Rechtsprechung - Ling Zhi Pilz Sporenpulver

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Oberlandesgericht Köln, Urteil 15. 07. 2011 Ling Zhi Pilz Sporenpulver Dr. Andreas Reinhart


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Art. 1 Abs. 2, Art. 3 und Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 258/97; §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 UWG 1. Das Sporenpulver des „Ling Zhi Pilzes“ ist eine neuartige Lebensmittelzutat gemäß Art. 1 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 258/97. 2. Darlegungs- und beweisbelastet für die Tatsache, dass ein Lebensmittel oder eine Zutat vor dem 15.5.1997 in der Gemeinschaft in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurde, ist grundsätzlich der Kläger. Dieser Beweislast genügt der Kläger, wenn er auf die Ungenießbarkeit des fraglichen Lebensmittels verweist und substantiiert in Abrede stellt, dass ein nennenswerter Verzehr der angegriffenen Zutat in der EU erfolgt. 3. Die Beklagte trifft eine sekundäre Beweislast. Sie muss konkrete Umstände vortragen können, aus denen auf einen vor dem Stichtag erfolgten hinreichend umfangreichen Verzehr des von ihr vertriebenen Lebensmittels geschlossen werden kann. Dieser Beweislast kommt die Beklagte nicht ausreichend nach, wenn sie jeweils auf das Ergebnis der von einem Dritten überwiegend lange nach dem Stichtag (15. Mai 1997) abgegebene Bewertung (z. B. den „Novel food catalogue“) verweist. Sie muss stattdessen konkrete Tatsachen mitteilen, anhand derer die inhaltliche Richtigkeit dieser Bewertung überprüft und ihre Anwendbarkeit gerade auf das im Streitfall gegenständliche Sporenpulver nachvollzogen werden kann. OLG Köln, Urteil vom 15. 7. 2011 – 6 U 192/10 Aus dem Tatbestand: I. Die Beklagte bot im Dezember 2005 über das Internet „Ling Zhi Pilz Sporenpulver 100 %“ als Nahrungsergänzungsmittel an. „Ling Zhi“ (chinesisch) oder „Reishi“ (japanisch) wird ein in Deutschland als „Glänzender Lackporling“ bekannter Baumschwamm (Ganoderma lucidum) genannt, der als ungenießbar (nicht giftig) gilt. Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, nimmt die Beklagte wegen unzulässigenVertriebs ihres Pilzpulvers auf Unterlassung in Anspruch und behauptet, Zubereitungen aus Bestandteilen des Pilzes seien in Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.01.1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittel-


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zutaten (Novel-Food-Verordnung, NFV) nicht in nennenswertem Umfang zum menschlichen Verzehr verwendet worden. Die Beklagte hat sich für ihre gegenteilige Behauptung auf den Vertrieb von Erzeugnissen näher bezeichneter Unternehmen, Privatgutachten, Angaben und Listen in- und ausländischer Stellen sowie der EUKommission, Gerichtsentscheidungen und weitere Unterlagen bezogen. Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der Beurteilung durch die Kammer verwiesen wird, hat das Landgericht die Beklagte gemäß dem (nach einer Teilrücknahme verbliebenen) Klageantrag unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, das Anbieten und/ oder den Vertrieb des Produkts „Ling Zhi Pilz Sporenpulver“ zu unterlassen. Mit ihrer den Klageabweisungsantrag weiter verfolgenden Berufung rügt die Beklagte logische Widersprüche des Urteils und fehlerhafte Anforderungen des Landgerichts an die Substantiierung des beiderseitigen Sachvortrags. Sie macht geltend, die Kammer habe ihr Vorbringen nicht vollständig gewürdigt und rechtsfehlerhaft eine Darlegung desVertriebs identischer Produkte in Europa vor dem Stichtag verlangt. In der Berufungsverhandlung sowie mit Schriftsatz vom gleichen Tag hat sie weitere Dokumente vorgelegt, auf die verwiesen wird. Sie hält eine enge Auslegung der den Vertrieb neuartiger Lebensmittel beschränkenden Vorschriften für geboten und regt an, dem Europäischen Gerichtshof mehrere im Schriftsatz vom 01.07.2011 ausformulierte Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Aus den Entscheidungsgründen: II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. 1. Die entsprechend dem Antrag des Klägers in der Berufungsverhandlung vorgenommene Ergänzung der erstinstanzlichen Urteilsformel ist lediglich redaktioneller Natur. Sie dient zum einen der Vervollständigung der unstreitigen Bezeichnung des angegriffenen Produkts („100 %“) und zum anderen der Klarstellung des mit der Klage geltend gemachten Verbotsumfangs („sofern das Produkt nicht nach der Verordnung [EG] Nr. 258/97 [Novel-Food-Verordnung] zugelassen oder notifiziert ist“), ohne damit den Wegfall des Anspruchs oder die Entstehung einer Unterlassungspflicht aus anderen Gründen auszuschließen. 2. Das Landgericht hat den aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG, Art. 1 Abs. 2 lit. d, Art. 3 Abs. 2 und 4, Artt. 4 ff. NFV folgenden Unterlassungsanspruch des Klägers auf der Grundlage des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen bejaht. Der Senat nimmt zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen vorab auf die sorgfältigen, die in erster Instanz aufgeworfenen Fra-


