MFG - Das Magazin / Ausgabe 71

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MFG EDITORIAL

JOHANNES REICHL

FINALE

N

un geht sie also in die Zielgerade – die Bewerbung St. Pöltens zur Europäischen Kulturhauptstadt 2024. Vor zwei Jahren wurde sie mit viel Wind hochoffiziell von Stadt und Land auf den Weg gebracht, und es war ein frischer, ein neuer Wind, denn so viel Gemeinsamkeit und öffentliches Wohlwollen hatten die beiden Körperschaften einander die restlichen vier Jahrzehnte nicht entgegengebracht. Eher verhedderte man sich im kleinkarierten, durch jeweils absolute politische Machtverhältnisse einzementierten Polithickhack auf Kindergarten-Niveau bis hinab auf die Ebene konsequenter Nicht(!)–Einladungspolitik der jeweils „anderen Seite“. Welche Wohltat also, wenn Landeshauptfrau und Bürgermeister heute bei einer Straßeneröffnung oder banaleren Dingen gemeinsam aus der Zeitung lächeln. So grotesk es klingen mag, aber damit hatte die Bewerbung schon vor ihrem eigentlichen Start den ersten, vielleicht größten Coup gelandet. Zusammenarbeit und Vernetzung wurden überhaupt zur alles durchdringenden Duftmarke. Überall schossen Initiativen, Foren und andere Formate aus dem Boden, die unter der Flagge der Kulturhauptstadt segelten und sich mit allem – und mit allem meine ich alles – auseinandersetzten, bis hin zum wackelnden Kanaldeckel vor der Haustür. Manchmal wähnte man sich daher

eher in den Sitzungen einer kollektiven Selbsthilfe- und Selbstfindungsgruppe St. Pölten, denn einer Stadt, die ihren europäischen Pulsschlag sucht. Aber vielleicht bedurfte es ja genau dieser Selbstsezierung, um den im Bidbook 1 noch angeführten Befund, demzufolge St. Pölten „hierzulande bisweilen synonym für Provinzialität und Mittelmaß steht“, endgültig zu überwinden. Auch das wäre ein großes Verdienst. Und Europa holte man dann ja recht elegant wieder herein, indem man die Frage nach „Europa daheim“ stellte, mit der banalen aber wohl richtigen Schlussfolgerung, dass „es viele St. Pöltens in Europa gibt“, für die man, so die Grundstoßrichtung der Bewerbung, zum „Role Model“ werden könne. Frei nach Friedrich Hebbel übersetzt: „St. Pölten ist eine kleine Welt, in der Europa Probe hält.“ Dafür bedarf es freilich neben dem produktiven St. Pöltner Input ebenso der Expertise von außen, um zu gewährleisten, dass die Europäische Kulturhauptstadt St. Pölten nicht, wie es vielleicht manch Eingeborenem vorschwebt, zu einer Art aufgemotzter St. Pöltner Festwochen verzwergt. Die Abbildung und Integration der lokalen Szene ist ohne Zweifel wichtig, sie allein kann aber noch kein künstlerisches Konzept für eine Europäische Kulturhauptstadt sein. Dies den dann nicht zum Zug kom-

menden Akteuren zu verklickern, wird wohl eine der großen Herausforderungen im Falle eines Zuschlages werden, denn wie man aus anderen Europäischen Kulturhauptstädten weiß, ist die Bewerbungszeit noch so etwas wie Honeymoon, während nach dem Zuschlag das große Gerangel um die Futtertröge beginnt – und damit das Konfliktpotenzial steigt. Wobei „Honeymoon“ für den scheinbar in Watte gebauschten und von geradezu „hippiesker“ Harmonie geprägten St. Pöltner Bewerbungsprozess beinahe wie eine Untertreibung klingt. Da wirkte die am Schluss aufflammende Debatte rund um den Altoona Park fast schon erfrischend, wenngleich sie teils auf falschen Vorstellungen der Kritiker zu beruhen scheint. Was bleibt also vom Bewerbungsprozess? Viel! Eine professionelle Umsetzung. Positive Aufbruchsstimmung. Höheres Selbst-Bewusstsein. Neue Verbindungen. Die bestechende Idee einer (Kultur-)Hauptstadtregion. Sowie jede Menge Konzepte, die zukunftsfähig sind und selbst bei einem Nichtzuschlag hoffentlich nicht in irgendeiner Schublade verschwinden. So betrachtet hat St. Pölten schon jetzt gewonnen – egal, wie es am 12. November ausgehen mag, wenngleich wir der Jury schon eine kleine Empfehlung mit auf den Weg geben möchten: Her mit dem Pott!

Offenlegung nach §25 Medien-Gesetz: Medieninhaber (Verleger): NXP Veranstaltungsbetriebs GmbH, MFG - Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten. Unternehmensgegenstand: Freizeitwirtschaft, Tourismus und Veranstaltungen. Herausgeber/Geschäftsführer: Bernard und René Voak. Grundlegende Blattlinie: Das fast unabhängige Magazin zur Förderung der Urbankultur in Niederösterreich. Redaktionsanschrift: MFG – Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten; Telefon: 02742/71400-330, Fax: 02742/71400-305; Internet: www.dasmfg.at, Email: office@dasmfg.at Chefredakteur: Johannes Reichl Chefredakteur-Stv.: Michael Müllner Chefin vom Dienst: Anne-Sophie Müllner Redaktionsteam: Thomas Fröhlich, Sascha Harold, Johannes Mayerhofer, Michael Müllner, Andreas Reichebner, Thomas Schöpf, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller Kolumnisten: Thomas Fröhlich, Michael Müllner, Tina Reichl, Roul Starka, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller Kritiker: Helmuth Fahrngruber, Thomas Fröhlich, David Meixner, Michael Müllner, Clemens Schumacher, Manuel Pernsteiner, Michael Reibnagel, Johannes Reichl, Christoph Schipp, Robert Stefan Karikatur: Andreas Reichebner Bildredaktion: Elias Kaltenberger, Matthias Köstler Cover: Andreas Reichebner Art Director & Layout: a.Kito Korrektur: Anne-Sophie Müllner Hersteller: NÖ Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft mbH Herstellungs- und Verlagsort: St. Pölten Verlagspostamt: 3100 St. Pölten, P.b.b. Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2. Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr. Für den Inhalt bezahlter Beiträge ist der Medieninhaber nicht verantwortlich.


INHALT THE LONG WAY HOME TO EUROPE – Seite 8

EIN TEURER SPASS – Seite 14

HOT IN THE CITY – Seite 18

ALEXANDER KUCHAR – Seite 44

WHAT IS FORTNITE – Seite 58

EIN TAG MIT FRENKIE SCHINKELS – Seite 68

3 Editorial 6 In was für einer Stadt leben wir

URBAN

7 Shortcut Urban 8 The long way home to Europe 14 Ein teurer Spaß 18 Hot in the city 26 Alles auf Schwarz? 30 Heil- & Pflegeanstalt Mauer-­ Öhling im Nationalsozialismus

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KULTUR

36 Shortcut Kultur 38 Brandstetter & Freunde 44 Alexander Kuchar 48 Earl Okin – einzigartig & sexy

SZENE

52 Shortcut Szene 54 Parov Stelar 58 Fortnite in vier Fragen 64 Yesterday – Star unter den Bars

74 Kritiken 75 Veranstaltungen 76 Karikatur 78 Außensicht

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68 Mein Tag mit Frenkie Schinkels 72 Von Harland nach Kasachstan und Wimbledon

