ÜBERWACHUNG AKTUELL Der Kampf gegen die Windmühlen Thomas Mettke
Von dem guten Glücke, welches der tapfere Don Quixote in dem gräulichen und unerhörten Abenteuer mit den Windmühlen hatte. 1. Don Quixote Indem sahen sie wohl 30 bis 40 Windmühlen, die hier auf dem Felde standen und so wie sie Don Quixote erblickte, sagte er zu seinem Edelknaben. „Das Glück führt unsere Sache besser als wir es nur wünschen konnten, denn siehe Freund Sancho Pansa, dort zeigen sich dreißig oder noch mehr ungeheure Riesen, mit denen ich eine Schlacht zu halten gesonnen bin und ihnen allen das Leben zu nehmen. Welche Riesen? fragte Sancho Pansa, Die du dorten siehst, antworte sein Herr mit den gewaltigen Armen, die zuweilen wohl zwei Meilen lang sind. Seht doch hin gnädiger Herr, sagte Sancho, dass das, was da steht keine Riesen, sondern Windmühlen sind und was ihr für die Arme haltet sind die Flügel, die der Wind umdreht, wodurch der Mühlenstein in Gang gebracht wird. Es sind Riesen, antwortet Don Quixote. Mit diesen Worten gab er seinem Pferd Rosinante die Sporen, ohne auf die Stimme seines Edelknaben Sancho zu achten, der ihn noch immer nachrief, dass es ganz gewiss Windmühlen und nicht Riesen wären, was er angreifen wollte. Zugleich erhob sich ein kleiner Wind, der die großen Flügel in Bewegung setzte. Als Don Quixote dies gewahr wurde, sprengte er, in der Rechten die Lanze mit Rosinante im vollen Galopp auf die vorderste Windmühle los und gab ihr einen Lanzenstich in den Flügel, den der Wind so heftig herumdrehte, dass die Lanze in Stücke sprang. Pferd und Reiter aber eine große Strecke über das Feld weg geschleudert wurden. „Don Quixote in der Küche“ so lautet ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung. Der Lebensmittelkontrolleur Rudolf Wilkens schaut in Töpfe, Kühlräume, in Ställe doch es gibt zu wenige Prüfer wie ihn. Wer betrügen will hat leichtes Spiel, aus dem Alltag eines Lebensmittelkontrolleurs. Die Kontrollen sind vielseitig. Er tastet Schwarzbrotkästen ab, sucht nach Spuren von Schadnagern, öffnet Schubladen und Türen, er spürt dann noch Rost im Garraum auf, liest die Hygienezeugnisse der Verkäuferin und prüft, ob die Thermometer in den Kühltruhen richtig eingestellt sind. Die Temperaturkontrollen müssten in einem Meldeschein vermerkt sein. Der Lebensmittelkontrolleur verteilt ein Merkblatt; alles gut. Dann steigt Wilkens in sein Auto, der Verkäufer winkt ihm nach, fünf Minuten später könnte er sämtliche Temperaturprotokolle für die nächsten Tage im Voraus ausgefüllt haben.
Der Lebensmittelkontrolleur
Don Quixote will immer der Gerechtigkeit zum Durchbruch verhelfen, aber am Ende kämpft er 5 stets den Kampf gegen ein undurchdringliches System. 2. Die zwiespältige Welt der Medien Alles was wir über Lebensmittelskandale wissen, wissen wir über die Massenmedien. Wie wahr! Es ist erst wenige Tage her, dass die apokalyptischen Reiter „Pferdefleisch in Lasagne, falsche Bio-Eier, vergiftete Milch durch verschimmelte Futtermittel“ die Verbraucher heimgesucht haben. Für die Medien ist es einmal mehr ein Zeichen für das Systemversagen in der Lebensmittelwirtschaft schlechthin. Neu ist, dass die Empörung nicht nur die Lebensmittelwirtschaft, sondern auch die Lebensmittelüberwachung gleichermaßen trifft. Einmal mehr folgt der politische Ruf nach neuen Vorschriften für Kennzeichnung und Herkunft, als könnten damit kriminellen Machenschaften begegnet werden und als gäbe es nicht bereits Vorschriften im Übermaß. Für die Verbraucher aber wird „Lebensmittelsicherheit“ durch die Berichterstattung in den Medien geprägt. Welches Bild vermitteln uns nun aber die Medien? Anlässlich der Grünen Woche erschien in der Süddeutschen Zeitung ein Kommentar mit dem Titel „Es ist angerichtet“. Zwar seien Lebensmittel so sicher wie nie