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INSPIRÉ PAR LA TRADITION
from Gstaad my Love 2013
HAUSWIRTH ARCHITEKTEN AG
ARCHITEKT HTL STV
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CHALET LES ARCADES
LAUENENSTRASSE 18
CH-3780 GSTAAD
T +41 33 748 80 50
F +41 33 748 80 60 info@hauswirth-architektur.ch kommt schon gut. Und wirklich, sagt er: Man spürt nur leichte Umsatzeinbussen – auch jetzt während der Bauphase. Und er kann sich das eigentlich gar nicht recht erklären. Sein Kundenstamm ist ihm nämlich bisher treu geblieben. Es war eine gute Sommersaison. Man kann gar nicht «furchtbar» klagen. Und was die Zukunft angeht, sowieso nicht. Geschichten aus «Gstaad mit seiner Umfahrungsstrasse» werden jetzt herumgeboten. Von dortigen Skeptikern, welche heute «die Bude voll haben» und eines Besseren belehrt wurden. Ob sie es zugeben oder nicht.
Zurück zu Saanen. Am 10. August 2010 ist der «Poller» gestiegen, sagt der Dorfvereins-Präsident. Das Dorf sieht aber immer noch aus wie am 10. August. Die Strasse wird noch immer zu hundert Prozent den Autos überlassen.
Der Dorf-Coiffeur: Ich sage immer, ich gebe mehr Auskunft als das Tourismusbüro, werde von Chaletbesitzern angesprochen, denn ich bin ja seit 20 Jahren in der DorfKommission. Ich habe immer probiert, diesen Joker einzusetzen, um den Menschen beim Frisieren die Meinung der Kommission zu übermitteln. Im Grossen und Ganzen ist die Stimmung gut. Saanen wird sehr schön. Aber die Durststrecke, in der wir stecken, wird Einbussen bringen. Wir selber haben das auch gemerkt. Ein anderes Problem: Viele der Geschäfte werden heute von Leuten geführt, welche am Ende ihrer Tätigkeiten stehen. Matchentscheidend wird sein, ob es uns gelingt, neue anzusiedeln. Mit neuen, bezahlbaren Wohnungen müssen wir Bedürfnisse schaffen für neue Läden. Das bringt neue Geschäftsideen und Nachfrage. Natürlich braucht es Courage! Leute, der Zug ist nicht abgefahren.
November 2012: Der Gemeinderat hat die Baueingabe für die Neugestaltung des Dorfes Saanen erhalten. Man will diese im Dezember der Gemeindeversammlung vorlegen und hofft, dass dann der notwendige Kredit gesprochen wird. Das Ganze kostet gut 10 Mio. Franken; private Investitionen, die Sanierung von Häusern und die Erschliessung von Wasser und Abwasser inklusive. Im Moment ist das Parkhaus im Bau mit dem Ziel, dieses im Herbst 2013 zu eröffnen. Unmittelbar nachher will man mit der Realisierung der Dorfgestaltung – «Sanona» – anfangen. Das gesamte Bauvorhaben wird in verschiedenen Etappen vor sich gehen und zwar immer während der Zwischensaison: erste Etappe Oberdorf (Einfahrt Parkhaus) bis zum Landhaus noch im Herbst 2013. Die zweite Etappe auf der Westseite des Dorfes vom Bahnhof bis zu den Parkplätzen unterhalb der Kirche gleich anschliessend. Saanen leidet im Moment unglaublich. Alle zusammen. Überall Baustellen. Es handelt sich um ein sehr komplexes Bauwerk. Mit Eigentümern wurde viele Stunden diskutiert und man ist sich in den wichtigsten Punkten einig geworden. Auch im Gemeinderat will man das Projekt entschieden vorantreiben. Man zeigt sich in den Startlöchern. Überzeugt, dass es ein gu- tes Projekt ist. Nicht ganz autofrei allerdings. Aber die Autos sollen dann nicht mehr ins Dorf hineinfahren, sondern das Parkhaus benützen. Es gibt ein schönes Parkhaus. Hell und freundlich. Die Tarife bewusst so gehalten