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Die Zukunft auf Asien und Osteuropa ausrichten

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Svenja Schulze

Svenja Schulze

Ulf Schneider, Geschäftsinhaber der Schneider Group und Marktkenner für Osteuropa und Zentralasien, spricht über Neuaufstellung in der Außenwirtschaft und zukünftige Wachstumsmärkte für Mittelständler.

Mittelstand.: Herr Schneider, Sie sind seit genau zwanzig Jahren unternehmerisch in Osteuropa und Asien aktiv. Wie haben sich diese Regionen in der Zeit gewandelt?

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Ulf Schneider: Vor dem 24. Februar 2022 wäre meine Antwort homogener gewesen. In den vergangenen 20 Jahren haben Russland und Belarus wirtschaftlich viel erreicht, Zentralasien ist als Handelspartner bedeutender geworden. In der neuen Realität bleibt es abzuwarten, ob sich Russlands Umorientierung nach China bewährt. Man sieht inzwischen viele chinesische Autos in Moskau. Ob die Unternehmen aus China, wie einst der deutsche Mittelstand, aktiv in Russland produzieren werden, ist noch offen.

In den wirtschaftspolitischen Gesprächen in Zentralasien nehme ich deutliche Bestrebungen nach einer Kooperation mit der EU wahr. Darüber freue ich mich als überzeugter Europäer, der schon vor 35 Jahren für die europäische Integration auf die Straße gegangen ist. Die Region verfügt über Potenzial, um an die Erfolge der New Asian Tigers wie Südkorea oder Taiwan anzuknüpfen. Dafür sind jedoch weitere Reformen der Wirtschafts- und Finanzsysteme sowie eine effiziente Mittelstandsförderung erforderlich. Zusammen mit den Ländern des Südkaukasus, Armenien, Georgien und Aserbaidschan, könnte Zentralasien zu einem attraktiven Cluster zusammenwachsen. Der Ausbau des „Mittleren Korridors“ der Neuen Seidenstraße spielt dabei eine wichtige Rolle.

Unternehmen auf der ganzen Welt sind seit drei Jahren im Dauerkrisenmodus. Was bekommen Sie in Gesprächen mit Geschäftsführern mit, die gerade in diesen Zeiten weiterhin neue Märkte im Osten erschließen wollen?

Während der Corona-Krise ist die Internationalisierung den Herausforderungen in der Produktion und im Lieferkettenmanagement gewichen. Seit Februar 2022 schauen sich deutsche Mittelständler Zentralasien und den Südkaukasus umso intensiver an. Viele von diesen Firmen waren und sind weiterhin in Russland engagiert. Die aktuellen Anfragen für die neue Region erinnern mich an die Zeiten vor 20 Jahren, als Mittelständler ihre Tochtergesellschaften in Russland gründeten und nach einigen Jahren von ihrer frühen Marktpräsenz profitierten. Wer schon jetzt in die kaspische Region kommt, wird in den nächsten Jahren belohnt.

Aufgrund des Ukraine-Krieges und der Neubewertung Chinas müssen viele Unternehmen ihre Kunden- und Lieferantenbeziehungen umgestalten. Welche Strategien sind aus Ihrer Sicht erfolgsversprechend?

Aus unternehmerischer Hinsicht begrüße ich die Diskussion über Klumpenrisiken und Diversifizierung in der Produktionskette. Viele Unternehmen mit Produktion in China schauen sich deshalb

Gut zu wissen

■ Schneider Group ist in 13 Ländern mit über 500 Experten im nahezu ganzen postsowjetischen Raum sowie in Deutschland, Polen und Österreich vertreten. Im vergangenen Jahr wurden die neuen Büros in Aserbaidschan, Georgien, Kirgisistan und Litauen eröffnet. Aktuell unterstützt

