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Umweltverträgliche Materialien werden beim Bauen immer wichtiger

Nachhaltiges Bauen gewinnt im Sinne des Umweltschutzes an Gewicht. Bei der Nachhaltigkeit von Gebäuden spielen neben ihrem Energiebedarf und -verbrauch auch ökologische Baustoffe eine grosse Rolle. Als solche gelten recyclingfähige Materialien, die zudem leicht austauschbar und beim Abriss oder Rückbau der Gebäude gut trennbar sind.

Aber auch regional gewonnene Werkstoffe erhöhen die Umweltfreundlichkeit eines Gebäudes – denn je kürzer die Transportwege, desto weniger Ressourcen werden verbraucht. Nachhaltige Baustoffe zu erkennen und richtig einzusetzen, ist aber ohne Fachwissen gar nicht so einfach. Vor allem Technologien, von denen man sich einen hohen ökologischen Beitrag verspricht, stehen in letzter Zeit hoch im Kurs. Viele davon beruhen auf dem Prinzip: Aus Alt mach Neu. Auch beim Bauen ist Rezyklieren nicht mehr nur eine ökologische Notwendigkeit, es ist auch sehr modern. Dabei wird nicht selten aus Abfall im Rahmen des Möglichen Baumaterial gewonnen, denn er enthält wertvolle Bestandteile und ist in grossen Mengen vorhanden. Es wird auf diese Weise auch weit weniger Energie verbraucht und Kohlendioxid freigesetzt als bei der Herstellung von Beton, Stahl und Glas.

Baustoffe aus Abfällen

Ein erfolgreiches Beispiel stellt die Technologie eines Thurgauer Unternehmens dar, das den Werkstoff «Ecocell» entwickelt hat. Bei Materialprüfungen wurde festgestellt, dass der patentierte Verbundwerkstoff nicht nur feuerfest und wasserdicht ist, sondern auch vor Wärmeverlust und Lärm schützt. Die Elemente bestehen zu einem guten Teil aus wiederverwertetem Altpapier. Trotzdem weisen sie eine ausserordentliche Belastbarkeit auf. Darüber hinaus werden bei ihrer Herstellung nur ver-

gleichsweise geringe Mengen Kohlendioxid freigesetzt. Das Konstruktionsprinzip des Verbundsystems basiert auf der sogenannten Leichtbau-Verbund-Technologie. Zwischen einer oberen und unteren Deckplatte befindet sich eine sogenannte Betonwabe, das ist der Kern. Ihre filigrane Struktur ist Bienenwaben nachempfunden. Roh wiegt das Bauteil 50 Kilo pro Kubikmeter. Nach der mineralischen Beschichtung erhöht sich sein Gewicht auf 200 Kilo. Die Elemente werden dann beidseitig beplankt und nach dem Nut- und Feder-Prinzip verbunden. Dabei reicht ein leichtes Hebezeug zur Aufrichtung und Montage der Elemente. Das Trennwandsystem macht die Bauteile extrem flexibel. Sie eignen sich sowohl für Neubau- als auch für Umbauvorhaben.

Holz, Stroh und Co.

Zu den erwiesenermassen nachhaltigen Baustoffen zählen die meisten natürlich gewonnenen Materialien wie Holz, Lehm oder Natursteine. Auch pflanzliche Baumaterialien beispielsweise Reet, Jute, Stroh und Kies sowie Naturlacke und Kreidefarben tragen zur Umweltfreundlichkeit eines Hauses bei. Werden sie eingesetzt, hat dies auch positive Auswirkungen auf das Raumklima. Geht es um nachhaltiges Bauen, erlaubt Holz vermutlich die einfachsten Lösungen. Die holzverarbeitende Branche besitzt heutzutage so viel Erfahrung, dass Architekten und Unternehmen beim Bauen mit Holz den aktuellen Anforderungen gerecht werden. Holz hat sich in der Tat als Alleskönner erwiesen und dieser Vorteil ist auch auf die Eigenschaften des Baustoffs zurückzuführen. Mit Holz lassen sich derzeit technisch und formal neuartige Vorstellungen problemlos und zeitnah umsetzen. Zu den grössten Vorteilen des Holzbaus zählt die Tat-

