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Die Erfolge nicht aufs Spiel setzen

Die Impf- und Teststrategie des Staates in Bezug auf Covid-19 bewährt sich. Eine baldige Rückkehr zur Normalität liegt gemäss Gesellschaftsminister Manuel Frick daher im Bereich des Möglichen. Weiterhin appelliert er aber an die Eigenverantwortung der Bevölkerung, sich selbst und andere durch die Einhaltung der Präventionsmassnahmen zu schützen. Interview: Heribert Beck

Herr Regierungsrat, selbst wenn Sie diese Frage vermutlich schon nicht mehr hören können: Wie beurteilen Sie die Corona-Situation derzeit im Allgemeinen? Gesellschaftsminister Manuel Frick: Aus aktueller Warte ist die epidemiologische Situation in Liechtenstein derzeit stabil, aber auch fragil. Wir sind glücklicherweise weit entfernt von den hohen Infektionszahlen, die wir während der zweiten und dritten Welle hatten. Gleichzeitig sind die Zahlen auch nicht mehr so niedrig wie noch vor einigen Wochen. Es wird sich weisen müssen, in welche Richtung die Entwicklung nun nach den Lockerungen geht, die am 26. April in Kraft getreten sind. Ich bin aber verhalten optimistisch, was die weitere Entwicklung angeht, vor allem auch angesichts der Fortschritte bei den Impfungen und der breit angelegten Tests in den Schulen und Betrieben.

Und wie steht Liechtenstein im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern da? Die Infektionszahlen in unseren Nachbarländern sowie in Deutschland sind im Verhältnis zur Einwohnerzahl derzeit auf einem vergleichbaren Niveau.

Die Aufgabe der Regierung bei der Festlegung der Schutzmassnahmen gleicht einer Quadratur des Kreises. Geht Liechtenstein im Gleichschritt mit der Schweiz, kritisieren einige, die Regierung mache alles nach. Verordnet die Regierung andere Massnahmen, bemängeln andere den «Alleingang». Auf welcher Grundlage entscheidet die Regierung, welche Variante sie wählt? Aufgrund der offenen Grenzen, dem über den Zollvertrag auch in Liechtenstein geltenden Schweizer Epidemiengesetz sowie der Tatsache, dass wir in Liechtenstein keine Intensivstation haben und daher auf die schweizerischen Spitäler angewiesen sind, ist klar, dass sich unsere Massnahmen an jenen der Schweiz orientieren. Gleichzeitig haben wir im Verlauf der Pandemie auch teilweise

Entscheide vorweggenommen, schärfere Massnahmen ergriffen oder umgekehrt bestehende Freiräume genutzt. Gewisse Massnahmen, welche in der Schweiz speziell für städtische Gegenden erlassen wurden, ergeben für Liechtenstein keinen Sinn. Massgeblich ist letztlich in erster Linie die epidemiologische Entwicklung.

Wo liegen derzeit die konkreten Unterschiede zu dem, was in der Schweiz gilt und wie sind diese Unterschiede begründet? Die Unterschiede bestehen zum Teil in unterschiedlichen Obergrenzen, in Summe ergibt sich aber ein vergleichbares Massnahmenpaket. Bei uns sind beispielsweise in Aussenbereichen von Restaurants sechs statt vier Personen pro Tisch erlaubt. Eine weitere Abweichung besteht darin, dass in der Schweiz nach wie vor eine Homeoffice-Pflicht gilt, während wir an einer Empfehlung festgehalten haben. Auch bei den Obergrenzen für Sport und private Treffen gibt es teilweise kleine Unterschiede.

