Neue Klage gegen Veröffentlichung Mannheim. Ein weiteres Beschwerdeverfahren im Zusammenhang mit dem Paragrafen 40 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzbuches ist beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim anhängig. In dem Eilrechtsstreit wehrt sich ein Gastronom aus Schriesheim im Rhein-NeckarKreis dagegen, dass amtlich festgestellte Mängel bei der Betriebshygiene vom zuständigen Landratsamt im Internet veröffentlicht wurden. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte dessen Eilantrag stattgegeben (Az.: 5 K 3056/12). Die Behörde wiederum will die Rechtmäßigkeit der Eintragung jetzt von der nächst höheren Instanz prüfen lassen (Az.: 9 S 2423/12). In einem gleichfalls beim VGH Mannheim anhängigen Beschwerdeverfahren haben sich die Kontrahenten, die Stadt Pforzheim und ein betroffener Gastronom, außergerichtlich geeinigt. Das Verfahren wurde eingestellt. hkr/lz 51-12
Keine Versicherung mehr bei Tchibo
Presse
Hamburg. Tchibo darf keine Versicherungen und Finanzdienstleistungen im Internet verkaufen. Das hat das Oberlandesgericht Hamburg entschieden (Az.: 408 O 95/ 09) und die Berufung der Tchibo Direct GmbH zurückgewiesen. Tchibo fungiere (wie in einem früheren Fall schon Penny; lz 21-08) verbotenerweise als Vermittler und nicht als Tippgeber. Mur/lz 51-12
RECHT
LZ 51 21. Dezember 2012
Öffentlicher Pranger statt Rechtsstaat Kritik an neuem LFGB – Schmähkritik der Behörden ist unzulässig / Von Alfred Hagen Meyer Frankfurt. Das Lebensmittelgesetzbuch (LFGB) verpflichtet die Behörden seit Oktober, Beanstandungen vor allem hygienischer Mängel mit dem Namen der betroffenen Unternehmen zu veröffentlichen. Der Autor beurteilt die behördliche Praxis als oft unzulässig.
Sicher essen in Berlin: Ein Betroffener wehrte sich erfolgreich gegen solche Bewertungen.
Es mehren sich Gerichtsbeschlüsse über Schmähkritiken der Behörden nach Paragraph 40 (1)a LFGB: zuerst (zumindest mittelbar) Verwaltungsgricht (VG) München in Sachen „vinzenzmurr“, dann VG Regensburg, VG Oldenburg, VG Karlsruhe und zuletzt pflicht des Staates für Leib und Leben VG Berlin. Kein Wunder, der Mob will Köpfe von Menschen gegenüber. Aber es gibt rollen sehen. Ein „Gastwirt außerhalb kein verfassungsrechtlich verbürgtes des Schutzbereichs der Verfassung“, Informationsrecht von Verbrauchern so ein Landesministerium, müsse ge- oder eine objektive verfassungsrechtoutet werden. Meist hinterfragen die liche Informationspflicht des Staates, mithin kein gleichGerichte noch nicht rangiges, verfasdie Rechtstaatlichsungsrechtlich gekeit der behördli- „Ein Akt der Hilflosigkeit schütztes Rechtsgut. chen Veröffentli- und Ausdruck erschreDementsprechend chungen. Wie auto- ckender Unkenntnis“ ist eine öffentliche matisch berufen sie Berichterstattung sich in München, Regensburg und Oldenburg auf die über Ermittlungsverfahren bislang nur Kommentierung von Boch (LFGB, in: in wenigen Fällen zulässig. Der Grundsatz der VerhältnismäDas Deutsche Bundesrecht), nicht ahnend, dass der Zitierte nicht frei von ßigkeit und die komplementär dazu Unschuldsvermutung Interessenkonflikten ist: Er ist Haus- garantierte jurist des BMELV und hat das LFGB müssen strikt beachtet werden. Denn Informationen über Ermittlungsver2005 maßgeblich mit konzipiert. Der Gesetzgeber selbst weiß sehr fahren belasten die Betroffenen nachwohl um die fehlende Rechtskonfor- haltig und haben großen negativen mität mit Verfassungsrecht und EU- Einfluss auf das Ansehen des UnterRecht. Auf der Ebene des Grundgeset- nehmens und seine Marktchancen. zes steht dem Persönlichkeitsrecht des Nicht zuletzt den verbindlichen Unternehmens allenfalls eine Schutz- Vorgaben der Europäischen Men-
schenrechtskonvention geschuldet lassen die Regeln der Strafprozessordnung deshalb nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen eine Information von Nicht-Verfahrensbeteiligten während laufender Strafverfahren zu. Wenn dagegen nun Informationen, wie vom LFGB vorgeschrieben, schon im Vorfeld von Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfahren offengelegt werden, verletzt dies nicht nur Grundrechte, sondern desavouiert auch die staatliche Autorität der Ermittlungsbehörden. Verfassungsmäßig verbürgte Schutzrechte der Unternehmen dürfen nicht hinter das Kriterium der Verfahrensbeschleunigung bzw. der schnellen Informationsoffenlegung zurücktreten, der eigentlichen Motivation des Gesetzgebers (BTag Drucksache 17/ 7374). Der Bundesrat empfahl daher, „das Informationsrecht sollte nur für verbrauchergefährdende oder -schädigende, objektive Norm- oder Anforderungsabweichungen gelten“ (BRat,
Drucksache 454/1/11, Empfehlungen der Ausschüsse). Die Bundesregierung setzte sich über die geäußerten Bedenken hinweg. Die Eingriffsschwelle eines Bußgelds von 350 Euro ist nicht nur willkürlich gewählt; bedenklich ist zudem, dass jedes Gericht wegen der Ankündigung eines Bußgelds vor Verhandlungsbeginn wegen Befangenheit abgelehnt werden könnte. Der amtlichen Begründung und den Äußerungen der anderen am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten lässt sich auch nicht entnehmen, an welches deviante, renitente Verhalten der Gesetzgeber dachte. Als Akt der Hilflosigkeit und zugleich Ausdruck erschreckender Unkenntnis entsprechender Kennzeichnungs- und Rezepturvorschriften nennen der Bundsrat und die Bundesregierung als vermeintlich typische Verstöße die sogenannten Käse-Imitate und den Analogschinken. Es ist nahezu kein Fall bekannt, dass vorverpackte Lebensmittel unzureichend gekennzeichnete Käseimitate enthielten. Die von der Verbraucherzentrale Hamburg genannten Fälle waren meist lose Ware, für die eben keine Kennzeichnung vorgeschrieben ist. lz 51-12
F O T O : P R I VAT
Lebensmittel Zeitung
S C R E E N S H O T: B E R L I N . D E
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Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer ist Gründer und Partner der auf Lebensmittelrecht spezialisierten Kanzlei Meyer Rechtsanwälte und Lehrbeauftragter an der Technischen Universität München.
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