Aus Abrisshäusern neue Gebäude erstellen

Architekten lassen heutzutage ihrer Kreativität auch dadurch freien Lauf, dass sie Gebäude aus rezyklierten Materialien planen. Ein Schweizer Baubüro zum Beispiel birgt schon seit geraumer Zeit gewisse Bauteile aus Abrisshäusern und baut sie in neue Gebäude ein. Andererseits entstehen mittlerweile auch Häuser in Modulbauweise. Dadurch werden Zeit, Kosten sowie Material gespart und der Schadstoffausstoss kann gesenkt werden. Wenn die Lebensdauer eines Gebäudes zu Ende ist, kann man Bauteile auseinandernehmen und wiederverwenden. Ziegel aus Plastik herzustellen ist die Geschäftsidee einer kolumbianischen Firma, die mit der Unterstützung des Kinderhilfswerks Unicef an der westafrikanischen Elfenbeinküste die schier unerschöpflichen Mengen an fortwährend entstehendem Plastikmüll sammelt, zerkleinert daraus Ziegelsteine herstellt. So können diese bei Bauprojekten wie Legosteine zusammengesteckt und später auch wieder auseinandergenommen werden.

sache, dass die geringen Masstoleranzen im Millimeterbereich diese Technik für die Vorfertigung prädestinieren. Wer die Umwelt und seine Nerven schonen möchte, für den ist der relativ zeitsparende Holzbau womöglich die richtige Entscheidung. Aus Holz lassen sich praktisch nicht nur alle möglichen Gebrauchsgegenstände fertigen, sondern auch Häuser. Heute wird dieses bewährte Material auf eine spezifische Weise wiederentdeckt. In den Vordergrund steht jetzt seine Eigenschaft als nachwachsender Rohstoff. Hölzerne Häuser zeichnen sich zudem durch einen hohen Sicherheitsgrad und eine lange Lebensdauer aus. Als weiterer Pluspunkt kommt hinzu, dass inzwischen Fassaden aus Holz gefertigt werden können, die in der Regel keinen grossen Unterhaltsaufwand erfordern.

Hölzerne Häuser zeichnen sich durch einen hohen Sicherheitsgrad und eine lange Lebensdauer aus.

Die bauphysikalischen Eigenschaften von Holz sind beeindruckend: Es ist leichter ist als Stahl und fast so druckfest wie Beton. Einheimische Baumarten erhöhen Ökobilanz

Holz zeichnet sich bekanntlich durch eine aussergewöhnliche Ökobilanz aus. Für das Wachstum brauchen die verschiedenen Baumarten einzig und allein geeignete Klimabedingungen. Um Holzmaterial zu gewinnen, braucht man weit weniger Energie als für die Herstellung von Stahl oder Aluminium. Auch die Betonherstellung ist aufwendig. Dieser Baustoff besteht aus Zement, bei dessen Herstellung sehr viel Energie verbraucht wird. Die Bestände der dazu benötigten verschiedenen Kies- und Sandarten, die sich überhaupt eignen, schrumpfen derzeit weltweit auf dramatische Weise. In der Schweiz wird am häufigsten das einheimische Fichtenholz beim Bau eingesetzt. Aus Nadelbäumen wie die Rottanne, die verhältnismässig schnell wächst und sich gut verarbeiten lässt, werden ebenfalls Gebäude erstellt. Als andere geeignete Nadelhölzer sind vor allem Lärche, Douglasie, Föhre oder Arve zu erwähnen.

Wie teuer sind ökologische Baustoffe?

