisabeth Schweeger: Vielleicht drückt sich durch diesen Begriff das Bedürfnis aus, alles sofort verstehen zu wollen, was natürlich auch völlig legitim

DER REICHTUM DER REGION BESTEHT DARIN, DASS SIE UNTERSCHIEDLICH IST UND TROTZDEM ZUSAMMENHÄNGT.

Elisabeth Schweeger, künstlerische Leiterin Kulturhauptstadt Europas 2024 Bad Ischl – Salzkammergut ist. Kulturelles Angebot soll schließlich auch frei von Anstrengung „konsumiert“ werden können und zum Entspannen oder Lachen einladen. Auf der anderen Seite soll es aber auch anregen, den Kopf zu bemühen und zu denken. Denken ist sexy.

In Ihrem Kunst- und Kulturverständnis macht‘s also die Mischung ... Ist das auch der Anspruch an das programmatische Angebot der Kulturhauptstadt?

Schweeger: Durchaus. Es soll eine Gemengelage an Kunst angeboten werden, aber auch eine Konfrontation mit neuen Ideen geben. Es geht um Reibung. aus der Neues entsteht.

Reichert: Kunst soll berühren, emotionalisieren, aber auch polarisieren. Nur so werden Dialog und Perspektivenwechsel möglich. Ich halte den berühmten Blick über den Tellerrand für wichtig, um sich weiterzuentwickeln.

Apropos Weiterentwicklung: Neben all den negativen Auswirkungen der Coronakrise hat sich dadurch die Kunst- und Kulturszene nicht auch gezwungenermaßen weiterentwickelt?

Reichert und Schweeger haben große Pläne für die Kulturhauptstadt 2024 Bad Ischl – Salzkammergut.

ELISABETH SCHWEEGER

Prof. Dr. Elisabeth Schweeger wurde im Juli zur Nachfolgerin von Stephan Rabl bestellt, der nach nur wenigen Monaten und internen Querelen als künstlerischer Leiter gehen musste. Die 1954 in Wien geborene Literaturwissenschafterin war von 1993 bis 2001 künstlerische Leiterin des Marstall und Chefdramaturgin am Bayerischen Staatsschauspiel in München, danach bis 2009 Intendantin des Schauspiel Frankfurt. Von 2009 bis 2015 leitete sie die KunstFestSpiele Herrenhausen in Hannover und seit 2014 ist sie künstlerische Direktorin und Geschäftsführerin der Akademie für Darstellende Künste in Baden-Württemberg. In Oberösterreich kuratierte sie für das OK – u. a. den Linzer Höhenrausch 2018 – und Ausstellungen für das Ars Electronica Center.

MANUELA REICHERT

Die gebürtige Salzburgerin übernahm im November des Vorjahres die Funktion der kaufmännischen Geschäftsführerin der Kulturhauptstadt Europas 2024 Bad Ischl – Salzkammergut. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Johannes Kepler Universität in Linz und dem Abschluss an der Hochschule für Kulturmanagement des ICCM, arbeitete Mag.a Manuela Reichert zwanzig Jahre lang als Geschäftsführerin im Kulturbereich. 18 Jahre lenkte sie die Geschicke der Kulturpark Traun GmbH, zwei Jahre war sie für die Philharmonie Salzburg und die Kinderfestspiele tätig. Reichert ist 1972 geboren und lebt seit 1992 in Oberösterreich.

Schweeger: Wofür wir zehn bis zwanzig Jahre gebraucht hätten, haben wir aufgrund der Situation innerhalb eines Jahres geschafft. Das war ein unfreiwilliger Sprung ins kalte Wasser, der aber gerade ehrwürdige Institutionen wie Theater und Museen, aber auch Schulen und Universitäten gezwungen hat, schnell umzudenken. Dadurch hat sich eine neue Sparte eröffnet, die digitale Formate möglich gemacht hat.

Reichert: Wir haben in der Zeit des Lockdowns hier zu arbeiten begonnen. Das war schon schwierig. Es gab kaum Gelegenheit, mit Menschen in Kontakt zu kommen, was natürlich gerade in der Aufbauphase wichtig gewesen wäre. Deshalb sind wir, sobald es möglich war, mit unserer Infotour in alle 23 Gemeinden gekommen, um der Bevölkerung die Idee der Kulturhauptstadt nahezubringen. Wir wollten und wollen sicht- und spürbar sein.

Rechnen Sie mit einem weiteren Lockdown ab Herbst?

Schweeger: Wir wollen keinen Lockdown mehr, das ist ganz klar. Aber wir haben natürlich einen Plan B für diesen Fall.

Reichert: Unabhängig davon befinden wir uns in einem permanent dynamischen Prozess. Wir haben als Start-up begonnen, die Grundbasis geschaffen und die Strukturen aufgebaut. Es befindet sich aber nach wie vor alles im Entstehen, was uns hohe Flexibilität erlaubt.

