
11 minute read
Echt fett
Wie gut uns gute Fette wirklich tun
Fett hat einen schlechten Ruf, obwohl unser Körper die sogenannten Lipide dringend braucht. Dr. med. Irene Brunhuber, Fachärztin für Innere Medizin im Park Igls, beleuchtet im Interview das Thema von verschiedenen Seiten, gibt wertvolle Hinweise für den Umgang mit Fetten, Ölen & Co und erklärt, warum Fette durchaus ihre positiven Seiten haben.
Warum, glauben Sie, ist Fett in unserer Gesellschaft so in die Kritik geraten, oder sehen Sie das gar nicht so? Brunhuber: Doch, die Angst vor Fett ist da, weil es in weiten Kreisen der Bevölkerung nach wie vor mit Fettleibigkeit gleichgesetzt wird. So ist der Satz »Fett macht fett« vor allem in älteren Generationen noch stark verankert, und damit verbunden ist eine große Skepsis, was das Thema angeht. Damit einher geht die Annahme, dass der Genuss von Fett automatisch ein Gewichtsproblem nach sich zieht. Rein mathematisch gesehen ist das gar nicht so falsch, denn 1 g Fett liefert 9,3 Kilokalorien – etwa doppelt so viel wie 1 g Kohlenhydrate oder 1 g Eiweiß. Dabei spielen Zucker und andere rasch resorbierbare Kohlenhydrate z. B. in Form von Weißmehlprodukten, aber auch von Fruchtzucker für Übergewicht eine weit größere Rolle. Jüngere Menschen schätzen das Thema Fett mittlerweile zu einem großen Teil differenzierter ein. Besonders die neuen Medien haben durch diverse – mehr oder weniger mit Skepsis zu betrachtende – »Diättrends« das Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet, dadurch alte Glaubenssätze eliminiert, aber auch neue geschaffen. Die jüngere Generation hat dadurch aber zumindest gelernt: Fette haben auch gute Seiten und werden vom Körper nicht nur als Energielieferanten benötigt, sondern auch für andere Prozesse. Dennoch begegnen die Menschen dem Thema weiterhin mit Vorsicht.
Können Sie uns kurz erklären, welche Prozesse beim Zuführen von Fett/en – ganz allgemein – im Körper ablaufen? Brunhuber: Die Hauptrollen spielen die Gallensäuren im Gallensaft, die in der Leber produziert werden, und die Verdauungsenzyme aus der Bauchspeicheldrüse. Die Galle emulgiert die Fette aus der zugeführten Nahrung, d. h. sie zerlegt sie in kleine Tröpfchen. Durch die vergrößerte Oberfläche können die Verdauungsenzyme besser angreifen und die Fette in ihre Grundbausteine zerlegen. So werden sie leichter über die Dünndarmschleimhaut
aufgenommen. Da Fette aber – wie wir wissen – nicht in Flüssigkeit lösbar sind, brauchen sie ein Transportmittel in Form von Eiweißen (Lipoproteine), das sie mit ins Blut nimmt, um von dort aus die wichtigen Organe zu versorgen. Zielorgane sind Fettzellen, Leberzellen und andere Organzellen.
Wie misst man den Körperfettanteil und wie sind die jeweiligen Werte aus ärztlicher Sicht in das gesundheitliche Gesamtbild eines Menschen einzuordnen? Brunhuber: Wir haben einige Möglichkeiten zur Orientierung: das Gewicht, den Body-Mass-Index (BMI) und den Taillenumfang. Alle drei sind jedoch nicht als verlässliche Größen anzusehen, sondern können zunächst nur für eine grobe Beurteilung herangezogen werden. Manche im Handel erhältlichen Körperwaagen sind mit einer Funktion zur Körperfettmessung – meist über die Fußsohlen – ausgestattet. Über die Sohlen ist aber nur eine Messung der unteren Extremitäten möglich. Der Wert auf der Waage gibt demnach keinen fundierten Aufschluss über den gesamten Körperfettanteil.