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gen gründlich abhandelnden, abgewogenen und im Ergebnis überzeugenden Ausführungen der Kammer zustimmend Bezug. Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsrechtszug rechtfertigt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht keine andere Entscheidung. a) Ersichtlich zutreffend hat das Landgericht das von der Beklagten angebotene PilzSporenpulver – auf der Grundlage ihrer eigenen Angaben – als ein aus Pilzen bestehendes (oder daraus isoliertes) Lebensmittel (oder eine Lebensmittelzutat) im Sinne der Definition des Art. 1 Abs. 2 lit. d NFV eingeordnet. Die Berufung bringt dagegen nichts vor. Ihre Rüge, es sei widersprüchlich, das Produkt einerseits als Lebensmittel zur Nahrungsergänzung zu qualifizieren und andererseits seinen Vertrieb als Nahrungsergänzungsmittel zu verbieten, verkennt den – mit der Neufassung des Tenors klargestellten – Umfang des vom Landgericht ausgesprochenen, allein auf einen Vertrieb ohne Genehmigung oder Notifizierung als neuartiges Lebensmittel abzielenden Verbots. b) Soweit die Berufung unter Hinweis auf die vom Bundesgerichtshof bejahte partielle Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des im deutschem Recht bestehenden präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt für Lebensmittel-Zusatzstoffe (BGH, GRUR 2011, 355 = WRP 2011, 220 – Gelenknahrung II) die Statuierung eines Genehmigungsvorbehalts für neuartige Lebensmittel prinzipiell in Frage stellt und stattdessen eine vom Kläger konkret darzulegende Gesundheitsgefahr fordert, weil es an einem dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügenden, leicht zugänglichen, transparenten und in angemessener Zeit abzuschließendenVerfahren zur Erlangung einerVertriebsgenehmigung fehle, kann sie damit keinen Erfolg haben. Während der Bundesgerichtshof vom europäischen Mindeststandard abweichende nationale Bestimmungen zur Lebensmittelsicherheit an primärem Unionsrecht gemessen hat, beruht das Vertriebsverbot mit Erlaubnisvorbehalt für neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten auf einer Entscheidung des Unionsgesetzgebers selbst, der solche Lebensmittel zum Schutz der öffentlichen Gesundheit einer einheitlichen Sicherheitsprüfung in einem Gemeinschaftsverfahren unterwerfen wollte, bevor sie in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden (Erwägungsgrund 2). Die deutscheVerordnung zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicherVorschriften über neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten (NLV) trifft insoweit keine weitergehenden Regelungen, sondern bestimmt im Wesentlichen nur die in Deutschland zuständigen Prüfstellen. Anhaltspunkte für eine rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechende Ausgestaltung des vom europäischen Gesetzgebers vorgesehenen Genehmigungs- oder Notifizierungsverfahrens zeigt die Berufung im Übrigen nicht auf. Die faktische Zeitdauer anderer anhängigerVerfahren allein lässt keine Schlüsse in diese Richtung zu und unzumutbare Verzögerungen der Entscheidung über eigene Anträge legt die Beklagte nicht dar. Insbesondere behauptet sie selbst nicht, sich für das streitgegenständliche Produkt vergeblich um eine Genehmigung oder Notifizie-


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rung (im vereinfachten Verfahren gemäß Art. 3 Abs. 4, Art. 5 NFV, § 3 Abs. 2 NLV) bemüht zu haben. c) Die das Marktverhalten regelnden Bestimmungen der Novel-Food-Verordnung sind auf das Pilz-Sporenpulver der Beklagten anwendbar, sofern es sich dabei um ein in der Europäischen Union neuartiges Lebensmittel oder eine neuartige Lebensmittelzutat handelt. Das ist nach den fehlerfrei getroffenen und ungeachtet des ergänzenden Vorbringens der Beklagten in der Berufungsinstanz weiterhin zutreffenden Feststellungen des Landgerichts der Fall. aa) Gemäß Art. 1 Abs. 2 NFV kommt es für die Neuartigkeit darauf an, ob das betreffende Lebensmittel oder die betreffende Lebensmittelzutat bis zum Inkrafttreten der Verordnung in der Europäischen Union noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurde. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Slg. 2005, I-5141 = WRP 2005, 863 = BeckRS 2005, 70422 – HLH Warenvertrieb und Orthica) und des Bundesgerichtshofs (GRUR 2008, 625 = WRP 2008, 924 – Fruchtextrakt; GRUR 2009, 413 = WRP 2009, 300 – Erfokol-Kapseln) hat das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls feststeht, dass Pilz-Sporenpulver der streitbefangenen Art vor dem 15.05.1997 in keinem Mitgliedstaat in erheblicher Menge für den menschlichen Verzehr verwendet wurde. Maßgebend dafür sind qualitative und quantitative Kriterien (BGH, GRUR 2009, 413 = WRP 2009, 300 [Rn. 30] – Erfokol-Kapseln). In diesem Zusammenhang ist der Umstand, dass das betreffende Lebensmittel oder die betreffende Zutat vor dem Bezugszeitpunkt auf dem Markt eines Mitgliedstaats oder mehrerer Mitgliedstaaten vertrieben worden sind, lediglich mit von Bedeutung. Die berücksichtigten Umstände müssen das Lebensmittel oder die Zutat selbst betreffen, auf das oder auf die sich die Prüfung erstreckt, und nicht ein ähnliches oder vergleichbares Lebensmittel oder eine ähnliche oder vergleichbare Zutat. Denn auf dem Gebiet der neuartigen Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten lässt sich nicht ausschließen, dass selbst gering erscheinende Abweichungen ernst zu nehmende Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung nach sich ziehen können, zumindest solange nicht die Unschädlichkeit des fraglichen Lebensmittels oder der fraglichen Zutat durch angemessene Verfahren nachgewiesen ist (EuGH, a. a. O., Rdnrn. 83 ff.; BGH, GRUR 2008, 625 = WRP 2008, 924 [Rn. 16] – Fruchtextrakt). Im Streitfall kann sich die Prüfung mithin nicht allgemein auf denVertrieb beliebiger Ling-Zhi- oder Reishi-Pilz-Zubereitungen vor dem Stichtag beschränken; abzustellen ist vielmehr auf das konkret beanstandete, ausschließlich (zu 100 %) aus den Sporen des Ling-Zhi-Pilzes hergestellte Pulver, das in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in erheblicher Menge zum Verzehr, nicht allein zu arzneilichen Zwecken verwendet worden sein muss. Diese Prüfung hat das Landgericht mit großer Sorgfalt