Und die brauchen Sie auch ... Schließlich ist der Titel „Kulturhauptstadt“ mit viel Pathos aufgeladen, es gibt viele verschiedene Interessen und Ziele. 2024 gilt es noch dazu, anders als Graz 2003 und Linz 2009, erstmals eine Region mit 23 Gemeinden „unter einen Hut zu bringen“. Wie soll das gelingen?

Reichert: Das ist natürlich eine Herausforderung, aber eine schöne. Kultur ist etwas Verbindendes. Sie braucht keine Abgrenzung.

Schweeger: Der Reichtum der Region besteht darin, dass sie unterschiedlich ist und trotzdem zusammenhängt. Die Grundsatzfrage ist, wie kann sich das Gebiet als Ganzes gestalten. Die Idee der Kulturhauptstädte hat sich vom urbanen hin in den ländlichen Raum gewandelt. Auch weil dieser immer mehr an Bedeutung gewinnt, wie die Pandemie zuletzt gezeigt hat. Dafür muss das Land aber auch attraktiv sein, auch was das geistige Leben betrifft.

Sie sprechen ein Problem an, dass auch schon im Bidbook (Bewerbungs-

ICH HALTE DEN BERÜHMTEN BLICK ÜBER DEN TELLERRAND FÜR WICHTIG, UM SICH WEITERZU- ENTWICKELN.

Manuela Reichert, kaufmännische Leiterin Kulturhauptstadt Europas 2024 Bad Ischl – Salzkammergut

mappe, Anm. der Red.) offen thematisiert wird: Nämlich die Abwanderung aus dem ländlichen Raum von vor allem jungen, gebildeten Menschen aufgrund fehlender Bildungsangebote und Arbeitsplätze. Welchen Beitrag kann die Kulturhauptstadt hier leisten?

Schweeger: Wir können Impulse geben. Wir wissen ganz genau, wenn wir Bildungsangebote schaffen wollen, geht das leider nicht von heute auf morgen. Dafür braucht es das Zusammenwirken vieler Player. Das ist auch notwendig, wenn es um die Schaffung von Kulturzentren und um die Förderung und Vernetzung partizipativer Unternehmungen geht. Die Region muss sich als eine Einheit verstehen und zusammenarbeiten und -spielen. Nur dann sind wir stark. Dazu muss man die Gemeinden in ihrer Eigenheit stärken und sie mit den anderen verbinden. Das soll für alle ein lustvoller Prozess sein, wodurch Neues entstehen kann.

Reichert: Kultur ist kein Luxus, sie ist lebensnotwendig. Und sie kann einen gemeinsamen Austausch in Form von Projekten vorantreiben, an dem sich alle 23 Gemeinden beteiligen. Das hat es noch nie gegeben und ist genau deshalb so spannend.

Schweeger: Noch etwas ist mir wichtig. Es braucht Diskursfähigkeit und die Auseinandersetzung mit Problemen aus der Vergangenheit, mit denen wir noch nicht aufgeräumt haben.

Ebenfalls nachzulesen ist Ihr Anspruch an Nachhaltigkeit. Also soll die Kulturhauptstadt über 2024 hinaus ihre Spuren in der Region hinterlassen?

Reichert: Wir wollen, um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu bauen, kein Feuerwerk machen, sondern nachhaltig beeindrucken.

Schweeger: Das soll unter anderem mit Bildungsangeboten und Kulturzentren, die neu geschaffen werden, erreicht werden. Das ist für eine Region, die leben und zukunftsfähig sein will, wichtig.

Als Bad Ischlerin darf ich das fragen: Wie viel Platz wird es im Rahmen der Kulturhauptstadt für Sisi-Kitsch und verstaubte Klischees geben?

Schweeger: Rituale sind wichtig. Es geht nicht darum, sie alle „wegzuschmeißen“. Es wird Formate geben, in denen sie Platz finden. Auf der anderen Seite werden wir uns aber auch kritisch damit auseinandersetzen. Schließlich war die Kaiserzeit nicht nur nett und das Kaiserreich nicht nur idyllisch. Dahinter stand eine Politik, bei der es um Macht, Krieg und Beherrschung ging. Damit muss man sich auch auseinandersetzen.

Wie soll das Feedback über Sie und Ihre Rollen 2024 ausfallen?

Schweeger: Fragen Sie uns das 2024.

Reichert: Ich bin schon gespannt. Wir werden unser Bestes tun.

Elisabeth Schweeger und Manuela Reichert im Gespräch mit Doris Nentwich

© Atelier Galerie Alfred Hansl

VERNISSAGE

„Reisen in die innere Zukunft“

Die beiden etablierten Linzer Maler Alfred Hansl und Hermann Angeli laden ein zu ihrer gemeinsamen Vernissage „Reisen in die innere Zukunft“ am Donnerstag, 9. September, 18.30 Uhr im LINZ AG-Kunstforum, Bauteil A, Wiener Straße 151, 4021 Linz.

