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Frage an
Das Land Liechtenstein profitiert jährlich von Millionen an Spielgeldabgaben der Casinos. Liechtenstein wird auf der ganzen Welt «Las Vegas Europas» genannt. Schlagzeilen wie «Vom Steureparadies zur Spielhölle» sind keine Seltenheit.
Vielen Bürgern stösst das bisweilen sauer auf. Viele fragen sich, ob Liechtenstein diese Glückspielgelder wirklich braucht, angesichts der Milliarden von Franken an gebunkerten Reserven. Bereits hat sich eine Gruppierung zusammengeschlossen, um der Ausuferung von Spielcasinos im Lande Einhalt zu gebieten. Und auch die Parteien sind bereits aktiv geworden.
Wie stehen Sie zu dieser Frage?
Nadine Vogelsang, FBP
Es ist verständlich, dass dieses Thema die Bevölkerung in Liechtenstein bewegt. Auch die FBP hat sich bereits letztes Jahr im Landtag anhand kleiner Anfragen mit der Casinolandschaft und Spielsperren kritisch auseinandergesetzt und wird dies weiterhin tun.
Im Vergleich zu den Nachbarstaaten setzt Liechtenstein bereits eine sehr restriktive Regulierung der Geldspielbetriebe um. In welcher Form eine Begrenzung der Casinolandschaft möglich bzw. sinnvoll ist, lässt sich nicht einfach beantworten und bedarf weitreichender Abklärungen. Es ist wichtig, die Gründe für dieses starke Wachstum der Casinolandschaft genau zu analysieren, sodass künftig die richtigen Stellschrauben gedreht werden können. Die Situation sollte meines Erachtens durch die Regierung erneut untersucht und konkrete Vorschläge ausgearbeitet werden. Die gerechte Behandlung aller Wirtschaftsakteure und die Konstanz der Rechtsstaatlichkeit dürfen hierbei nicht ausser Acht gelassen werden. Wenn sich Marktteilnehmer nicht mehr auf Gesetze verlassen können, dann steht es schlecht um die Reputation Liechtensteins.
Dank der umsichtigen Finanzpolitik der letzten Jahre und deren Sanierungsmassnahmen ist die liechtensteinische Finanzlage aktuell gesund und stabil. Die zwei Milliarden Staatsreserven helfen, die zusätzlichen Herausforderungen der Corona-Krise finanziell zu stemmen und auch die steigenden Ausgaben im Bereich Altersvorsorge, Gesundheit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu finanzieren.
Die Politik steht nun vor der Herausforderung, die attraktiven Rahmenbedingungen sowohl für die Gesellschaft als auch Wirtschaft zu erhalten und die wachsenden und wiederkehrenden Ausgaben zu stemmen, indem Einnahmequellen generiert werden können, welche sozial sowohl innen- als auch aussenpolitisch vertretbar sind.
Norma Heidegger, VU
Ich teile die Bedenken vieler Bürger, die mit Besorgnis auf die Casinoschwemme in Liechtenstein reagieren. Schliesslich sind Probleme wie Spielsucht oder Verschuldung, die mit Spielbanken einhergehen, nicht zu unterschätzen. In dieser Frage wird es verständlicherweise auch schnell emotional. Wichtig ist für mich, dass die Reputation unseres Landes keinen Schaden nimmt.
Als Landtagsabgeordnete sind wir gefragt, die Dinge sachlich zu beurteilen. Die Liberalisierung der Konzessionsvergaben hat eine lange Vorgeschichte, die in dieser Betrachtung nicht ausser Acht gelassen werden darf. Das aktuelle System wurde auch durch Gerichtsurteile beeinflusst. Daher ist es verständlich, dass die Regierung sich auf die Mechanismen des freien Markts abstützt und hofft, dass der Markt die Casinodichte am Ende selbst regelt. Als Volkspartei gibt es innerhalb der VU nicht die «Parteimeinung» zu dieser Frage, sondern die verschiedensten Standpunkte. Es müssen Massnahmen ergriffen werden, mit denen der Staat dabei hilft, diese Selbstregulation des Marktes zu beschleunigen. Die Bedenken sind ernst zu nehmen!