zuvor, hieß es darin, aber die Ernährungsindustrie stehe dennoch zu Recht in der Kritik. Ernährungsbedingte Krankheiten machten inzwischen einen Großteil der Kosten im Gesundheitssystem aus. Ursache dafür seien ungesunde Nahrungsmittel, die zu fett, süß oder salzig sind und falsche Ernährungsgewohnheiten. Konsumenten hätten auch längst den Überblick im Warendschungel verloren. Auch die Werbung führe Konsumenten systematisch in die Irre, etwa mit idyllischen Bildern von Bauernhöfen, auf denen die Kühe noch von Hand gemolken werden etc. Ganz anders, ein weiterer Kommentar ein Jahr später, ebenfalls im Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung, unter dem Titel: „Windbeutel und Wahrheit“. Wenn es um Lebensmittel gehe, heißt es darin, verstehen die Deutschen keinen Spaß. So sei es zwar mehr als ärgerlich, wenn sich etwas Erdbeerjoghurt nennen darf, das keine Erdbeeren enthält, oder Putenwurst, obwohl auch Schwein drinsteckt. Aber letztlich sei es immer Sache der Eltern für ihre Kinder zu entscheiden, was im Einkaufskorb landet. Man lerne bereits in der Grundschule, dass man nicht alles glauben darf, was die Werbung verspricht, schließlich wusch Persil in Wahrheit ja auch nicht weißer als Weiß. Wer glaubt, Werbung müsse den Verbraucher sachlich informieren, habe den Sinn nicht verstanden. Sie dient nicht
dazu über ein Produkt aufzuklären, sondern es anzupreisen. Umso früher Kinder das lernten, umso größer sei die Chance, dass sie sich zu kritischen Konsumenten entwickeln. Auch einen zu hohen Zucker-, Fett- oder Salzkonsum könnten die Verbraucher leicht vermeiden; sie müssten nur auf die Verpackung schauen. Da sei fein säuberlich aufgelistet, wie viel Zucker, Fett, Salz und Kalorien enthalten sind. Wem das egal sei, wer trotzdem zugreift, einfach weil es ihm schmeckt, der habe keinen Grund sich zu beschweren. Also zwei völlig unterschiedliche Kommentare im Wirtschaftsteil einer überregionalen Zeitschrift. Über das Lebensmittelangebot werden somit an die Bevölkerung laufend die unterschiedlichsten Signale gesendet. Vom Hohelied über höchste Qualität bis zum Verruf wegen totalen Versagens. 3. Das sichere Lebensmittel – das schöne Bild Allgemein besteht Übereinstimmung „Unsere Lebensmittel sind so sicher wie nie zuvor“. Dafür gibt es einen guten Grund. Seit dem ersten Nahrungsmittelgesetz von 1879 funktioniert die Lebensmittelikontrolle im Hinblick auf den Gesundheitsschutz in Deutschland zuverlässig und zwar nicht nur im Rahmen der staatlichen Lebensmittelüberwachung, sondern auch im Qualitätsmanagement der Unternehmen. Maßgeblich dafür ist das Berufsbild der Lebensmittelchemiker. Bezeichnend dafür zum Beispiel ist, dass schon 1883 die freie Vereinigung bayrischer Vertreter der angewandten Chemie die Ausarbeitung einheitlicher Untersuchungsmerkmale und Beurteilungskriterien zu einem ihrer Hauptpunkte erklärte. Weitere Vereinigungen kamen hinzu. Es wurden Standards und Qualitätsdefinitionen erarbeitet, die die Grundlage reichseinheitlicher Standards bildeten. In diese Arbeiten waren auch die Fachverbände der Lebensmittelwirtschaft einbezogen. Die Nahrungschemiker, schreibt Vera Hierholzer, waren die Garantie für eine sorgenfreie, geregelte Nahrungsmittelversorgung. Sie sind es noch heute. Marketing und Werbung sind dagegen in ihrer gegenwärtigen Dimension Kinder der Überflussgesellschaft seit den 60er Jahren des vorherigen Jahrhunderts. Hier gilt es neben dem Qualitätsversprechen besondere Kaufanreize zu schaffen. Die staatliche Lebensmittelkontrolle ist mit ihrer gegenwärtigen Ausstattung nicht gerüstet, um die Werbestrategien der Unternehmen letztlich zuverlässig beurteilen und kontrollieren zu können. Hier liegen auch die Gründe für das Internetportal „Klarheit und Wahrheit“. Das Internetportal hat hef2/2013 - 3