Aussagekräftiger und in erster Linie hilfreich für die Messung im Verlauf einer Behandlung ist die Bioimpedanzmessung, wie sie im Park Igls durchgeführt wird. Hier wird, vereinfacht gesagt, die Muskelmasse in Relation zur Fettmasse untersucht, indem ein ganz schwacher, nicht spürbarer Wechselstrom durch den Körper geschickt wird. Dabei misst man den Widerstand und erhält eine Tabelle mit Messwerten, die Aufschluss über den IstZustand geben: Wie hoch ist der Fettanteil im Körper, wie groß die Muskelmasse, wie hoch der Wasseranteil. Ein Körperfettanteil von über 30 % bei Frauen und von über 20 % bei Männern wird als adipös (fettleibig) eingestuft. Normalgewichtige haben einen Fettanteil von 15 bis 20 %, unter 10 % liegt er z. B. bei Extremsportlern oder bei Patienten beispielsweise mit Anorexie. All diese Werte sind jedoch immer mit dem geschulten medizinischen Blick und unbedingt altersabhängig zu betrachten. Denn im Alter können kleinere Fettreserven oft ganz gut sein, um besser mit auftretenden – konsumierenden – Erkrankungen wie z.B. chronischen Erkrankungen oder Tumoren fertig zu werden. Häufig braucht es aber gar keine großen Messungen: Ein kritischer Blick in den Spiegel verrät bereits viel. So deutet z. B. ein vergrößerter Bauchumfang auf ein Zuviel an »Bauchfett« hin. Welchen Einfluss hat ein hoher/niedriger Körperfettanteil auf das subjektive Empfinden? Brunhuber: Mit einem hohen Körperfettanteil geht zumeist ein vermindertes Selbstwertgefühl einher, weil man den gesellschaftlichen Normen/ Vorgaben nicht entspricht. Durch die auftretenden Gewichtsprobleme bewegt man sich schwerer bzw. sind die Gelenke sehr stark belastet, Folgeerkrankungen behindern ein effizientes Training noch zusätzlich. Daneben kommt es häufig zu einer Stigmatisierung in der Gesellschaft und zu Frustration nach wiederholt gescheiterten Abnehmversuchen. Die Motivation sinkt bis hin zu reaktiven depressiven Störungen. Umgekehrt treten auch bei einem Fettgewebsmangel, also wenn der Körperfettanteil ein gewisses Maß unterschreitet, Probleme auf, weil unter anderem der Hormonhaushalt negativ beeinflusst wird – eine Folge ist z. B. das Ausbleiben der Menstruation.
Auch schlanke Menschen können hohe Körperfettwerte haben. Wie lässt sich das erklären? Brunhuber: Bei gering ausgebildeter Muskelmasse wird ein Fettgewebeüberschuss häufig nicht als Problem erkannt, weil das Absolutgewicht auf der Waage ja noch stimmt.
Warum sind tierische Fette für den Organismus schädlicher als pflanzliche? Brunhuber: Fett ist nicht gleich Fett. Bei der Bewertung ist die Sättigung der Fettsäuren ein wichtiger Faktor, wobei ungesättigt in diesem Fall besser ist als gesättigt. Die beiden Begriffe werden leicht verwechselt, weil sie von der Wortbedeutung im Alltag her eher das Gegenteil suggerieren. Wir unterscheiden im Wesentlichen zwischen tierischen Fetten, die nur einen geringen Anteil an ungesättigten Fettsäuren haben, und pflanzlichen Fetten mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren, wie sie in kaltgepressten Ölen (Olivenöl, Leinöl, Rapsöl …), Samen (Leinsamen, Kürbiskerne, Soja …), Nüssen und Fisch (Lachs, Hering, Makrele …) vorkommen. Die äußerst gesunden, mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren kommen ausschließlich in Fisch und Pflanzen vor. Es handelt sich dabei um essenzielle Fettsäuren, d. h. der Körper kann sie nicht selbst produzieren! Vorsicht ist geboten bei gehärteten pflanzlichen Fetten, wie z. B. in Plunder- oder Blätterteig, bei Fertigsuppen und -saucen oder Kuchen. Sie enthalten wenig ungesättigte Fettsäuren.
Gibt es eine Empfehlung für die tägliche Dosis an Fett, die man zu sich nehmen bzw. nicht überschreiten sollte? Brunhuber: Die Empfehlung der Ernährungs gesellschaft lautet, dass beim gesunden Menschen – also bei einem Menschen ohne Vorerkrankung – 30 % des täglichen Energiebedarfs durch Fette gedeckt werden können, das sind ca. 60 bis 70 g pro Tag. Es gibt aber auch durchaus gute individuelle Ernährungsweisen mit deutlich höherem Fettanteil – wobei vor allem die Qualität der Fette zählt, nicht allein die Quantität! Manche brauchen mehr Fett, allerdings gute Fette. Der Anteil der gesättigten Fettsäuren (also tierischer Fette) soll dabei weniger als 10 % der täglichen Energiezufuhr betragen. Da Fett ein bedeutsamer Geschmacksträger im Essen ist, fällt das Einhalten der täglichen Dosis meist schwer, zumal man, wenn man nicht selbst kocht, nicht genau weiß, welche Fette verwendet wurden. Der einzige Ausweg aus dieser Situation: selbst kochen und/oder das daheim vorbereitete Essen mit an den Arbeitsplatz nehmen. Wünschenswert wäre natürlich auch eine bessere Kennzeichnung von Produkten, z. B. mittels eines gut sichtbaren Ampelsystems. Die klein gedruckten, kaum lesbaren Hinweise auf den Packungen erschweren vor allem Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen die Orientierung.