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vorgenommen, wobei der von ihm benutzte Begriff der Produktidentität erkennbar nicht auf spezifische Erzeugnisse eines bestimmten Unternehmens in bestimmter Darreichungsform und Aufmachung, sondern auf denVerzehr identischer Lebensmittel im vorbeschriebenen Sinn abzielt. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass es für die Beurteilung allein darauf ankomme, ob die stofflichen Bestandteile des beanstandeten Produkts ohne Rücksicht auf die Art der Zubereitung und mögliche weitere Bestandteile schon vor dem Stichtag in Europa von Menschen über den Verdauungstrakt aufgenommen wurden; an der Neuartigkeit fehlt es vielmehr bereits dann, wenn keine hinreichend umfangreiche Verwendung gleichartiger Zubereitungen als Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel – unabhängig von einer etwaigen Verwendung als Arzneimittel – stattgefunden hat. Hiervon geht letztlich auch die Beklagte selbst aus, wenn sie gegenüber demVorbringen des Klägers zur Ungenießbarkeit des „Glänzenden Lackporlings“ als Pilz darauf verweist, dass das von ihr angebotene Pulver aus den Sporen dieses Pilzes etwas ganz anderes (ernährungsphysiologisch wertvolleres) sei. bb) Das Landgericht hat angenommen, dass zur Nahrungsergänzung angebotenes Ling-Zhi-Pilz-Sporenpulver ein neuartiges Lebensmittel im vorgenannten Sinn ist. Zu dieser Feststellung ist die Kammer unter umfassender Würdigung des erstinstanzlichen Vorbringens beider Parteien gelangt, ohne für die Darlegungslast in Bezug auf den Kläger von zu geringen und in Bezug auf die Beklagte von zu hohen Anforderungen auszugehen. (1) Darlegungs- und beweisbelastet für die seinen Unterlassungsanspruch mitbegründende negative Tatsache, dass ein Lebensmittel oder eine Zutat vor dem 15.5.1997 in der Gemeinschaft nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurde, ist zwar der Kläger (BGH, GRUR 2008, 625 = WRP 2008, 924 [Rn. 18] – Fruchtextrakt). Die beklagte Anbieterin eines beanstandeten Produkts trifft aber eine sekundäre Darlegungslast; erst wenn sie konkrete Umstände vorträgt, aus denen auf einen vor dem Stichtag erfolgten hinreichend umfangreichen Verzehr des gerade von ihr angebotenen Lebensmittels geschlossen werden kann, muss der Kläger darauf seinerseits – gegebenenfalls unter Beweisantritt – eingehen. Dafür spricht zum einen, dass an den Beweis einer negativen Tatsache keine unerfüllbaren Anforderungen gestellt werden dürfen (BGH, GRUR 2007, 629 = WRP 2007, 781 [Rn. 12 f.] – Zugang des Abmahnschreibens). Zum anderen wird auch der Beklagten nichts Unzumutbares abverlangt, weil sie als Lebensmittelunternehmerin Sorge dafür zu tragen, dass die von ihr beworbenen und vertriebenen Lebensmittel die Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllen (BGH, GRUR 2008, 625 = WRP 2008, 924 [Rn. 19] – Fruchtextrakt). (2) Seiner primären Darlegungslast in Bezug auf die negative Tatsache der fehlenden Verwendung von Ling-Zhi-Pilz-Sporenpulver in der Gemeinschaft hat der Kläger gemäß der zutreffenden Annahme des Landgerichts und entgegen den Angriffen der


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Berufung genügt. Er hat nicht nur wiederholt auf die Ungenießbarkeit des Pilzes selbst verwiesen (was der Sache nach durchaus als ein Indiz gegen eine Verwendung von Pilzbestandteilen als Nahrungsergänzungsmittel in Betracht kommt), sondern ebenso eindeutig (beispielsweise in seinen Schriftsätzen vom 4.7.2006, 28.4.2010 und vom 28.7.2010 und mit Vorlage des Gutachtens E. zu 9HK O 8523/06 LG München I = 29 U 3012/09 OLG München) einen relevanten Verzehr von aus dem Pilz gewonnenen Zubereitungen, für die es keinen Bedarf gebe, in Abrede gestellt. Soweit von der Beklagten aufgestellte Tatsachenbehauptungen dazu Anlass gaben, hat er sich nicht allein mit Nichtwissen erklärt, sondern substantiiert dargelegt, warum er das Vorbringen für unerheblich halte. (3) Das Landgericht hat dasVorbringen der Beklagten und den Inhalt der von ihr vorgelegten Dokumente in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils im Einzelnen gewürdigt, im Ergebnis aber nicht für ausreichend zur Darlegung eines Sachverhalts erachtet, der inVerbindung mit den oben dargestellten Rechtsgrundsätzen den Schluss zuließ, bei dem von der Beklagten angebotenen Pilz-Sporenpulver handele es sich um ein bereits vor dem 15.5.1997 in der Europäischen Union in erheblichem Umfang zum Verzehr von Menschen verwendetes Lebensmittel. Die Berufung zeigt weder konkrete Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit undVollständigkeit dieser Feststellungen begründen, noch legt sie im Berufungsrechtszug neue berücksichtigungsfähige Tatsachen dar (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO). (a) Soweit die Berufung sich konkret und nicht nur pauschal auf den Vortrag der Beklagten in erster Instanz bezieht, bleibt sie eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den sorgfältigen Erwägungen des Landgerichts weithin schuldig. Sie rückt – aus den oben dargestellten Gründen ohne Erfolg – den Aspekt in den Vordergrund, dass die Kammer von einem falschen Verständnis ihrer sekundären Darlegungslast und einem rechtlich unzutreffenden Begriff der Produktidentität im Lebensmittelrecht ausgegangen sei, verstellt sich damit aber den Blick für die abgewogenen und zutreffenden Ausführungen, mit denen das Landgericht die inhaltliche Insuffizienz der von ihr für einen Verzehr von Pilz-Sporenpulver der in Rede stehenden Art angeführten Belege begründet hat. Die Bezugnahme auf das Vorbringen in zwei erstinstanzlichen Schriftsätzen zu Unternehmen, die „entsprechende“ Produkte in Verkehr gebracht hätten, genügt für sich allein nicht, die Erheblichkeit des Vorbringens oder gar die Notwendigkeit einer Vernehmung der in erster Instanz benannten Zeugen zu begründen. Angesichts der sorgfältigen Ausführungen im angefochtenen Urteil hätte die Beklagte vielmehr zumindest vortragen können und müssen, welche konkreten, vom Landgericht für nicht erheblich angesehenen Tatsachenbehauptungen ihrer Ansicht nach zur Darlegung der fehlenden Neuartigkeit von Ling-Zhi-Pilz-Sporenpulver als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat geeignet sind. Auf die überzeugenden Argumente des Landgerichts zur fehlenden Erheblichkeit des Vertriebs in nur geringem Umfang oder zu