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… aus der eine kommt, die ganz besonderen Käse liefert. Und zwar ins berühmte Londoner Victoria & Albert Museum. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die Engländer jetzt europäischen Käse im Museum lagern, weil nach dem Brexit womöglich keiner mehr auf die Insel kommt. Designmuseumsreif ist er deshalb, weil er aus Kuhmilch und menschlichen Bakterien hergestellt wurde. Promis wie Blur-Bassist Alex James (Bild) oder Star-Koch Heston Blumenthal spendeten der St. Pöltner Forscherin und Designerin Helene Steiner „ihre“ Bakterien – vom Achselschweiß über Ohrenschmalz bis zum Schamhaar. Die daraus produzierten Käse-Laibe sind Teil der Ausstellung „Food: Bigger than the plate“ und „wären genießbar“, wie Steiner versichert. Die Botschaft ist aber eine andere: „Er soll Menschen mit ihrem Ekel vor Mikroben konfrontieren, ohne die wir nichts riechen und schmecken würden.“

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… in der Morgenstund bekanntlich Gold im Mund hat, oder neuerdings auch die Fusion aus beidem, nämlich „Morgengold“. So nennt sich jener Zustelldienst, der seit kurzem frisches Gebäck direkt bis zur Haustür liefert. Und das ist nicht der einzige Zustellservice, der Appetit auf die wachsende Hauptstadt bekommen hat. So düsen auch die MjamKuriere durch die Stadt, und auf der Plattform finden sich über 30 Restaurants, die ihre Speisen direkt auf den heimischen Küchentisch bringen – samt Comeback von McDonalds. Zu fixen Standorten, die man wöchentlich jeweils auf der FacebookSeite erfährt, liefern auch die Damen von Supperiör per Fahrradkurier ihre Köstlichkeiten. Und wer nicht auf fertige Speisen, sondern frische landwirtschaftliche Produkte steht, kann sich neuerdings von EUTA (ein Zusammenschluss regionaler Bauern) frisches Obst, Gemüse & Co. direkt ins Haus liefern lassen. Mjam!

… in der in St. Pölten ein Brandanschlag auf die FPÖ-Landesparteizentrale verübt wurde. Ist die Tat Irrsinn, so waren es die politischen Instrumentalisierungsversuche nicht minder. So mutmaßte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafecker ohne Beweise „[…] es stellt sich natürlich die Frage wie weit solche Anarchisten, die von SPÖ, Grünen und NGOs wie SOS-Mitmensch gestützt und beschützt werden, noch bereit sind zu gehen“ Noch unterirdischer reagierte die SPÖ Langenzersdorf, die auf Facebook mutmaßte: „Haben schon die Nazis so gemacht: Zuerst selbst den Justizpalast [sic] angezündet und dann ‚Feuer’ geschrien.” Vor 80 Jahren brach der 2. Weltkrieg aus, als „Reaktion“ auf einen fingierten polnischen Angriff auf den Sender Gleiwitz. Der Weltkrieg forderte ca. 60 Millionen Tote. Dem realen Krieg ging jener der Worte, Propaganda und Lügen voran. Brandstifter raus aus der Politik!

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SHORTCUT URBAN KOLUMNE MICHAEL MÜLLNER

MORGEN IST 2024

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GLASHALM.SPIEL

ie Nachhaltigkeitsbestrebungen der heimischen Wirte sind unübersehbar. Otto Raimitz, Gastronom des Wellen- und Genuss.Spiel in Krems sowie des Schau.Spiel in St. Pölten, ist einer von ihnen und geht jetzt noch einen innovativen Schritt weiter: Er hat sämtliche Plastikhalme aus seinen Betrieben verbannt und durch Glashalme ersetzt. „Entwickelt hat diese ein Grazer Start-up! (glashalm.at, Anm.) Ich war sofort begeistert“, schwärmt Raimitz, der sogleich Nägel mit Köpfen machte.

Die Glashalme werden wie die normalen Gläser gewaschen und zusätzlich, was sich Raimitz von der Medizin abgeschaut hat, im Sterilisator bei 140 Grad sterilisiert. „Damit sind unsere Glashalme sogar keimfrei“, schmunzelt er, wobei ihm vor allem der enorme Umweltschutz-Effekt ein Anliegen ist. „Dank der Glashalme ersparen wir uns 45.000 Plastikhalme!“ Pro Monat wohlgemerkt! Und geht einer kaputt, wird recycelt. Möge das Beispiel Schule machen.

GRÜNSCHNABEL

E

in bisschen mutet es an, als hätte Julia Halbwachs das Flehen der nach gesundem Essen dürstenden Gemeinde erhört, wurde doch auch in diversen Beiträgen unseres Magazins zuletzt der Ruf nach einem Lokal mit Schmankerln für Vegetarier, Veganer & Co. immer lauter. Mit ihrem Superfood Café „Grünschnabel“, das im Herbst anstelle des Caféllini in die Kremsergasse 25 einziehen wird, möchte die ausgebildete Ernährungsberaterin genau diese Lücke schließen, immerhin „ist die Nachfrage nach Health Food und das Gesundheitsbewusstsein der Konsumenten stetig im Steigen!“ Am Speiseplan des neuen Lokals werden u. a. Smoothies, kalt gepresste Säfte und Smoothiebowls stehen, wobei die Neo-Gastronomin ihren Kunden vor

allem beweisen möchte „dass Gesundes schmeckt und gut tut!“ Und weil zum guten Essen bekanntlich auch ein gutes Gewissen gehört, „werden alle Verpackungen für to go aus biologisch abbaubaren Materialien sein!“ Halbwachs „Kampfansage“: „Mein Ziel ist das gesündeste und nachhaltigste Café in St. Pölten!“

In diesen Tagen entscheidet sich, wer am 29. September zu lachen hat. Mit der Nationalratswahl entscheiden wir, wer in den nächsten fünf Jahren in unserem Land die Macht hat. Vorrangig geht es dabei um Gesetze. Also darum, welche Politik gemacht wird und nach welchen Regeln unsere Gesellschaft funktionieren soll. Wem Bildung, Ökologie, Wirtschaft, Sicherheit wichtig sind, dem muss wichtig sein, wer hier gestalten wird. Nachrangig geht es bei der Wahl um die Frage, welche Regierung sich der Nationalrat hält. Aktuell genießen wir ja eine Ausnahmesituation – Kanzlerin und Minister als Spitze der Verwaltung sehen sich nur der Verfassung verpflichtet. Nicht den Parteien, die sie nominiert haben. Vor Weihnachten kehren wir zur Regel zurück: Politiker und ihre Kabinette verwalten uns wieder. Was ja kein Fehler ist, denn als Volk legitimieren wir somit das Handeln des Staates. Gut möglich, dass man nicht viel Substantielles versäumt, wenn man den aktuellen Wahlkampf ausblendet. Stattdessen kann man über die Zukunft nachdenken: Was wollen wir eigentlich wirklich? Sprengt sich diese Regierung nicht wie die vorige selber in die Luft, wird sie bis 2024 im Amt sein? Da sind wir dann (hoffentlich) Europäische Kulturhauptstadt. Welche Veränderungen braucht unsere Gesellschaft in diesen fünf Jahren? Welche Gesetze braucht es? Wofür soll der Staat mehr oder weniger Geld ausgeben? Was sind die wirklichen Probleme der Zukunft, die echte Lösungen verlangen? Wir stellen die Weichen. Wer sich als verantwortungsvoller Bürger Ernst nimmt, der überlässt die Zukunft nicht den Gedankenlosen.