Bei den Impfungen wurde wiederum häufig die Kritik geäussert, dass die Seren über die Schweiz beschafft worden sind statt in einem Alleingang. Sie waren damals zwar noch nicht im Amt, können die Entscheidung aber sicher begründen. Wie bei anderen Impfstoffen

Anzeige sind wir auch bei Vakzinen gegen Covid-19 in das Schweizer Bezugssystem eingebunden. Es war und ist für ein kleines Land wie Liechtenstein schwer vorstellbar, in den Verhandlungen mit Impfstoffherstellern zu einem Ergebnis zu kommen. Die von uns benötigten Mengen würden die Impfstoffhersteller wohl kaum an den Verhandlungstisch bringen. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass noch vor einem halben Jahr nicht absehbar war, welche Impfstoffe sich bewähren und welche überhaupt zuglassen werden. Die Zulassung der einzelnen Impfstoffe erfolgt durch die Schweizer Zulassungs- und Kontrollbehörde für Heilmittel Swissmedic. Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass die Beschaffung von Impfstoffen über die Schweiz der richtige Weg ist, um möglichst rasch genügend Impfdosen für unsere Bevölkerung zur Verfügung zu haben.

Wie schreitet das Impfen nun voran? Holt Liechtenstein im Vergleich mit den Schweizer Kantonen und mit dem europäischen Ausland auf? Wir haben per Stichtag 30. April knapp 4200 Personen zwei Impfungen verabreicht und über 4600 Personen haben zumindest eine erste Impfung erhalten. Besonders erfreulich ist, dass die Impfungen der besonders gefährdeten Personen sehr weit fortgeschritten sind, und auch

Ich vergleiche die Pandemie gerne mit einem Marathon. Wir sind aktuell wohl ungefähr bei Kilometer 35 angelangt: Wir haben bereits einen grossen Teil des Wegs geschafft. Gleichzeitig dürfen wir nicht der Versuchung verfallen, zu früh zu grosse Lockerungsschritte zu setzen.

Manuel Frick, Regierungsrat

in der allgemeinen Bevölkerung geht es voran.

Entspricht die Impfbereitschaft Ihren Erwartungen oder würden Sie sich mehr Anmeldungen wünschen? In den Altersgruppen über 70 haben wir eine Impfquote von über 70 Prozent erreicht, was sehr hoch ist. Aus der allgemeinen Bevölkerung hat sich bislang knapp die Hälfte der Impfberechtigten angemeldet, aber es kommen über das Onlineportal täglich weitere dazu. Derzeit haben wir eher die umgekehrte Herausforderung, dass wir aufgrund der Ungewissheit der Liefersituation nicht genau sagen können, wann die vielen Impfwilligen ihre Termine erhalten. Die Regierung bittet alle Einwohnerinnen und Einwohner über 18 Jahren, die das nicht bereits gemacht haben, sich für eine Impfung auf impfung.li anzumelden.

Sind in Liechtenstein bereits schwere Nebenwirkungen bei Geimpften aufgetreten? Schwere Reaktion in Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung sind zum Glück sehr selten. Besonders nach der zweiten Impfung treten teilweise grippeähnliche Symptome auf. Diese sind aber von kurzer Dauer und im Vergleich zu den möglichen Verläufen einer Erkrankung zu relativieren.

Seit Ende März sind die Tests in der Marktplatzgarage für die Getesteten kostenlos. Seit Mitte April sind die Schnell- und Selbsttests verfügbar. Welchen Einfluss hatte dies auf die Fallzahlen?

REGIERUNG

DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN

#HebenSorg www.hebensorg.li

Danke!

Gründlich Hände waschen Hände schütteln vermeiden In die Armbeuge husten und niesen Abstand halten Max. 6 Personen pro Tisch

1,5 m

Masken im ÖV und in öffentlich zugänglichen Gebäuden

Symptome? Zuhause bleiben, Hotline anrufen +423 235 45 32

Impfzentrum in Vaduz

In den Altersgruppen über 70 haben wir eine Impfquote von über 70 Prozent erreicht, was sehr hoch ist. Aus der allgemeinen Bevölkerung hat sich bislang knapp die Hälfte der Impfberechtigten angemeldet, aber es kommen über das Onlineportal täglich weitere dazu.

Manuel Frick, Regierungsrat

Die Fallzahlen sind Mitte April etwas gestiegen, aber nicht gleichzeitig mit der Ausweitung der Tests beziehungsweise der Kostenübernahme durch das Land. Seither haben sie sich bei durchschnittlich rund zehn Fällen pro Tag stabilisiert. Wir sehen zusammengefasst also keinen massgeblichen Einfluss des Testens auf die Fallzahlen.

