Novel Food – Die Riskantheit des Risikos

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Ausgabe 1/2014

Novel Food – Die Riskantheit des Risikos Zum Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der Novel Food-Verordnung Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer & Hanna Knörnschild

Erneuter Versuch Ein erster Versuch der Reform der Novel Food-Verordnung 258/97 scheiterte 2010 am Thema Klonen und dem Veto des Europäischen Parlaments hierzu. Das Europäische Parlament hatte sich bei der Abstimmung zur zweiten Lesung am 7. Juli 2010 nochmals mit großer Mehrheit für ein Verbot von Lebensmitteln, die aus geklonten Tieren oder deren Abkommen gewonnen werden, ausgesprochen. Dabei hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bereits im Jahr 2008 festgehalten, dass das Fleisch und die Milch gesunder geklonter Tiere in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit nicht anders zu bewerten sei als entsprechende Erzeugnisse nicht geklonter Tiere (EFSA Journal (2008) 767, 1-49; „Update on the state of play of animal cloning“, EFSA Journal 2010:8(9):1784) . Ohne Sinn für das praktisch Notwendige wurde kompromisslos hierum gestritten; dabei ließ es das Parlament darauf ankommen, dass die notwendige Reform der Novel Food-VO scheiterte. Dabei ist eine Revision der Novel FoodVO (weiterhin) längst überfällig (s. hierzu ausführlich Europäische Kommission,

Impact Assessment for a Regulation Replacing Regulation No 258/97 on novel food and food ingredients, COM(2007) 872 final, SEC(2008) 13). Da die Europäische Kommission bzw. die Mitgliedstaaten, mit dem Unbekannten (novel) hadernd, bislang keine rechte Traute hatten, dauern unter dem Regime der jetzigen Novel Food-Verordnung Zulassungsverfahren für neuartige Lebensmittel viel zu lange; die Verfahrensdauer beträgt zwischen 16 (Trehalose; Entscheidung 2001/721/EG, ABl. L 269/17, 10.10.2001) bis gar 60 Monate (Roggenbrot mit Phytosterin-/Phytostanolzusatz; 2006/59/EG, ABl. L 31/21, 3.2.2006). Für jeden Unternehmer rechnet sich aber eine Innovation dann nicht, wenn zwischen Idee und Produktrealisierung mehr als 3 Jahre vergehen. Berücksichtigt man ferner eine durchschnittliche Produktlebensdauer von maximal 10 Jahren ist der Zeitaufwand für das Zulassungsverfahren (von den Kosten ganz zu schweigen) wirtschaftlich unrentabel und insoweit innovationshemmend. Hintergrund für die lange Verfahrensdauer sind zum einen fehlende Fristvorgaben zur Bearbeitung der Anträge sowie die unnötig

mehrfachen Sicherheitsprüfungen auf nationaler (Erstprüfungsbehörden) und gemeinschaftlicher Ebene (EFSA). Diesen Fokus auf das praktisch Notwendige ließen die stets nach der Tagespolitik schielenden Politiker außer Acht. Zwischen den gesetzgebenden Institutionen nahmen insbesondere die Themen Nanotechnologie und Klonen einen Stellenwert ein, der weit über ihre praktische Bedeutung hinausging; die Debatten waren maßgeblich geprägt von (bloßen) ethischen und politischen Vorbehalten. So geht (Sinn freier) Verbraucherschutz jedoch baden. Am 18.12.2013 veröffentlichte die Europäische Kommission nun einen neuen Vorschlag für eine Verordnung über neuartige Lebensmittel (nachfolgend „NFV n.F.“) und, davon gesondert, am 20.12.2013 eine Richtlinie über das Klonen von Tieren. Die bisher geltende Novel Food-Verordnung (EG) Nr. 258/97 soll laut Erwägungsgrund 3 und gem. Art. 28 NFV n.F. zusammen mit der VO (EG) Nr. 1852/2001 aufgehoben und durch die Neufassung ersetzt werden. Das Hauptziel des Verordnungsvorschlages ist es nach Art. 1 Abs. 1 das „reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes sicherzustellen und gleichzeitig ein hohes Maß an Schutz der Gesundheit und der Verbraucherinteressen zu gewährleisten“. Gleichzeitig erwähnt die sowohl dem Entwurf beigefügte Begründung als auch Erwägungsgrund 23 der NFV n.F. die Absicht, Innovationen in der EU-Lebensmittelindustrie zu fördern. Dieser Erwartung wird der Verordnungsentwurf jedoch leider nicht gerecht.

