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Ehren-Rap für Thomas
1.
Thomas Felder, Liedermacher, / Kämpfer, Warner, Widersacher, Wenn was schiefläuft hier im L a n d ; / Dafür bist du wohlbekannt. Schwäbisch g’songa mit Humor, / Das erfreut doch jedes Ohr. Thomas – 70 wirst du heute, / Daher auch die vielen Leute.
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2.
D u warst’s, der in B u t t e n h a u s e n Auf dem Judenfriedhof draußen Pflöcke eingeschlagen hat; Der Ortschaftsrat hat’s nicht gerafft. Hast ’ne Tafel auch geschrieben Für die, die in den Tod getrieben, Hundertneune an der Zahl auf der Alb im Lautertal.
3. Bundeswehr und Am’rikaner, Diese Waffenlagerplaner Suchten E n g s t i n g e n sich aus. Das fand nicht deinen Applaus. Zufahrtsweg dorthin blockiert Widerstand mobilisiert; „Fernlenkwaffen mit Atom Will doch bloß das Pentagon.”
4.
P o l i z e i ist anmarschiert, Hat so manchen arrestiert Gleichsam als wie Übeltäter Vor Gericht gezerrt euch später. Du, Tom, hast dortselbst gesungen, Dem Richter hat’s im Ohr geklungen. Die Sitzung wurd’ flugs unterbrochen, Der Thomas wird nicht freigesprochen.
5. Ich glaub’, für’n Tag ging er in Haft, Aß trocken Brot zum Apfelsaft. Die Geldstraf’ wollt’ er nicht bezahlen Bei dem Budget, dem ach so schmalen. Der Standort auf der Alb ist heut’ Nimmer vorhanden, liebe Leut’. Kompaniegebäude weg, weg mit dem Raketendreck!
6. Impfzwang und Impfoffensiven; Wisst Ihr noch, wie sie es riefen ? W i e l e r , D r o s t e n , L a u t e r b a c h , Wenn ich’s hör’, da werd’ ich schwach. Thomas Felder sagte „nein!“ Selbstverständlich kann’s nicht sein. Wieder zwang man Polizisten, Uns zu fangen – „Terroristen!“
7.
K e c k und F i e d l e r , nee, nee, nee, hatten eine fies’ Idee: „Kurzerhand verbieten wir Eure Demo jetzt und hier!“
S’ Ordnungsamt von R e u t l i n g e n wollt’ uns Geldstrafen aufzwingen. Die Richterin hat’s aufgehellt, Und das Verfahren eingestellt.
Beim Stichwort S t u t t g a r t einundzwanzig Da fühl’ ich ganz und gar Verdammt mich. Bahn und Regierung täuschten Schwaben, Milliarden liegen dort vergraben. Der Thomas, der war unbestechlich Und unabhängig, ja tatsächlich; Hätt’nwr mal auf ihn gehört, Wär’ die Staatskass’ nicht zerstört.
Zu Weltruhm hast du es gebracht Und viele Menschen froh gemacht. Mancher P r e i s wurd’ dir beschert, Die Fan-Gemeinde dich verehrt. Nun wünsche ich dem Jubilar Gott’s Segen noch, das ist doch klar. Als Bruder hab ich’s dir geschrieben, Ich werd’ dich stets und immer lieben. Matthäus
Andrea Heming
Gut Ding will Weile haben. Das gilt fraglos für die Anfertigung eines stilsicheren Maßanzuges. Doch dazu mehr in einem morgen folgenden Kino-Update. Eine gute Weile benötigte auch die Recherche zur aktuellen Tüte, die mir schon lange aus dem Regal so verheißungsvoll grün leuchtet. Zunächst die Fakten: Breite: 45 cm. Höhe: 40 cm. Die Vorderseite und die Rückseite sind gleich. Die Tüte ist knall-, apfel-, frühlingsfrischgrün mit einem dunkelgrünen, mittig gesetzten Aufdruck in Großbuchstaben: MODEMARKT PFLEIDERER.
Die sehr schlichte Tüte ist insofern besonders, als das Plastikmaterial nicht wie üblich glatt ist, sondern eine fühlbare Prägestruktur besitzt. Das war es schon zu den Äußerlichkeiten. Wie ist diese Tüte in meinen Besitz gekommen? Ich kann mich nicht erinnern, sie selbst beschafft zu haben, aber das will nichts heißen. Ein Geschäft in Gescher und Umgebung kann ich aber ausschließen, der Name scheint mir doch recht süddeutsch.
