9 minute read

Hin zur eigenen Kraft

Next Article
Echt fett

Echt fett

Wie wir unsere Resilienz stärken

Der Begriff »Resilienz« ist nicht zuletzt seit der Covid-19-Krise in aller Munde und in vielen Bereichen strapaziert worden. Mag. Dr. Melanie Robertson – Klinische, Neuro- und Gesundheitspsychologin – und Mag. Thomas Blasbichler –Klinischer und Gesundheitspsychologe im Park Igls – haben sich mit dem Thema im Detail auseinandergesetzt und gemeinsam mit den Ärzten ein eigenes Programm entwickelt, das die »psychische Widerstandskraft« stärkt – nicht nur bei Pandemien, sondern auch in ganz persönlichen Krisen.

Ganz so neu ist die Beschäftigung mit dem Thema gar nicht. Bereits 2017 ist ein Buch des Neurowissen schaftlers Raffael Kalisch erschienen: »Der resiliente Mensch. Wie wir Krisen erleben und bewältigen«. Er beschreibt darin unter anderem, dass man Resilienz lernen kann. Nach ihrer Einschätzung gefragt, was von »erlernbarer Resilienz« zu halten sei, bestätigt Dr. Melanie Robertson, der Mensch komme nicht resilient zur Welt, sondern Resilienz sei erlernbar und ein stetiger Entwicklungsprozess.

Dies unterstreicht auch Mag. Blasbichler, der Resilienz als ein Zusammenspiel von vielen Faktoren sieht: Der Grundstein werde im Kindesalter gelegt und durch Erfahrungen und Lernprozesse im späteren Leben beeinflusst. Resilienz ist also eine Summe von Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen, die wir sowohl durch Genetik als auch durch Erfahrungen erworben haben. »Auch wenn die genetischen Ausgangsvoraussetzungen bei jedem Menschen unterschiedlich sind, kann durchaus davon ausgegangen werden, dass Resilienz erlernbar ist.«

WIE RESILIENT IST DER MENSCH Dem Hirnforscher Kalisch zufolge gibt es bislang nur Hypothesen, warum manche Menschen resilienter sind als andere. Es sei aber, so Blasbichler, eine Frage des Bewertungsstils. Und dieser sei veränderbar, denn dabei gehe es um die Überzeugung eines Menschen, schwierige Situationen meistern zu können. Umfassende Forschungsergebnisse konnten sieben Resilienzfaktoren definieren: Akzeptanz, Optimismus, Lösungsorientierung, Emotionssteuerung, Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortung und Netzwerkorientierung.

Wie stuft man nun aber den Grad der psychischen Widerstandskraft eines Menschen ein? Lässt sich Resilienz messen? Obwohl das Bedürfnis nach einer Skala, auf der die eigene Resilienz eingeschätzt werden kann, nachvollziehbar ist, lässt sich Resilienz aber nicht allgemein wissenschaftlich beurteilen. Es handelt sich um ein komplexes Zusammenspiel von ganz unterschiedlichen – die individuelle Entwicklung und Persönlichkeit betreffenden – Komponenten. Dr. Robertson misst diesbezüglich den Ressourcen eines Menschen große Bedeutung bei, sieht also eine starke Kraft in jenen Säulen im Leben jedes Einzelnen, die Stabilität geben. Häufig sind das soziale Kontakte, die Familie, der Beruf oder Hobbys. Ihrer Ansicht nach investieren resiliente Menschen oft unbewusst in diese Säulen bzw. Ressourcen. Sie scheuen nicht vor einer Entwicklung zurück und bauen sich schnell ein Unterstützungssystem auf, wenn die Notwendigkeit gegeben ist.

DER BLICK NACH VORNE Immer wieder erstaunlich findet Dr. Robertson, dass es Menschen gibt – und jeder kennt vermutlich selbst einen –, denen ein Schicksalsschlag nach dem anderen widerfährt und denen trotzdem Lebensmut und Freude am Leben nicht vergehen. Auch diese Menschen durchleben natürlich bessere und schlechtere Tage, aber der grundsätzliche Tenor sei der nach vorne gerichtete Blick, ohne dabei das Erlebte zu vergessen.