MFG 09.19

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MFG URBAN

THE LONG WAY HOME

TO EUROPE

„Wir haben bisher sicher um die 250 Gespräche geführt“, schätzt Michael Duscher, Geschäftsführer der NÖ Kulturlandeshauptstadt St. Pölten GmbH. „Mindestens“, nickt Projektleiter Jakob Redl zustimmend, und damit machen die beiden Masterminds schon eines klar: Der Bewerbungsprozess zur Europäischen Kulturhauptstadt ist in seiner ersten Phase vor allem auch eine kommunikative Herkulesaufgabe.

E

ine, die am 11. November in der Präsentation des Bidbook 2 gipfeln wird. Dann werden die beiden – 2 Minuten 2 Millionen lässt grüßen – in ihrem 45 minütigem Pitch der Jury klar zu machen versuchen, warum gerade St. Pölten Europäische Kulturhauptstadt 2024 werden soll und nicht eine der beiden Mitbewerber-Städte Bad Ischl bzw. Dornbirn. Tags darauf gibt die Jury ihre Entscheidung bekannt. Grund genug, mit dem dynamischen Duo anlässlich des Endspurts die letzten zwei Jahre Revue passieren zu lassen. Treffpunkt ist das KHS-Hauptquartier im Rathaus, wo es im neu renovierten Teil des „Schubert“-Hauses situiert ist. Der Franzl blickt sodenn 8

auch heiter von seinem Medaillon auf uns herab, als wir durchs Portal treten und uns an den „Kulturhauptstadt 2024“-Straßenschildern (!) weiterorientieren. Im übertragenen Sinne sollen diese am Ende des Tages natürlich nach St. Pölten führen, die Europäische Kulturhauptstadt 2024, die diesen Titel dann übrigens mit dem bereits fixierten estnischen Tartu sowie einer nicht EU-Stadt teilen wird – also gleich drei europäische Kulturhauptstädte … auch das ist Europa! Ganz konkret landen wir fürs Erste aber im ersten Stock, wo die KHS-Büros gleich neben dem Fraktionszimmer der FPÖ situiert sind. Das mag manchen zu Ironie hinreißen, man kann es aber auch positiv-symbolisch deuten, dass nämlich alle Parteien, egal welcher

Couleur, St. Pöltens Bewerbung voll und ganz unterstützen – und das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit! Alte Reflexe? Wir setzen uns am Besprechungstisch in Duschers Büro zusammen, wo alles fein säuberlich gehalten ist: heller Boden, heller Tisch, weiße Wände. Man sieht, dass die Büros neu sind und vermeint fast noch den Geruch frischer Farbe in der Nase wahrzunehmen. Hier herrscht strukturierte Nüchternheit. Nur ein Rad „bricht“ den Eindruck. Als es unser Fotograf beiseite stellen möchte, „weil es auf den Fotos stören könnte“, hält ihn Duscher zurück: „Nein, das lass ruhig stehen, ist ja authentisch. Und Transparenz war uns immer ein Anliegen!“


TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER, C_FURTHNER

DYNAMISCHES DUO. Michael Duscher (r.) und Jakob Redl (l.) haben in den letzten Monaten über 250 Gespräche geführt.

Deshalb hat man auch im Dauermodus nicht nur diverse öffentliche Foren, Arbeitskreise und Info-Veranstaltungen abgehalten, sondern deren Ergebnisse vielfach publiziert, auch das Bidbook 1, also jene Einreichunterlage, die man beim ersten Pitch im Jänner der Jury mit auf den Weg gab. Bevor wir quasi auf dessen verfeinerte, konkretisierte Version Bidbook 2 zu sprechen kommen, die es im November zu präsentieren gilt, interessiert mich, warum man gleich im ersten Satz mit dem Einschub „St. Pölten – eine Stadt, die hierzulande bisweilen synonym für Provinzialität und Mittelmaß steht“ aufmachte. War das nicht kontraproduktiv, quasi den alten eingelernten Reflex der St. Pöltner 40+ einzuführen, anstatt selbstbewusst zu sagen, warum eben gerade St. Pölten als Kulturhauptstadt prädestiniert ist? Duscher erklärt „dass die Bewerbung ja vorsieht, dass man sozusagen die Dringlichkeit erläutern muss, warum man überhaupt antritt. Nur zu sagen, wir wollen das gerne, ist zu wenig.“ Außerdem, fügt Redl hinzu, würden in der Jury auch drei Österreicher sitzen „und die wissen schon, wie St. Pölten in Vergangenheit wahrgenommen wurde, denen braucht man nichts vorzumachen.“ Worum es aber vor allem ging und was auch von der Jury eingefordert wurde, war die Beantwortung der Frage, was die Kulturhauptstadt mit bzw. aus der Stadt machen soll. „Also was will St. Pölten werden?“ Und damit ist man schnell beim substanziellen Kern angelangt, nämlich der Frage nach der Identität, die unweigerlich auch mit dem Selbstbild zusammenhängt: „Hat St. Pölten überhaupt eine Identität? Und wenn ja, wie sieht diese aus? Ist diese schon abgeschlossen?“ Im Zuge des Prozesses kristallisierte sich für das Team zusehends der Eindruck einer „unfertigen Stadt heraus“ wie Duscher ausführt, „und dieser Ansatz ist zu so etwas wie unserer ureigensten Philosophie geworden.“ Keine negative übrigens, wie man in einem ersten Reflex

Wir stellten die Frage nach „Europa daheim“. Wo ist Europa also in St. Pölten schon präsent? vielleicht mutmaßen könnte, sondern eine zukunftsträchtige, „denn es heißt im Umkehrschluss, dass in Städten wie St. Pölten eben noch vieles möglich und offen ist“, ergänzt Redl. Und dies wiederum ist ein Befund, den die niederösterreichische Kapitale mit vielen anderen Mittelstädten verbin-

det. „So betrachtet gibt es viele St. Pöltens in Europa!“ Eben diese Erkenntnis mündete letztlich im Fluchtpunkt der gesamten Bewerbung, „der Erzählung“, wie es Duscher formuliert, was dieses St. Pölten im Zuge dieses „Kulturentwicklungsprojektes Kulturhauptstadt“ werden soll bzw. MFG 09.19

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MFG URBAN

TRANSPARENZ. Die Ergebnisse der Arbeitskreise, Foren & Co. wurden publiziert.

werden könnte: „Ein Rolemodel für eine europäische Mittelstadt! Immerhin leben über 50% der Bewohner Europas in Mittelstädten, die oftmals im Schatten großer Metropolen – mit allen damit zusammenhängenden Vorund Nachteilen – liegen, wobei wir vor allem die Vorteile sehen: Kürzere Wege, mehr Diversität auf kleinerem Raum, die Möglichkeit, schneller etwas umzusetzen. Als Kulturhauptstadt möchten wir in den nächsten vier Jahren best practice-Modelle in anderen europäischen Städten studieren, ebenso aber versuchen, ebensolche bis 2024 zu entwickeln und dann zu präsentieren. Das Programm muss daher so aufgestellt sein, dass die Besucher aus Europa hier in St. Pölten mit etwas konfrontiert werden, das auch mit ihnen selbst zu tun hat, das sie selbst betrifft.“ Europa? Gerade diese europäische Dimension hat man aber lange Zeit in den diversen Gesprächsformaten irgendwie vermisst. Man schien vor allem im eigenen St. Pöltner Saft zu schwimmen. Redl räumt ein, „dass Bidbook 1 vielleicht so wirken mochte, weil es in einem ersten Schritt eben galt, den Ist-Zustand der Stadt zu analysieren, wo stehen wir überhaupt.“ Erst in einem zweiten konnte man dann darauf fußend ausloten, wohin die Europäische Reise überhaupt gehen kann, auch mit welchen ganz konkreten Projekten. Europa habe man aber immer mitgedacht, es aber – und dies hat durchaus seine Logik – zunächst nicht außen „sondern im Inneren verortet. Wir stellten die Frage nach ‚Europa 10