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arzneilichen Zwecken – auch als Erzeugnis der traditionellen chinesischen Medizin – geht die Berufung nicht ein. Mit den Bedenken der Kammer an der Aussagekraft der vorgelegten Privatgutachten setzt sich die Berufung inhaltlich ebenfalls nicht auseinander. Dazu hätte aber um so mehr Anlass bestanden, als sogar der Gutachter M. im Jahr 2004 bestätigt hat, dass der Pilz hier früher als wertlos gegolten habe; wieso es vor diesem Hintergrund für einenVerzehr durch Menschen in erheblichem Umfang schon vor Mitte 1997 sprechen soll, dass es „inzwischen“ auch hier „mehrere“ Kultivateure gebe und das Pulver „in erheblichem Umfang zum Würzen von Speisen verwendet“ werde, erschließt sich nicht, wie das Landgericht richtig ausgeführt hat. Die übrigen Gutachten befassen sich – ersichtlich zu Prozesszwecken – mit Fragen der Genehmigungsfähigkeit, aber nicht substantiiert mit einemVerzehr von Ling-Zhi-Pilz-Sporenpulver in erheblicher Menge vor 1997 in Europa. In der Analyse des Chemikers U. ist von einer Verwendung in Europa keine Rede. Soweit sich die Beklagte auf verschiedene instanzgerichtliche Entscheidungen, Markenanmeldungen, Auskünfte von Behörden des Bundes, der Länder und anderer europäischer Staaten sowie die Erwähnung des Pilzes Ganoderma lucidum in einem von der EU-Kommission verantwortetenVerzeichnis im Internet („Novel food catalogue“) als „Non novel food“ beruft, krankt ihre Darlegung abgesehen von der fehlenden Auseinandersetzung mit den insoweit im angefochtenen Urteil im Einzelnen aufgezeigten Bedenken vor allem daran, dass sie jeweils nur das Ergebnis der von einem Dritten überwiegend lange nach dem Stichtag abgegebenen Bewertung, nicht aber konkrete Tatsachen mitteilt, an Hand derer die inhaltliche Richtigkeit dieser Bewertung überprüft und ihre Anwendbarkeit gerade auf das im Streitfall gegenständliche Pilz-Sporenpulver nachvollzogen werden kann. In dieser Form ist ihr Vorbringen indes nicht einlassungsfähig und schon im Ansatz ungeeignet, den erhöhten Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast eines Lebensmittelanbieters zu genügen, dem es zugemutet werden kann, sich jedenfalls in einem seit Jahren anhängigen Rechtsstreit, in dem es um die Neuartigkeit des von ihm angebotenen Nahrungsergänzungsmittels geht, über die tatsächlichen Grundlagen der angeführten Drittbewertungen zu informieren und diese Tatsachen dem Gericht als Grundlage für seine eigene Entscheidung vorzutragen. (b) Die von der Beklagten in der Berufungsverhandlung und kurz danach vorgelegten Dokumente und der von ihr dazu gehaltene, schriftsätzlich nur rudimentär aufbereiteteVortrag stellen neue Verteidigungsmittel dar, die bei gehöriger prozessualer Sorgfalt schon in erster Instanz, spätestens aber in der Berufungsbegründung hätten geltend gemacht werden können, so dass sie nicht zuzulassen (§ 531 Abs. 2 ZPO) oder jedenfalls als verspätet zurückzuweisen (§§ 530, 520, 296 ZPO) waren. Für das im Wesentlichen in der Vorlage umfangreicher Listen bestehende Vorbringen, aus denen sich die behördlich als zulässig angesehene Verwendung des Pilzes Gano-