Vor zwei Jahren hat die VU das «Postulat zur Gestaltung einer grössenverträglichen Casino-Landschaft Liechtenstein» eingereicht, das von 24 von 25 Abgeordneten überwiesen wurde. Die Beantwortung des Postulats enthält einen guten Überblick über die Möglichkeiten, die bestehen.
Die VU-Fraktion wird sich mit Sicherheit auch weiterhin kritisch mit dem Thema auseinandersetzen und auch weiterhin die Sorgen der Bevölkerung in ihre Arbeit einfliessen lassen.
Georg Kaufmann, FL
Seit bald vier Jahren bewegt die Casino-Thematik die Gemüter. Vielen Einwohnerinnen und Einwohnern stösst es sauer auf, dass demnächst in Schaan das nunmehr sechste Casino seine Pforten öffnet und gemäss Medienberichten bereits Anträge auf drei oder sogar vier weitere Bewilligungen vorliegen sollen. Auch ich erachte die Casino-Entwicklung als äusserst ungesund. Nach aussen schadet es dem Ruf unseres Landes, nach innen wird mittelfristig unsere Gesellschaft Schaden nehmen. Regierung und Landtag sahen dies bisher anders. Eine im November 2019 im Landtag behandelte Beantwortung eines Postulats zur Casino-Landschaft war eindeutig. Sowohl die Regierung als auch der weitaus grösste Teil der Abgeordneten sahen keinen Handlungsbedarf. Der Markt werde das regeln. Der Betrieb eines Casinos sei ein Geschäft wie jedes andere und Rahmenbedingungen dürfe man nicht ändern. Die Freie Liste hatte dazu immer eine dezidiert andere Haltung. Sie lehnte dieses Geldspielgesetz schon bei der Einführung klar ab, weil es den Fokus äusserst liberal auf möglichst hohe Gewinne für Casinos richtet und Themenbereiche wie Spielsucht, Geldwäscherei und weitere Auswirkungen auf die Gesellschaft zu einem grossen Teil ausblendet. Aus diesem Grund brachte die FL-Fraktion ebenfalls im November 2019 eine Parlamentarische Initiative zur Erhöhung der Geldspielabgabe im Landtag ein, welche das Ziel hatte, die Bruttogeldspielabgabe zu erhöhen und damit die Anzahl der Spielbanken zu verringern. Mit 17:8 Stimmen lehnte der Landtag unser Ansinnen ab. Die Haltung der Regierung damals in einem Satz: «Die Regierung spricht sich aus verschiedenen Gründen gegen eine Anpassung der Höhe der Geldspielabgabe zum jetzigen Zeitpunkt aus.» Den richtigen Zeitpunkt haben wir verpasst, jetzt ist es 5 nach 12. Höchste Zeit, dass sich die Politik der Casino-Thematik erneut annimmt und klar Stellung bezieht: Ist die Casino-Entwicklung im Sinne der ursprünglichen Idee und gereicht sie zum Wohle unseres Landes? Wir meinen Nein. Die Fraktion der Freien Liste wird deshalb zeitnah einen erneuten Vorstoss im Landtag einbringen.
Pio Schurti, DU
In der Frage, ob die Politik «die Casinoflut regulieren» kann, schwingt eine Antwort mit: Wenn d'Röfi kunnt, goht ma gi wuhra.
Aber erleben wir wirklich eine «Casinoflut»? Ist die steigende Anzahl der Spielbanken nicht einfach das Ergebnis der Wirtschaftsfreiheit? Der freie Markt scheint zurzeit mit Casinos geflutet zu werden, aber jede Flut hat ein Ende. Darauf kann man sich jetzt schon freuen.