Was passiert bei einer Ernährung mit sehr hohem Anteil an tierischen Fetten im Körper? Welche Erkrankungen sind häufig auftretende Folgeerscheinungen? Welche Organe werden am stärksten in Mitleidenschaft gezogen? Brunhuber: Über kurz oder lang häufen sich im Körper die Entzündungen, denn das Viszeralfett – das »Bauchfett« – heizt Entzündungen an. Gleichzeitig werden zu wenige Fette mit antientzündlicher Wirkung wie Omega 3 und 9 mit der Nahrung aufgenommen. Der Einstieg in einen Teufelskreis ist damit vorprogrammiert: Die Entzündung → verursacht Schmerz → dadurch kommt es zu weniger Bewegung → das führt zu einer Gewichtszunahme → weitere Folgeschäden sind zu erwarten → die psychische Belastung durch chronische Erkrankung steigt → die Motivation zur Lebensstiländerung fehlt → man sucht Trost bei Schokolade / Essen / Alkohol. Sieht man sich die Folgeerkrankungen an, steht sicherlich das steigende Arterioskleroserisiko im Fokus, also das Risiko, an der sogenannten »Arterienverkalkung« zu erkranken. Hierbei kommt es zur Einlagerung von Cholesterin ENTZÜNDUNG
TROST BEI SCHOKOLADE & CO
SCHMERZ
FEHLENDE MOTIVATION

WENIGER BEWEGUNG
PSYCHISCHE BELASTUNG
GEWICHTSZUNAHME
und anderen Fetten, was in weiterer Folge zu einer Verengung wichtiger Blutgefäße wie der Halsschlagader, der Herzkranzgefäße oder der Beinarterien führt. Die Organe werden dadurch nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und die Gefahr einer Organschädigung steigt. In Österreich sterben jährlich dreißig- bis vierzigtausend Menschen an den Spätfolgen einer Arteriosklerose durch Herzinfarkt oder Schlaganfall, etwa 20 % aller Menschen zählen zur Risikogruppe.
Treten die Symptome starkes Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhter Blutzuckerspiegel und ein gestörter Fettstoffwechsel gleichzeitig auf, wird in der Medizin vom metabolischen Syndrom gesprochen. Das heißt: Spielen die einzelnen Risikofaktoren zusammen, wird das Risiko nicht addiert, sondern potenziert, also in dieser Konstellation noch deutlich erhöht.
Welche Rolle spielt nun bei dem Ganzen das Cholesterin? Brunhuber: Cholesterin ist nicht per se etwas Schlechtes, es ist die Vorstufe für viele Hormone, ein wichtiger Bestandteil der Zellwände und für die Produktion der eingangs erwähnten Gallensäure notwendig. Außerdem wird nur ein Teil über die Nahrung aufgenommen, den Rest produziert der Körper ohne Zutun von außen. Im Gegenzug ist aber auch die Einflussnahme von außen nur eingeschränkt möglich.
In welchem Bereich sollten sich die Cholesterinwerte bei einem gesunden Menschen bewegen? Brunhuber: Bei den Werten, die bei einer Blutuntersuchung gemessen werden, wird zwischen Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin und Triglyceriden unterschieden. Um den Zielwert, also den individuell optimalen Wert, zu ermitteln, müssen etwaige Risikofaktoren und Vorerkrankungen miteingerechnet werden. Zur besseren Veranschaulichung: Für einen gesunden Menschen ohne Risikofaktor sollte der LDL-Wert optimalerweise unter 115 mg/dl (NB: auch höhere Werte können toleriert werden) und der HDL-Wert über 45 mg/dl liegen. Bei einem Menschen mit coronarer Herzerkrankung oder Durchblutungsstörungen am Herzen hingegen sollte der LDLWert unter 70 mg/dl liegen. Auch diese Werte sind jedoch mit Vorsicht zu sehen, da es individuelle Unterschiede gibt.
