lie:zeit Ausgabe 88

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polit:zeit

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09/2020

3

Fragen an … Abstimmungen Dreimal sagte das liechtensteinische Volk Nein zu den Abstimmungsvorlagen. Wie beurteilen Sie das Abstimmungsergebnis

1

zum Verpflichtungskredit S-Bahn?

2

zur Initiative HalbeHalbe?

3

zur doppelten Staatsbürgerschaft?

Marcus Vogt

Günther Fritz

Das Abstimmungsergebnis war mit einem Anteil von 62 Prozent Nein-Stimmen eindeutig. Nicht einmal jene Gemeinden, die am direktesten von der S-Bahn hätten profitieren sollen, konnten zu einem Ja bewegt werden. Ich vermute, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Diskussion um die S-Bahn als Zwängerei empfunden haben. Verkehrsminister Dr. Daniel Risch wollte für sich diesen Erfolg unbedingt, weshalb das Thema mit Vehemenz vorangetrieben wurde. Die geballte Kraft der Befürworter hat die Stimmbürger komplett überrollt, kritische Stimmen wurden angegriffen und verunglimpft. Das ist nicht der Nährboden, auf dem Gutes wachsen kann. Aus dieser Kampagne muss man für die Zukunft Lehren ziehen. Dialog sieht anders aus.

Das Nein spricht mit 62 Prozent eine deutliche Sprache: Eine klare Mehrheit glaubt nicht daran, dass die S-Bahn einen Beitrag zur Entlastung der Verkehrssituation in Liechtenstein bringen kann. Das Gute an diesem deutlichen Ergebnis ist, dass die Politik jetzt weiss, dass der Ausbau des Schienenverkehrs nicht zu den künftigen Gestaltungsmöglichkeiten zur Lösung des Verkehrsproblems gehören wird. Diese Klarheit haben wir Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch zu verdanken, der den Mut bewiesen hat, nach 20 Jahren des Diskutierens unter vier Verkehrsministern eine Vorlage zur S-Bahn zur Abstimmung zu bringen. Jetzt gilt es, das umfassende Mobilitätskonzept 2030 ohne dieses Leitprojekt Schritt für Schritt umzusetzen.

Das Ergebnis zur Abstimmung HalbeHalbe fiel deutlicher aus, als ich erwartet hatte, obwohl mir von Anfang an klar war, dass das Anliegen keine Zustimmung finden wird. Auch diesbezüglich hatten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wohl den Eindruck, dass etwas über den Weg der Verfassung erzwungen werden soll. Dennoch hat HalbeHalbe viel zur Sensibilisierung in einem sehr wichtigen Anliegen beigetragen, wofür den Initiantinnen und Initianten Dank gebührt.

Dass diese Verfassungsinitiative nicht durchkommt, war abzusehen. Die Deutlichkeit des Neins mit knapp 80 Prozent war dennoch überraschend. Das Ziel ist unbestritten und für die vertiefte Sensibilisierung für das Thema «Unterrepräsentanz von Frauen in politischen Gremien» gebührt dem Initiativkomitee ein grosses Dankeschön. Wie die Nachwahlbefragung zeigt, haben 70 Prozent der Frauen und 84 Prozent der Männer diesen Verfassungszusatz vor allem wegen der Einschränkung des freien Wettbewerbs abgelehnt. Das ist auch einer der Hauptgründe, weshalb der VU-Parteivorstand ein Nein empfohlen hat.

Das Thema «Doppelte Staatsbürgerschaft» ging in der Diskussion der letzten Wochen komplett unter. Die zuständige Regierungsrätin Dominique Hasler hat sich für das Anliegen überhaupt nicht engagiert, und auch die Freie Liste, die das Thema im Landtag lanciert hat, führte keine wirkliche Kampagne. Persönlich bedauere ich diesen Entscheid, da ich darin mehr Chancen als Gefahren erkenne. In verschiedenen Gesprächen vor der Abstimmung musste ich feststellen, dass wohl viele die Exklusivität, die vom Liechtensteiner Pass ausgeht, auch in Zukunft sichern wollen und deshalb mit einem Nein abgestimmt haben.

Die deutliche Ablehnung dieser Kompromiss-Vorlage hat mich persönlich am meisten überrascht, zumal keine grosse Öffnung, sondern «nur» eine Lockerung des Regimes vorgesehen war, von der vor allem die Schweizer Einwohner in Liechtenstein profitiert hätten. Das klare Nein zeigt jedoch, dass das Thema «doppelte Staatsbürgerschaft» ein emotionales ist. Laut Nachwahlbefragung wurde als Hauptgrund für die Ablehnung angeführt: «Man kann nur ganz oder gar nicht Liechtensteiner sein.» Das unterstreicht, dass die Mehrheit am Verzicht auf die angestammte Staatsbürgerschaft als ultimativem Integrationsnachweis festhalten möchte.


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