wie in Gstaad. Der Dorfplatz muss ins Zentrum kommen. Die spätere Flanierzone ist im Mittelstreifen geteert, um so eine bessere Begehbarkeit zu schaffen. Einige Häuser sind bereits saniert worden. Man hofft, dass es nicht allzu viele Einsprachen gibt. Schliesslich hat man alle Betroffenen «begrüsst». Und was weiter wichtig ist: Bei der letzten Ortsplanrevision hat man eine Kiesaufbereitung in der Dorfrüti bewilligt und die entsprechende Überbauungsordnung genehmigt. Der Eigentümer darf dort Kiesaufbereitung betreiben. Das hat im Dorf zu Diskussionen geführt, denn das gibt zusätzlichen Verkehr: 20 Camions pro Tag. Der Gemeinderat will dem Rechnung tragen und den Verkehr kanalisieren. Die schweren Fahrzeuge sollen immer über die Flugplatzstrasse rausfahren. Später ist dann auch der Zubringer ohne Dorf-Durchfahrt vorgesehen. Das dauert jedoch noch eine ganze Weile. Man rechnet mit 3 bis 5 Jahren. Das setzt Verhandlungen mit Landeigentümern voraus. Was keineswegs einfach werden wird.
Le village de Saanen s’est réveillé!
F The village of Saanen has woken up!
Une discussion au «Stamm»
Saanen a dormi pendant 50 ans et le voici réveillé ! Au «Stamm» de l‘hôtel Saanerhof, nous invitons environ 50 personnes. Des femmes/hommes politiques, des fonctionnaires, des entrepreneurs, des présidents d’associations, des retraités, des planificateurs et des hôtes. Tous engagés dans la vie de Saanen. Tout le monde est toujours d’accord sur un point: il faut que quelque chose se passe maintenant. L’avenir est au cœur du village de Saanen! Mais comment retrouver de la fréquentation au village? Comment se définit l’attractivité de Saanen dans le futur? Que doit-il se passer pour que les autochtones et les hôtes reviennent faire leurs achats au village?
Pour que Saanen ne devienne pas une copie de Gstaad, où, sur la Promenade, les boutiques vendent principalement des articles «high-end»? Quel est le danger que des propriétaires du pays vendent leurs maisons pour de grosses sommes d’argent et qu’il en résulte des magasins où les citoyens normaux ne peuvent pas se permettre d’aller? Que va-t-il se passer avec le bâtiment abandonné de «La Gare»? Comment peut-on mieux intégrer dans le village les élèves, parents et enseignants de la John F. Kennedy School? Est-ce finalement une question d’infrastructure si l’on va, à l’avenir, se rencontrer à Saanen, ou est-ce purement une question de l’âme du village? Comment allons-nous venir à bout du scepticisme encore partiellement présent face à la transformation du village? Les réponses arrivent rapides et précises: Saanen a besoin d’une offre de magasins équilibrée et complète. Il nous faut tout de suite une nouvelle boucherie. Les propriétaires de commerces doivent se réunir, aller les uns au-devant des autres. Examiner des modèles de «shop-in-shop» et se convertir. Croire en l’avenir du village. Ne pas vendre les immeubles au premier venu. Être ouvert face aux hôtes bienvenus de la JFK-School. Créer de petits événements culturels de qualité. Pour les restaurants, prendre le «16» comme exemple. Tables et chaises dans la rue. Marchés. Une diversité de magasins qui fasse de Saanen le lieu de rencontre et le centre d’achats du Saanenland. Au village règne une ambiance de redémarrage des affaires. On souhaite maintenant parcourir ce chemin ensemble. Pour le village et pour les générations futures!