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derma lucidum als Nahrungsergänzungsmittel oder Lebensmittel in mehreren europäischen Staaten – darunter Italien und dem Vereinigten Königreich – ergeben soll, gelten im Übrigen die vorstehend aufgezeigten Bedenken entsprechend: Die tatsächlichen Grundlagen und weithin auch weitere – den Zeitpunkt der Entscheidung, die Prüfungskompetenz und die Arbeitsweise der listenführenden Stellen betreffenden – Bedingungen der vorgetragenen Bewertungen werden von der Beklagten nicht mitgeteilt und dem Kläger wird eine substantiierte Stellungnahme ebenso wenig wie der Antritt des Negativbeweises ermöglicht. Anmerkung: Überzogenes Sicherheitsstreben bei neuartigen Lebensmitteln Regelmäßig werden wir mit Rechtsprechung zur Novel Food-Problematik beglückt, was auch in Zukunft mit schöner Regelmäßigkeit der Fall sein wird, da bei der anstehenden Neuordnung des Novel Food-Rechts durch die neue EU-Verordnung an dem willkürlichen Zeitpunkt 15. Mai 1997 festgehalten werden soll. Aus Gründen der „Kontinuität“ (Erwägungsgrund 4 des Standpunkts (EU) Nr. 6/2010 des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung über neuartige Lebensmittel vom 15. März 2010) wird auch künftig bei der Prüfung der Neuartigkeit auf einen – zurzeit – 15 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt abgestellt. Das Risiko, dass ein „neues“ Produkt als neuartig eingestuft werden könnte, steigt mit jedem Tag/Monat/Jahr, mit dem man sich weiter von dem 15. Mai 1997 entfernt. Allerdings bestehen seitens des EUGesetzgebers insbesondere insoweit keine Bedenken, als bei der geplanten Ausdehnung des Anwendungsbereichs der neuen Novel Food-Verordnung Produkte bis zu 15 Jahre (plus „X“, abhängig vom Zeitpunkt der Geltung der neuen EU-Verordnung) rückwirkend ihre Verkehrsfähigkeit – weil plötzlich neuartig – verlieren können. Im „Ling Zhi Pilz Sporenpulver“-Fall des OLG Köln wurde die Neuartigkeit auch in zweiter Instanz ohne großen Aufwand bejaht, indem eine sehr strenge „Produktidentität“ gefordert und die primäre Darlegungslast des Klägers gegen Null reduziert wurde. 1. Primäre / sekundäre Darlegungslast Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung trifft die beklagte Anbieterin eines beanstandeten Produkts eine sog. sekundäre Darlegungslast. Dies bedeutet, dass zunächst das beklagte Lebensmittelunternehmen konkrete Umstände, aus denen auf einen vor dem Stichtag erfolgten hinreichend umfangreichen Verzehr des gerade von ihr angebotenen Lebensmittels geschlossen werden kann, vortragen muss, bevor der Kläger darauf seinerseits – gegebenenfalls unter Beweisantritt – eingehen muss (vgl. Rz. 20 (nach juris) des OLG-Urteils). Erst auf substantiierten Vortrag der Beklagten muss der Kläger seine Behauptung ebenfalls substantiieren und unter Beweis stellen.


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Dafür spreche zum einen, dass an den Beweis einer negativen Tatsache keine unerfüllbaren Anforderungen gestellt werden dürfen (BGH, WRP 2007, 781 Rz. 12 f. – Zugang des Abmahnschreibens). Zum anderen werde auch der Beklagten nichts Unzumutbares abverlangt, weil sie als Lebensmittelunternehmerin Sorge dafür zu tragen hat, dass die von ihr beworbenen und vertriebenen Lebensmittel die Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllen (BGH, WRP 2008, 924 Rz. 19 – Fruchtextrakt). Dieser mehrstufige Ansatz im Hinblick auf die Verteilung der Darlegungslast ist grundsätzlich als angemessen zu beurteilen, da den tatsächlichen Verhältnissen ausreichend Rechnung getragen wird. Abzulehnen ist dagegen der rein pragmatische, schon fast an Arbeitsverweigerung grenzende Ansatz des OLG Köln, wonach der Kläger seiner primären Darlegungslast in Bezug auf die negative Tatsache der fehlenden Verwendung von Ling Zhi Pilz Sporenpulver in der EU bereits dadurch genügt habe, dass er im Hinblick auf den Pilz, der früher als wertlos gegolten habe, einen relevanten Verzehr von daraus gewonnenen Zubereitungen, für die es keinen Bedarf gebe, in Abrede gestellt hat (vgl. Rz. 21, 25 des OLG-Urteils). Das erstinstanzliche LG Köln hat sogar die bloße klägerische Behauptung, vor dem 15. Mai 1997 sei das besagte Sporenpulver in der Europäischen Union nicht in nennenswertem Umfang verzehrt worden, als der primären Darlegungspflicht genügend angesehen. Es käme nämlich auf die Frage, ob die Argumentation des Klägers, der Nichtverzehr ergebe sich bereits daraus, dass der Pilz zum Verzehr ungeeignet sei, schlüssig ist, nicht an (LG Köln, Urt. v. 21.10.2010 – 31 O 304/06 Rz. 27 – Ling Zhi Pilz Sporenpulver). Die faktische Aufhebung der primären Darlegungslast durch die Entscheidungen des LG und OLG Köln widerspricht aber der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Novel Food. Nach der Rechtsprechung des BGH hat grundsätzlich der Kläger die seinen Anspruch begründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen. Dazu gehören bei Novel Food-Verfahren die Darlegung und der Beweis der negativen Tatsache, dass es sich bei den beanstandeten Produkten um Lebensmittel oder Zutaten handelt, die vor dem 15. Mai 1997 in der Union nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichenVerzehr verwendet worden sind. DieseVerteilung der Darlegungs- und Beweislast trägt dem Umstand Rechnung, dass das Inverkehrbringen von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten grundsätzlich keiner vorherigen Genehmigung bedarf (BGH, WRP 2008, 924 Rz. 18 – Fruchtextrakt; BGH, ZLR 2009, 350 Rz. 28 – Erfokol-Kapseln). Der Kläger hat im Fall des § 4 Nr. 11 UWG entsprechend den allgemeinen Regeln den Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung als anspruchsbegründende Tatsache darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BGH, WRP 2010, 250 Rz. 15 – Quizalofop). Der zur Erfüllung der primären Darlegungslast erforderliche Substantiierungsgrad des klägerischenVortrags umfasst damit mehr als das bloße Behaupten der Neuartigkeit des Produkts. Demgemäß kann sich das beklagte Lebensmittelunternehmen im