Lassen sich Cholesterinwerte mit gezielter Ernährung oder einer Diät nachweislich positiv beeinflussen? Brunhuber: Ja. Wobei gerade beim HDL-Cholesterin, aber auch beim LDL-Cholesterin genetisch ein bestimmter Rahmen vorgegeben ist – das Verhältnis lässt sich aber sicher mit einer gezielten Ernährungsumstellung verbessern. Eine besondere Bedeutung haben hierbei die in pflanzlichen Nahrungsmitteln vorkommenden Phytosterine (auch Phytosterole) – chemische Verbindungen, deren Aufbau dem Cholesterin, das durch tierische Produkte aufgenommen wird, ähnlich ist. Sie sind unter anderem in der Lage, den Cholesteringehalt im Blutplasma um bis zu 10 % zu senken, und reduzieren damit das Risiko für Erkrankungen. Vor allem native Öle, Fette und Samen enthalten viele Phytosterine. Zusätzlich binden Ballaststoffe, wie sie in Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, geschroteten Leinsamen oder Flohsamen vorkommen, die Fette und können so zu einer weiteren Senkung von max. 5 % des LDL-Werts beitragen. In Summe lassen sich mit einer gezielten Auswahl der Nahrungsmittel oft ausreichend gute Erfolge erzielen. Kurzfristige Diäten bringen hingegen gar nichts. Um das Auftreten von Krankheiten, die durch Störungen im Fettstoffwechsel verursacht werden, zu reduzieren, muss man seinen Ernährungsstil überdenken und langfristig umstellen. Es ist nicht alles verboten, aber 80 % dessen, was man täglich isst, sollte der Gesundheit zuträglich sein. Das gelingt, indem man möglichst viel selbst kocht. Das Vollkornbrot mit einem Frischkäse-Aufstrich und knackigem Gemüse oder ein Aufstrich mit Fisch schlägt die Semmel mit Extrawurst hierbei um Längen. Ein bisschen Obst und Nüsse hinterher bringen Körper und Geist in Schwung. Wurstsemmel & Co belasten den Organismus nur und man wird schnell wieder müde.
Woran liegt es, dass die Fettverbrennung nicht bei jedem Menschen gleich gut funktioniert? Brunhuber: Es sind eigentlich drei Faktoren, die man sich genauer anschauen muss:
Die Bewegung: Wer sich wenig bewegt, verbrennt auch wenig Fett. Um dem entgegenzuwirken, helfen Ausdauertraining und Krafttraining. Sie kurbeln die Fettverbrennung regelrecht an.
Zuckerreiche Ernährung (rasch resorbierbare Kohlenhydrate): Sie führt zu einem Anstieg des Insulinspiegels, der das Fettverbrennen blockiert. Der Energieriegel oder der Energydrink nach dem Training sind also kontraproduktiv. Übrigens: Auch Alkohol bremst die Fettverbrennung!
Stressbedingte Fetteinlagerungen: Gestresste Menschen haben einen chronisch erhöhten Cortisolspiegel, der den Fettabbau bremst und zusätzlich muskelabbauend wirkt.
Oft haben Menschen eine lange Leidensgeschichte, weil sie z. B. an Adipositas erkranken. Wo setzt man hier mit der Behandlung an? Ab wann würden Sie zu einem operativen Eingriff wie einem Magenband etc. raten? Brunhuber: Für eine Operation gibt es klare Richtlinien. Erst bei Adipositas Grad 3 – das entspricht einem Body-Mass-Index von über 40 – kommt eine Operation überhaupt in Frage. Bei Adipositas Grad 2 (BMI 35–40) mit Folgeerkrankungen kann man die Operation als Option sehen, beginnt ansonsten jedoch mit einer konservativen Therapie: Sie startet mit dem Aufdecken von Ernährungsfehlern, gibt Hilfestellungen für eine Lebensstiländerung und findet zusammen mit dem Patienten die passende Bewegungstherapie. In seltenen Fällen kommt bei Erwachsenen auch eine medikamentöse Therapie von Adipositas zum Einsatz.
Zusammenfassend kann man sagen: Gegen die allgemeine Angst vor dem Fett hilft vor allem Information. Mit dem Wissen um die Wirkung der
verschiedenen Fette ist ein – sogar gesundheitsförderlicher – Einsatz möglich. Ohne eine langfristige, intensive Beschäftigung mit den eigenen Ernährungsgewohnheiten und eine Verhaltensänderung können jedenfalls keine nachhaltigen Erfolge erzielt werden. Eine Umstellung kann durchaus genussvoll sein. Wer nämlich die traditionelle mediterrane Kost mit viel Gemüse, Fisch und Olivenöl schätzt, wird mit der Umstellung keine großen Probleme haben und sich jeden Tag wie im Urlaub fühlen.

Dr. med. Irene Brunhuber
Fachärztin für Innere Medizin, Mayr-Ärztin