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»Meilenstein für Optimierung«

Die Studie von Prof. Bühringer zur Evaluierung der Spielverordnung hält unbequeme Einsichten bereit. Beim Regelwerk selbst und bei der Umsetzung durch die Branche sieht er Defizite. Auf unsere Fragen dazu antworten DAW, BA und VDAI gemeinsam.

Wir sind überrascht, dass sich die Studie von der Aufgabenstellung „Spielverordnung” teilweise zu einer gesamten Bewertung der Branche entwickelt hat. Wie sehen Sie das?

Prof. Bühringer hat den Auftrag unserer Ansicht nach in einem der Komplexität der Materie angemessenem Umfang bearbeitet. Wir begrüßen den konstruktiven Beitrag, den die Studie zur zielorientierten Weiterentwicklung der Regulierung des gewerblichen Automatenspiels in Deutschland leistet.

Prof. Bühringer schont weder Politik und Regulierung noch die Automatenwirtschaft und trägt dadurch wohltuende Ausgewogenheit und Umsicht in den glücksspielpolitischen Diskurs.

Wo liegen die Hauptpunkte?

Die Studie deckt eklatante Defizite der derzeitigen Regulierung in Bezug auf die gesetzlichen Ziele der Kanalisierung, des Spielerschutzes und der Suchtprävention sowie der Kriminalitäts- und Schwarzmarktbekämpfung auf.

Defizite sieht er auch bei der Branche. Das stimmt. Die Studie zeigt deutlich, dass es auch in der Branche noch einiges zu tun gibt und wir gut daran tun, unsere Hausaufgaben zu erledigen.

Ehe wir zu den Details kommen, wollen wir auf einen grundsätzlichen Punkt eingehen. Bei der Definition für die Entwicklung einer Glücksspielstörung geht die Studie in erster Linie von den „Eigenschaften der Person als Risikofaktor” aus, die diese begünstigt. Der Automat ist also nicht die zentrale Ursache für eine Glücksspielstörung?

de Ausgewogenheit und Umsicht in den Zahl der Personen mit einer Glücksspiel- bleibt, verdeutlicht, dass die Entwick-

Umständen der Betroffenen herrührt und die große Mehrheit die Fähigkeiten barkeit des Automatenspiels sind daher

Die Studie räumt grundsätzlich mit dem Mythos der Verhältnisprävention auf, wonach das Spiel am Automaten per se schädlich sei und den Spielgast „süchtig“ zu machen drohe. Stattdessen unterstützen die Ergebnisse der umfassenden Befragungen von Experten, Spielgästen und Betreibern den suchtwissenschaftlich vorherrschenden Ansatz des Vulnerabilitäts-Risiko-Modells: Eine Glücksspielstörung entwickelt sich folglich dann, wenn eine bereits vulnerable, weil individuell anfällige oder aktuell/chronisch belastete Person, auf bestimmte Glücksspiel- und Umgebungsmerkmale trifft. Dass die Zahl der Personen mit einer Glücksspielstörung trotz eines erheblich gewachsenen Glücksspielangebots gemäß der BZgA-Erhebung 2020 seit Jahren stabil bleibt, verdeutlicht, dass die Entwicklung problematischen Spielverhaltens aus persönlichen Eigenschaften und Umständen der Betroffenen herrührt und die große Mehrheit die Fähigkeiten zum risikoarmen Spiel besitzt. Die nicht auf gefährdete Gruppen zielgerichteten Restriktionen bei Struktur und Verfügbarkeit des Automatenspiels sind daher kontraproduktiv. Sie helfen den Menschen mit Glücksspielstörung nicht und machen zugleich den legalen Markt für die unproblematisch Spielenden unattraktiv.

Und was heißt das unter dem Gesichtspunkt der Regulierung?