Diesen Menschen gelingt es, trotz Belastungen wieder zu Lebensqualität und Wohlbefinden zurückzufinden. Sie sind nicht weniger verwundbar als andere oder leisten weniger – es geht darum,

WAS WÄHREND EINER AKUTEN KRISE HILFT

Richten Sie Ihren Blick nicht nur auf das, was Ihnen in dieser Situation schwerfällt oder woran Sie vielleicht scheitern. Besinnen Sie sich auf Ihre Stärken. Vielleicht haben Sie Erfahrungen gesammelt und Fertigkeiten erworben, auf die Sie nun zurückgreifen können. Vielleicht haben Sie enge Beziehungen zu anderen Menschen, die bereit sind, Sie zu unterstützen. Möglicherweise können Sie Kraft aus Ihrer Religion oder aus anderen Überzeugungen schöpfen.

Oft tragen negative Gedanken dazu bei, dass jemand eine schwierige Lage als noch schlim mer empfindet, als sie ohnehin schon ist. Versuchen Sie, Gedanken wie »Mir wächst alles über den Kopf« zu identifizieren. Dann finden Sie einen Satz, den Sie solchen negativen Autosuggestionen entgegensetzen können, etwa: »Ich will es versuchen.« Sie können diesen Satz ruhig laut sagen.

Fragen Sie sich, ob Sie nicht typischen Denkfehlern zum Opfer fallen. Dazu zählen etwa Übergeneralisierungen (»Weil etwas Schlimmes passiert ist, wird auch in Zukunft viel Schlimmes passieren«), emotionales Denken (»Meine Schuldgefühle beweisen, dass ich selbst verantwortlich bin«) und überhöhte Ansprüche (»Ich muss stark sein und die Situation allein bewältigen«). Legen Sie eine Tabelle an, in der sich solche problematischen Gedanken darstellen lassen. Statt »Ich muss die Situation allein bewältigen« könnten Sie sich beispielsweise sagen: »Ich mache eine schwierige Erfahrung und darf mir von meinen Mitmenschen helfen lassen.«

Fragen Sie sich: Kann man die Situation nicht auch anders sehen? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich meine Befürchtungen tatsächlich bewahrheiten? HILFE ZUR SELBSTHILFE

Was würde ich einem guten Freund raten, der sich in derselben Situation befindet?

Viele Menschen in einer Krise denken endlos an ihre Probleme und daran, was sie für die Zukunft bedeuten mögen. Solche Grübeleien führen nicht weiter und vergrößern die Misere eher noch. Wenn Sie sich dabei erwischen, stoppen Sie diese Gedanken. Dafür gibt es einfache Techniken: Zählen Sie zum Beispiel von tausend in Viererschritten rückwärts. Oder richten Sie Ihre gesamte Aufmerksamkeit auf ein Bild an der Wand, erfassen Sie es zuerst als Ganzes und betrachten Sie anschließend immer präziser die Details.

Malen Sie einen Zeitstrahl, der links mit Ihrer Geburt beginnt und bis zum Jetzt ganz rechts führt. Zeichnen Sie alle Krisen ein, die Sie erlebt und überstanden haben. Überlegen Sie nun zu jeder Krise, wie Sie aus ihr wieder herausgekommen sind. Welche Stärken konnten Sie einsetzen, welche Menschen haben Ihnen dabei geholfen? Könnten Sie nicht jetzt auf diese Erfahrungen zurückgreifen?

In einer Krise neigen wir dazu, positive Dinge so zu vernachlässigen, dass es uns am Ende womöglich auch ohne Krise schlecht gehen würde. Deshalb überlegen Sie, was Ihnen Spaß machen könnte. Und wenn es die Umstände zulassen: Tun Sie es! Das können einfache Dinge sein: ein Ausflug mit Freunden, für Gäste kochen, singen oder musizieren, handwerken, nähen oder basteln, im Garten arbeiten, verreisen. Oder einfach nur spazieren gehen und die Natur genießen, gemütlich zu Hause einen Film anschauen, ein gutes Buch lesen, ein Entspannungsbad nehmen. Am besten kombinieren Sie eher aktive mit geruhsameren Tätigkeiten.