daheim‘. Wo ist Europa also in St. Pölten schon präsent? Und da gibt es viel: die lange Geschichte der Stadt, die bis ins Römische Reich zurückführt; die verschiedenen internationalen Res­ taurants; die Unis, wo Studenten aus allen Teilen Europas studieren; nicht zuletzt Menschen aus 110 Nationen, die in der Stadt leben – bisweilen als marginalisierte Gruppen.“ Jetzt, im zweiten Schritt, gehe es darum, das Gemeinsame herauszudestillieren, „welchen Themen sich die europäischen Mittelstädte also stellen müssen, und die sind vielerrorts ja ähnlich: Verkehr, Mobilität, Wohnen, Bildung, Integration, Umweltschutz – all das sind europäische Fragen, die wir 2024 auch europäisch diskutieren und behandeln möchten.“ Aus diesem Grund wird, gerade im Hinblick auf die programmatische Umsetzung, der so wichtige „St. Pöltner Saft“ mit Expertise von außen gewürzt werden müssen – was auch schon passiert. So sitzt etwa im Team zur künstlerischen Projektentwicklung nicht nur local hero Andi Fränzl, sondern auch der künstlerische Leiter des donaufestival Krems, Thomas Edlinger, die Leiterin für Kunst und Kultur beim Europäischen Forum Alp­ bach, Elisabeth Schack, sowie „Romana Maliti, die etwa schon für die Europäische Kulturhauptstadt Kosice 2013 Programm- und Kunstprojekte koordinierte und eine wichtige Brücke zu

Zentral- und Osteuropa darstellt“, so Redl. Von Domplatz bis KiKuLa Stellt sich natürlich die Frage, welche konkreten Projekte nun überhaupt im Bidbook 2 vorgeschlagen werden? Da winken die beiden Kulturmanager entschuldigend ab. „Das können wir leider noch nicht verraten, wir werden das Bidbook 2 aber nach der Präsentation wieder online stellen.“ Verständlich, ein Trainer lässt sich in Sachen Aufstellung und Taktik auch nicht in die Karten blicken, um seinem Gegner einen etwaigen Vorteil zu verschaffen. Einiges liegt aber ohnedies schon am Tisch und war auch schon lange vor der Kulturhauptstadtbewerbung Teil des öffentlichen Diskurses, wie etwa die Domplatz-Neugestaltung. Die Bewerbung verschaffte dem Projekt nur eine kleine Verzögerungsund Atempause, vor allem aber die Chance, dank nunmehr höherer Dotierung einer wirklich hochwertigen Lösung zugeführt zu werden. Die Bedeutung des Platzes liegt für Duscher auf der Hand „Das ist die Keimzelle des historischen St. Pölten! Der Platz hat einen 1.000-jährigen Friedhof, die Römerfunde, die Vergangenheit der Kirchen – das soll alles in die Programmierung und Gestaltung Eingang finden.“ Das heißt zugleich, dass der Domplatz im Kulturhauptstadtjahr zum Spielort wird, was wie-


THE FABULOUS FIVE. Kleines Team, hoher Output. Michael Duscher, Carolin Riedelsberger, Bernadette Gugerell, Jakob Redl, Albrecht Grossberger (v.l.n.r.) haben den Bewerbungsprozess geschickt aufgesetzt, umsichtig und unaufgeregt moderiert und professionell umgesetzt.

derum die klare Forderung nach sich zieht „dass er im Jahr 2024 autofrei sein soll, ganz klar!“, so Duscher. Auf das politisch dünne Eis einer generellen Nutzungsempfehlung lässt sich der Kulturmanager erst gar nicht ein. „Was darüber hinaus passiert, welche Formate funktionieren und daher möglicherweise bleiben sollen, wird man dann bewerten müssen.“ Ein weiteres, gerne als „Leuchtturmprojekt“ tituliertes Vorhaben ist ebenso auf Schiene: das sogenannte KiKuLa, das KinderKunstLabor. Wie ist man eigentlich gerade auf dieses gekommen – ein Ausfluss der öffentlichen Foren an sich scheint es ja nicht gewesen zu sein? „Es gab in St. Pöl-

ten schon zuvor verschiedene Überlegungen einer innovativen Einrichtung, etwa die Schaffung eines Hauses der Zukunft. Wir haben dann intensiv diskutiert und analysiert, was repräsentativ sein könnte, und als großes Thema schälte sich die Erkenntnis heraus, dass es eigentlich für Kinder nichts Dezidiertes gibt“, erklärt Redl. Zwar gäbe es diverse Vermittlungsschienen in den verschiedenen Kulturinstitutionen, „diese sind aber jeweils in einen Gesamtbetrieb eingebettet, ebenso wie Ausstellungen, die zumeist für Erwachsene konzipiert sind und dann halt kindgerecht aufbereitet werden.“ Aber eine eigene Institution nur für Kinder und Kunst, ein Kom-

Mich hat die Aufregung ehrlich gesagt verwundert bzw. wurde es glaube ich auch falsch kommuniziert, denn in Wahrheit soll das KiKuLa ja sogar eine Aufwertung des Standortes bringen. MICHEAL DUSCHER

petenzzentrum, wo etwa auch die Ausbildung für Vermittlungstätigkeit angesiedelt ist, „existiert in dieser Art in ganz Europa nicht. Wir wollen hier ganz bewusst einen Ort der Begegnung und des europäischen Austausches schaffen, wo der Ausgangspunkt nicht die Welt der Erwachsenen ist, sondern der Blickwinkel der Kinder maßgeblich im Vordergrund steht!“, präzisiert Duscher. Wurde die Idee an sich wohlwollend aufgenommen, so sorgte die Standortfrage – spätestens als der AltoonaPark als potenzieller durchsickerte – für heftige Diskussionen. Die Gegner des Standortes befürchten eine komplette Verbauung des Grünareals sowie die Vernichtung innenstadtnahen Grünraums. „Dabei ist die Standortwahl“, wie Duscher betont, „noch gar nicht endgültig abgeschlossen.“ Sehr wohl aber die Parameter des Ideal­ standortes für eine derartige Einrichtung, die sozusagen die Grundideen der Bewerbung auch per se atmen MFG 09.19

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MFG URBAN soll. „Das KiKuLa soll auf der Achse Stadt-Regierungsviertel liegen und so eine Brücke bilden; es soll innenstadtnah und fußläufig leicht erreichbar sein; und es soll ein sichtbares Zeichen der Kulturhauptstadt sein.“ Dass ein öffentliches Grundstück, wo man nicht lange verhandeln muss, ebenso von Vorteil ist wie Parkmöglichkeiten, versteht sich von selbst. Was das KiKuLa aber nicht soll und auch nicht wird, so tatsächlich der Altoona-Park den Zuschlag erhält, ist eine komplette Verbauung des Grünareals, wie Duscher versichert. „Mich hat die Aufregung ehrlich gesagt verwundert bzw. wurde es glaube ich auch falsch kommuniziert, denn in Wahrheit soll das KiKuLa ja sogar eine Aufwertung bringen. Das Gebäude würde quasi wie eine Lärmschutzwand zur Schule dienen, es umfasste einen Garten, und der größere Rest der Fläche würde ein attraktiver öffentlicher Park.“ Wobei Redl noch einmal einwirft: „dass der Standort noch nicht beschlossen ist.“ Plan B? Wie auch der Zuschlag zur Europäischen Kulturhauptstadt nicht, auch wenn viele davon überzeugt sind, dass St. Pölten aufgrund der im Vergleich potenten Budgetierung, des klaren Bekenntnisses von Stadt und Land, der politischen Eintracht sowie der tiefen Verankerung und Integration der heimischen Szene, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sehr gute Karten hat. Trotzdem – ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen – gibt es eigentlich so etwas wie einen Plan B? „Den gibt es“, versichert Duscher, „der ist sogar eine Vorgabe fürs Bidbook 2.“ Die EU besteht nämlich auf Nachhaltigkeit – eine Lehre aus Europäischen Kulturhauptstädten, die zwar im jeweiligen Jahr ordentlich, sprich teuer auf den Putz hauten, in Folge aber hochverschuldet und ohne nachhaltige Effekte in ein Loch stürzten und in der Versenkung verschwanden. In St. Pölten wird dies nicht passieren, wie Redl prophezeit, „allein wenn man bedenkt, dass aus dem bisherigen Prozess Projekte wie das KiKuLa hervorgegangen sind, die jeden12

