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Die arbeitsrechtliche Sperrfrist bei Kündigung zur Unzeit
Arbeitnehmerinnen geniessen in Liechtenstein unter bestimmten Voraussetzungen einen zeitlichen Kündigungsschutz, der eine Sperrfrist hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeit durch die Arbeitgeberin auslöst. Was als Schutzmassnahme für Arbeitnehmerinnen während eines schutzbedürftigen Zustands gedacht ist, kann in der Praxis zu Unsicherheit führen, sowohl auf Seite der Arbeitnehmerin als auch der Arbeitgeberin. Es gibt oft Fragen im Zusammenhang mit der Dauer der Sperrfrist, deren Voraussetzungen sowie den Konsequenzen für die Kündigungsfrist. Carmen Oehri, Rechtsanwältin und Partnerin
Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann nach der Probezeit grundsätzlich von beiden Parteien auf einen bestimmten Kündigungstermin und nach Ablauf einer bestimmten Kündigungsfrist ordentlich gekündigt werden. Dabei gilt das Prinzip der Kündigungsfreiheit. Die Ursachen für eine Kündigung können verschiedener Natur sein. Vom Wunsch einer Veränderung des Arbeitsumfelds beseelt, hin zu schwerwiegenden Störungen des Arbeitsverhältnisses, kann eine Kündigung eine sinnvolle Konsequenz sein. Für die Arbeitgeberin basiert die Kündigung meistens auf wirtschaftlichen Gründen. Da eine Kündigung die Arbeitnehmerin als wirtschaftlich schwächere Partei meist (finanziell) schwerer trifft als die Arbeitgeberin, soll der Kündigungsschutz einen Ausgleich schaffen. Besteht ein Umstand, welcher der Aufnahme einer neuen Stelle oder der Arbeitssuche entgegensteht, kann damit eine sogenannte Sperrfrist ausgelöst werden.
Die in der arbeitsrechtlichen Praxis häufigsten Auslöser und Voraussetzungen einer Sperrfrist sind die Verhinderung an der Arbeitsleistung aufgrund unverschuldeter Krankheit oder Unfalls sowie die Dauer während der Schwangerschaft und 16 Wochen nach der Geburt. Die Sperrfrist beträgt im ersten Dienstjahr 30 Tage, vom zweitem bis zum fünften Dienstjahr 90 Tage und ab dem sechstem Dienstjahr 180 Tage. Die Sperrfrist steht einerseits einer wirksamen Kündigung entgegen, andererseits hemmt sie den Ablauf der Kündigungsfrist. Wird eine Kündigung von der Arbeitgeberin während einer Sperrfrist erklärt, ist sie nichtig und unwirksam. Die Kündigung ist somit, trotz Erfüllung sämtlicher sonstiger Voraussetzungen des Einzelfalls, nicht rechtsgültig und muss nach Entfall der Sperrfrist erneut ausgesprochen werden. Erfolgte die Kündigung vor Beginn einer Sperrfrist, unterbricht sie den Ablauf der Kündigungsfrist und wird erst nach Wegfall des Grundes für die Sperrfrist fortgesetzt. Für das jeweilige Arbeitsverhältnis kann dies weitreichende Folgen haben. In der Regel wird vertraglich vereinbart, dass eine Kündigungsfrist zum nächsten Monatsende zu laufen beginnt und das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist auf Monatsende beendet wird.
Fällt das Monatsende jedoch in eine Sperrfrist, sei deren Dauer noch so kurz, dauert das Arbeitsverhältnis bis zum nächsten Monatsende an. Während dieser Zeit hat die Arbeitnehmerin, bei Arbeitsfähigkeit, ihre Arbeitsleistung anzubieten und die Arbeitgeberin trifft im Umkehrschluss grundsätzlich die Entgeltpflicht. Die Sperrfrist kommt nur bei ordentlicher Kündigung zur Anwendung, nicht bei einvernehmlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie gilt ausserdem nicht bei einer arbeitsplatzbedingten Arbeitsunfähigkeit, da die Arbeitnehmerin in diesem Fall nicht grundsätzlich daran gehindert ist, eine andere Anstellung zu suchen oder ihre Arbeitsleistung in einem anderen Arbeitsumfeld zu erbringen.
Die Unvorhersehbarkeit bestimmter Krankheitsbilder kann zusätzlich für Unsicherheiten über Kündigung oder Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses sorgen. Die Transparenz, welche die Arbeitnehmerin der Arbeitgeberin aufgrund ihrer Treuepflicht entgegenzubringen hat, kann die Pflicht begründen, bestimmte Details einer Diagnose, die aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht in die Krankmeldung aufgenommen werden, offenzulegen bzw. ist die Ärztin zu diesem Zweck von ihrer Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Demgegenüber trifft die Arbeitgeberin eine Fürsorgepflicht für ihre Arbeitnehmerinnen. Ein anstössiges Verhalten kann dahingehend eine missbräuchliche Kündigung bedeuten. Eine missbräuchliche Kündigung bleibt wirksam, allerdings steht der Arbeitnehmerin ein gerichtlich durchsetzbarer Entschädigungsanspruch zu. Das Einvernehmen zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin ist jedenfalls zu bevorzugen. Umso mehr, wenn die vertraglichen Vereinbarungen nicht eindeutig anwendbar sind und mit den gesetzlichen Regelungen zum Arbeitnehmerinnenschutz in Konflikt geraten.
CARMEN OEHRI
Rechtsanwältin und Partnerin
Über die Person
Carmen Oehri ist als Rechtsanwältin in Liechtenstein zugelassen und verfügt zudem über das Anwaltspatent des Kantons Zürich. Schwerpunktmässig beschäftigt sie sich mit Gesellschafts- und Vertragsrecht. Darüber hinaus befasst sich Carmen Oehri mit Fragen des Erbrechts und der Nachlassplanung. Sie ist für in- und ausländische Privatpersonen und Unternehmen beratend sowie prozessführend tätig.
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