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Wie sicher ist die Stromversorgung?
Die Bundesnetzagentur geht trotz Kohleausstieg und Abschied von der Kernkraft von einer gesicherten Versorgung mit Elektrizität aus. Der aktuelle Energiewende-Index von McKinsey kommt zu einem verstörend anderen Ergebnis.
Prozent der deutschen Unternehmen nehmen Einsparungen beim Energieverbrauch vor, um ihre Ressourceneffizienz zu verbessern.
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Quelle: Europäische Kommission (Statista)
Deutschland geht unbeirrt seinen Sonderweg der Energiepolitik. Gleichwohl ist die Bundesnetzagentur unverdrossen optimistisch: Die Behörde sieht die Stromversorgung im „Zeitraum 2025 bis 2031 gewährleistet“, wie sie in ihrem Bericht vom Februar dieses Jahres verkündet. Der vorhersagbar steigende Stromverbrauch durch E-Mobilität, Wärmepumpen oder Elektrolyseure soll die Bilanz nicht trüben.
Alles sicher bis 2031
Wirtschaftsminister Habeck verlässt sich dabei auf die geplante Transformation der Energieversorgung: „Das gilt für den Ausbau der erneuerbare Energien für den Netzausbau ebenso wie die Modernisierung des Kraftwerksparks. Neue Kraftwerke müssen wasserstoff-ready sein.“ Hauptsächlich sollen die Erzeugungskapazitäten durch erneuerbare Energien garantiert werden: „Bis 2030 werden die Erzeugungskapazitäten von Wind an Land, Wind auf See und Photovoltaik auf 360 Gigawatt Kapazität gesteigert.“ Zusätzlich sollen „steuerbare Kraftwerke gebaut werden, die wasserstoff-ready sind“ und einspringen, wenn bei Dunkelheit kein Wind weht. Batteriespeicher können bei der Überbrückung von Engpässen hel- fen, der Bericht prognostiziert eine kumulierte Leistung von 10 GW bis 2030. Auch die Verbrauchsseite ist in die Bilanz aufgenommen: E-Autos oder Wärmepumpen bezeichnet der Bericht als „flexible Lasten“, sie sollen "bei hoher Nachfrage den Bezug reduzieren".
Ein anderer Blick
Also alles im grünen Bereich durch grüne Transformation hin zu Wind, Sonne und Wasserstoff? Die Unternehmensberatung McKinsey erstellt seit nunmehr elf Jahren halbjährlich einen Energiewende-Index, in dem die Fortschritte der Bundesregierung in der Energiewende anhand von 15 Kriterien gemessen werden. Die aktuellste dieser Analysen hat das Unternehmen im März veröffentlicht. Ein Blick auf die Zahlen lohnt: Anders als die Bundesnetzagentur befürchtet McKinsey eine Versorgungslücke von 30 GW in 2030. Denn die geplante Elektrifizierung von Wärmeversorgung und Verkehr dürfte den Strombedarf um 52 Prozent auf 120 GW ansteigen lassen. Demgegenüber steht eine prognostizierte gesicherte Leistung von 90 GW – und nur dann, wenn die ehrgeizigen Ziele des EE-Ausbaus erreicht werden.
Eine Versorgungslücke mit Folgen
Auch bei erfolgreichem Ausbau erneuerbarer Energien mit einer Kapazität von knapp 360 GW durch Wind und Solar-PV kommt McKinsey zum realistischen Schluss, dass unter Einbeziehung der Wetterdaten die EE zu Spitzenlastzeiten faktisch nur 20 GW beitragen können. Gaskraftwerke, die „wasserstoff-ready“ sind, sind zwar mit einer Kapazität von 21 GW bis 2030 geplant, doch ihren Bau hält der Index für schlicht unrealistisch – diese Papierleistung fällt also aus der Bilanz. Die unlängst reaktivierten Kohlekraftwerke tragen zwar aktuell 14 GW zur Stromerzeugung bei, sollen aber bis 2030 beziehungsweise 2038 ohnehin wegfallen. McKinsey beschreibt mehrere Strategien, wie einer drohenden Unterversorgung vorgebeugt werden kann. 10 GW könnte durch erhöhte Stromimporte aufgefangen werden. Laut Regierungsplan sollen bis 2030 weitere 10 GW in Batteriespeichern abrufbar sein. Doch Strom aus Batteriespeichern kann in nur 20 Prozent der Fälle die Lücke schließen, da die meisten Stromausfälle länger dauern, als Strom aus diesen Speichern ausgleichen kann. Der geplante Zubau von Gaskraftwerken hängt von der Beschaffung großer Mengen günstigen Wasserstoffs ab und ist keine verlässliche Größe; der Weiterbetrieb aller Kohlekraftwerke über 2030 hinaus ist politisch höchst unwahrscheinlich. Die Lücke bleibt also.
Die Kunden müssen sparen
Die Angebotsseite kann in diesem Szenario nur wenig beitragen, es bleibt die Nachfrageseite: sparen, Zeiten geringer Nachfrage oder günstige Preise nutzen, „smart“ umverteilen. Stromintensive Industriebetriebe können gemäß der Verordnung über abschaltbare Lasten (AbLaV) ihrem Netzbetreiber Zeiten geringen Strombedarfs anzeigen; bei hoher Stromlast, kann das Unternehmen vom Netz genommen werden. Ein größeres Einsparpotenzial wird den Privathaushalten eingeräumt. „Smart Meter“ ermöglichen eine intelligente Steuerung von Elektrogeräten in Zeiten geringen Strombedarfs. Dies müsste allerdings breitflächig geschehen. „Smart charging" für E-Autofahrer heißt: Laden, wenn mehr Strom zur Verfügung steht, also nachts. Bidirektionales Laden, also Energie aus dem Auto wieder ins Netz zu speisen, könnte satte 11 GW Leistung bringen. Doch McKinsey geht nur von 25 Prozent aller E-Autos aus, die 2030 über diese Technik verfügen werden, und prognostiziert lediglich 3 GW. Wärmepumpen können zu Spitzenlastzeiten für zwei Stunden abgeschaltet werden, 20 GW könnten dann dem Netz zur Ver- fügung stehen – dafür müssten aber alle Pumpen stillstehen. Wahrscheinlicher ist ein Rotationsprinzip, das immerhin bringt 5 GW. Alles in allem errechnet McKinsey so 26 MW, um in sieben Jahren die 30-MG-Lücke zu füllen. Und das mit vielen Fragezeichen.
Im Gegensatz zur Euphorie der Bundesnetzagentur fällt das Fazit von McKinsey-Energie-Experte und Chefautor Thomas Valenkamp skeptisch aus: „Die deutsche Stromversorgung steht unter Spannung. Höchste Zeit, das Thema in seiner Bedeutung in den Vordergrund zu rücken.“
Gut zu wissen
■ Hauptsächlich sollen die Erzeugungskapazitäten durch erneuerbare Energien garantiert werden
■ Bis 2030 werden die Erzeugungskapazitäten von Wind an Land, Wind auf See und Photovoltaik auf 360 Gigawatt Kapazität gesteigert
■ Laut Regierungsplan sollen bis 2030 weitere 10 GW in Batteriespeichern abrufbar sein, doch Strom aus Batteriespeichern kann in nur 20 Prozent der Fälle die Lücke schließen
Bernd Ratmeyer Journalist mittelstand@bvmw.de