SCHNEIDER GROUP mittelständische Unternehmen und Konzerne bei den Transformationsprozessen in Russland und Belarus, dem Geschäftsausbau in Zentralasien und dem Südkaukasus sowie bei den Vorbereitungen zur Teilnahme an der Rebuild Ukraine Initiative

Vietnam und Thailand an. Dieser strategische Betrachtungsradius sollte auch Kasachstan und Usbekistan miteinschließen. Zwei Faktoren sprechen dafür: Beide Länder haben zusammen über 50 Millionen Konsumenten und ermöglichen Warenrouten nach China, in die EU und die Eurasische Wirtschaftsunion, kurz EAWU. An solchen Gesamtkonzepten beginnen wir für europäische Unternehmen zu arbeiten.

Die Kollegen konnten alle Kunden halten, es gibt inzwischen erste Anfragen im Kontext der Rebuild-Ukraine-Initiative.

In der Tat betrachteten Westler den postsowjetischen Raum häufig zu einheitlich. Dabei sind die Mentalitäten selbst bei den Nachbarn unterschiedlich. Deshalb lege ich einen großen Wert auf persönliche Treffen und bin häufig vor Ort. Das sehe ich auch als eine gesellschaftliche Aufgabe.

Sie haben vor Jahren deutsche Unternehmen von der eigens gegründeten Wirtschaftsinitiative Lissabon-Wladiwostok überzeugen können. Welche Themen würden die Unternehmen aus dem Westen und dem Osten heute noch zusammenbringen?

Als überzeugter Europäer ist es für mich, neben all dem schrecklichen Leid in der Ukraine, sehr traurig zu sehen, wie die Idee eines solchen Wirtschaftsraums in die Ferne gerückt ist. Die Vision einer großen Wirtschaftsgemeinschaft habe ich weiterhin vor Augen und glaube, dass wir alles dafür tun sollten, um eine weitere gegenseitige Abschottung aufzuhalten.

Der Ausdruck „Von Hamburg in die Welt“ trifft auf Sie als gebürtigen Hanseaten voll zu. Was bringen Sie aus Hamburg in die Welt mit?

Ich fühle mich weiterhin als ein waschechter Hanseat: weltoffen, anpackend, Menschen verbindend. Die Grundidee der Hanse, die unterschiedliche Länder zu einem gemeinsamen wirtschaftlichen Handeln trotz Kriegen vereint hat, versuche ich weiter in die Welt zu tragen.

Das Interview führte Ali Garaev, BVMW-Referent Internationales –Asien, Kaukasus und Türkei.

Jenseits von Asien sollte man sich Serbien und Nord-Mazedonien als Nearshoring-Standorte vor Augen führen. Auch das Wiederaufbauprogramm für die Ukraine bringt neue Wachstumschancen.

Als Inhaber eines Unternehmens mit 500 Mitarbeitern in 13 Ländern spüren Sie direkt aktuelle geopolitische Herausforderungen. Wie bringen Sie unterschiedliche Interessen in ein geschäftliches Gleichgewicht?

Zunächst bin ich sehr erleichtert, dass alle Mitarbeiter in unserem Kiewer Büro wohlauf sind. Um sie durch den Winter zu bringen, haben wir jeden einzelnen mit einem Power-Generator ausgestattet.

Ulf Schneider, Jahrgang 1967, ist Gründer und Präsident der internationalen Beratungsgesellschaft Schneider Group. Seinen Abschluss als Diplom-Volkswirt absolvierte er an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel sowie an der University of Illinois (USA). Im Jahr 2003 gründete er seine eigene Firma und 2015 die Business-Initiative für die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes von Lissabon bis Wladiwostok. Schneider berät internationale Unternehmen in den Bereichen Recht, Steuer, Buchhaltung, IT&ERP, HR und tritt als Sprecher zu den Themen Geschäftsaufbau- und Entwicklung in Osteuropa, Zentralasien und Südkaukasus sowie globale Trends in der Außenwirtschaft auf.

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