Warum hat sich Liechtenstein entschieden, die Selbsttests im Gegensatz zur Schweiz nicht gratis abzugeben? Die Selbsttests sind vor allem bei der Personengruppe der asymptomatisch Infizierten, die ein hohes Risiko für die Weitergabe des Virus haben, wenig verlässlich. Die Gefahr eines falsch negativen Resultats, das die Menschen in falscher Sicherheit wiegt und sie dazu bringt, die Schutzmassnahmen zu vernachlässigen, ist in diesen Fällen relativ hoch. Wir möchten deshalb die Verwendung von Selbsttests nicht besonders fördern, sondern regen an, andere Testmöglichkeiten zu nutzen. So stehen beispielsweise die sehr verlässlichen PCR-Tests in genügender Menge zur Verfügung.

Wie steht es um die Nachfrage nach den Selbsttests und vertrauen Sie darauf, dass positive Selbsttester sich auch bei den Behörden melden? Über die Nachfrage liegen mir keine Zahlen vor. Am Ende müssen wir aber auf die Vernunft der Menschen vertrauen, nicht nur in Bezug auf die Selbsttests. Wir müssen auch an die Eigenverantwortung von Menschen appellieren, die Corona-Symptome verspüren, dass sie sich testen lassen und sich in Isolation begeben, um ihre Mitmenschen zu schützen.

Eine Frage noch an den Kulturminister: Teilweise ist Kritik laut geworden, dass die Kulturschaffenden nach wie vor nicht genug Fördermittel erhalten oder ganz durchs Raster fallen. Was entgegnen Sie dem und sind Nachbesserungen geplant? Natürlich hat die Pandemie viele Wirtschaftstreibende – nicht nur im Kulturbereich – hart getroffen. Von den verschiedenen Unterstützungsschienen, insbesondere von den Massnahmen im wirtschaftlichen Bereich, konnten glücklicherweise auch viele Kulturschaffende sowie Kulturunternehmen profitieren. Zudem haben sich die Gemeinden in der Krise sehr pragmatisch und hilfsbereit in Bezug auf Personen und Firmen gezeigt, die durch die Raster der Unterstützung auf Landesebene gefallen sind. Nicht zuletzt hat der Landtag zusätzlich zur üblichen Unterstützung durch die Kulturstiftung im Dezember einen Nachtragskredit von einer halben Million Franken in Zusammenhang mit den Auswirkungen von Covid-19 auf die liechtensteinische Kultur gesprochen. Die Nachfrage war so gross, dass der Landtag diese Woche bereits über einen zweiten Nachtragskredit entschieden hat.

Und abschliessend: Sehen Sie Licht am Ende des Tunnels und nach 14 Monaten der Einschränkungen die ersehnte baldige Rückkehr zur Normalität? Ich vergleiche die Pandemie gerne mit einem Marathon. Wir sind aktuell wohl ungefähr bei Kilometer 35 angelangt: Wir haben bereits einen grossen Teil des Wegs geschafft. Gleichzeitig dürfen wir nicht der Versuchung verfallen, zu früh zu grosse Lockerungsschritte zu setzen und so die Erfolge der letzten Monate aufs Spiel zu setzen. Ich bin optimistisch, dass wir in naher Zukunft weitgehend zur Normalität zurückkehren können.

Zahlen und Fakten

Überblick Corona-Fallzahlen Situationsbericht am 5. Mai 2021 Anzahl positive Fälle 2956 genesen 2839 hospitalisiert 7 Todesfälle 57 7-Tage-Inzidenz 123

Überblick Impfungen Stand per 30. April 2021

Anzahl gelieferte Impfdosen Anzahl verabreichte Impfungen

14’220 12’994 davon Zweitimpfungen 4165 Vereinbarte, aber noch nicht durchgeführte Impftermine 6794

Angaben: Amt für Statistik

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