Wenn man von «Casinoflut» spricht, verrät das auch, dass man bereit ist, nicht unbedingt am Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit festzuhalten. Vielen Liechtensteinern ist unwohl beim Gedanken, dass unser Land zu einem «Las Vegas Europas» werden könnte. Spielen hat etwas Anrüchiges an sich. Spielen macht nicht nur Freude (den Spielern), sondern bereitet auch viel Kummer (zum Beispiel den Angehörigen von Spielsüchtigen). Und staatspolitisch stellt sich die beklemmende Frage, ob wir auf unserem Finanzplatz, den wir gründlich ausgejätet haben, nicht wieder Unkraut gesät haben. Unkraut deshalb, weil man in Casinos nicht nur schöne Stunden beim Spielen verbringen, sondern allenfalls auch betrügen (zum Beispiel Geld waschen ...) kann. Wer profitiert eigentlich am meisten von der Möglichkeit zu betrügen: die Spieler, der Staat (Steuereinnahmen aus «verspieltem» Schwarzgeld?) oder die Casino-Betreiber?
Die Anzahl der Casinos muss nicht, aber kann natürlich reguliert werden. Unser Land muss genau im Auge behalten, was in den Spielbanken abgeht. Die Casinos dürfen weder Spielhöllen sein noch für Finanzdelikte missbraucht werden können.
Sollten wir tatsächlich eine Rüfe kommen sehen, wäre es an der Zeit, sie einzuwuhren. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Staat bestimmte Gewerbe zahlenmässig einschränkt. Über Jahrzehnte war die Anzahl der Banken in unserem Land auf drei beschränkt. Bei der Bewilligung von neuen Wirtshäusern wurde früher in den Gemeinderäten darüber diskutiert, ob für eine weitere Beiz überhaupt Bedarf bestehe.
Thomas Rehak, DPL
Selbstverständlich muss gehandelt werden. Allerdings kommt diese Einsicht bei der VU und auch bei weiten Teilen der FBP reichlich spät. Noch im Jahr 2019 haben sich alle VU- und sieben FPB-Abgeordneten gegen eine Anpassung der Spielabgaben ausgesprochen. Bereits im Jahr 2014 wollte Erich Hasler mit einem parlamentarischen Vorstoss die minimale Geldspielabgabe auf mindestens 20 Prozent, anstatt der geltenden 17,5 Prozent, festlegen. Heute wäre man froh, wenn die Eintrittsschwelle noch höher liegen würde.
Eine nachträgliche Korrektur solcher Verfehlungen ist nicht einfach, denn der Gesetzgeber riskiert, die staatliche Berechenbarkeit und Rechtssicherheit aufs Spiel zu setzen. Als das Gesetz im Jahr im Jahr 2015/2016 geändert wurde, war die Regierung der Meinung, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen für eine Bewilligung so hohe Anforderungen an einen Gesuchsteller stellen würden, dass die Befürchtung vor einer zu grossen Attraktivität Liechtensteins als Geldspielmarkt und somit einem übermässigen Geldspielangebot unbegründet sei. Wie sich nun herausstellt, waren die Annahmen der Regierung komplett falsch.
Im Rahmen der Gesetzesänderung war die Regierung der Ansicht, dass die Spielbankenbetreiber im internationalen Wettbewerb bestehen und eine angemessene Rendite erzielen können sollten. Wegen des sehr hohen Konkurrenzdrucks – der zusätzlich verschärft werde, je mehr Spielbanken zugelassen werden – sei die Geldspielabgabe zwingend deutlich tiefer anzusetzen als im umliegenden Ausland. Das maximale Marktpotenzial lag nach den damaligen Berechnungen bei rund 19 bis 21 Millionen Franken Bruttospielertrag. Wolle Liechtenstein in diesem Umfeld das Betreiben von Spielbanken ermöglichen, so sei die Geldspielabgabe zwingend massvoll auszugestalten, so die Regierung. Unbewusst wurde die Büchse der Pandora geöffnet. Mit den Folgen befasst sich auch die DpL. Wir werden uns weiterhin für eine moderate Erhöhung einer minimalen Geldspielabgabe einsetzen.