A conversation at the “Stammtisch”
Saanen has been sleeping for 50 years. Now it has woken up. Around 50 guests were invited to a “Stammtisch” at the Hotel Saanerhof – politicians, officials, entrepreneurs, club presidents, pensioners, planners and guests. Everybody dedicated to Saanen. There is always agreement on one point: something has to be done now. The future lays in the village of Saanen! But how do we get people coming back to the village? How can the attractiveness of Saanen be defined for the future? What needs to happen in order for locals and visitors to shop again in Saanen? Saanen is not to become a copy of Gstaad, where mainly high-end products are sold in boutiques on the Promenade. How big is the risk that Saanen property owners sell their houses for a lot of money and then shops emerge where normal citizens cannot afford to buy anything? What is going to happen with the unfinished La Gare building site? How can we further improve the integration of students, parents and teachers of the John F. Kennedy School into the village? Is it ultimately a question of infrastructure, whether people are going to meet in Saanen in the future, or is it simply a matter of the village soul? How do we overcome the lingering scepticism for change in the village? The answers come promptly and precisely: Saanen needs a balanced and complete shopping experience. A butcher is urgently needed again. Business owners need to get together, to approach each other. Shop-in-shop models need to be considered and implemented. Believe in the village. Do not sell the properties to the highest bidder. Be open to the well-liked guests from the JFK School. Create small, fine cultural events, and more restaurants along the lines of the “16”. Tables and chairs on the street. Markets. A variety of stores to make Saanen the shopping center and meeting point of Saanenland. In the village of Saanen the time feels right for a new beginning, and we must seize this chance now, for our village and for the generations to come!
Aber Geschäfte, wo es sich auch die Jungen leisten können einzukaufen, ereifert sich der Dorf-Pfarrer und spricht von seinen Konfirmanden. Eine Alternative zu Gstaad! Vielleicht sollten wir ein «H&M»-Modegeschäft in Saanen haben. Ja sorry! Ich bin gekommen, weil man hier sagen darf, was man denkt. (Höfliches Nicken am Stammtisch.)
Genau diese und andere sozialen Fragen sind zu erörtern. Die erfolgreichen Beispiele zeigen, dass wenn man die Dörfer erneuert, nicht nur infrastrukturelle Fragen wichtig sind. Die Frage ist: Was haben die Menschen davon? Was führt dazu, dass Begegnungen entstehen?
Dass man die Projekte vorwärtsbringen kann? Immer wenn wir Leute emotional berühren, beginnt es zu funktionieren. Bei vielen schönen Dörfern, wo es funktioniert, ist relativ wenig zufällig. Als Beispiel: ein Ausgang aus einem Parkhaus aus lauter Beton. Man kann so etwas so gestalten, dass plötzlich, wenn man ans Tageslicht kommt, eine Geiss meckert oder es rauscht ein Bach. Und schon hat man die Menschen emotional berührt…
Nun meldet sich der Direktor der Lokalbank: Die Leute glauben daran, dass Saanen einmal ein sehr schönes Dorf werden wird. Es wird letztlich eine Frage von Frequenzen sein. Wir brauchen Leute im Dorf! Ein schönes Dorf muss kein totes Dorf sein. Aber was braucht es, um die Frequenzen ins Dorf zu bringen? Wie bringen wir die Einheimischen ins Dorf? Mit Angebotsmix, ruft einer dazwischen. Es braucht den Angebots-Mix! Subito wieder eine Metzgerei. Visionen? Einer hat eine: Saanen wird das Einkaufszentrum im Saanenland. Man kann parkieren. Erlebnisse tanken. Sich in unmittelbarer Nähe mit Nötigem und Unnötigem eindecken (Zwischenruf: auch in einem Shoppyland muss man Strecken gehen!). Doch es braucht nur etwas, was im Angebot fehlt. Dann ist der gewünschte Mix schon futsch.
