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Wirtschaft
«St.Gallen trifft auch beim Mittelstand nicht» Gemäss einer aktuellen Studie des St.Galler Hauseigentümerverbands HEV hat der Kanton bei der Standortqualität gegenüber anderen Landesteilen stark an Terrain verloren. SP, Grüne und der Mieterverband kritisierten die Studie umgehend und bezeichneten sie unter anderem als «aus der Zeit gefallen». Macht der HEV Politik von gestern?
Nachdem sich der HEV Kanton St.Gallen bereits in zwei Vernehmlassungsverfahren (Revision des kantonalen Richtplans 2016 und der Gesamtverkehrsstrategie 2017) kritisch darüber geäussert hat, ob die kantonalen Leitplanken punkto Raumentwicklung und Verkehrspolitik in die richtige Richtung weisen würden, hat er in der «Studie Wohnstandort Kanton St.Gallen» (April 2021) untersucht, inwieweit die damals geäusserten Bedenken und Hinweise Bestand haben. Gemäss den Studienergebnissen steht es in vielen Belangen noch schlechter, als der HEV bislang befürchtet hatte. Vor allem müssen die Erreichbarkeit verbessert, die verfügbaren Entwicklungsflächen ausgebaut und die steuerlichen Rahmenbedingungen optimiert werden. Das sehen SP, Grüne und der Mieterverband anders und kritisieren die Studie heftig. HEV-Geschäftsführer Remo Daguati hält nicht viel von dieser Kritik.
«In der Stadt St.Gallen sind die Steuern der vierthäufigste Wegzugsgrund.» Remo Daguati, von linker Seite hiess es unter anderem, dass Ihre Studie «aus der Zeit gefallen» sei. Gerade die Erfahrungen der Pandemie würden zeigen, dass es dank Homeoffice und Videokonferenzen zumindest im Dienstleistungsbereich Alternativen zum Arbeitspendeln gebe. Das ist doch nicht falsch, oder? Wir haben die Auswirkungen von Covid in der Studie ebenfalls sachlich beleuchtet. Wie gross der Effekt der Pandemie auf die Pendlerströme sein wird, ist bis heute noch offen. Sicher ist, dass der motorisierte Individualverkehr ein wichLEADER | Mai 2021
tiger Verkehrsträger bleibt. Dieser wird immer ökologischer und dank intelligenter Fahrassistenz-Systeme noch sicherer. Für kurze Distanzen hat während der Pandemie das Velo zulasten des Fussverkehrs deutlich zugelegt, da spielt auch der Effekt der Elektrobikes. Grosser Verlierer war der öffentliche Verkehr. Der öV hat vor allem wegen der Homeoffice-Pflicht verloren. Aber Homeoffice wird immer beliebter – nicht nur bei den Arbeitnehmern. Das ist richtig und Homeoffice wird auch wichtig bleiben. Aber machen wir uns nichts vor: Menschen werden auch in Zukunft bei der Arbeit zusammentreffen wollen, damit Ideen für erfolgreiche Geschäftsfelder im Team und im persönlichen Austausch entstehen. Gerade für eine Wirtschaftsregion wie St.Gallen mit starkem Produktionssektor ist Homeoffice nicht immer eine Alternative. Eine Präzisionsmaschine lässt sich nicht von zuhause aus aufbauen. Die SP lehnt einen Ausbau des Individualverkehrs konsequent ab. Dieser sei nicht die Mobilität der Zukunft. Links-grüne Kreise spielen die Verkehrsträger immer gegeneinander aus, anstatt sie intelligent zu kombinieren. Wir sollten die besten Verkehrsträger für die zu bewältigende Strecke und den entsprechenden Reisezweck kombinieren. Ich habe seit Kurzem eine PV-Anlage auf unserem Hausdach und lade meine Fahrzeuge selber, clevere Assistenzsysteme schützen hoffentlich vor Unfällen, mein Kleinstwagen braucht wenig Platz. Technologische Entwicklungssprünge werden uns weiter bringen, wohl aber kaum ein kategorisches Ausbremsen des wichtigsten Verkehrsträgers für unsere Erreichbarkeit durch die Linken. Was mich schmunzeln lässt: Ausgerechnet die SP-Vertreter im St.Galler Stadtrat haben die Entwicklung des städtischen öV komplett verschlafen. Die städtische S-Bahn ist ein