WAS NACH DER KRISE HILFT

Expressives Schreiben hat etwas Heilsames. Das hat James Pennebaker, einer der Doyens der narrativen Psychologie, in vielen Arbeiten empirisch belegt. Pennebaker hat ein Selbsthilfeprogramm entwickelt, um traumatische Vorfälle und emotionale Krisen rückblickend aufzuarbeiten, indem darüber geschrieben wird: An vier Tagen wird jeweils 20 Minuten ohne Unterbrechung geschrieben. Es gilt allerdings die »Ausflippregel«; brechen Sie ab, sobald Sie spüren, dass Sie an Ihre Schmerzgrenzen stoßen!

Tag 1: Schreiben Sie über eine emotional aufwühlende Episode, die Ihr Leben grundlegend beeinflusst hat. Schreiben Sie über das Ereignis selbst sowie darüber, wie Sie sich damals fühlten – und wie es sich jetzt anfühlt, wenn Sie daran denken. Versuchen Sie, sich zu öffnen.

Tag 2: Schreiben Sie erneut über dasselbe oder über ein anderes Ereignis. Versuchen Sie diesmal vor allem, es mit anderen Bereichen Ihres Lebens in Beziehung zu setzen. Wie hat es Ihr Verhältnis zu Angehörigen und Freunden beeinflusst, Ihre Arbeit, Ihr Selbstbild und die Art, wie Sie über Ihre Vergangenheit denken?

Tag 3: Wieder wird das krisenhafte Ereignis beschrieben, aus unterschiedlichen Perspektiven und von unterschiedlichen Standpunkten aus. Erlauben Sie sich diesmal, »vor allem die Bereiche anzusprechen, in denen Sie sich besonders verletzlich fühlen«. Nach Pennebakers Erfahrungen ist der dritte Tag besonders kritisch, denn jetzt stoßen die Teilnehmer oft »auf Themen, denen sie bis dahin aus dem Weg gegangen sind«.

Tag 4: Nun ist es Zeit, einen Schritt zurückzutreten: »Denken Sie an die Ereignisse, Themen, Gedanken und Gefühle, die Sie in Ihren Texten offenbart haben.« Was haben Sie durch die Krise in Ihrem Leben verloren – aber vielleicht auch gewonnen, dazugelernt? »Setzen Sie alles daran, Ihre Erfahrungen zu einer Geschichte zu verbinden, die Sie in die Zukunft mitnehmen können«, rät Pennebaker. HILFE ZUR SELBSTHILFE wie sie mit Krise und Leid umgehen, und vor allem darum, was sie daraus machen. »Sinnbildlich wird Resilienz mit einem Stehaufmännchen verglichen oder als ›Immunsystem unserer Seele‹ bezeichnet«, ergänzt Mag. Blasbichler.

THERAPIE – DER RICHTIGE ZEITPUNKT Die eigene Persönlichkeit besteht aus festen und flexiblen Anteilen. An den Schrauben und Schräubchen kann eingestellt, nachgestellt und feinjustiert werden. Gerade fordernde Zeiten, in denen man gewohnte Bahnen verlässt oder gezwungenermaßen verlassen muss, verunsichern die Menschen und knabbern am Selbstwertgefühl. Viele Menschen haben das Gefühl, festzustecken, nicht weiter zu kommen, und der Wunsch nach Veränderung, Verbesserung und Entwicklung tritt verstärkt zutage. Befindet man sich in einer derartigen Situation, wäre das nach Dr. Robertson der richtige Zeitpunkt, sich durch eine Gesprächstherapie unterstützen zu lassen und so wieder Halt und Zuversicht im eigenen Leben zu finden bzw. die notwendige Unterstützung zu erfahren, Veränderungen im

Leben vorzunehmen und auch durchzuhalten.

