»
Akzente
193
Health Claims – alles geklärt? Mitnichten! Die Unzulänglichkeiten der Health-
Allgemeine Bezeichnungen, die
Claim-Verordnung 1924/2006 zeigen
traditionell zur Angabe einer Eigen-
sich gerade an scheinbar Unbedeu-
schaft einer Kategorie von Lebens-
tendem.
mitteln verwendet werden, und auf
Ausgehend davon, dass die Be-
die Auswirkungen auf die menschli-
griffsdefinition für „gesundheitsbe-
che Gesundheit hindeuten könnten,
zogene Angaben“ weder Angaben
dürfen ohne Zulassungsverfahren
dazu enthält, ob es sich um einen
nach Art. 13 bis 18 verwendet wer-
unmittelbaren oder mittelbaren Zu-
den, wenn sie der EU-Kommission
sammenhang handeln muss, noch
zuvor angezeigt werden. Anträge
zu dessen Intensität oder Dauer,
für die Verwendung „allgemeiner
versteht der Europäische Gerichts-
Bezeichnungen“ i. S. d. Art. 1 Abs. 4
hof den Begriff „Zusammenhang“
sind entsprechend den (erst) im An-
weit, obgleich angesichts des strik-
hang der VO (EU) Nr. 907/2013 fest-
ten Erlaubnisvorbehalts eine restrik-
gelegten Regeln zu stellen und einzu-
tive Auslegung verfassungsrechtlich
reichen; dabei sind auch „einschlä-
eher geboten wäre. Daraus schließt
gige bibliographische oder auf an-
der Bundesgerichtshof, dass eine
derem Weg überprüfbare Nachweise
gesundheitsbezogene Angabe auch
vorzulegen, die belegen, dass die Ka-
schon dann vorliegen könne, wenn
tegorie von Lebensmitteln oder Ge-
nach dem Verständnis des Durch-
tränken mit der allgemeinen Bezeich-
schnittsverbrauchers, das naturge-
nung in dem (den) Mitgliedstaat(en)
mäß auch durch Vorerwartungen
bereits seit mindestens 20 Jah-
und Kenntnisse geprägt wird, ein
ren vor Inkrafttreten dieser Verord-
Zusammenhang zwischen dem Be-
nung auf dem Markt präsent ge-
standteil eines Lebensmittels und
wesen ist“. Erwägungsgrund 5 der
dem Gesundheitszustand des Kon-
VO 1924/2006 nennt als (schwerlich
sumenten
wie
nachvollziehbare) Beispiele für solche,
bei „Praebiotik“ (BGH ZR 178/12,
von Abs. 3 erfassten gesundheitsbe-
26.2.2014), nicht jedoch bei „Kunst-
zogenen claims „Digestif“ und „Hus-
wörtern“ wie „Combiotik“ (OLG
tenbonbons“. Unklar ist, was außer
gänzlich ad absurdum geführt; in der
Frankfurt LRE 66, 189 = WRP 2013,
den in Erwägungsgrund 5 der VO ge-
Working Group erklärte die Kommis-
1382). Als eher unspezifischer Health
nannten Beispiele solche traditionelle
sion auf Nachfrage, „that the dero-
Claim bedürfte die Angabe „Prae-
Angaben sein könnten; neben „Hus-
gation would be valid only in Italy
biotik“ hinsichtlich der Zulässigkeit
tenbonbons“ fallen – da vergleich-
and products with ‚probiotico’ on
ihrer Verwendung eines beigefügten
bare Tradition – auch Hals- und Ra-
the label would not be permitted
zugelassenen Health Claims (Art. 10
chenbonbons hierunter.
in other MS” (Engl. Department of
suggeriert
wird,
Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer Herausgeber DLR meyer.rechtsanwälte
Tja, und nun Italien mit „pro-
Health, Bulletin Commission Work-
In der „Commission Working
biotico“, und dies entgegen kla-
ing Group Meeting Health Claims, 31.3.2015).
Abs. 3 VO 1924/2006). Group“ bzgl. Health Claims macht
rer Vorgabe der EU-Kommission
sich nun allerdings Italien (zur Über-
(Guidance on the Implementation
raschung aller anderen) dafür stark,
of Regulation (EC) No 1924/2006 on
just „probiotico” als eine nach Art. 1
nutrition and health claims made on
(4) VO 1924/2006 privilegierte tradi-
foods, in der dem Ständigen Aus-
tionelle Angabe zu sehen. Diese Vor-
schuss am 14.12.2007 vorgelegten
gabe wird nun dem Dornröschen-
Fassung). Dabei würde der die EU
schlaf entrissen.
tragende Gedanke des Binnenmarkts
DLR | Mai 2015
«
Alles geklärt? Mitnichten!
Alfred Hagen Meyer