Die Diskussion ist lanciert. Es braucht also wieder eine Metzgerei mit offenem Fleisch. Läden und Lädeli. Auch das Handwerk von früher soll wieder aufleben. Schuhmacher, Sattler. Pferde sollen wieder beschlagen werden, denn in Gstaad hat es reiche Damen mit Pferden. Aber halt: Saanen bitte schön nicht als «Museum»! Sondern das Historische mit dem Modernen verbinden. Kunstausstellungen. Skulpturen. Kinderspielplätze mit einem Kaffee für die Mütter. Mehr Restaurants, die sich getrauen, ihre Tische auf die Strasse zu stellen. (Zwischenruf: Geh sag das den Polizisten…!), Musikpavillons und Plätze, wo sich die Leute treffen. (Einspruch: Nicht immer nur an die Kultur denken bitte…!) Auf keinen Fall aber Boutiquen wie in Gstaad. Keine High-End-Läden, die nur teuer sind. Vielleicht eine Markthalle. Wie im Loeb Bern, wo man alles findet. Oder ein shop-in-shopModell. In der Molkerei oder im Bircher Haus.
Es entsteht eine kurze Diskussion über Sinn und Unsinn der Milchannahme im Zentrum von Saanen. Würde man nicht lieber die Molkerei für einheimische Produkte ausbauen und so Platz und Raum für ein besonderes Einkaufserlebnis schaffen? War nur eine Frage. Dort den ersehnten Angebotsmix herstellen. Dafür und dagegen wechseln sich ab. (Zwischenruf: Es liegt an den «Grinden»!) Die Bauern, die sich dort täglich treffen, gehen anschliessend zu Coop oder Migros, sich das Auto füllen, meint einer und erntet gerade keinen Applaus.
Aber was ist, wenn sich ein Ladenlokal keiner mehr leisten kann, mit diesen Mietpreisen? Stille. Dann halt vielleicht ein Modell, wo sich verschiedene Anbieter zusammentun. Oder wenn das nicht geht, dann halt mit Subventionen der Gemeinde als Anschubhilfe.
Halt! Interessant. Wie wäre das? Das würde den Vertreter aus dem Gemeinderat nun schon interessieren. Subventionen in Form von tieferen Mitpreisen als An- schubhilfe? Ist doch Eingriff in den freien Wettbewerb, oder etwa nicht? Die Meinungen gehen auseinander. Bis es dann doch einer auf den Punkt bringt: Es kann nicht Aufgabe der Gemeinde sein, in den freien Wettbewerb einzugreifen. Und ein anderer, eher ein Skeptiker: Ich glaube nicht, dass sich da einer darauf einlässt.
Die John F. Kennedy Schule sollte noch besser ins Dorf integriert werden können. Dort arbeitet man daran. Vielleicht ist es letztlich ein Sprachenproblem. Mehr aufeinander zugehen, wäre die Lösung. Hier liegt ein grosses Potential. Eltern und Kinder dieser Schule lieben Saanen. Die Geborgenheit und Einfachheit des Dorfes. Die John F. Kennedy School ist stark gewachsen. Viele Eltern sind täglich im Dorf und konsumieren auch im Dorf. Wie können wir diese gern gesehenen Leute noch besser ins Dorf integrieren, dass diese vermehrt in den Dorfläden einkaufen? Das braucht Zeit, sagt einer. Es braucht auch Zeit bei den Lehrern, sagt ein anderer. Es ist halt eine internationale Schule.
Ein Ladenbesitzer orientiert den «Stammtisch», dass sein Vermieter nur noch bereit ist, den Vertrag für ein Jahr Laufzeit zu verlängern. Was automatisch dazu führt, dass er nicht mehr langfristig in seinen Laden investieren will. Ein Problem.
Wenn Auswärtige mehr an das Dorf glauben als Einheimische, dann haben wir ein Problem.
Die Frage ist, wie viele von denen es erträgt.
Das Problem ist, meint einer, der es wissen muss: Wir sind nur noch Konsumenten. Unsere Hirne können nicht mehr normal funktionieren. Wir sehen nur noch Dollarnoten herumfliegen. Alle wollen im Schlaf möglichst viel Geld verdienen. Prost!