Alfred Hansls zumeist farbkräftigen abstrakten Bilder bestechen durch souveräne Farbgebung und eine ausgewogene Mischung aus Dynamik und Ruhe. Räume und Tiefen entstehen durch zahlreiche Farbaufträge. Chaos und wiedererschaffene Ordnungsprinzipien spielen bei Hansls Arbeit eine zentrale Rolle, seine gemalte Emotionalität, mutige und kraftvolle Vorgangsweise macht Energie sichtbar und spürbar. Hermann Angelis intensive Auseinandersetzung mit der Malerei bedeutet für ihn die ständige Suche nach dem Selbst, ein Eintauchen in die Tiefen der eigenen Seele.

Wesentlich für Angelis Schaffen ist es, zu „entdecken“ – die innere Bereitschaft, alles was ist, aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Die Ausstellung dauert von 10. September bis 29. Oktober 2021. Anmeldungen unter kunstforum@linzag.at.

ARBEIT WOHLSTAND MACHT

Bewegende Geschichten, die Steyr bis heute geprägt haben, zeigt die Oberösterreichische Landesausstellung 2021.

© OÖ. Landesausstellung / Pia Odorizzi Aufstieg und Krise, Kampf und Rebellion, großer Luxus und kleine Freuden, Industrialisierung und Innovation. Die Oberösterreichische Landesausstellung ARBEIT WOHLSTAND MACHT zeigt noch bis 7. November 2021 am Beispiel der Stadt Steyr die Entwicklung unserer Gesellschaft – vom Mittelalter bis in die Gegenwart. An den drei Standorten Museum Arbeitswelt, Innerberger Stadel und Schloss Lamberg erzählt die Ausstellung bewegende Geschichten von Arbeiter und Arbeiterinnen, Bürger und Bürgerinnen und Adeligen, die bis heute die Stadt und die Mentalität der Menschen prägen.

HIGHLIGHTS IM HERBST:

12. September: ALMA (Konzert) 30. September: (Premiere) – ÜBER.MORGEN STEYR. Ein Audiowalk in die Zukunft (theaternyx.at) 2. Oktober: ORF Lange Nacht der Museen (bis 01.00 Uhr geöffnet): Eintritt in die LA21 und alle Begleitangebote um € 6 Mehr Infos auf: www.landesausstellung.at

OÖ. Landesausstellung Steyr 2021 24. April bis 7. November ARBEIT WOHLSTAND

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG

MACHT

© Severin Koller © Helmut Prochart

Silke Grabinger Akemi Takeya

Linzer 21Klangwolke

PANTA RHEI. Mit filmischer Illusionskunst erweckt das Brucknerhaus Linz beim diesjährigen Klangspektakel am 11. September die Donau zum Leben.

Illusion oder doch Realität? Dieser Frage können Kulturinteressierte am 11. September um 20.30 Uhr nachgehen, wenn die diesjährige Linzer Klangwolke im Donaupark Linz über die Bühne geht. Das Klangspektakel, das heuer den altgriechischen Titel „Panta rhei“ trägt, vereint Klang und Film und wird unter der Gesamtleitung von Starregisseur Robert Dornhelm zu einem durchkomponierten Gesamtkunstwerk in sieben Akten.

PANTA RHEI – Alles fließt. „Ich freue mich, dass Robert Dornhelm, diesseits und jenseits des Atlantiks als Filmregisseur hochgeschätzt, die diesjährige Klangwolke gestaltet“, so der künstlerische Vorstandsdirektor der LIVA und Brucknerhaus-Intendant Mag. Dietmar Kerschbaum. „Klänge und visuelle Elemente dienen wechselseitig als Impulsgeber, gemäß dem Motto unseres heurigen Brucknerfests „Mutige Impulse“. Leitmotiv dieser Klangwolke aber ist der Dialog als Voraussetzung für ein friedliches Miteinander, als Baustein einer Welt, in der wir alle verbunden sind.“ Großer filmischer Soundtrack, Licht- und Laserinszenierungen, eine riesige cineastische Projektionsfläche und damit eine überdimensional große Kinoleinwand werden die Linzer Klangwolke, die heuer von der Sparkasse OÖ und der LINZ AG präsentiert wird, krönen.

Klangspektakel mit Starbeset-

zung. Kinofilme, Fernsehdokumentationen, historische Epen, Mehrteiler, Operninszenierungen und vieles mehr – Robert Dornhelm zählt zu den vielseitigsten Regisseuren der Welt. Zu den

Liina Leijala

Erfolgen des internationalen Regie-Stars zählen eine Golden Globe-Nominierung, zwei Emmy-Auszeichnungen, die Goldene Romy für die beste Regie und eine sensationelle Oscarnominierung für „Die Kinder der Theaterstraße“ mit Grace Kelly. Jetzt bringt das Ausnahmetalent, das die österreichische und die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, jede Menge Hollywoodflair nach Linz und sorgt gemeinsam mit dem preisgekrönten Filmkomponisten Roman Kariolou, der Linzer Performancekünstlerin Silke Grabinger sowie mit dem Co-Regisseur Christoph Engel für eine Linzer Klangwolke der Superlative.

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