Mag. Dr. Melanie Robertson

Klinische, Neuro- und Gesundheitspsychologin

Mag. Thomas Blasbichler

Klinischer und Gesundheitspsychologe, Coach

»Wenn Menschen in oder nach einer Lebenskrise im Park Igls in eine Gesprächstherapie kommen, ist es für uns Psychologen in erster Linie wichtig, für die Patienten einen angstfreien, vertrauensvollen Raum zu schaffen, in dem über die spezifischen Belastungen ganz wertfrei gesprochen wird. Allein diese Gespräche wirken häufig schon entlastend. Den Fokus legen wir auf das Hier und Jetzt. Mit gezielten Achtsamkeitsübungen und Tiefenentspannung entdecken die Klientinnen und Klienten zunehmend neue Ressourcen oder erkennen und fördern bereits vorhandene. Nicht selten tun sich unbekannte Perspektiven für sie auf und sie entdecken andere Facetten ihres Selbst. Diese wiederum erweitern den Horizont, machen neugierig und lenken den Blick auf das Positive im Leben.«

Für Mag. Blasbichler ist im Rahmen der Gesprächstherapie besonders wichtig, da zu sein, zuzuhören, mit den Klienten individuelle Möglichkeiten zu erarbeiten. Wirksame Ansätze sind für ihn Coping – also das Finden von Bewältigungsstrategien –, Stressmanagement-Fertigkeiten, Entspannungstrainings, die Förderung der Selbstwirksamkeit und die Förderung sozialer Kontakte.

EINE GANZ NORMALE SACHE Das Aufsuchen einer Psychologin oder eines Psychologen ist nach Einschätzung von Mag. Blasbichler heute gesellschaftlich deutlich besser akzeptiert als noch vor einigen Jahren. »Dennoch wäre mir wichtig, zu erwähnen, dass präventive Unterstützung sehr wertvoll wäre und nicht nur dann psychologische Hilfe aufgesucht werden sollte, wenn der Hut bereits brennt. Das heißt, man sollte auf Warnsymptome des Körpers – oft psychosomatische Reaktionen wie Einschlaf- bzw. Durchschlafstörungen, Migräne, Nackenschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden etc. – sensibler eingehen und rechtzeitig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.«

»Einen Psychologen bzw. eine Psychologin zu haben, den/die man regelmäßig aufsucht, gilt in den USA beispielsweise als Statussymbol, was vermutlich auch etwas übertrieben ist«, so Dr. Robertson. Die gesellschaftliche Akzeptanz von psychologischen Interventionen im beruflichen und privaten Bereich wird aber auch in Österreich größer. Man wird nicht mehr schief angeschaut, wenn man sich – ohne absolute Notlage – an eine Therapeutin oder einen Therapeuten wendet, um hinter die Kulissen seiner Persönlichkeit zu blicken und das Geheimnis seiner Resilienz zu lüften.

Resilient aus der Krise

Das Zurückfinden zur Normalität – insbesondere nach Krisenzeiten und Belastungssituationen wie Lockdown oder Quarantäne – gestaltet sich oft schwierig. Wir sehnen uns nach Austausch, um unser seelisches Gleichgewicht wiederzufinden, gleichzeitig tauchen Rückzugs- und Vereinsamungstendenzen auf.

Mithilfe von psychologischen Gesprächen, Trainingstherapie und entspannenden Zusatzbehandlungen kann es besser gelingen, nicht nur aktuelle Krisen zu meistern, sondern auch zukünftigen Belastungssituationen resilient, also psychisch widerstandsfähiger entgegenzutreten.

Mayr-Basic (Leistungen siehe www.park-igls.at) 3 Gesprächstherapien/Coachings (à 50 Min.) 2 Personal Trainings (à 50 Min.) 2 Cranio-Sacral-Therapien oder ShiatsuBehandlungen (à 50 Min.) 3 Vollmassagen – vor allem Akupunkt- und Bindegewebsmassagen (à 50 Min.) 3 Wärmepackungen Kombi (Moor und Heublume)

€ 2.299 für 1 Woche zuzüglich Kurmedikamente, Preis exklusive Hotelzimmer (Zimmerpreise ab € 158 pro Tag/Person)

This article is from: