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3 Fragen an
polit:zeit 3 Fragen an …
Abstimmungen
Dreimal sagte das liechtensteinische Volk Nein zu den Abstimmungsvorlagen. Wie beurteilen Sie das Abstimmungsergebnis
1zum Verpflichtungskredit S-Bahn? schaft?
2zur Initiative HalbeHalbe?
Marcus Vogt
Das Abstimmungsergebnis war mit einem Anteil von 62 Prozent Nein-Stimmen eindeutig. Nicht einmal jene Gemeinden, die am direktesten von der S-Bahn hätten profitieren sollen, konnten zu einem Ja bewegt werden. Ich vermute, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Diskussion um die S-Bahn als Zwängerei empfunden haben. Verkehrsminister Dr. Daniel Risch wollte für sich diesen Erfolg unbedingt, weshalb das Thema mit Vehemenz vorangetrieben wurde. Die geballte Kraft der Befürworter hat die Stimmbürger komplett überrollt, kritische Stimmen wurden angegriffen und verunglimpft. Das ist nicht der Nährboden, auf dem Gutes wachsen kann. Aus dieser Kampagne muss man für die Zukunft Lehren ziehen. Dialog sieht anders aus. Das Ergebnis zur Abstimmung HalbeHalbe fiel deutlicher aus, als ich erwartet hatte, obwohl mir von Anfang an klar war, dass das Anliegen keine Zustimmung finden wird. Auch diesbezüglich hatten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wohl den Eindruck, dass etwas über den Weg der Verfassung erzwungen werden soll. Dennoch hat HalbeHalbe viel zur Sensibilisierung in einem sehr wichtigen Anliegen beigetragen, wofür den Initiantinnen und Initianten Dank gebührt. Das Thema «Doppelte Staatsbürgerschaft» ging in der Diskussion der letzten Wochen komplett unter. Die zuständige Regierungsrätin Dominique Hasler hat sich für das Anliegen überhaupt nicht engagiert, und auch die Freie Liste, die das Thema im Landtag lanciert hat, führte keine wirkliche Kampagne. Persönlich bedauere ich diesen Entscheid, da ich darin mehr Chancen als Gefahren erkenne. In verschiedenen Gesprächen vor der Abstimmung musste ich feststellen, dass wohl viele die Exklusivität, die vom Liechtensteiner Pass ausgeht, auch in Zukunft sichern wollen und deshalb mit einem Nein abgestimmt haben.
Günther Fritz
Das Nein spricht mit 62 Prozent eine deutliche Sprache: Eine klare Mehrheit glaubt nicht daran, dass die S-Bahn einen Beitrag zur Entlastung der Verkehrssituation in Liechtenstein bringen kann. Das Gute an diesem deutlichen Ergebnis ist, dass die Politik jetzt weiss, dass der Ausbau des Schienenverkehrs nicht zu den künftigen Gestaltungsmöglichkeiten zur Lösung des Verkehrsproblems gehören wird. Diese Klarheit haben wir Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch zu verdanken, der den Mut bewiesen hat, nach 20 Jahren des Diskutierens unter vier Verkehrsministern eine Vorlage zur S-Bahn zur Abstimmung zu bringen. Jetzt gilt es, das umfassende Mobilitätskonzept 2030 ohne dieses Leitprojekt
Schritt für Schritt umzusetzen. Dass diese Verfassungsinitiative nicht durchkommt, war abzusehen. Die Deutlichkeit des Neins mit knapp 80 Prozent war dennoch überraschend. Das Ziel ist unbestritten und für die vertiefte Sensibilisierung für das Thema «Unterrepräsentanz von Frauen in politischen Gremien» gebührt dem Initiativkomitee ein grosses Dankeschön. Wie die Nachwahlbefragung zeigt, haben 70 Prozent der Frauen und 84 Prozent der Männer diesen Verfassungszusatz vor allem wegen der Einschränkung des freien Wettbewerbs abgelehnt. Das ist auch einer der Hauptgründe, weshalb der VU-Parteivorstand ein
3zur doppelten Staatsbürger
Nein empfohlen hat. Die deutliche Ablehnung dieser Kompromiss-Vorlage hat mich persönlich am meisten überrascht, zumal keine grosse Öffnung, sondern «nur» eine Lockerung des Regimes vorgesehen war, von der vor allem die Schweizer Einwohner in Liechtenstein profitiert hätten. Das klare Nein zeigt jedoch, dass das Thema «doppelte Staatsbürgerschaft» ein emotionales ist. Laut Nachwahlbefragung wurde als Hauptgrund für die Ablehnung angeführt: «Man kann nur ganz oder gar nicht Liechtensteiner sein.» Das unterstreicht, dass die Mehrheit am Verzicht auf die angestammte Staatsbürgerschaft als ultimativem Integrationsnachweis festhalten möchte.
Georg Kaufmann
Zuerst möchte ich meiner grossen Enttäuschung Ausdruck verleihen. Oft wird der Politik vorgeworfen, dass sie nur bis zu den nächsten Wahlen denkt. Die drei dem Volk vorliegenden Abstimmungsvorlagen waren alle ausnahmslos zukunftsorientiert und langfristig ausgerichtet. Der Landtag als Vertretung des Volkes hatte sich intensiv damit befasst und zwei von ihnen grossmehrheitlich für gut befunden. Nun hat das Stimmvolk sie alle bachab geschickt. Die Ablehnung des S-Bahn-Projekts bedeutet, dass Liechtenstein seinen Öffentlichen Verkehr auch zukünftig auf den Strassen abwickeln wird. Die einmalige Chance, unser seit Jahrzehnten vernachlässigtes Schienensystem zu modernisieren und an die beiden höchst erfolgreichen S-Bahn-Systeme in St. Gallen und Vorarlberg anzuknüpfen, ist vertan.
Die politische Gleichstellung von Mann und Frau ist zwar gesetzlich verankert, doch noch lange nicht in unseren Köpfen angekommen. Das Abstimmungsresultat bestätigt dies in eindrücklicher Weise. Ob dieses niederschmetternde Resultat eine Motivationsspritze ist, dass sich Frauen in Zukunft vermehrt für die politische Arbeit engagieren und begeistern, bezweifle ich zumindest. Die Freie Liste hat die Möglichkeit der Doppelten Staatsbürgerschaft mit ihrer Motion im Jahre 2015 angestossen. Die Regierung hat eine Vorlage ausgearbeitet, die im Landtag intensiv diskutiert wurde und schliesslich – weil bereits ein Kompromiss – eine klare Mehrheit fand. Leider haben es der Landtag und die Regierung als Befürworter dieser Vorlage verpasst, beim Volk aktiv dafür zu werben. Mit Schweigen werden keine Abstimmungen gewonnen. Die Gegner der drei Vorlagen haben sehr deutlich aufgezeigt, wie heute Abstimmungskämpfe geführt und gewonnen werden: emotional, polemisch, laut. Liechtenstein ist diesbezüglich keine Insel.
Pio Schurti
Das Abstimmungsergebnis ist sehr gut! Wir – die Unabhängigen – sind hoch erfreut, wie deutlich das Ergebnis ausgefallen ist. Eine hohe Stimmbeteiligung und eine Ablehnung über 60 Prozent. Klarer kann ein Resultat nicht sein. Dies trotz massiver Propaganda. Die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner haben gezeigt, dass sie sich nicht für blöd verkaufen lassen. Daniel Risch, der zuständige Minister, glaubte, er könne mit diesem Projekt punkten. Er hat sich aber arg verschätzt. Das Mobilitätskonzept ist genau das: ein Konzept, ein erster Entwurf. Aber man hat offenbar keinen Plan. Das haben die Stimmbürger erkannt: Planlos über 70 Millionen für ein S-Bähnli auszugeben ergibt keinen Sinn. Es ist nun Aufgabe der Regierung, aus dem Konzept einen vernünftigen Plan zu machen.
Auch dieses Ergebnis ist sehr gut. Eindeutiger könnte es nicht sein. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben erkannt, dass diese Forderung nicht in die Verfassung gehört. Auch die Frauen haben die Verfassungsinitiative mehrheitlich abgelehnt. Das sollte den Initianten zu denken geben.
Wir sollten, nein, müssten dafür sorgen, dass der Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung und im Gesetz umgesetzt wird. Dazu gehört z.B. Lohngleichheit. Dafür brauchen wir aber keinen «HalbeHalbe»-Verfassungszusatz. Auch dieses Resultat ist gut. Es gibt in Liechtenstein viele Doppelbürger, es gibt sogar Leute, die drei Pässe haben. Das ist ihnen zu gönnen. So gesehen hätte man sagen können, schreiben wir die Doppelte Staatsbürgerschaft doch ins Gesetz. Ich bin grundsätzlich auch für die Doppelte Staatsbürgerschaft. Aber die Vorlage war derart verkorkst, dass es mich nicht verwundert und nicht reut, dass sie so deutlich abgelehnt wurde.
Elkuch, Hasler, Rehak
Das Ergebnis ist eindeutig, die bestehende Streckenführung der S-Bahn ist kein Rückgrat des öffentlichen Verkehrs. Der Linienbus ist flexibel einsetzbar und sichert die internationale Erreichbarkeit. Die bestehende S-Bahn bleibt bestehen und kann auch in Zukunft genutzt werden. Der Verkehr läuft über die Strasse und dort müssen die Engpässe, die Stau verursachen, leistungsfähiger ausgebaut werden. Berücksichtigt werden muss auch die im Bau befindliche Tunnelspinne. Mit dieser Abstimmung konnte das Volk die jahrelange Fehlplanung im Mobilitätsbereich beenden. Herbert Elkuch
Auch diese Abstimmung ist in unserem Sinn ausgegangen. Ein politisches Gremium braucht sowohl Frauen als auch Männer und ganz generell die Vielfalt. Trotzdem darf man hierzu dem Wähler und auch den Wahllisten keine Vorgaben machen, wie eine Wahl auszugehen hat oder wer auf eine Wahlliste gestellt werden darf. Das Anliegen der Initiative hat aber durchaus seine Berechtigung, nur gehört es nicht in die Verfassung, sondern in die Köpfe der Regierung und der Parteifunktionäre. Ich denke, dass die Politik und auch das Volk das Anliegen verstanden haben. Zum Glück bietet unsere Demokratie viele demokratische Mittel, um direkt
auf Entscheidungen einzuwirken. Thomas Rehak Für uns war von Anfang an klar, dass die sehr laschen Einbürgerungskriterien zuerst angehoben werden müssen, bevor eine doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht wird. Das haben die Stimmbürger wohl auch so gesehen. Wir hatten im Juni-Landtag eine Motion eingebracht, die eine Anhebung der Sprachkenntnisse, Heraufsetzung der minimalen Wartefrist für Eingeheiratete von fünf auf zehn Jahre und die Prüfung der Einbürgerungswilligen auf erfolgreiche Integration analog zur Schweiz vorsah. Das Abstimmungsergebnis hat gezeigt, dass wir mit unserem Vorstoss richtiggelegen sind. Eine Anhebung der Einbürgerungskriterien bleibt deshalb auf der politischen Agenda. Erich Hasler