Das Umgekehrte ist richtig: Nur wer sich ins Zeug legt, schafft es.
Also noch einmal zu der Frage, wie man in der Zukunft mehr Frequenzen für das Dorf Saanen generieren kann. Man sollte mit Liegenschaftsbesitzern reden und versuchen, Lokalitäten zu schaffen. Man muss die Leute, die verloren gegangen sind über die Jahre durch den schrecklichen Durchgangs-Verkehr und die jetzigen Bauarbeiten, später wieder generieren können. Mehr Hotelzimmer. Das Spitzhorn. Die Jugendherberge. Wohnungen für Einheimische (vergesst nicht, es gibt 100 neue Wohnungen in Saanen – die wollen alle Brot und Milch). Mehr Beizen wie das «Art 16». Das «La Gare» früher…!
Wie steht es mit der Gefahr, dass Einheimische in Saanen plötzlich beginnen, ihre Häuser zu verkaufen? An Reiche. Und es entstehen Boutiquen, wie auf der Promenade von Gstaad. Insider, die es wissen müssen, beruhigen: Keine Anzeichen bisher. Oder nur in Ausnahmefällen, wo es meistens gut herausgekommen ist. Aber immerhin: Man kann es keinem verbieten. Und wo ein attraktives Zentrum entsteht, steigen auch die Preise. Dürrenmatts «Besuch der alten Dame» wird erwähnt. Und wer schlussendlich sein Heim verkauft, glaubt nicht mehr an sein Dorf.
Stimmt eigentlich. Das «La Gare». Wer kann da etwas sagen? Einer kann: Seit 15 Jahren wurde mit weiss nicht wie vielen Architekten geplant. Am Anfang hoch spekulativ. Man wollte die Gemeinde in die Knie zwingen. Dann kam plötzlich Druck aus der Bevölkerung. Schandfleck! Plötzlich hatte man eine Lösung. Der Bauherr konnte damit leben. Ein Kompromiss war gefunden. Jetzt ist es publiziert und prompt hat es Einsprachen gehagelt. Erneut musste man sich mit dem Bauherrn finden. Er gibt die Einwilligung, dass man neu zeichnen kann. Nun muss eine Baubewilligung her bis Ende Jahr, sonst ist der
Zug abgefahren. Jetzt, wo der Bauherr hilft, soll auch die Bevölkerung helfen. Dann sind auch wir Saaner glücklich. Plötzlich werden Pläne und Zeichnungen herumgereicht. Wie es fürs Hotel Landhaus kurzfristig und langfristig ausschauen könnte. Ursprünglich war eine Hotelerweiterung geplant. Das wäre langfristig. Kurzfristig will man die Terrasse erweitern, bis vorne auf die Strasse und auf der Ost-Seite, weil ja der Parkplatz wegfällt. Jetzt zum Mittelfristigen: Ursprünglich war auf dem Molkerei-Platz ein Musikplatz geplant. Daraus wird voraussichtlich nichts. Die Initianten vom Landhaus reagierten und sagten sich: Gstaad hat bald «Les Arts Gstaad» und wir hätten dann «Les Artli»… Eine offene und geschlossene Version eines Treffpunkts für Musik und Kunst. Schon fast realisiert.
Apropos Beizen. Einer erzählt: Unsere Grossväter und Väter gingen früher immer ins Landhaus, um dort Politik zu machen. Das ist ein bisschen vorbei. Leider. Ich war kürzlich längere Zeit in England und ab 17 Uhr sind von Bankdirektor bis Arbeiter alle im Pub. Sei es in der Stadt oder auf dem Land, wo es vielleicht nur ein oder zwei Pubs hat. Die sind immer voll. Es gibt dort bei den Menus ständig Abwechslung. Aber hier! Im Simmental zum Beispiel, da gibt es eine Beiz, dort steht seit 40 Jahren «Buurehamme mit Rösti»…
Einer entschuldigt sich und verlässt den Stammtisch: Bei mir ist um halb fünf eine Dame angemeldet, die nichts zu tun hat. Und die kann nur jetzt…
Am Stammtisch will sich einer partout nicht fotografieren lassen. Es entsteht ein kurzer «Tumult». Tausendmal abdrücken genügt! ruft er dem irritierten Fotografen zu. Der Kellner kommt rein. Für wen ist der Espresso?
Ein regelmässiger Saaner Gast aus Bern meldet sich zu Wort. Wenn ich komme, dann suche ich ein gemütliches Dorf. Was verstehe ich darunter? Ein Dorf, wo ich noch einkaufen kann. Das liegt nun an den Saanern. Dass Bern noch so schön ist, haben wir der Burgergemeinde zu verdanken. Die haben dazu geschaut. Und letztlich liegt es daran, dass ich mein bisschen Land nicht gleich dem Meistbietenden gebe. Im Übrigen sei für ihn das Schönste an Saanen nicht etwa die Einstellhalle (Gelächter am Stammtisch), dies auf die Bemerkung eines Saaners, dass die Einstellhalle so gut herauskomme, dass man fast darin wohnen könne…
Eine Weile lang hört der «Stammtisch» einem pensionierten Saaner zu. Es ist mucksmäuschenstill. Er erzählt: Die älteren Leute sehen, dass man das Dorf mit sehr vielen Millionen verändern will. Dies kommt vor allem den Gebäuden zugute. Die Leute wie ich, die Zeit haben, unterwegs zu sein, die sind in ein paar Jahren nicht mehr da. Ich gebe dem Dorf grosse Chancen. Aber es wird dann nicht mehr von den gleichen Leuten bewohnt. Die neuen Wohnungen, die kommen, sind nicht mehr so für jedermann. Zuletzt haben noch die Fremdarbeiter im Dorf gewohnt. Die neuen Wohnungen werden für uns zu teuer sein. Geschäftsleute leben nicht mehr in den Geschäften. Früher hat der Beck oben gewohnt und unten war die Bäckerei. Ich gehe alle Tage auf jede Baustelle. Sie kennen mich dort schon. Eine Hemmung im Dorf ist der «Poller». «Exgüse», ich fahre durch. Ich komme mit meiner Vespa. Wenn ich ausnahmsweise das Auto nehme, gehe ich ins Dorf, kaufe in der Molkerei, und für «Schneiders» mache ich dann einen Höllenumweg. Im gleichen Dorf. Klar könnte man ein bisschen gehen (Zwischenruf: jetzt hast du gut geredet..!) Aber irgendetwas mit dem «Poller» sollte man freundlicher machen. «Wo ni no bi ä Bueb gsi, hei d’Underdorf-Buebe mit dä Oberdorf-Buebe Krach gha, Chrieg gfüert. Brutal.» Das Oberdorf ging bis Eschlers und vor dem Alpenrösli war die Kampfzone. Jetzt ist das Dorf wieder getrennt. Einst beobachtete ich ein Auto mit Berliner Nummernschildern. Sie mussten auf die Saanen Bank und vor dem Poller kehrtmachen. Dann musste ich es los werden: Wir haben jetzt eine Mauer gemacht, und Berlin hat sie niedergerissen. Aber es chunt guet.
Am «Stammtisch» herrscht für einen Sekunden-Sprung Stille. Fast Andacht. Dann lautes Gelächter. Jetzt ist es Zeit für ein Glas Wein. Der Kellner bringt Féchy.
Plötzlich ist es 19 Uhr. Der Stammtisch löst sich langsam auf. Lautes Verabschieden. Man will sich bald wieder sehen. Es herrscht eine aufgeräumte Stimmung, denn man hat sich eben gerade auf einen gemeinsamen Weg gemacht. Dem Saanen-Dorf und den kommenden Generationen zuliebe!