Der Internet-Suchautomat spuckt einen Rolf Pfleiderer aus, der nicht mehr Geschäftsführer sei, der Liquidator sei Christian Pfleiderer. Da ist was im Busch gewesen in den frühen 2000. Aber was? Weitere Recherchen führen immer wieder zu Josephine-Läden. Josephine gibt es zwar noch als großes Modelabel in den Niederlanden, das dürfte aber mit den Pfleiderers nur wenig zu tun haben. Nein, es ist ein Hermann Pfleiderer, der das eine oder andere Mal auch bei der Konkurrenz angeeckt sein dürfte. Wieder einmal hilft mir die
TextilWirtschaft * aus – diesmal mit einem etwas mokanten Artikel aus den 90ern, den ich käuflich erwarb und hier zum Teil zitiere.
„ Josephine – Ene mene mu, das war’s dann nu ! Nein, lieber Hermann Pfleiderer, mit unserem Latein sind wir noch lange nicht am Ende –im Gegensatz zu Ihren Josephine-Läden, die Ende dieser Woche endgültig ‚ ausgesungen‘ haben. Über vier Monate haben Sie Ihre Kunden mit vielsagenden, blumigen, keinesfalls aber prosaischen Schließungsanzeigen beschäftigt. Wie richtig bemerkte doch schon Ihr Vornamenspatron Hermann Hesse in seinem vielgepriesenen Werk ‚Unterm Rad‘: ‚ Daneben steckt im (Schwaben-)Volke auch noch von Alters her eine Freude an schöner Form und träumerischer Poesie, woraus von Zeit zu Zeit Reimer und Dichter hervorwachsen, die nicht zu den schlechten gehören.‘ Klar – allen Leuten recht machen konnten Sie es mit Ihren Texten freilich nicht. Im Gegenteil: Manchen, wie etwa der Stuttgarter Wettbewerbszentrale, war der Inhalt zumindest einer Zeitungswerbung mehr als ein Dorn(envogel) im Auge. Die Formulierung ‚Wir schließen – aber richtig ‘ bot wettbewerbsrechtliche Angriffsfläche für die Juristen. Nun müssen die Würfel vor Gericht fallen. Was tut man nicht alles für einen ‚ starken Abgang‘ ! “
Oha. Über diesen Hermann wüsste ich ja gern mehr. Wie wurde er zum Modehändler? Warum gibt/gab es Josephine-Läden und einen Modemarkt Pfleiderer?
Das Netz schweigt, statt dessen bekomme ich einen großen Holzbearbeiter, Dachdecker, mehrere Professoren von der Physik bis zur Musik, eine Heilpraktikerin und natürlich * TW : Deutsches Nachrichtenmagazin aus der Mode- und Textilbranche diverse Rechtsanwälte vor die Linse. Ich lasse die Recherche für einige Zeit ruhen, aber die Tüte verursacht einen gewissen inneren Juckreiz (für Eingeweihte: wie bei den Jedi).
Irgendwann fällt mir beim Aufräumen von Altpapier ein Artikel zum Westfälischen Genealogentag in die Hände. Das könnte doch ein Ansatz sein. Ich gehe auf die Stammbaumseiten. Der Name Pfleiderer ist ein Volltreffer. Ungefähr 20 Hermänner tauchen auf, die aber nicht alle in Frage kommen. Ungefähr 10 könnten im passenden Alter sein, die ich alle geduldig der Reihe nach anklicke. Und dann habe ich ihn :)
Na, das ist doch was. Mit Eingabe des vollen
Eine entscheidene Frage entschließt sich
Matthäus Felder daher selbst zu beantworten und schickt gleich ein Foto aus dem Familienblatt mit: Wieso hat Hermann Pfleiderer sich für Mode interessiert?
Das hat Familientradition. Schon sein Großvater Christian war Textiler und gründete 1890 in Stuttgart das sehr bald angesehene und 100 Jahre lang gut etablierte Betten- und Aussteuergeschäft Pfleiderer an der Ecke Torstraße/Hauptstätterstraße und nach dem Bombenkrieg sogar wenige Schritte vom Marktplatz entfernt in der Bärenstraße gelegen.
Namens ist das Internet plötzlich wieder redselig. Ich stoße auf das regelmäig herausgegebene „Familienblatt“ der Pfleiderer, in dem seit vielen Jahrezehnten allerlei Geschichten rund um den Clan veröffentlicht werden. Ich schreibe gleich den Herausgeber an und er meldet sich direkt, ja, der Onkel Hermann sei eine beeindruckende Persönlichkeit mit immensem geschäftlichen Engagement gewesen. Möglicherweise könnten seine Kinder etwas zur Tüte beisteuern. Diese melden sich auf Anfrage allerdings (bisher) nicht.
Wie der Artikel belegt, scheint der originelle Humor wohl in der Familie zu liegen. Da würde ich bei einem Familientreffen gerne mal Mäuschen spielen. ●
Quelle: https://frauhemingistunterwegs.wordpress.com/ 2022/06/08/tuete-der-woche-nr-110/ Andrea Heming
E-Mail: andrea.heming@gmx.de 48341 Altenberge