Risikorecht Dauer für Novel Food Safety Assessment und Zulassungsverfahren; Beispiele: 2001/721/ EG = Trehalose (ABl. L 269/17, 10.10.2001) 2006/59/EG = Roggenbrot mit Phytosterin-/Phytostanolzusatz (ABl. L 31/21, 3.2.2006)

Sagte die bisherige, seit 15. Mai 1997 geltende NFV 258/97 nichts über die (zu © Copyright

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Ausgabe 1/2014 prüfenden) Sicherheitskriterien aus, so sollen nach Erwägungsgrund 17 des Revisionsvorschlags neuartige Lebensmittel in der Europäischen Union nur dann zugelassen und verwendet werden, wenn sie den in der Verordnung festgelegten Kriterien genügen. Diese Kriterien sind jedoch lediglich floskelhaft in Art. 10 Abs. 1 lit. a und b NVF n.F. für neuartige Lebensmittel und in Art. 16 Abs. 2 lit. a und b NFV n.F. für traditionelle Lebensmittel aus einem Drittland geregelt. Sie stellen auf die Sicherheit und die Unbedenklichkeit der Lebensmittel ab, lassen jedoch weiterhin offen, wie diese bewertet werden.

fest stehen, ist unklar, wie der Lebensmittelunternehmer im Genehmigungsverfahren die gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c NFV n.F dem Antrag beizufügenden wissenschaftlichen Daten, die belegen, dass das neuartige Lebensmittel kein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit darstellt, erbringen soll.

Der Vorschlag – im Vergleich zur jetzigen Situation der unnötigen mehrfachen Sicherheitsprüfungen auf nationaler (Erstprüfungsbehörden) und gemeinschaftlicher Ebene (EFSA) – zukünftig ein zentralisiertes Verfahren vor (Art. 9 Abs. 1 NFV n.F.). Des Weiteren soll die Länge des Zulassungsverfahrens von durchschnittSicherlich dürfte sich die Sicherheitsprü- lich 3 Jahren auf 18 Monate verringert fung der Novel Food auf eine toxikologi- werden. Aber auch hier wird eine Hintersche und ernährungsmedizinische tür offen gelassen. Wird die EFSA um ein Bewertung erstrecken. In Egr. 20 des vor- Gutachten ersucht, was wohl bei allen liegenden Vorschlags der Kommission Anträgen, die eine Sicherheitsbewertung heißt es hierzu aber nur lapidar, dass die erfordern der Fall sein wird, hat diese in „Kriterien für die Bewertung der möglinicht näher definierten ‚ausreichend chen Sicherheitsrisiken im Zusammenbegründeten Fällen’ gem. Art. 10 Abs. 3 hang mit neuartigen Lebensmitteln [erst und 16 Abs. 4 NFV n.F. die Möglichkeit, noch] festgelegt werden“ sollten; und eine zusätzliche Frist festzulegen, die zwar durch die Europäische Behörde für gerade keiner zeitlichen Beschränkung Lebensmittelsicherheit (EFSA), also auf unterliegt. Von einer Innovationsfördeder Ebene des Risk Assessment. rung kann also keine Rede sein. Das Recht der Novel Food gehört zum Risikorecht, das Recht, das den Umgang mit Risiken wissenschaftlich-technischer Provenienz (scheinbar) reguliert, im Prinzip jedoch das Management sich scheut Verantwortung zu übernehmen und deshalb die Aufgabe an das Assessment delegiert, mit – für den Rechtsunterworfenen - unabsehbaren Folgen.

