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Plädoyer für einen Paradigmenwechsel Über die Mineralölverordnung Einen 2. Entwurf der sogenannten
lich die dermale Expositionsroute
„Mineralölverordnung“ vom 16. Mai
betrachtet, wird vom BfR als nicht
2013 (22. VO zur Änderung der Be-
ausreichend für die Beurteilung der
darfsgegenständeVO) sandte das
Toxizität im Hinblick auf die orale Ex-
BMELV vor Tagen an die betroffe-
position angesehen.
nen Kreise. Der Anwendungsbereich
Die Fokussierung des Regelungs-
der VO würde sich auf die unzuläs-
entwurfs auf die aus Altpapier ge-
sige Verwendung von Lebensmittel-
wonnenen Fasern dürfte aber schwer-
bedarfsgegenständen beschränken,
lich zielführend sein. Allseits bekannt
die unter Verwendung von mineralöl-
ist, dass beispielsweise das in Trans-
kontaminiertem Altpapier hergestellt
portverpackungen aus Recyclingkar-
werden und insofern auch aromati-
tons enthaltene Mineralöl über eine
sche
Mineralölkohlenwasserstoffe
Gasphasen-Migration auch den Weg
(Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons,
in frischfaserverpackte Lebensmittel
MOAH) mit einer KohIenstoffzahl
findet. Die Nutzung von Frischfaser-
zwischen 10 und 25 enthalten. Be-
kartons als Primärverpackung würde
dingt durch die analytischen Schwie-
insofern keine Lösung der Mineralöl-
rigkeiten bei der Trennung von
problematik mit sich bringen; ökolo-
gesättigten oligomeren Kohlenwas-
gische Aspekte der Verwendung von
serstoffen aus Polyolefinen (Polyole-
Frischfasern hier außen vor gelassen.
fin Oligomeric Satured Hydrocarbons,
Der Diskurs muss (viel) breiter ge-
POSH) und anderen Kohlenwasser-
führt werden, vor allem bezüglich
stoffen (darunter zugelassene Ad-
des Eintrags weiterer unbeabsichtigt
ditive für Kunststoffe) von gesättig-
eingebrachter Stoffe (non-intentio-
ten Mineralölkohlenwasserstoffen
nally added substances, NIAS). Ange-
(Mineral Oil Satured Hydrocarbons,
sichts der VO über Lebensmittelkon-
MOSH) sollen die Regelungen nun-
taktmaterialien 1935/2004 und der
mehr nur auf die MOAH-Fraktion
GMP-Verordnung 2023/2006 gibt es
abgestellt werden. Da das Verhält-
keine ungeregelten Kontaktmateri-
nis MOSH zu MOAH in Mineralöl an-
alien. Die Notwendigkeit von Kon-
nähernd konstant ist, würde so der
formitätsbewertungen setzt eine
Übergang von MOSH durch die Re-
dezidierte Beurteilung der Einzelbe-
gelung zu MOAH dennoch mittelbar
standteile der Kontaktmaterialien
begrenzt.
voraus: Rezepturabgleich mit Positiv-
Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer Herausgeber DLR meyer.rechtsanwälte
Dr. Uta Verbeek meyer.science GmbH
Das BfR schließt derzeit nicht aus,
und Ausschlusslisten, Extraktionstest,
dass die MOAH-Fraktion kanzero-
Prüfung flüchtiger Stoffe (GC, GC/
gelungen sind somit eigentlich aus-
gene Eigenschaften bei oraler Auf-
MS), Prüfung der Globalmigration
reichend vorhanden. Daher ist auch
nahme aufweist und fordert daher
in LM-Simulanzien, Abschätzung der
kein Aktionismus nur aufgrund der
eine Minimierung der MOAH-Frak-
spezifischen Migration, mathemati-
Tatsache nötig, dass Stoffe gerade en
tion bei Lebensmittelkontaktmateri-
sche Modellierung der spezifischen
vogue sind: gestern ITX, heute Druck-
alien. Für die MOAH-Fraktion liegen
Migration, Prüfung der spezifischen
farben und Mineralöle. What’s next?
bislang keine toxikologischen Daten
Migration. Dies gilt es systematisch
Daher: Plädoyer für einen Paradig-
zur oralen Expositionsroute vor; ins-
aufzubereiten und umzusetzen. Re-
menwechsel.
Alfred Hagen Meyer
Uta Verbeek
besondere die von der Mineralölindustrie gemäß REACH durchgeführte Bestimmung des kanzerogenen Potenzials der Mineralölgemische mittels der IP-346-Methode, die ledig-
DLR | Juni 2013
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