Nachwachsende Rohstoffe können Kohlendioxid speichern. Holz etwa entzieht während seiner Wachstumsphase der Atmosphäre Kohlendioxid. Wer mit umweltfreundlichen Materialien baut, zahlt im Schnitt zwischen fünf und zehn Prozent mehr als für den Bau eines Massivgebäudes. Dafür ist der Energieaufwand bei der Herstellung von Ökomaterialien, anders als bei konventionellen Baustoffen, deutlich niedriger und die Mengen an freigesetztem Treibhausgas sind gering. Gebäude, die vollständig mit Baumaterial aus nachwachsenden Rohstoffen errichtet werden, derzeit noch nicht möglich. Hoch hinaus mit Holz

Gebäude mit Holztragwerk können sehr hoch gebaut werden und erweisen sich als ziemlich stabil. Dank technischer Neuerungen sind Holzhäuser Gebäuden aus Beton ebenbürtig. Hierzulande sind derzeit Holzgebäude bis zu sechs Etagen erlaubt. Der Rohbau eines Holzhauses wird in Holzbauweise erstellt. Das bedeutet, dass Wände, Dächer und Decken aus Holz bestehen. Die Oberflächen können sowohl aus Holz als auch aus anderen Werkstoffen sein. Beim Bau eines Holzhauses können Sockel aus Beton und Ziegel, Stein oder moderne Dämmstoffe für die Füllung der Wände verwendet werden. Ein in hybrider Bauweise errichtetes Gebäude kombiniert Holz mit Beton oder Stahl.

Mehr Wohnfläche mit Holzrahmen

Wird ein Holzhaus in Holzrahmenbauweise errichtet, kann über zehn Prozent mehr Wohnfläche gewonnen werden. Die Wandstärke fällt nämlich viel dünner aus als bei der Massivbauweise. Die bauphysikalischen Eigenschaften von Holz sind ebenfalls beeindruckend. Es ist bei gleicher Tragfähigkeit leichter ist als Stahl und fast so druckfest wie Beton. Dank neuer Verfahren werden die mechanischen Eigenschaften von Holz ständig verbessert. Die Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) haben mittlerweile einen neuen Ansatz entwickelt. Wenn dem Holz jener Teil entnommen wird, der ihm in der Natur seine Stabilität verleiht, kann es beliebig verformt werden und ist drei Mal stärker als natürliches Holz. Derzeit werden zahlreiche neuartige Holzwerkstoffe für die Errichtung von Gebäuden benutzt. Sie sind nicht weniger masshaltig, ästhetisch und tragfähig als ihre historischen Vorbilder, die seit Jahrhunderten das Erscheinungsbild vieler Schweizer Innenstädte prägen. Neben Sperrholzplatten sowie Span- und Faserplatten gehören auch grossflächige Holzwerkstoffe zum Angebot. Dank ihrer Struktur und technischer Eigenschaften können sie mit Massivholz erfolgreich konkurrieren. Die eingesetzten hochtechnologischen Methoden bringen die technische Weiterentwicklung im Holzbau voran. Sägewerke schneiden in einem ersten Schritt das Holz über Computersteuerung ein. Die einzelnen Holzqualitäten werden dann sortiert und nach Massvorgabe weiter bearbeitet.

Bewährte Pflanzen im Hausbau

Ein Gebäude aus ökologischen Materialien ist nicht nur für die Umwelt günstig. Die Bewohner können einen höheren Wohnkomfort geniessen. Neben Holz gelten Stroh, Schilf, Hanf und Flachs als ökologisches Baumaterial. Durch deren Einsatz wird die Gefahr von Allergien und weiteren Erkrankungen verringert und damit steigen die Chancen auf ein gesünderes Wohnen.

Stroh ist längst nicht nur Viehnahrung: Damit kann man Häuser bauen. Mit Strohballen lässt sich heute sogar fast das gesamte Gebäude erstellen. Damit können ganze Wände zwischen den tragenden Holzkonstruktionen gebildet werden. Diese Art zu bauen ist allerdings arbeitsaufwendiger als das Bauen mit Ziegelmauern. Der unschlagbare Vorteil: das Rohmaterial von den Feldern wirklich spottbillig. Dächer aus Holzschindeln oder Schilfrohr sehen attraktiv aus und sind in gewissen Regionen Tradition. Als Dämmstoffe eignen sich Flachs, Hanf, Jute, Holzfasern, Zellulose, Stroh oder sogar Schafwolle. Diese ökologischen Dämmmaterialien sollte man allerdings mit Vorbedacht wählen. Schafwolle etwa wird mit Flammschutzmitteln angereichert und dadurch reduziert sich ihr ökologischer Wert.