falls realisiert werden und über das Jahr 2024 hinaus als Erbe bleiben!“ Und das KiKuLa sei ja „nur eines von mehreren Projekten, die – wenn vielleicht auch mit weniger Mitteln – umgesetzt werden“, fügt Duscher hinzu, der als Beispiele die Neugestaltung des Domplatzes, die Verbindung Altstadt-Regierungsviertel, die Aufwertung der Ehemaligen Synagoge, die Renovierung der LAMES-Gebäude im Sonnenpark oder die Attraktivierung der Promenade zu einer im wortwörtlichen Sinne nennt, „also zu einem Ort, wo man wirklich promenieren kann. Das alles sind Orte, die unmittelbare Auswirkungen auf ihre Umgebung und die dort lebenden Menschen haben, Orte, die somit identitätsstiftend wirken – und genau das braucht die Stadt, mit oder ohne Kulturhauptstadt-Titel.“ Letztlich gehe also nichts verloren, was in den letzten beiden Jahren an positivem Output erarbeitet wurde. „Nehmen wir die Kulturstrategie 2030, die Ideen zur Bespielung der Öffentlichen Plätze, das Update des Masterplanes 2020, den Arbeitskreis öffentlicher Raum und ähnliches mehr – da sitzen nicht nur überall die jeweiligen Entscheidungsträger drin, mittlerweile auch von verschiedensten Institutionen, sondern da waren auch wir überall mit an Bord. Alles greift also ineinander, und die Ergebnisse daraus bilden die Arbeitsgrundlage

für die nächsten Jahrzente der Stadt auf vielen Ebenen!“ Wobei St. Pölten, wie Duscher verrät, 2024 jedenfalls zur „Kulturhauptstadt“ wird – ob nun „nur“ zur niederösterreichischen oder doch zur europäischen wird sich erst weisen, „aber es wird jedenfalls einen Kulturschwerpunkt 2024 in St. Pölten geben!“ Eine Region, die bleibt Bis dahin wird, so steht zu hoffen, auch ein anderer grundlegender Ansatz bereits eine Vertiefung erfahren haben, der großes Zukunftspotential in sich trägt: Die noch stärkere Vernetzung des Zentralraumes. „St. Pölten bewirbt sich ja ganz bewusst unter Einbeziehung der Region“, so Duscher. Die mit den „Außenposten“ Krems, Melk, Neulengbach und Lilienfeld definiert wird, könnte man sagen. Diese Region soll noch stärker zusammenwachsen „ja es geht um die Entwicklung einer gemeinsamen Identität!“ Den mancherorts aufkeimenden Unkenrufen, „dass St. Pölten dann ja wieder nur einen Bruchteil der Gelder lukrieren wird, während das Gros in die Regionen fließt wie ehemals bei der Landeshauptstadterhebung“ nimmt Redl von vorne herein den Wind aus den Segeln: „St. Pölten ist die Kulturhauptstadt und tritt als solche an. Es steht außer Streit, dass Geld für kulturelle Infrastruktur nur

KULTURHAUPTSTADT? Die Tür nach Europa scheint nach einer soliden Bewerbung schon mehr als einen Spalt offen zu stehen. Am 12. November wird die Jury entscheiden.


Es steht außer Streit, dass Geld für kulturelle Infrastruktur nur in der Kulturhauptstadt selbst investiert wird. JAKOB REDL

in der Kulturhauptstadt selbst investiert wird. Die Region wird aber sehr wohl in der Programmierung mit berücksichtigt werden.“ Und das ist gut so und eine der großen Stärken der Bewerbung, wie er überzeugt ist. „Es ist ja unglaublich, wie vielfältig dieser relativ kleine Raum ist – von den Voralpen bis zum Donauraum, vom Dunkelsteiner- bis zum Wienerwald, von unglaublicher Natur- bis ebensolcher Kulturvielfalt! Man besucht die Kulturhauptstadt, und dann noch die Schönheiten der Region!“ Vor allem auch aus touristischer Sicht steckt ungeheures Potenzial in diesem Ansatz. „Ich habe unlängst einen Touristiker, der schon viele Destinationen entwickelt hat, um seine Meinung diesbezüglich gebeten: Er hat ganz klar gesagt, es wäre ein schwerer Fehler gewesen, ohne die Region anzutreten“, erzählt Duscher. Dass dieser Ansatz dann auch über 2024 hinaus, ja selbst im Falle des Nichtzuschlages vorangetrieben wird, dafür dürfte übrigens er selbst Garant sein, immerhin übernimmt er mit 1. Jänner doch die Geschäftsführung der Niederösterreich Werbung. „Ich bleibe dem Projekt also eng verbunden!“, verspricht er.

Dabei – und wenn allein das durch die Bewerbung gelingt, wäre es schon ein Riesenerfolg – geht es ja vor allem auch um die nachhaltigen Wirkungen für den Zentralraum nach innen. Denn es gibt genug Baustellen, die man verbessern kann, denkt man etwa nur an das Kuriosum, dass man von St. Pölten nach Krems noch immer länger im Zug sitzt als von St. Pölten ins doppelt so weit entfernte Wien. Und dies ist nur ein banales Beispiel von vielen. Was mit uns passiert Eines steht fest. Die letzten zwei Jahre des Bewerbungsprozesses haben mit der Stadt schon etwas gemacht. Noch selten zuvor hat sich St. Pölten so intensiv mit sich selbst beschäftigt, selten – vielleicht noch gar nie – haben sich so viele verschiedene Bürger, Initiativen, Vereine, Institutionen und Entscheidungsträger gemeinsam an einem Prozess beteiligt, vor allem auch in vermischten Formaten. St. Pölten ist sozusagen näher zusammengerückt, es herrscht Aufbruchsstimmung und – das ist besonders wichtig – ein Gefühl von Solidarität, weil ja WIR antreten. „Allein die Tatsache, dass durch die

