8 minute read

«Warenhäuser wurden bereits viele Male totgesagt»

Die 53-jährige Nicole Loeb ist Delegierte des Verwaltungsrates der Loeb Holding AG sowie Verwaltungsratspräsidentin der Loeb AG. Nach beruflich bedingten Auslandaufenthalten in Deutschland und den USA stieg Nicole Loeb 1999 ins Familienunternehmen ein. In den Jahren 2002 bis 2005 war sie Mitglied des Verwaltungsrates, bevor sie zur Delegierten des Verwaltungsrates gewählt wurde. Nicole Loeb ist ausserdem Vorstandsmitglied bei der Vereinigung der Swiss Retail Federation. Sie engagiert sich im Stiftungsrat der Stiftung Corelina für das Kinderherz und bei der Stiftung Sunnesyte. Ausserdem ist sie im Vorstand der Interessensvereinigung PatronFonds. Wir treffen Nicole Loeb mit ihrem Mann in ihrem schmucken Chalet im Saanenland und begegnen den beiden auf dem Bike. Im Interview beantwortet sie die Frage, ob es überhaupt noch Warenhäuser braucht, wie sie den Trend hin zum Onlineshopping beurteilt und wie stark und nachhaltig die Pandemie und der Lockdown einem traditionellen Warenhaus wie Loeb geschadet hat. Auf die Frage, ob sie sich als Feministin bezeichnen würde, antwortet sie: «Nein, aber als Frauenförderin.» Gstaad bewundert sie, weil hier Entwicklungen ohne grosses Tamtam passieren und dafür umso nachhaltiger wirken.

Nicole Loeb, Sie führen das Traditionswarenhaus Loeb bereits in fünfter Generation. 2005 übernahmen Sie die Leitung von ihrem Vater François Loeb, welcher zehn Jahre im Nationalrat politisiert hat. Was hat sich seit der Übernahme geändert?

Advertisement

Die Veränderungen im Detailhandel in den letzten 15 Jahren sind enorm. Die anfängliche Expansion der direkt produzierenden Modefirmen (Zara, H&M etc.), der Einkaufstourismus sowie das Internet haben vieles verändert. Bei Loeb haben wir daher viel in neue Konzepte investiert und uns teilweise auch gesundgeschrumpft. Als Antwort auf das Onlineshopping will Loeb heute für seine Kunden das persönlichste Warenhaus der Schweiz sein.

Erstmals in der bald 140-jährigen Geschichte Ihres Unternehmens mussten Ihre Warenhäuser im Frühjahr 2020 aufgrund der Corona-Krise für längere Zeit geschlossen bleiben. Wie haben Sie und Ihre Familie diese rund zwei Monate der Schliessung erlebt? Es war eine sehr besondere Zeit. Es ging alles sehr schnell. Eine Woche vor dem Lockdown habe ich meinem Team gesagt, dass wir uns auf eine totale Schliessung vorbereiten müssen. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Wir mussten unsere Läden herunterfahren und hatten zeitweise über 300 Personen in Kurzarbeit. Unser Lebensmittelladen war geöffnet und auch der telefonische Bestelldienst war erfolgreich in Betrieb. Das Wichtigste war uns, mit unseren Kunden in Kontakt zu bleiben. Wir taten dies über Social Media, E-Mail und Facetime.

WE TAKE CARE OF YOUR PLANE LIKE ONE OF OUR OWN.

In der Familie haben wir sehr schöne Momente verbracht. Da unsere beiden Töchter bereits erwachsen und viel unterwegs sind, hat uns der Lockdown für acht Wochen wieder intensiv zusammengebracht.

Was war rückwirkend diesbezüglich Ihr schwierigster Entscheid?

Es gab nicht «den schwierigsten Entscheid». Die Tatsache, die Läden schliessen zu müssen und das auch umzusetzen, quasi unsere Lebensader zu unterbinden, das war hart. Von einem Tag auf den anderen blieben die Einnahmen fast total aus und die Kosten liefen teilweise weiter: Das hat mir schlaflose Nächte beschert.

Welche kurz- und langfristigen Folgen werden das Krisenjahr 2020 für Loeb haben?

Das Jahr 2020 wird definitiv ein schwieriges Jahr werden, obwohl die Umsätze sich nach der Wiedereröffnung vom 11. Mai positiv entwickeln. Langfristig sehe ich es eher positiv. Wir haben in den letzten Jahren sehr viel in die Logistik, die Warenwirtschaft und in unsere Geschäfte investiert. Das wird sich zukünftig sicher auszahlen. Die Krise hat uns auch digitaler gemacht.

Wie kommen Sie als Unternehmerin mit den Abstandsregeln im Alltag klar?

Wir Menschen gewöhnen uns sehr rasch an Dinge. Solange das Virus noch wütet, müssen wir Abstand halten.

Der Trend hin zum Onlineshopping geht weiter nach oben und wurde im Corona-Jahr 2020 noch verstärkt. War und ist Loeb darauf vorbereitet?

LOEB ist ein stationäres Konzept und wird es auch bleiben. Wir setzen auf persönliche Dienstleistungen und Erlebniswelten und ergänzen diese mit einem Onlineangebot, welches wir gemeinsam mit Altron (Brack.ch) betreiben.

Braucht es in langfristiger Zukunft überhaupt noch Warenhäuser?

Oder wird das Onlinegeschäft den stationären Handel bald einmal ersetzen?

Die Warenhäuser wurden bereits viele Male totgesagt. Ich glaube, es wird sie immer geben. Man darf sich aber nicht ausruhen, muss immer wieder investieren und eine klare Strategie aufweisen.

Wie setzt Loeb im Sortiment auf Nachhaltigkeit?

Wir haben in Bezug auf unser gesamtes Sortiment hohe Standards und arbeiten unter anderem wo möglich mit regionalen Lieferanten zusammen. Auch bieten wir ein eigenes Label «Futura» an, welches nachhaltige Produkte kennzeichnet.

Loeb gehört seit Dekaden zum «Stadtbild» von Bern – und mittlerweile auch von Thun und Biel. Wie sehen Sie Ihre Rolle wirtschafts-, sozial- und kulturpolitisch innerhalb dieser Städte?

Da Loeb sowohl mein Name wie auch unser Brand ist, bringt das zeitweilig schon eine gewisse Exponiertheit mit sich. Gerade deshalb will ich mich in anderen Bereichen nicht über Gebühr noch exponieren. Ich sehe mich aber durchaus als «responsible citizen» und setze mich für wirtschaftsliberale Anliegen, aber auch für eine lebendige Stadt ein.

Sind Sie auch lokalpolitisch aktiv?

Oder treten Sie bald auch politisch in die Fussstapfen Ihres Vaters, welcher als grosse Persönlichkeit für die FDP im Nationalrat politisierte?

Nein, das werde ich nicht tun. Ich war und bin als Mutter und Unternehmerin immer genug gefordert. Aber ich bin Mitglied bei der FDP.

53-year-old Nicole Loeb is a delegate of the Board of Directors of Loeb Holding AG and Chairperson of the Board of Directors of Loeb AG. After spending time abroad for professional reasons in both Germany and the USA, Nicole Loeb joined her family’s company in 1999. Between 2002 and 2005, she was a member of the Board of Directors before being elected delegate of the Board of Directors. Nicole Loeb is also a member of the Board of the Swiss Retail Federation. She is a dedicated member of the Board of Trustees of the “Corelina für das Kinderherz” and “Sunnesyte” foundations. She is also a member of the PatronFonds interest group. We meet Nicole Loeb with her husband in her spick-and-span chalet in the Saanenland and encounter them both on their bicycles. In the interview, she states that the death of department stores has often already been wrongly predicted, that Loeb is prepared for the online shopping trend and that the lockdown presented a big challenge to her and the department store. Her response to the question of whether she would describe herself as a feminist is “no, but as a promoter of women’s rights”. She admires Gstaad because here developments happen without a big fuss and have an all the more lasting effect as a result.

Der Ehemann von Nicole Loeb ist Historiker sowie Politologe und hat ein Master in Science für Kommunikationsmanagement. Er konnte seine berufliche Karriere mit dem Aufbau einer neuen Kommunikationsstelle im Generalsekretariat des Eidgenössischen Finanzdepartements unter Bundesrat Kaspar Villiger starten. Danach wechselte er in die Privatwirtschaft und wurde Leiter der PR-Division «PR Access» der Werbeagentur Contexta. Im Jahr 2006 gründete er zusammen mit Andreas Hugi die PR- und Public-AffairsAgentur furrerhugi. Heute ist die Agentur mit gut 50 Mitarbeitenden und vertreten an fünf Standorten in allen Sprachregionen hinter Farner die zweitgrösste in der Schweiz.

Im Jahr 2014 haben Sie das traditionelle Berner Musikhaus Krompholz abgestossen und kürzlich die Buchhandlung Orell Füssli in Ihrem Untergeschoss an der Spitalgasse. Dieses haben Sie neuerdings an den deutschen Lebensmittelmulti Lidl vermietet. Eine Kapitulation zu Ungunsten der Kultur?

Krompholz haben wir damals aus strategischen Gründen dem Management verkauft. Mit Orell Füssli läuft der bestehende Vertrag aus und wir konnten uns leider für eine gemeinsame Zukunft nicht finden. Daher mussten wir einen neuen Mieter suchen. Es ist sehr wichtig, die Immobilie voll vermietet zu haben und wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Lidl Schweiz. Seit letztem Jahr sind sie auch in unsrem Haus in Biel vertreten.

Bevor die Jugend mit Handys dauernd online war, traf man sich als Teenager – um sicherzugehen – beim «Loeb-Egge» – Ecke beim Loeb an der Spitalgasse – zum ersten Date. Gehört dieses Bild der Vergangenheit an?

Noch heute stehen viele Menschen am «Loeb-Egge». Es gibt ja dort heute auch ein Kaffee. Vor der Handy-Zeit gab es am «Loeb-Egge» ein Telefon und wenn man zu spät kam, konnte man anrufen. Irgendjemand nahm dann den Hörer ab und rief laut den Namen der gesuchten Person. Das ergab lustige Momente…

Legendär immer noch die lange Schaufensterfront von Loeb in Bern mit den unkonventionellsten, undenkbarsten Ausstellungen, weit weg von einem plumpen kommerziellen Anstrich. Auf wen oder welchen Antrieb führt dieses Konzept zurück?

Bereits mein Grossvater, welcher sehr kunstaffin war, bespielte die Schaufenster mit Künstlern wie Jean Tinguely und Benhard Lunginbühl. Später war mein Vater sehr kreativ. Die lebenden Osterhasen, welche für drei Wochen unsere Gäste waren – die gibt es heute noch –sind nur ein Beispiel. Unvergessen bleibt eine Übernachtungsaktion im Schaufenster oder das Öffnen der Kaufhaustüren eine Minute nach Mitternacht, um das damals strikte Ladenöffnungsgesetz legal zu umgehen. Mein Vater François Loeb selbst war, zusammen mit dem heutigen Bundesrat Ueli Maurer, seinerzeit Teil einer «Pyjama-Party», welche in der Stadt Bern zu einem Verkehrschaos führte…

Sie sind Mutter von zwei Töchtern. Wie bringen Sie alles unter einen Hut? Was können Sie jungen Frauen mitgeben, welche sich auch zwischen Familie und Karriere entscheiden müssen und nur mit grossem Respekt an diesen Spagat denken?

Es gibt nicht «das Rezept». Es spielt sich immer alles im Mikrokosmos Familie und nahem Umfeld ab. Ich hatte den Vorteil, meine Arbeitszeit relativ flexibel einteilen zu können. Natürlich gab es auch schwierige Momente. Gerade wenn die Kinder krank waren, gab es logistische Aufgaben zu lösen.

Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?

Nein, aber als Frauenförderin.

Loeb führt in Bern auch einen Comestible-Laden mit hochwertigem Angebot. Sind Sie ein Genussmensch?

Unbedingt! Ich liebe feines Essen und guten Wein. Glücklicherweise ist mein Mann ein hervorragender Koch.

Sie besitzen ein schönes Chalet im Saanenland. Gehen Ihre familiären Wurzeln weit zurück in die Geschichte von Gstaad?

Mein Vater und seine ältere Schwester wurden währen dem Krieg zwischen 1941 und 1943 in Gstaad in Sicherheit gebracht. Später mietete mein Grossvater das Chalet von Gunter Sachs – bevor es an den Lebemann verkauft wurde. Es gab nur eine Kohleheizung und war sehr einfach eingerichtet. Später verbrachte mein Vater einen Sommer auf dem Eggli und erzählt noch heute begeistert von dieser Zeit. Meine Eltern und wir Kinder verbrachten die Winter jeweils im Hotel Alphorn bei der Wispile.

Haben Sie Freunde hier?

Wir kennen viele Menschen in der Gegend und es haben sich auch schöne Freundschaften entwickelt.

Orte, wo Sie sich gerne aufhalten? Ich liebe unsere E-Biketouren. So entdeckt man die Gegend noch besser.

Das Turbachtal hat etwas Magisches für mich. Ich kann mich nie entscheiden, ob ich im Saanenland den Winter oder den Sommer besser mag. Auch Gstaad schätze ich sehr mit seinen internationalen Gästen. Ich schlendere gerne im Dorf herum und beobachte die Menschen. Wir geniessen die hohe Dichte an tollen Restaurants. Übrigens wurden unsere Töchter in der Dorfkirche Gstaad getauft.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung von Gstaad in den letzten Jahrzehnten?

Letztes Frühjahr hat die «Bilanz» eine grosse Geschichte gemacht mit dem Titel «Gstaad ist das bessere St. Moritz». Ich glaube, das bringt es auf den Punkt. Entwicklungen hier passieren mit etwas weniger Tamtam, sind dann aber nachhaltiger.

A 53 ans, Nicole Loeb est déléguée du Conseil d’administration du groupe Loeb (Loeb Holding AG) et présidente du Conseil d’administration de Loeb AG. Après des séjours professionnels à l’étranger, en Allemagne et aux Etats-Unis, elle rejoignit l’entreprise familiale en 1999. De 2002 à 2005, elle fut membre du conseil d’administration, avant d’en être élue déléguée. Elle est également membre du comité de l’Association suisse des commerces de détail (Swiss Retail Federation). Elle s’engage au Conseil de fondation de la Fondation Corelina, pour le cœur de l’enfant, et de la Fondation Sunnesyte. Elle est par ailleurs membre du groupe d’intérêt PatronFonds.

Nous rejoignons Nicole Loeb et son mari dans leur coquet chalet du Saanenland et les rencontrons tous deux sur leur vélo. Dans la conversation, elle relève que l’on a déjà souvent prédit la mort des grands magasins, à tort; que Loeb est préparé à la mode des achats en ligne et que, pour elle et le grand magasin, le confinement a constitué un défi de taille. Quand on lui demande si elle se qualifierait de féministe, elle répond: «Non, mais j’ai à cœur de promouvoir les femmes». Nicole Loeb, enfin, admire Gstaad, parce que les choses s’y développent discrètement et n’en sont que plus durables.

This article is from: