RECHT
Mogelpackung: Umstände des Einzelfalls entscheidend Natalie Ahmann, Rechtsanwältin, meyer.rechtsanwälte München BGH weist Nichtzulassungsbeschwerde gegen Urteil wegen Mogelpackung bei einem Frischkäse zurück. Das OLG Karlsruhe hatte in einem Urteil vom 22.11.2012 (Az. 4 U 156/12) entschieden, dass ein Frischkäse (125 g) nicht in einer Plastikverpackung von 200 Kubikzentimeter in den Verkehr gebracht werden dürfe, die durch eine weitere, nicht durchsichtige, den Hohlraum nicht offenbarende Pappummantelung umgeben ist, die wiederum ein Volumen von ca. 272,5 Kubikzentimeter aufweist. Das OLG sah dies, trotz dreifacher Gewichtsangabe auf der äußeren Verpackung, als eine Mogelpackung an, also einen Verstoß gegen § 7 Abs. 2 EichG, wonach Fertigpackungen so gestaltet und gefüllt sein müssen, dass sie keine größere Füllmenge vortäuschen als in ihnen enthalten sei. Zweck des § 7 Abs. 2 EichG ist es, den Verbraucher davor zu schützen, dass bei ihm aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes einer Fertigpackung der Eindruck erweckt wird, er könne das Produkt in einer Menge erwerben, die dem äußeren Volumen der Verpackung in etwa entspricht, obwohl diese tatsächlich wesentlich weniger enthält (vgl. Meyer/Streinz, Kommentar zum LFGB, 2. Auflage, § 11 Rn. 59).
Verbraucherleitbild überholt
PRESSE
Zur Bestimmung, ab welchem »Luftanteil« in der Verpackung der Verbraucher in die Irre geführt wird, erließ 1977 das Bundesministerium für Finanzen eine Verwaltungsrichtlinie. Danach wären Freiräume bei undurchsichtigen Fertigpackungen dann unzulässig, wenn sie 30 % und mehr des Füllvolumens ausmachen (GestaltungsRL d. BMWi, in: Zipfel/Rathke C 115, § 7 Rn 35 ff). Der Richtlinie lag jedoch die frühere, inzwischen obsolete, deutsche Rechtspraxis zugrunde, wonach bei der
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Prüfung des Aussagegehalts einer Werbung von der Auffassung eines »flüchtigen Verbrauchers« auszugehen sei. Dieses Verbraucherleitbild ist jedoch längst überholt und wurde von dem eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abgelöst (Meyer/Streinz, Kommentar zum LFGB, 2. Auflage, § 11 Rn. 60). Gleichwohl ist die 30 %Grenze auch heute noch als Richtwert heranzuziehen: In der Regel kann eine Irreführungsgefahr noch nicht angenommen werden, wenn die in der RL festgeschriebene Höchstgrenze von 6:1 für das zulässige Verhältnis zwischen Verpackungsvolumen und Inhalt noch nicht überschritten ist. Die Überschreitung dieser Höchstgrenze bedeutet aber nicht, dass damit zwangsläufig eine Täuschung i.S.d. § 7 Abs. 2 EichG angenommen werden müsste (vgl. Meyer/Streinz, Kommentar zum LFGB, 2. Auflage, § 11, Rn. 60, KG Berlin LMRR 2011, 35). Vielmehr sind dann (aber erst dann!) die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Dies vernachlässigte das OLG, wie nachfolgend dargelegt. Nachdem die erste Instanz bzgl. des Frischkäses einen Freiraum von 26 % ermittelt, eine Irreführung daher verneint hatte und die Berufungsklägerin jedoch vortrug, bei richtiger Berechnung ergäbe sich eine Abweichung von mehr als 30 %, hielt das OLG Karlsruhe es (untunlich) nicht für notwendig, die Differenz zwischen tatsächlichem und durch die Umverpackung vorgestelltem Inhalt zu ermitteln. Das OLG stellte unmittelbar darauf ab, welche Vorstellung die konkrete Verpackung aufgrund ihrer äußerer Gestaltung hervorruft und dass dabei eine Diskrepanz zwischen Vorstellung über den Inhalt und tatsächlichem Inhalt der Fertigpackung entstünde. Dies
Natalie Ahmann, Rechtsanwältin, meyer.rechtsanwälte München. Foto: meyer. rechtsanwälte
begründete das OLG u.a. damit, dass es sich bei Frischkäse um eine geringwertige Ware handelt, bei welcher eine entsprechende Beurteilung nur aufgrund flüchtiger Wahrnehmung erfolge. Das OLG führte hierzu aus, dass bei einem alltäglichen Nahrungsmittel wie Frischkäse der Durchschnittsverbraucher bei der Kaufentscheidung nicht auf die Gewichtsangabe, sondern lediglich auf die Verpackungsgröße im Vergleich zu vergleichbaren Produkten achte. Wie zuvor dargelegt, hätte das OLG diese Überlegungen jedoch erst nach Bejahung eines Freiraums von mehr als 30 % anstellen dürfen.
Verfehlte Einzelfallentscheidung Auch wenn der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des OLG Karlsruhe zurückwies, sollte die Entscheidung gleichwohl als verfehlte Einzelfallentscheidung betrachtet werden, die nicht generalisiert werden darf. Bezüglich der beim BGH anhängigen Nichtzulassungsbeschwerden darf nicht unerwähnt bleiben, dass nur 20 % derselben angenommen und damit die Revision zugelassen wird. Eine Nichtzulassung der Revision heißt dabei nicht, dass das vorinstanzliche Urteil demzufolge zutreffend wäre; nicht selten erscheint dem BGH eine Revision schlicht nicht interessant genug für eine Rechtsfortbildung.