Revisionsvorschlag Anwendungsbereich

Was ist überhaupt ein Novel Food? Das sind auch nach der Legaldefinition in Art. 2 Abs. 2 lit. a NVF n.F. weiterhin Lebensmittel, die „vor dem 15. Mai 1997 in der Europäischen Gemeinschaft nicht in nennenswertem Umfang für den menschliImmerhin bestimmen Art. 12 lit. b und c chen Verzehr verwendet“ wurden. Die neue NFV würde den Anwendungsbeund 19 lit. b und d NVF n.F. den Erlass von Durchführungsrechtsakten bis 2 Jah- reich der Verordnung bedenklich erweitern. Neu aufgenommen wurde dabei re nach dem Inkrafttreten der Verordnung, betreffend die Modalitäten für die die Klarstellung, dass dies „unabhängig Prüfung der Zulässigkeit des Antrags und vom Zeitpunkt des Beitritts der verschiedenen Mitgliedstaaten“ ist. Zukünftig ist der Art der Informationen, die in dem Gutachten der EFSA enthalten sein müs- jedes (!) Lebensmittel ein Novel Food, welches vor dem 15. Mai 1997 noch sen. Auch entwickelt die Kommission nicht in nennenswertem Umfang für den laut Egr. 21 derzeit Testmethoden mit denen die Sicherheit von in Lebensmit- menschlichen Verzehr verwendet wurde. teln verwendeten Nanomaterialien bes- Auf die ergänzende Prüfung weiterer Qualifikationsmerkmale, welche bisher in ser bewertet werden können. definierten vier Fallgruppen enthalten sind (s. Tabelle), würde verzichtet. Wenn aber die Kriterien für die Sicherheitsbewertung noch überhaupt nicht

Lebensmittel mit neuer oder gezielt modifizierter primären Molekularstruktur Mikroorganismen, Pilze und Algen Lebensmittel, die aus Pflanzen bestehen oder aus Pflanzen isoliert worden sind sowie aus Tieren isolierte Erzeugnisse Lebensmittel, die hergestellt wurden durch neuartige Verarbeitungsverfahren, die zu bedeutenden Veränderungen der Zusammensetzung oder der Struktur des Lebensmittels führen

Tab.1.: Bisherige 4 Fallgruppen von Novel Food nach NFV 258/97 Zwar würden in der NFV n.F. vier Fallgruppen (Art. 2 (2) lit. a i) – iv) NFV n.F.) neuartiger Lebensmittel aufgeführt, insbesondere Verfahren, die konventionelle Lebensmittel nachhaltig verändern und technisch hergestellte Nanomaterialien. Diese überflüssig geregelten Fallbeispiele dienen aber nur der Klarstellung. Soweit dies allerdings – wie vorgesehen - rückwirkend gelten soll, denn nach der Neufassung wären Lebensmittel gegebenenfalls Novel Food, die es nach der bisherigen Fassung der NFV (noch) nicht waren, wäre dies ein unzulässiger, weil grundrechtsrelevanter Eingriff in bereits abgeschlossene Sachverhalte (Rückwirkungsverbot). Nach Egr. 16 des Entwurfes sollen für Fälle, in denen keine oder nur unzureichende Informationen über die Verwendung für den menschlichen Verzehr vor dem 15.05.1997 vorliegen, ein Verfahren zur Erfassung solcher Informationen eingeführt werden, in das die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Lebensmittelunternehmer eingebunden wären. Bei der originären Bestimmung des Status als neuartiges Lebensmittel wäre der Lebensmittelunternehmer bei Unsicherheiten gem. Art. 4 Abs. 2 S. 2 NFV n.F. sogar verpflichtet feststellen zu lassen, in welchem Umfang das fragliche Lebensmittel vor dem 15.05.1997 in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurde.

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Ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen sind gem. Art. 1 Abs. 2 NFV n.F. gentechnisch veränderte Lebensmittel, Lebensmittelenzyme, -zusatzstoffe und -aromen und Extraktionslösungen sowie Lebensmittel gemäß der Richtlinie über das Inverkehrbringen von Lebensmitteln von geklonten Tieren.