Bewerbung viele Protagonisten zum ersten Mal überhaupt gemeinsam an einem Tisch gesessen sind, was sich sonst vielleicht nie ergeben hätte, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden!“, streicht Duscher als Besonderheit hervor. Dann macht er eine längere Pause, als würde er vorm geistigen Auge noch einmal alles Revue passieren lassen, und fügt schließlich voll Überzeugung hinzu: „Nein, ganz klar, wir wollen Europäische Kulturhauptstadt werden. Darauf arbeiten wir hin, dafür haben wir und die ganze Stadt ihr Herzblut investiert.“ Fast vermeint man ein, freilich unausgesprochenes „Wir hätten es uns verdient!“ herauszuhören. Jetzt gilt es noch die letzten Meter des Weges zurückzulegen: Das Bidbook 2 fertig zu stellen und attraktiv zu gestalten; die Jury – die zwei Tage vor der Präsentation die Stadt besucht – einzukochen; schließlich am 11. November eine gute Präsentation hinzulegen, wofür die beiden bereits trainieren, weil man nichts dem Zufall überlässt. Auch das ist eine Stärke der Bewerbung. Dann hat man sozusagen seine Schuldigkeit getan und muss den Dingen ihren Lauf lassen, denn mit derlei Bewerbungen verhält es sich wie bei einem abgewandelten Vergleich aus der Justiz. „Vor der Jury und auf hoher See ist man in Gottes Hand.“ Stimmt natürlich nicht ganz, denn selbstverständlich kommt es vor allem auf die Qualität der Bewerbung, die Glaubwürdigkeit, die Inhalte und Professionalität an – da hat das Team, diese Rosen darf man streuen, wirklich einen guten Job gemacht. Aber ausgemacht ist eben nichts. „Das wird Thriller pur“, weiß Duscher. Was werden die beiden eigentlich tun, wenn St. Pölten am 12. November den Zuschlag erhält? „Dann wird man uns am Abend sicher in der Bar Yesterday antreffen!“, verrät Duscher. Und wenn nicht? „Dann auch!“, lacht Redl. Die beiden werden nicht alleine sein, und, um eines klarzustellen: Wir werden dort sein, um zu feiern! Die Daumen dürfen sicherheitshalber aber trotzdem gedrückt werden. MFG 09.19

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EIN TEURER SPASS Sieben von neun Landeshauptstädten heben keine Lustbarkeitsabgabe mehr auf Konzerte und ähnliche Events ein. Mit Klosterneuburg wird 2020 auch die nächste große niederösterreichische Stadt auf die Einhebung selbiger verzichten. Ein Vorbild für die mögliche europäische Kulturhauptstadt St. Pölten?

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ie Einhebung der Lustbarkeitsabgabe ist vor allem ein Vorzeigebeispiel für die Schattenseiten des österreichischen Föderalismus, der häufig zu Ungleichbehandlung und undurchsichtiger Förder- und Steuerpraxis führt. Die meisten Bundesländer haben den Gemeinden in den letzten Jahren die Einhebung der Lustbarkeitsabgabe – oder Vergnügungssteuer – freigestellt. In Nieder­ österreich wurde diese Praxis 2011 umgesetzt, Oberösterreich folgte 2016, Tirol vor zwei Jahren. In allen Fällen wurden die Beschlüsse von euphorischen Wortmeldungen der jeweiligen Landesregierungen und Wirtschaftsverbände begleitet – endlich sei Vergnügen steuerfrei, so der Tenor. Doch die Praxis zeigt: So einfach ist es nicht. Denn die meisten Gemeinden verzichten nicht freiwillig auf die Abgabe. Entweder, weil sie auf die Einnahmen angewiesen sind, oder weil sie fürchten beim Finanzausgleich benachteiligt zu werden, wenn nicht alle zur Verfügung stehenden Steuermöglichkeiten auch eingehoben werden. Das wird auch vom niederösterreichischen Gemeindebund so bestätigt: „Eine Ausschreibung der Lustbarkeitsabgabe ist jedenfalls dann geboten, wenn der Ertrag eine relevante Größe erreicht. 14

Eine Ausschreibung der Lustbarkeitsabgabe ist jedenfalls dann geboten, wenn der Ertrag eine relevante Größe erreicht. SOTIRIA PEISCHL, NÖ GEMEINDEBUND

Dies wird seitens der Aufsichtsbehörde auch bei der Vergabe der Bedarfszuweisungen entsprechend berücksichtigt“, erklärt Pressereferentin Sotiria Peischl. Neue Verordnungen, die sich von Gemeinde zu Gemeinde unterscheiden, waren die Folge. So geschehen in Linz, St. Pölten und den meisten anderen großen Kommunen. Bagatellsteuer? Das einzige Bundesland, in dem überhaupt keine Vergnügungssteuer mehr eingehoben wird, ist Wien. Nachdem das Steueraufkommen dort nach dem Verbot des kleinen Glücksspiels 2015 stark zurück ging, beschloss der Gemeinderat die Abschaffung des Gesetzes – besteuert wird nur noch

das Glücksspiel – Kinos, Konzerte und Tanzveranstaltungen sind heute von der Abgabe befreit. In Nieder­ österreich wird ab kommendem Jahr Klosterneuburg nachziehen. Für die Stadt rentiere sich die Einhebung nicht länger: „Der Gemeinderat hat beschlossen, dass die Lustbarkeitsabgabe – nach erfolgreicher Verordnungsprüfung durch das Land – ab dem 1.1.2020 nicht mehr eingehoben wird“, erläutert Werner Mayer, Leiter des Abgabenamtes der Stadt. Der administrative Aufwand für die Einhebung der Steuer rechne sich nicht mehr, so Mayer weiter. Klosterneuburg ist damit in guter Gesellschaft, denn die Mehrheit der niederösterreichischen Gemeinden verzichtet


TEXT: SASCHA HAROLD | FOTOS: PHOTOSCHMIDT/ADOBE STOCK, MOPIC/ADOBE STOCK

derzeit auf die Steuer. Das Land verfügt zwar über keine genauen Listen, Thomas Mayer, Amt Niederösterreichische Landesregierung, schätzt aber, dass es derzeit „etwa 200 bis 203 Gemeinden (von 573, Anm. d. Redaktion) sind, die einheben. Die Mehrheit hat mit der Umstellung von 2010 auf 2011 darauf verzichtet.“ Die gallischen Dörfer Verzichtet haben dabei vor allem die kleineren Gemeinden, bei denen eine Einhebung wirtschaftlich keinen oder nur wenig Unterschied macht. Von den fünf größten niederösterreichischen Städten wird Klosterneuburg im kommenden Jahr die einzige sein, die die Lustbarkeitsabgabe komplett streicht. Ein Vorbild für St. Pölten? „Nein“, meint Finanzdirektor Thomas Wolfsberger: „2018 hat die Stadt ca. 360.000 Euro durch die Lustbarkeitsabgabe eingenommen, bei Klosterneuburg waren es ca. 45.000. Das breite Leistungsspektrum, das die Stadt tagtäglich für die Bürgerinnen und Bürger erbringt, muss auch finanziert werden.“ Zudem, hält Wolfsberger fest, würden viele Veranstalter im Gegenzug vielfältige Unterstützungen erhalten. Eine solche Unterstützung in Höhe der Lustbarkeitsabgabe sowie Sponsoring erhält etwa das Frequency Festival, in der Gemeindeverordnung ist außerdem festgehalten, dass „Veranstaltungen von Theatern, die aus Mitteln des Bundes, eines Landes oder der Gemeinde regelmäßig Zuschüsse erhalten“ befreit sind. Auch Filmvorführungen „von Filmen europäischer Herkunft […] und außereuropäischer Herkunft dann, wenn sie mit einem Prädikat bewertet wurden“ sind von der Steuer ausgenommen. In St. Pölten profitieren von einer Befreiung von der Lustbarkeitsabgabe u. a. das Cinema Paradiso, das Landestheater, das Festspielhaus oder die Bühne im Hof. Eine Frage der Relation Sauer stößt diese Ungleichbehandlung insbesondere den privaten Veranstaltern und Betreibern auf. So ortet etwa Felicitas Hueber, Ge-