Prof. Bühringers verhaltenspräventiver Dreiklang überzeugt. Er bringt Spielerschutz und Kanalisierung in Einklang:

(1) Verbot der Teilnahme von Jugendli- enten Mehrheit der erwachsenen Spiel- ble Gruppen so früh wie möglich zu chen an Glücksspielen und schulische Stärkung ihrer Risikokompetenz, (2) Unterstützung der risikobewussten Teilnahme an Glücksspielen bei der resilienten Mehrheit der erwachsenen Spielgäste, (3) Stärkung der Maßnahmen und Forschung zur Früherkennung problematischen Spielverhaltens, um vulnerable Gruppen so früh wie möglich zu schützen.

Kommen wir zu den Defiziten der Regulierung. Die Spielverordnung verspricht Spielerschutz unter anderem durch Gewinn- und Verlustgrenzen, Spielunterbrechung nach drei Stunden, Einzeleinsatztaste und Informationsmaterial. Hinzu kommen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages wie etwa das Verbot der Mehrfachspielhallen. Die Studie sagt ausgerechnet über diese Regelungen, dass sie „überwiegend unwirksam beurteilt” werden. Diese Instrumente stünden außerdem nicht auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft, heißt es. In einer Literaturkritik wäre das ein kompletter Verriss. Die genannten Regelungen werden in der Tat negativ beurteilt. Die Studie belegt eine große Spannweite in der Geeignetheit und Wirksamkeit der geltenden

Spielverordnung

Nicht auf dem neuesten Stand

Prof. Dr. Gerhard Bühringer (TU Dresden) stellte die Studie zur Evaluierung der Spielverordnung im Rahmen der „Digitalen Bochumer Forschungswerkstatt für Glücksspiel und Gesellschaft“ (GLÜG an der Ruhr-Universität Bochum) vor. Sie ist online beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz abrufbar: bmwk.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Mittelstand/gewerberecht.html. Folgende zentrale Schlussfolgerungen (gekürzt) enthält die Studie:

Schlussfolgerung 1

Zusammenfassend überwiegen positive Einschätzungen gegenüber der Wirksamkeit der Regelungsinstrumente, wobei einige Einschätzungen erhebliche Unterschiede zwischen den befragten Gruppen aufweisen. Es besteht die Notwendigkeit einer evidenzbasierten Überprüfung zahlreicher Regelungen.

Schlussfolgerung 2

Die aktuellen Regelungsinstrumente basieren nicht auf dem neuesten Stand der Wissenschaft.

Schlussfolgerung 3

Insbesondere in Gaststätten sind deutliche Verbesserungen bei der Umsetzung aller Maßnahmen notwendig. Für alle Spielstätten sind eine bessere Umsetzung der Identitätsprüfung und eine wirksamere Verhinderung der Mehrfachbespielung notwendig.

Schlussfolgerung 4

Verbesserungen zur Reduzierung illegaler Spielangebote und -praktiken sind notwendig.

Schlussfolgerung 5

Verbesserungen in der Bekanntheit der Regelungsinstrumente sind für ein verantwortungsbewusstes und rechtskonformes Angebot bzw. für eine risikoarme Nutzung des Angebots notwendig. Zudem wäre eine Abstimmung der entsprechenden Gesetzgebung zwischen Bundesebene (SpielV) und Landesebene (GlüStV) zur Vermeidung regionaler Unterschiede der Regelinstrumente sinnvoll.

Schlussfolgerung 6

Die neuen Regelungsinstrumente der SpielV und des GlüStV, in Verbindung mit Defiziten in der Kontrolle der Umsetzung, scheinen keinen Beitrag zur Reduzierung des Anteils der Personen zu leisten, die die Screening-Kriterien für eine mögliche Störung durch Glücksspielen erfüllen. Notwendig sind zum einen bessere Maßnahmen zur Früherkennung und zum Schutz problematisch Spielender, zum anderen Forschungsprojekte zur Frage, inwieweit durch bessere Regelungsinstrumente der Anteil problematisch Spielender reduziert werden kann.

Schlussfolgerung 7 regulatorischen Einzelmaßnahmen in Bezug auf die Ziele des Spielerschutzes und der Suchtprävention. Positiv bewertet werden u. a. das Spielersperrsystem OASIS, die verpflichtenden Alterskontrollen sowie das gerätegebundene, personenungebundene Identifikationsmittel.

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