Neuregelung des Zulassungsverfahrens Schwerpunkt des Revisionsvorschlags der Kommission ist eine grundsätzliche Neuregelung der Zulassungsverfahren für neuartige Lebensmittel. So genannte „traditionelle“ Lebensmittel aus einem Drittland (Art. 2 (2) lit. b NFV n. F.) könnten über ein (vermeintlich) erleichtertes Meldeverfahren in Verkehr gebracht werden (Art. 13 NFV n.F.). Andere neuartige Lebensmittel sollen dagegen – ebenso wie Lebensmittelzusatzstoffe, Aromen und Enzyme (Verordnung (EG) Nr. 1331/2008 vom 16. Dezember 2008 über ein einheitliches Zulassungsverfahren für Lebensmittelzusatzstoffe, -enzyme und –aromen, ABl. L 354/1, 31.12.2008) – erst nach Durchlaufen eines Genehmigungsverfahrens in eine Unionsliste aufgenommen werden. Das erklärte Ziel der Kommission zur Transparenz, Effizienz und zeitlichen Befristung des Verfahrens (Begründung Nr. 1 sowie Erwägungsgrund 2 des Revisionsvorschlags) wird dabei aber klar verfehlt. Zwar soll es zukünftig Fristvorgaben für das Verfahren geben; diese sind aber sehr großzügig gehalten und zudem in der Regel frei verlängerbar. Zählt man die durch die neue NFV vorgegebenen Arbeitsfristen für Kommission (9 Monate; Art. 11 Abs. 1 NFV n.F.) und EFSA (9 Monate; Art. 10 Abs. 1 NFV n.F.) zusammen, dauert das Zulassungsverfahren schon mindestens 18 Monate. Angesichts diverser, zudem zeitlich unbegrenzter Möglichkeiten zur Fristverlängerung sowie der nicht absehbaren Dauer des (zwischen Kommission und dem ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit) vorgesehenen Komitologieverfahrens ist jedoch eine durchschnittliche Verfahrensdauer von über 36 Monaten nicht unrealistisch. Dies kollidiert dann aber wieder mit den wirtschaftlichen Vorgaben der

einer Erstprüfungsbehörde) über die Sicherheit - schon wenige Monate nach der Genehmigung eines Novel Food des Erstantragsstellers das gleiche ohne (ein Unionsliste zweites) aufwendiges Zulassungsverfahren in den Markt bringen. Nach der Einführung der generischen Zulassung, die Durch den Vorschlag wird eine sogeder Verordnungsentwurf vorsieht, ist nannte ‚Unionsliste’ neu eingeführt, die selbst diese Vorlage nicht mehr von für das Inverkehrbringen in der Union zugelassene neuartige Lebensmittel wie- Nöten. Gem. Art, 5 Abs. 2 NFV n.F. würde es für die Zulässigkeit des Inverkehrbindergibt. Art. 6 NFV n.F. stellt die Bedingungen für die Aufnahme in die Liste auf: gens von Novel Food ausreichen, dass dieses in der Unionsliste aufgeführt ist. Das Lebensmittel stellt auf GrundlaAllerdings ist zu berücksichtigen, dass ge der verfügbaren wissenschaftliAntragsteller - wie nach bisherigem chen Daten kein Risiko für die Recht - für einen Zeitraum von 5 Jahren menschliche Gesundheit dar; für „neu gewonnene wissenschaftliche durch seine Verwendung werden Erkenntnisse und geschützte wissenVerbraucher nicht irregeführt; schaftlicher Daten“ Datenschutz genie sofern es ein anderes Lebensmittel ßen (Art. 24 NFV n.F.), ihnen also insofern ersetzen soll, unterscheidet es sich eine exklusive Vermarktungsdauer zugenicht dergestalt von dem Lebensstanden wird. Die Inanspruchnahme der mittel, dass sein normaler Verzehr Datenschutzbestimmung wird der forErnährungsmängel für den Verbrau- schenden Großindustrie keine größeren cher mit sich brächte. Probleme bereiten, dürfte aber den (klassischen deutschen) Mittelstand abhalten, In diese Liste werden gem. Art. 7 NFV n.F. sich mit diesem zeit- und kostenintensiauch alle gem. Art. 4, 5 oder 7 NFV ven Zulassungsverfahren für Novel Food 258/97 bzw. nach bisherigem Recht bis- zu beschäftigen. lang genehmigten oder gemeldeten neuartigen Lebensmittel aufgenommen. Drittländer Für die Zulassung und die Aktualisierung der Liste gelten die Verfahrensvorausset- Auch die Notifizierung (Meldung) sog. „traditioneller“ Lebensmittel aus Drittlänzungen der Art. 9, 10 und 11 NFV n.F., oder bei traditionellen Lebensmitteln aus dern (darunter auch Industrieländer wie USA und Japan) stellt keine, eigentlich Drittstaaten Art. 13-18 NFV n.F. mit der Revision angedachte VerbesseDas Verfahren weist deutliche Ähnlichkeit rung des Verfahrens, geschweige denn mit dem Zulassungsverfahren der HCVO eine Erleichterung dar. Die Anforderun1924/2006 auf (das u.a. die Teilliste nach gen des Meldeverfahrens sind nahezu unerfüllbar. Ein solches neuartiges der VO 432/2012 schuf ), nach dem die EFSA ebenfalls in die Bewertung einge- Lebensmittel müsste im Drittland nachweislich bunden ist, letztendlich aber der Kommission die Entscheidungsgewalt über ausschließlich als Lebensmittel die Aufnahme in die Liste zusteht. verwendet worden sein, wäre mindestens seit 25 (!) Jahren me-toos Bestandteil der „üblichen“, d.h. keiner besonderen Ernährung (s. auch Egr. Das bisherige Notifizierungsverfahren für 23 Satz 2 des Entwurfs der NFV me toos (Nachahmerprodukte), die 2008), gegenüber herkömmlichen Lebensmit und dies von weiten Teilen der teln oder bereits genehmigten Novel Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 lit. c Food „im wesentlichen gleichwertig“ (Art. NFV n.F.). 3 Abs. 4 und Art. 5 NFV) sind, soll wegfallen. Zweitvermarkter werden damit vorMit dem zusätzlichen Prüfkriterium der dergründig besser als derzeit gestellt. Zwar konnten sie bislang – nach Vorlage Mindestverzehrsdauer von 25 Jahren würde eine Hürde geschaffen, die weit eines Dossiers (eines eigenen oder das