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Hinblick auf seine sekundäre Darlegungslast nicht darauf beschränken, den klägerischenVortrag nur zu bestreiten oder zu versuchen ihn durch pauschale Ausführungen zu widerlegen, ohne jedoch durch geeigneten Beweisantritt über die tatsächlichen Grundlagen der Verteidigung zu informieren, so dass diese Tatsachen dem Gericht als Grundlage für seine eigene Entscheidung dienen können. Dem OLG Köln genügt es indes aber nicht, dass für die Verneinung der behaupteten Neuartigkeit des verfahrensgegenständlichen Produkts auf Auskünfte von Behörden des Bundes, der Länder und anderer europäischer Staaten sowie auf die Erwähnung des Stoffes – hier des Pilzes – in dem von der EU-Kommission verantworteten „Novel food catalogue“ als „Non novel food“ verwiesen wird. Die Beklagte habe jeweils nur das Ergebnis der von einem Dritten überwiegend lange nach dem Stichtag (15. Mai 1997) abgegebenen Bewertung, nicht aber konkrete Tatsachen mitgeteilt, anhand derer die inhaltliche Richtigkeit dieser Bewertung hätte überprüft und ihre Anwendbarkeit gerade auf das im Streitfall gegenständliche Pilz-Sporenpulver nachvollzogen werden können (vgl. Rz. 26 des OLG-Urteils). Das OLG Köln verkennt insoweit aber, dass sich behördliche Einschätzungen traditionell nicht durch einen transparenten Diskussionsprozess auszeichnen.Vielmehr regiert insoweit das Selbstverständnis der staatlichen Stellen, dass sich die Richtigkeit ihrer Ausführungen aus ihrer hoheitlichen Stellung ergibt. Es mag zwar wiederum dem Selbstverständnis deutscher Gerichte entsprechen, dass diese im Verfahren vorgelegte Äußerungen grundsätzlich nicht als „unfehlbar“ ansehen, jedoch ist es dem zur Verteidigung gezwungenen Lebensmittelunternehmer regelmäßig verwehrt, eine detaillierte Begründung für eine behördliche Äußerung einzufordern. Dies gilt insbesondere für den von der EU-Kommission betreuten „Novel food catalogue“, der im Einklang mit den Experten der EU-Mitgliedstaaten als dynamisches Instrument betrieben wird. Die – wenn auch knapp gefasste – Bestätigung einer fachlich kompetenten Behörde eines EU-Mitgliedstaates über einen vor dem Stichtag erfolgten hinreichend umfangreichen Verzehr des Stoffes und/oder die Erwähnung des Stoffes in dem „Novel food catalogue“ der EU-Kommission als „Non novel food“ ist deshalb grundsätzlich als der sekundären Darlegungslast genügend anzusehen, wenn die behördliche Bestätigung bzw. der Katalogeintrag das verfahrensgegenständliche Lebensmittel umfasst. Insofern mag im Einzelfall ein detaillierteres, mit konkreten Tatsachen zur Feststellung der Übertragbarkeit auf das betroffene Produkt versehenes Beweismittel erforderlich sein, was sich aber als Problem der vom LG Köln als „Produktidentität“ beschriebenenVoraussetzung für eine erfolgreicheVerteidigung darstellt. Die behördliche Bestätigung als „Non novel food“ oder der entsprechende Eintrag im „Novel food catalogue“ der EU-Kommission sind somit als solche grundsätzlich ausreichend, um eine Einstufung als neuartiges Lebensmittel abzuwehren. Deren Verwertbarkeit im konkreten Verfahren hängt aber davon ab, ob die Bestätigung das zu prüfende Lebensmittel – zumindest auch – umfasst.