Das breite Leistungsspektrum, das die Stadt tagtäglich für die Bürgerinnen und Bürger erbringt, muss auch finanziert werden. THOMAS WOLFSBERGER, FINANZDIREKTOR STADT ST. PÖLTEN

schäftsführerin der Hollywood Megaplex Gruppe, im Kinobereich „eine eklatante Ungleichbehandlung“ und fordert eine Streichung der Lustbarkeitsabgabe, zumal diese „leider auch Kinobetriebe untereinander benachteiligt, denn Kinos, die hohe Förderungen der öffentlichen Hand bekommen wie z. B. ein weiteres Kino in St. Pölten, müssen keine Vergnügungssteuer abführen, und das, obwohl sie zu einem Großteil dieselben Filme im Programm haben.“ Die Lustbarkeitsabgabe ist zudem vor allem auch für Veranstalter von außen zunehmend ein Killerargument gegen St. Pölten. „Die Lustbarkeitsabgabe ist definitiv ein Grund, uns als Veranstalter für oder gegen einen Standort zu entscheiden“, erklärt etwa Richard Hörmann, Geschäftsführer von Barracuda Music. Den Veranstalter von Größen wie Zucchero, Deep Purple, Phil Collins oder der Clam-Festivals, der ehemals auch vielfach Acts fürs St. Pöltner Stadtfest einbuchte, erinnert die aktuelle Situation an jene ehemals in Linz, wo auch erst „nach dem Ende der Abgabe wieder vermehrt Popund Rock-Veranstaltungen in der Sporthalle stattgefunden haben.“ Hörmann empfiehlt den Verantwortlichen jedenfalls einen Blick aufs Ganze: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Erlös der Steuer in irgendeiner Relation zu den verlorenen Events und deren Umwegrentabilität für die Stadt und Region steht.“ Und verlorene Events sind angesichts des Fallens der Lustbarkeitsabgabe in anderen großen Städten für St. Pölten mittlerweile schmerzliche Tatsache. So stellt etwa Walter Egle von Show­ factory, die noch vor wenigen Jahren zahlreiche Veranstaltungen in St. Pölten umsetzten, unmissverständlich fest: „Als einer der größten Liveveranstalter in Österreich haben wir auf

Grund der Lustbarkeitsabgabe, die es in keiner anderen Landeshauptstadt in Österreich außer Salzburg noch gibt, St. Pölten den Rücken gekehrt. Wir haben unser Veranstalter-Aufkommen in St. Pölten über die Jahre mehr als halbiert!“ Verkompliziert wird die Situation außerdem dadurch, dass andere Gemeinden teilweise weniger – teilweise auch mehr – besteuern, der Status Quo für Veranstalter also undurchsichtig ist. So hat Linz die Einhebung einer Lustbarkeitsabgabe zwar nicht gestrichen, nimmt aber etwa Konzerte oder Schülerbälle komplett von der Steuer aus. Auf der anderen Seite besteuert die Stahlstadt Tattoound Piercingmessen mit 15 Prozent, während sich St. Pölten hier großzügig zeigt und „Veranstaltungen zur Bewerbung von Produkten oder Unternehmen bzw. zur Information von Kaufinteressentinnen/Kaufinteressenten“ generell ausnimmt. Aus Veranstaltersicht wäre ein generelles

LUSTBARKEITSABGABENSÄTZE IN ST. PÖLTEN • Konzerte, Vorträge und Lesungen 5% • Filmvorführungen 10% • Aufführungen von Sprech-, Musik- und Tanztheaterstücken, Tanzveranstaltungen 12% • Shows, bunte Abende, Varietés, Kabaretts 18% Befreit sind Lustbarkeiten, die einem kirchlichen, weltanschaulichen oder mildtätigen Zweck dienen. Außerdem Glücksspiel, Handelsmessen oder Veranstaltungen, die den Erwerb, die Erweiterung oder Vertiefung von Bildung, Wissen und Können zum Gegenstand haben.

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STANDORTNACHTEIL. Viele Veranstalter kehren St. Pölten aufgrund der noch bestehenden Lustbarkeitsabgabe zunehmend den Rücken und weichen in andere Orte aus. Fallen und damit eine Vereinheitlichung wünschenswert. „Das Veranstalterbusiness ist nicht einfach, wir tragen bei all unseren Shows ein hohes Risiko, müssen Garantien für die Musiker bezahlen und dafür Sorge tragen, dass ausreichend Besucher kommen. Eine weitere Belastung einer Lustbarkeitsabgabe ist eigentlich nicht tragbar“, stellt diesbezüglich Susanne Fröstl, Geschäftsführerin bei Schwaiger Music, fest. Ein Wegfall der Abgabe würde, davon ist sie überzeugt, den „Standort St. Pölten wieder attraktiver machen, denn je attraktiver der Standort St. Pölten für Veranstalter wird, desto mehr Veranstaltungs-Vielfalt wird geboten.“ Politischer Wille gefragt Am Status Quo dürfte sich allerdings in nächster Zeit nicht allzu viel ändern. „Die Lustbarkeitsabgabe ist eine Gemeindesteuer. Da vom Gesetzgeber kein Ersatz – wie bei der Getränkesteuer – gegeben ist, wird diese weiterhin eingehoben“, erklärt Franz Gunacker von der SPÖ. Die Stadt würde ohnedies viele Veranstalter über diverse Leistungen unterstützen, manche erhielten auch Subventionen. „Wenn eine Gemeinde nur wenige Veranstaltungen im Jahr durchführt, kann man leicht auf die Lustbarkeitsabgabe verzichten. Die Landeshauptstadt hat ja enorm viele Veranstaltungen und dementspre16

chend auch Leistungen zu erbringen.“ Gunackers Argumentation, „die Steuer macht einen Bruchteil der Kosten einer Veranstaltung aus – etwa Anreise, Getränke und Speisen, Garderobe usw.“ geht freilich am Problem vorbei, denn die Lustbarkeitsabgabe trägt ja der Veranstalter und nicht der Besucher, und da spielt sie in der Risikokalkulation und Standortentscheidung eben sehr wohl eine wichtige Rolle. Von den weiteren im Gemeinderat vertretenen Parteien sind vor allem ÖVP und FPÖ für eine Streichung der Abgabe. Vizebürgermeister Matthias Adl weist vor allem auf die wettbewerbsverzerrende Wirkung der Steuer hin: „Wettbewerbsverzerrungen sind Tatsache und ergeben sich nicht nur zwischen Bundesländern, sondern auch auf regionaler Ebene zwischen Gemeinden und sogar innerhalb Gemeinden, wie man ja am Beispiel St. Pölten sieht.“ Es sei höchste Zeit, so Adl weiter, dass die Stadt auf die Abgabe verzichte. FPÖ Stadtrat Klaus Otzelberger schlägt

in dieselbe Kerbe: „Ich finde die Lustbarkeitsabgabe nicht zeitgemäß. Da Wien und auch andere Städte in Niederösterreich diese Steuer bereits abgeschafft haben, sollte die Landeshauptstadt – eventuell als zukünftige Kulturhauptstadt – ein Vorreiter sein.“ Markus Hippmann von den Grünen sieht die Sache differenziert und wünscht sich vor allem dieselben Spielregeln für alle: „An sich finde ich die Lustbarkeitsabgabe in Ordnung, ich würde sie aber für alle einheitlich regeln, um keine Wettbewerbsverzerrung zu ermöglichen.“ Am Beispiel der Lustbarkeitsabgabe zeigt sich vor allem eines: Was von den Ländern als Steuererleichterung verkauft wurde, führte in der Praxis zu undurchsichtigen Regeln – einerseits zwischen den Bundesländern, andererseits aber selbst zwischen den Gemeinden eines Bundeslandes. Und dies wiederum leistet Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Standorten Vorschub mit der Folge, dass viele Veranstalter jenen Kommunen zunehmend den Rücken kehren, wo die Lustbarkeitsabgabe noch eingehoben wird. Gerade auch im Hinblick auf St. Pöltens Ambitionen zur Europäischen Kulturhauptstadt 2024 hält Richard Hörmann eine Abschaffung für einen wichtigen Faktor, das mögliche Angebotsspektrum nicht durch diese Hürde schon von vorneherein einzuschränken. „Wenn St. Pölten Kulturhauptstadt werden möchte, wäre das sicherlich ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung!“ Wobei es fürs Erste schon genügte, mit den meisten anderen Landeshauptstädten gleichzuziehen, um vollends konkurrenzfähig zu sein – dort ist die Einhebung der Lustbarkeitsabgabe nämlich ein Anachronismus und wurde auf die meisten „Vergnügungen“ abgeschafft.

