LEADER November 2021

Page 38

38

Wirtschaft

Aus St.Gallen ins All Der gelernte Fahrzeugmechaniker und studierte Ökonom Christian Schmidli aus St.Gallen hat ein Verfahren entwickelt, mit dem Metall- und Kunststoffteile halt- und belastbarer gemacht werden können. Dank seiner Kältebehandlung halten etwa auch Satellitenkomponenten länger.

Christian Schmidli, Ihr Start-up Cserv (Cryogenic Services) hat sich auf Kryogenik spezialisiert. Was ist Kryogenik? Kryogenik ist abgeleitet vom griechischen Wort «cryo» – «Kälte». Mit dem Verfahren werden Materialien und Komponenten kontrolliert äusserst tiefen Temperaturen ausgesetzt. Dabei laufen verschiedene Vorgänge ab, welche die Produkte stärker und langlebiger machen. Schweizer Uhrmacher haben das Verfahren in einfacher Form schon im letzten Jahrhundert zu Hilfe genommen: Sie lagerten Uhrwerksteile über längere Zeit im Eis mit der Absicht, das Endprodukt noch präziser zu machen. Obwohl das Verfahren also nicht unbekannt ist, wird es wenig angewendet. Cserv ist aus Ihrer Tätigkeit im internationalen Kartrennsport entstanden – Sie tunen seit Jahren Karts Ihres Sohnes Titus-Shanghai Schmidli (*2002). Wie sind Sie auf die Idee gekommen, dass Karts dank Kryogenik schneller werden können? Im Motorsport geht es um Hundertstelsekunden, die über Sieg oder Niederlage entscheiden. Unsere Tuningwerkstatt ist eine der modernsten, und wir arbeiten mit den besten Industriepartnern aus England, Italien und den USA zusammen. Dieses Netzwerk ermöglicht Weiterentwicklungen auf hohen Niveau, die auch Tests auf dem Prüfstand und auf der Rennbahn beinhalten. Mittlerweile schicken uns Teams aus Neuseeland ihre Motoren, um sie zu verbessern. Zu Ihrer Frage: In einem ersten Verfahren haben wir mithilfe eines speziellen Keramikverfahrens Tribologie und Stärke von Komponenten verbessert. Der nachfolgende Schritt in die Kryogenik hat uns geholfen, noch bessere und stabilere Resultate zu erreichen. Dazu haben wir über aufwendige Laboruntersuchungen verschiedene Temperaturprofile für spezifische Materialien herausgearbeitet. Einer unseren früheren Sponsoren, ein renommierter Schweizer Uhrenhersteller, ist an der Kombination des Keramikverfahrens mit der Kryogenik ebenfalls interessiert. Dieser Austausch ist für alle eine Win-win-Situation. Die APM Technica AG aus Heerbrugg von Unternehmerpreis-Gewinner Arthur Philipp ist einer der Hauptsponsoren Ihres Sohnes. Wieviel Technik von APM steckt in TitusShanghais Kart? Sehr viel! Die APM Technica hat eines der modernsten Labore für Entwicklung und Testen von Klebstoffen und Materialien. LEADER | Nov./Dez. 2021

Die APM-Spezialisten hatten bei der Entwicklung des Keramikverfahrens einen grossen Anteil, weil wir die Oberflächen der verschiedenen Materialien am Motor und Chassis untersuchen und verbessern konnten. Arthur Philipp hatte schon in seinem Studium mit dem Kryogenik-Verfahren zu tun und war angetan von meinen Plänen, Kryogenik-Know-how in der Ostschweiz aufzubauen. Es ist auch deshalb eine Winwin-Situation, weil die APM in den letzten drei Jahren viel in die Satellitenentwicklung investiert hat und ich zum gleichen Zeitraum angefangen habe, mich mit der Tieftemperaturbehandlung auseinanderzusetzen. Als ich Mitte 2020 Arthur Philipp mitgeteilt habe, dass ich beabsichtige, in eine Kryogenik-Anlage investieren, war er sehr interessiert.

«Uhrmacher haben das Verfahren in einfacher Form schon im letzten Jahrhundert zu Hilfe genommen.» Werkstoffspezialisten gehen aber wohl mit anderen Fragen und Ansprüchen an das Kryogenik Verfahren heran? Ja. Zum Beispiel konnten wir zwar Verbesserungen an unseren Motoren auf dem Prüfstand messen, aber durch traditionelle Messmethoden im Labor keine Änderungen feststellen … ­Daraufhin haben die Spezialisten von APM ein Messverfahren gefunden, das die Änderungen durch die Kryogenik genau aufzeigen. Das dürfte weltweit eine der einzigen Messmethoden dieser Art sein. Jetzt produziert die APM Technica auch Ausrichtmodule für Satelliten, die in Laser-Terminals für die Kommunikation bei Satelliten eingesetzt werden. Diese Module richten Laserstrahlen für die Informationsübertragung hochpräzis zwischen Erde und Satellit sowie zwischen einzelnen Satelliten aus. Behandelt die Cserv auch Komponenten für diese Module? Ja. Ich darf hier zwar keine Details preisgeben. Tatsächlich werden aber auch von uns Kryogenik-behandelte APM-­ Komponenten in Satelliten eingesetzt.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.