Unternehmen hinsichtlich Planung und Umsetzung von Innovationen innerhalb von maximal 3 Jahren (s.o.).

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über die Anforderungen im Vergleich zwischen konventionellen und neuartigen Lebensmitteln hinausgeht (dort maßgeblicher Stichtag 15.5.1997). An sich ist dies schon eine utopische Fragestellung, denn die Verzehrgewohnheiten waren in den 80iger Jahren andere als heute. Wenn im Übrigen schon der Nachweis für einen Verzehr vor dem 15.5.1997 schwer fällt, wie ist es dann erst bei einer 25-jährigen Mindestverzehrsdauer? Der internationale Handel mit Drittland-Lebensmitteln würde sicherlich entgegen geltendem Welthandelsrecht erschwert; entsprechende WTO-Verfahren sind daher schon einzuplanen. Würden im Übrigen innerhalb von 4 Monaten ab dem Datum der Weiterleitung der Notifizierung des Antragstellers durch die Kommission seitens „eines Mitgliedstaates und der EFSA begründete Sicherheitsbedenken auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse“ vorgebracht (Art. 14 Abs. 2 NFV n.F.), müsste das Drittland-Lebensmittel über ein gesondertes Zulassungsverfahren zugelassen werden (Art. 15 NFV n. F.). Nach Erwägungsgrund 23 des ersten Vorschlags einer Revision aus 2008 würden hierfür bereits „Informationen über gesundheitsschädigende Auswirkungen“ ausreichen, um das normale Zulassungsverfahren zu eröffnen. Nach den bisherigen Erfahrungen mit Novel Food-Verfahren dürfte dies der Normalfall sein, denn ein Bedenkenträger findet sich stets (in unserer Risikogesellschaft).

Nahrungsergänzungsmittel Eine rechtlich sehr fragwürdige Sonderbehandlung soll bei Nahrungsergänzungsmitteln gelten; der Verzehr als oder in Nahrungsergänzungsmitteln soll die Neuartigkeit nicht ausschließen (Art. 2 (2) lit. a) iv) NFV n.F.; bereits Auffassung des Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit , siehe Sitzungsprotokoll vom 14.2.2005, S. 6). Diese Differenzierung ist nicht mit Sicherheitserwägungen zu begründen, sondern letztlich ein reines Politikum. Rechtlich ist auch dies ein unzulässiger, weil grundrechtsrelevanter Eingriff in bereits abgeschlossene Sachverhalte. Eine Regelung für Nahrungsergänzungsmittel gibt es erst seit 2002 (mit der Richtlinie 2002/46) . Die Legaldefinition aus der

RL 2002/46 würde nun rückwirkend auf Sachverhalte seit 1997 angewandt, obwohl es seit 1997 gar nicht darauf ankam, welcher Lebensmittelkategorie ein Novel Food zuzuordnen wäre, weil bislang allein entscheidend ist, dass es überhaupt ein Lebensmittel ist. Zudem ist diese Abgrenzung unlogisch. Nahrungsergänzungsmittel sind, wie die Legaldefinition in der Richtlinie 2002/46 zeigt, hochkonzentrierte Nährstoffe und andere ernährungsphysiologisch wirksam Stoffe (was immer dies heißen mag, lässt der Gesetzgeber allerdings auch hier offen). Solche Präparate haben gegebenenfalls Stoffe in viel höherer Dosis als konventionelle, angereicherte Lebensmittel; warum sollten dann angereicherte Lebensmittel, die keine Nahrungsergänzungsmittel sind, unsicher(er) sein?

unnötige Genehmigungen gibt; unnötig, weil es diese Fallgruppe bislang nicht gibt), würde eine Antragspflicht nach Art. 9 (bzw. 13 oder 15) NFV n.F. gelten (Art. 29 Abs. 2 NFV n.F.). Der Antrag müsste spätestens 2 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung gestellt werden. Dieser würde ein Zulassungsverfahren nach Art. 11 (bzw. 14 oder 17) NFV n.F. einleiten. Die Verordnung über neuartige Lebensmittel soll 2 Jahre nach deren Inkrafttreten Geltung erlangen (Art. 30 NFV n.F.).

Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer

Überwachung und Sanktionen Mit Art. 23 Abs. 1 NFV n.F. neu eingeführt würde das Recht der Kommission, die Überwachung von neuartigen Lebensmitteln nach dem Inverkehrbringen vorzuschreiben, damit diese innerhalb sicherer Grenzen verwendet werden. Einzige Voraussetzung ist das Vorliegen von Gründen der Lebensmittelsicherheit, wobei das Gutachten der EFSA berücksichtigt werden müssten. Schließlich erlegt Art. 26 NFV n.F. den Mitgliedstaaten die Pflicht auf Vorschriften zu erlassen, die Verstöße gegen diese Verordnung sanktionieren.

Übergangsvorschriften Zu guter letzt bestimmt Art. 29 NFV n.F. Übergangsmaßnahmen für bereits gestellte, noch offene Anträge und Lebensmittel, die durch diese Verordnung dem neuen, weiten Novel FoodBegriff unterfallen. Bereits gestellte Anträge würden als Anträge gemäß der neuen Verordnung behandelt, wenn sie bis maximal 2 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung nicht verbeschieden wären. Für Lebensmittel, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung rechtmäßig in den Verkehr gebracht wurden, durch die Verordnung aber nun als Novel Food einzustufen wären, wie synthetisch hergestellte Lebensmittel (für die es gleichwohl schon nachbisherigem Recht völlig

Hanna Knörnschild Rechtsanwältin Hanna Knörnschild ist seit Juli 2013 bei meyer.rechtsanwälte. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und absolvierte ihr Referendariat in München und Miami. Seit dem Jahr 2011 ist sie ausgebildete Wirtschaftsmediatorin (CVM). Sie ist schwerpunktmäßig im Bereich des Rechts für Lebensmittel, Kosmetika und der Lebensmittelkontaktmaterialien tätig. Sie betreut internationale und nationale Mandanten im Rahmen der allgemeinen Beratung, insbesondere in Fragen der Kennzeichnung und Werbung sowie in Auseinandersetzungen mit Wettbewerbern und Behörden. Sie berät auf Deutsch und Englisch.

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