Vollständig kompostierbare Häuser

Hanf gilt als Alternative zu Zement, dessen Herstellung zu den emissionsintensivsten Industrieprozessen gehört. Das Innere des Hanfstängels, die Schäben, werden für den Bau mit Wasser, Kalk oder Lehm gemischt, dann werden daraus zum Beispiel Steine hergestellt. Am häufigsten wird Hanf auf dem Bau derzeit noch zur Dämmung als Alternative zu Mineralwolle eingesetzt. Experten zufolge stehen die baulichen Eigenschaften des Hanfs herkömmlichen Baustoffen in nichts nach. Allerdings braucht es ergänzende Materialien wie Holz, um die Last eines Gebäudes abzutragen. Hanfkalksteine und Hanfwolle bieten eine gute Dämmung, gleichen Feuchtigkeit und Temperaturunterschiede aus und eignen sich zum Beispiel auch besonders für Erdbebenregionen. Der vielleicht grösste Vorteil: Häuser aus Hanf können komplett kompostiert werden. Lehm eignet sich sowohl für die Aussenwände, als auch für die inneren Wände. Er enthält keine Schadstoffe und absorbiert Gerüche. Ausserdem sorgt er für ein gemütliches Raumklima. Werden Innenwände mit Lehm verputzt, nimmt dieser Wärme und Feuchtigkeit aus der Raumluft auf. Wenn die Luft wieder trocken wird, gibt er sie ab. Bis vor Kurzem war Bambus lediglich für den Möbelbau reserviert, da Bambusstangen als tragendes Material ungeeignet sind. Mittlerweile wurde ein Verbundmaterial aus Bambusfasern entwickelt, der sogenannte «Bambusstahl». Genau wie die herkömmlichen und schweren Stahlelemente könnten diese leichteren Varianten auch im Gebäudebau Einsatz finden.

Indikatoren für Nachhaltigkeit

Als nachhaltig gelten Baustoffen, die aus nachwachsenden, gut rezyklierbaren und langfristig verfügbaren Rohstoffen bestehen. Ins Gewicht fällt ferner die möglichst geringe Umweltbelastung bei der Produktion. Um leichter feststellen zu können, wie nachhaltig Baustoffe sind und welche Umwelteinflüsse bei der Herstellung auftreten, gibt es die sogenannten Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declaration, EPD). Die darin aufgeführten ökobilanzbasierten Indikatoren helfen dabei, die Auswirkungen einzelner Produkte oder Baustoffe etwa auf den Treibhauseffekt oder den Verbrauch an grauer Energie darzustellen.

Keine Zukunftsmusik mehr: Klimafreundlicher Beton

Bedauerlicherweise landen Abfälle aus der Bauindustrie meistens auf der Deponie. Dabei ist es heute technisch möglich, aus gemahlenem Bauschutt, Plastikbausteinen oder gepresstem Papier beispielsweise neue Ziegel zu gewinnen. Derzeit wird erforscht, wie gut sich gemahlenes Glas für die Herstellung von Beton eignet. Erste Erfolge wurden bei der Herstellung von Recyclingbeton verzeichnet. Einem Cleantech-Unternehmen in der Schweiz ist es gelungen, eine Technologie für Recyclingbeton zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Dabei wird aus der Atmosphäre abgeschiedenes Kohlendioxid dauerhaft in einem Granulat aus Abbruchbeton gebunden. Das derart angereicherte Betongranulat wird anschliessend zur Produktion von Frischbeton verwendet. In jedem produzierten Kubikmeter Recyclingbeton werden so mehr als zehn Kilogramm Kohlendioxid gespeichert. Zu den ersten Projekten, die mit dem neuartigen Beton realisiert werden sollen, gehört eine Berner Volksschule. Die Entwicklung klimafreundlicher Baustoffe entspricht den Zielen der schweizerischen Klimapolitik zur Reduzierung der CO2-Emissionen.

Ein Gebäude aus ökologischen Materialien ist nicht nur für die Umwelt günstig. Die Bewohner können auch einen höheren Wohnkomfort geniessen.

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