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2. Produktidentität Nach der Rechtsprechung von EuGH und BGH müssen die berücksichtigten Umstände (wie behördliche Bestätigung oder „Novel food catalogue“ der EU-Kommission) das Lebensmittel oder die Zutat selbst, auf das oder die sich die Prüfung erstreckt, betreffen und nicht ein „ähnliches oder vergleichbares“ Lebensmittel oder eine „ähnliche oder vergleichbare“ Zutat. Auf dem Gebiet der neuartigen Lebensmittel oder neuartigen Lebensmittelzutaten lässt sich nicht ausschließen, dass selbst gering erscheinende Abweichungen ernst zu nehmende Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung nach sich ziehen können, zumindest solange nicht die Unschädlichkeit des fraglichen Lebensmittels oder der fraglichen Zutat durch angemessene Verfahren nachgewiesen wurde (BGH, WRP 2008, 924 Rz. 16 – Fruchtextrakt; EuGH, WRP 2005, 863 Rz. 86 – HLH Warenvertrieb und Orthica). Auch das OLG Köln zitiert zwar diese Rechtsprechung (vgl. Rz. 17 des OLG-Urteils), stützt seine Entscheidung sodann aber auf den vom erstinstanzlichen Landgericht benutzten Begriff der „Produktidentität“. Der Begriff der „Produktidentität“ wird dabei zwar nicht auf spezifische Erzeugnisse eines bestimmten Unternehmens in bestimmter Darreichungsform und Aufmachung, jedoch auf denVerzehr identischer Lebensmittel beschränkt. Im konkreten Fall sollen demnach beliebige Ling Zhi Pilz-Zubereitungen, die vor dem Stichtag in der EU als Lebensmittel hinreichend umfangreich verzehrt wurden, unerheblich sein, da „auf das konkret beanstandete, ausschließlich (zu 100 %) aus den Sporen des Ling-ZhiPilzes hergestellte Pulver“ abzustellen sei. Nach Auffassung des OLG Köln kommt es für die Prüfung nicht allein darauf an, „ob die stofflichen Bestandteile des beanstandeten Produkts ohne Rücksicht auf die Art der Zubereitung und mögliche weitere Bestandteile“ schon vor dem Stichtag in der EU verzehrt wurden. Es sei vielmehr maßgeblich, ob eine hinreichend umfangreiche Verwendung „gleichartiger Zubereitungen“ als Lebensmittel stattgefunden hat (vgl. Rz. 18 des OLG-Urteils). Auf nicht zu 100 % identische Produkte komme es nicht an, auch wenn diese aus denselben Zutaten hergestellt oder aus denselben Pflanzen bzw. Pilzen gewonnen werden (LG Köln, Urt. v. 21.10.2010 – 31 O 304/06 Rz. 22 – Ling Zhi Pilz Sporenpulver). Diese Theorie einer „Produktidentität“ steht im Widerspruch zu derVerordnung (EG) Nr. 258/97 und insbesondere zu deren doppelter Zielsetzung, wonach das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes der neuartigen Lebensmittel zu sichern und die öffentliche Gesundheit vor den Risiken, die sich aus diesen Lebensmitteln ergeben können, zu schützen ist (EuGH, ZLR 2009, 233 Rz. 22 – Man-Koso). Zwar ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 lit. f Verordnung (EG) Nr. 258/97, dass für die Zwecke der Einstufung eines Lebensmittel-Enderzeugnisses als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel Food-Verordnung dem Herstellungsverfahren Bedeutung zukommt. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung fallen unter die Gruppe der neuartigen Lebensmittel diejenigen Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, bei deren Herstellung ein „nicht übliches Verfahren“ angewandt worden ist und bei denen dieses Verfahren eine bedeutende


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Veränderung ihrer Zusammensetzung oder Struktur bewirkt hat. Im Hinblick auf Art. 1 Abs. 2 lit. f Verordnung (EG) Nr. 258/97 („nicht übliches Verfahren“) reicht deshalb allein der Umstand, dass alle Zutaten, aus denen ein Lebensmittel besteht, in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Union verwendet wurden, nicht aus, um das Lebensmittel-Enderzeugnis nicht als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 258/97 anzusehen (EuGH, ZLR 2009, 233 Rz. 26 – Man-Koso). Die Problematik, die sich im Zusammenhang mit der Einstufung eines Lebensmittels als neuartiges Lebensmittel in Bezug auf das Herstellungsverfahren stellt, ist jedenfalls dann von maßgeblicher Rolle, wenn es um ein „nicht üblichesVerfahren“ im Sinne des Art. 1 Abs. 2 lit. f Verordnung (EG) Nr. 258/97 geht (EuGH, ZLR 2009, 233 Rz. 28 – Man-Koso). Eine pauschale Übertragung auf sämtliche Fallgruppen der Novel Food-Verordnung – insbesondere Buchstabe e) – ist jedoch abzulehnen. Zwar ist nach dem EuGH nicht ausgeschlossen, „dass der Herstellungsvorgang in der Struktur eines Lebensmittels zu physikalischen, chemischen oder biologischen Änderungen der verwendeten Zutaten mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die öffentliche Gesundheit führen kann“, weshalb die Prüfung, „welche Folgen dieser Vorgang hat, selbst dann geboten“ sein kann, „wenn das Enderzeugnis aus Zutaten besteht, die jeweils für sich genommen dieVoraussetzung des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 erfüllen“ (EuGH, ZLR 2009, 233 Rz. 27 – Man-Koso). In dem konkretenVerfahren hat der EuGH deshalb auf die betreffendenVorlagefragen geantwortet, dass der Umstand, dass alle Zutaten eines Lebensmittels für sich genommen nicht neuartig oder unbedenklich sind, nicht dafür ausreicht, die Anwendung derVerordnung (EG) Nr. 258/97 auf das erzeugte Lebensmittel auszuschließen. Umgekehrt kann aus der bloßen Be-/Verarbeitung einer nicht neuartigen Rohware nicht geschlossen werden, dass das daraus erzeugte Lebensmittel im Zweifel neuartig ist. Die Entscheidung, ob ein neuartiges Lebensmittel gegeben ist, muss vielmehr für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Merkmale des Lebensmittels und des Herstellungsverfahrens erfolgen (EuGH, ZLR 2009, 233 Rz. 30 – Man-Koso). Die Prüfung der Neuartigkeit ist demnach geboten, wenn es in der Europäischen Union unstreitig keinerlei Erfahrungen mit der Anwendung des fraglichen Herstellungsverfahrens auf die betreffenden Zutaten gibt (EuGH, ZLR 2009, 233 Rz. 28 – Man-Koso) bzw. wenn das Lebensmittel mit einer in der Lebensmittelherstellung in der Union zuvor nicht genutzten Produktionstechnologie hergestellt wurde (Erwägungsgrund 6 des Standpunkts (EU) Nr. 6/2010 des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung über neuartige Lebensmittel vom 15. März 2010). Dabei sollen solche neuen Technologien der Lebensmittelherstellung von der neuen Novel Food-Verordnung erfasst werden, die sich auf die Lebensmittel auswirken und somit auch Auswirkungen auf die Lebensmittelsicherheit haben könnten. Im Standpunkt des Rates vom 15. März 2010 werden insoweit als Beispiel Lebensmittel genannt, die technisch hergestellte Nanomaterialien enthalten oder aus solchen bestehen.


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Im Falle der Herstellung von Lebensmittelerzeugnissen, die aus bereits vorhandenen, auf dem Gemeinschaftsmarkt verfügbaren Lebensmittelzutaten – vor allem durch die Veränderung der Zusammensetzung oder der Anteile dieser Zutaten – erzeugt werden, sollen dagegen die betreffenden Lebensmittel nicht als neuartig eingestuft werden (Erwägungsgrund 8 des Vorschlags der Kommission für eine Verordnung über neuartige Lebensmittel und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 258/97 vom 14. Januar 2008, KOM(2007) 872 endg.). Auch nach der geplanten neuen Novel Food-Verordnung sollen damit Lebensmittel, die aus Lebensmittelzutaten hergestellt werden, die nicht neuartig sind, auch nicht als neuartig eingestuft werden, wenn die verwendeten Lebensmittelzutaten, die Zusammensetzung der Lebensmittel oder Anteile geändert werden. Nur bei weitreichenden Veränderungen einer Lebensmittelzutat, wie beispielsweise durch „selektive Extraktion“ (Zubereitungen aus Lebensmitteln, die durch selektive Extraktion von einzelnen Bestandteilen imVergleich zu den anderen Bestandteilen gewonnen werden; vgl. Erwägungsgrund 5 und Anhang I Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008), oder bei Verwendung „anderer Teile einer Pflanze“, die in der Union bisher nicht für den menschlichen Verzehr verwendet wurden (wenn z. B. traditionell die Früchte einer Pflanze verzehrt werden, in dem Lebensmittel aber eine Zubereitung aus der Wurzel der Pflanze enthalten ist), soll der Geltungsbereich der Novel Food-Verordnung eröffnet sein (Erwägungsgrund 10 des Standpunkts (EU) Nr. 6/2010 des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung über neuartige Lebensmittel vom 15. März 2010). Unter der Voraussetzung, dass der „Ling Zhi“ Pilz als solcher nicht neuartig ist, weil er z. B. dem im „Novel food catalogue“ der EUKommission als nicht neuartig gelisteten Pilz „Ganoderma lucidum“ entspricht, bedeutet dies für den vorliegenden Fall, dass das „Ling Zhi Pilz Sporenpulver“ nur dann als neuartig anzusehen ist, wenn die Herstellung des Sporenpulvers als bedeutende Veränderung des verwendeten Ling Zhi Pilzes anzusehen ist, etwa wenn das Sporenpulver durch selektive Extraktion gewonnen wurde. Informationen hierzu lassen sich aber weder der erstinstanzlichen Entscheidung noch dem Urteil des OLG Köln entnehmen, weil die Gerichte nur das Vorliegen einer echten Produktidentität („zu 100 %“) geprüft haben. Rechtsanwalt Dr. Andreas Reinhart, München


Dr. Andreas Reinhart Rechtsanwalt Dr. Andreas Reinhart, geb. 1971, hat Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert. Er promovierte an der Paris-Lodron-Universität Salzburg bei Prof. DDr. J. Michael Rainer. Seine Doktorarbeit befasste sich rechtsvergleichend mit dem anglo-amerikanischen Recht.

punktmäßig auf dem Gebiet des Lebensmittel- und Heilmittelwerberechts und dabei nicht nur forensisch, sondern auch beratend tätig. Er prüft geplante Werbebzw. Marketingmaßnahmen im Vorfeld auf ihre Zulässigkeit. Daneben berät und vertritt Herr Dr. Reinhart Apotheker in allen Fragen des Apothekenrechts.

Dr. Andreas Reinhart ist Partner der meyer.rechtsanwälte Partnerschaft.

Herr Dr. Reinhart ist durch eine Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen als Kenner der von ihm bearbeiteten Rechtsgebiete ausgewiesen. So ist er etwa Herausgeber des Werkes „Praxishandbuch Kosmetische Mittel“ (Behr´s Verlag) und Autor des Buches „Kosmetikrecht“ (WVG Verlag). Herr Dr. Reinhart ist darüber hinaus Mitherausgeber des HWG-Kommentars Gröning (WVG Verlag). Ferner ist er Mitautor in dem Lebensmittelrecht-Kommentar von Meyer/Streinz (C.H. Beck Verlag), dem Wettbewerbsrecht-Kommentar (UWG) von Fezer (C.H. Beck Verlag) und in dem Handbuch des Fachanwalts Gewerblicher Rechtsschutz (Hrsg. Erdmann/Rojahn/Sosnitza; Luchterhand Verlag).

Seit 2005 ist er Lehrbeauftragter für Lebensmittelrecht an der TU München in Weihenstephan und seit 2010 auch als Lehrbeauftragter an der Paris-LondronUniversität Salzburg tätig. Rechtsanwalt Dr. Reinhart betreut Mandate überwiegend aus der Lebensmittel-, Kosmetik- und Pharmaindustrie. Ergänzend kommen markenrechtliche Mandate hinzu, die sich von der Markeneintragung und -pflege, über die Pflege bis zur Abwehr von Ansprüchen Dritter erstrecken. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im Bereich der kosmetischen Mittel, von der Produktentwicklung, über Vertrieb und Vermarktung, bis hin zur Verteidigung des Kosmetikums gegenüber Behörden und vor Gerichten. Darüber hinaus ist Herr Dr. Reinhart schwer-

Neben seinen Lehraufträgen an der TU Weihenstephan und an der Universität Salzburg sowie seiner Dozententätigkeit bei der Deutschen Anwaltsakademie (DAA) ist Herr Dr. Reinhart als Referent auf verschiedenen Veranstaltungen tätig.

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