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MATTHÄUS FELDER
Das Poesiealbum von Margarete Pfleiderer (später Felder) ist ein wunderbares Zeugnis eines Freundschaftsbuches, wie es besonders in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert gepflegt wurde. Die darin festgehaltenen Aphorismen und Kurzgedichte sollten vor allem den Mädchen Orientierung und Inspiration fürs Leben geben. Damit hatte das Poesiealbum auch einen Erziehungsauftrag. Für unsere Margarete, allgemein „Margret“ gerufen, hat ihr persönliches Poesiealbum darüber hinaus noch eine besondere Bedeutung. Ihren
Namen auf dem Titelblatt samt Wohnort Stuttgart und Jahreszahl 1907 hat mit hoher Wahrscheinlichkeit ihr geschätzter Lehrer am Evangelischen Töchter institut mit Wasserfarben gemalt – Gottlob Felder, ein Kalligrafie-Künstler ! Sein Sohn Friedrich, der auch bald Lehrer wird, ist der Mann, für den sie sich schließlich als junge Frau entscheidet.
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Mit dieser Abhandlung über ihr Poesiealbum soll Margret Pfleiderer, einer klugen Frau, die ihrer Liebe folgte, aber auch ihre christliche Frömmigkeit bewahrte, ein kleines Denkmal gesetzt werden.
Die Einträge in das Poesiealbum umfassen zwölfeinhalb Jahre.
Margarete ist fast vierzehn Jahre alt, als ihre Mutter, Marie Pfleiderer, geborene Etzel, in Stuttgart am 1. März 1907 mit dem eindringlichen Appell „Sei treu, mein Kind!“ den Reigen eröffnet. Übrigens sucht man in der Sammlung vergebens nach einem Eintrag des Vaters Christian. Das letzte Blatt, in Holzelfingen künstlerisch ausgeschmückt, stammt vom Ehepaar Hagenmeyer und ist auf Oktober 1919 datiert.
Insgesamt liegen 53 Einträge vor. 18 davon wurden bereits 1907 gemacht. Es sind vor allem Lehrer und Lehrerinnen, die sich zunächst in Margrets Album verewigen dürfen, so auch im Februar 1908 der vielfältig engagierte Rektor des Evangelischen Töchterinstituts * Christian Dietrich mit einem Vers aus dem Buch Nahum und dem Zuruf „In allen Stürmen, in aller Not wird er dich beschirmen, der treue Gott.“
Markant sind die edlen Zeilen der Stuttgarter – zum Teil mit Pfleiderer
* Friedrich Weidle (1808 – 1876) reagierte mit der Gründung des Töchterinstituts in Stuttgart im 19. Jahrhundert auf den starken Wunsch nach einem auf die Bedürfnisse junger Mädchen zugeschnittenen Bildungsprogramm in Religion, naturwissenschaftlichen Fächern, Fremdsprachen und auch Hauswirtschaftsunterricht entsprechend jenem Zeitgeist. Erst im 3. Reich wurde dieses Schulkonzept zu Fall gebracht. Später erwuchs daraus das Evangelische Mörike-Gymnasium.
Liste Aller Eintr Ge
Eng Gewissen, das beflissen, Treu zu wandeln himmelwärts, –Soll dich führen, und dich zieren Ein in Liebe volles Herz.
Stuttgart, März 1907. Zur frdl. Erg., G. Felder
Es sei der Frauen Leben Als wie ein geistlich Lied, Das nicht mit eitlem Brausen Am Ohr vorüber zieht, Das sich in festem Takte Nur langsam fortbewegt Und doch der Herzen viele Mit sich zum Himmel trägt. Mit herzlichen Wünschen St. 1907. Antonie Lotter verwandten – Pfarrer im Album. So vom „Großoheim“ Friedrich Jehle, dessen Töchter Mathilde und Gertrud ebenfalls je eine Seite in schönster Schrift gestalteten. Stadtpfarrer Dr. Walther bestätigt Margarete im April 1908: „Vertrau auf Gott, er hilft in Not!“ Es befinden sich sogar Zeilen von Missionar Johannes Hesse (Korntal) in Margaretes Freundschaftsbuch. Er ist der Vater
Oben: Heinrichsbad, Schweiz
Unten: Margret, sitzend in weiß des Schriftstellers Hermann Hesse. Bald dürfen auch ihre zwei erwachsenen Brüder, Gotthold und Wilhelm, verschiedene Onkel und Tanten, Klassenkameradinnen, Freunde und neue Bekannte in das Buch schreiben. Besonders hervorzuheben ist hier die Einwohnergemeinde Herisau/Schweiz, wo sich seit 1873 eine christliche Kuranstalt – das soge- nannte Heinrichs bad – befindet. Margret und andere junge Damen nehmen dort ein Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs an einem mehrmonatigen Kochkurs teil. In den folgenden Kriegsjahren arbeitet unser Fräulein Pfleiderer dann als Kindergärtnerin (Erzieherin) auf der Schwäbischen Alb, in Holzelfingen, Oberamt Reutlingen. ●