Wenn St. Pölten Kulturhauptstadt werden möchte, wäre der Fall der Lustbarkeitsabgabe sicherlich ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung! RICHARD HÖRMANN, BARRACUDAMUSIC


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EIN SCHAU.SPIEL FÜR DEN GAUMEN – REGIONAL & NACHHALTIG FÜR ALLE. Der Kremser Szenegastronom Otto Raimitz ist bekannt für seine innovativen Ideen und immer neue Speisenkreationen. Doch genauso wichtig sind Raimitz Regionalität und Nachhaltigkeit der Zutaten:

Hausgemachte Marmeladen, Mehlspeisen und Eis runden das regionale Sortiment ab. Palmölfreie Zutaten werden mittlerweile als eine Selbstverständlichkeit in seinen Gastronomiebetrieben gesehen. „Unsere Gäste können mit gutem Gewissen genießen“ ist Otto Raimitz zurecht stolz. Aber auch rund um die Getränke setzt der Innovationsführer der Gastronomie auf Nachhaltigkeit & Qualität aus Österreich: Um rund 45.000 Plastikstrohhalme pro Monat in all seinen Betrieben einzusparen, zieren nun modernste Glashalme die Getränke. Glashalme erhalten den natürlichen Geschmack des Getränks ohne ihn zu verfälschen.

Eine weitere Pionierarbeit des Unternehmers ist momentan noch einzigartig in Österreich: Die Glashalme werden in einem eigenen Sterilisationsgerät über Nacht keimfrei gemacht. Um das Thema Nachhaltigkeit abzurunden setzt Otto Raimitz auf das Kredo „plastikfrei am Kunden“. Das bedeutet, dass keinerlei Plastik(gefäße), etc. mehr am Tisch benötigt werden. „Wir haben unseren Gästen gegenüber die Verpflichtung zu höchster Qualität, aber unseren Kindern gegenüber eine sehr große Verantwortung“, erklärt Raimitz seine Beweggründe. Rechtzeitig zu Herbstbeginn erwartet die Gäste des Schau.Spiels bereits die neue Abendkarte, die sicherlich wieder innovative Kreationen für jeden Gast bietet. Genießen auch Sie regional, nachhaltig und mit vollem Geschmack ein kulinarisches Schau.Spiel. Reservieren Sie rechtzeitig für Ihre Weihnachtsfeier im Schau.Spiel! www.schauspiel.at

COCKTAIL (C) WWW.GLASHALM.AT

Daher werden die Produkte im Schau.Spiel ausschließlich von regionalen Unternehmen bezogen: Vor allem beim Fleisch setzt Raimitz auf größtmögliche Sicherheit und vertraut den regionalen Firmen Höllerschmid aus Walkersdorf, Demeterhof BERNOLD aus Stronsdorf und Brunnhof aus Bischofshofen. Für regionales, frisches Obst und Gemüse sorgen die Firmen Weiländer aus St. Georgen, Strohmayer aus Sierndorf und Unfried aus Krems.


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URBANE KLIMASCHUTZPOLITIK

HOT IN THE CITY Klimawandel und Hitzewellen treffen Städte besonders stark. Wie gedenkt man in Österreichs urbanen Zentren damit präventiv und schadensbegrenzend umzugehen? Und was tut sich in der öko-kritischen Zivilgesellschaft? Ein Lokalaugenschein in Krems und St. Pölten.

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as die Klimaerwärmung und ihre Folgen betrifft, sind Städte Täter und Opfer zugleich: Als urbane Zentren mit angesiedelter Industrie, starker Bautätigkeit, dichtem Verkehr und einem Löwenanteil des Energieverbrauches trugen und tragen Städte in besonderem Maße zur Emission von Treibhausgasen bei. 18

Das Ifo-Institut beziffert den Anteil der Städte beim Ausstoß von CO2 auf rund 70 Prozent. Dabei machen Stadtbewohner nur 55 Prozent der Weltbevölkerung und Städte laut UNO zwei Prozent der Erdoberfläche aus. Auf der anderen Seite wird mit jeder Hitzewelle deutlicher, dass Städte auf herausragende Weise auch

von klimawandelbedingten, häufiger werdenden Wetterextremen betroffen sind. Ein Blick auf die erste Hitzewelle Ende Juni dieses Jahres zeigt ein deutliches Bild: 38,8 Grad Celsius. Mit diesem Wert erwarb sich Krems an der Donau damals – wohl widerwillig – den Titel des bundesweiten Hitzehotspots. Dicht gefolgt wurde die 25.000-Einwohner-Stadt von Inns­bruck mit 38,5 Grad. In weiteren Landeshauptstädten wie St. Pölten, Graz, Klagenfurt und Salzburg wurden Höchstwerte seit Beginn der systematischen Wetteraufzeichnung gemessen, von den Wiener Innenstadtbezirken ganz zu schweigen. Die


TEXT: JOHANNES MAYERHOFER | FOTOS: ALPHASPIRIT/ADOBESTOCK, JOSEF VORLAUFER, ZVG

Pölten in den letzten Jahren bereits durchwegs guter Resonanz. 2006 wurde im Zuge eines „Masterplans“ das Ziel ausgerufen, St. Pölten auch hinsichtlich seiner Umwelt- und Klimanachhaltigkeit zur „Fittest City in Austria“ zu machen. Als Vorzeigebeispiel wird etwa die Fernwärmeversorgung St. Pöltens aus Dürnrohr angeführt, welche jährlich rund 21 Millionen Kubikmeter Erdgas und damit 40.000 Tonnen CO2 einspart. Die seit 2015 erreichte Energieunabhängigkeit, welche die Stadt nicht zuletzt der dort stark vertretenen Windenergie verdankt, trägt ebenso zu einer positiven Bilanz bei. Auch auf dem Gebiet der Energieeffizienz wurde, vor allem im öffentlichen Sektor, einiges erreicht. Selbst außerhalb Österreichs zeigt St. Pölten Einsatz, um das Ziel der Reduktion von CO2 voranzutreiben: „St. Pölten ist seit 1991 Klimabündnisgemeinde und unterstützt in diesem Rahmen ein Projekt zur Erhaltung des Regenwaldes am brasilianischen Rio Negro. Das ist ein bescheidener Beitrag, aber ein Beitrag“, erklärt etwa St. Pöltens Vizebürgermeister Mathias Adl (ÖVP) dem MFG-Magazin. Kann die Stadt sich also entspannt zurücklehnen? Wurde alles Machbare für den Klimaschutz getan?

Städte sind also sowohl bei proaktiver Klimaschutzpolitik wie auch beim Schutz ihrer Bewohner vor Hitzerekorden besonders gefordert. Zeigen die Städte entsprechende Initiativen? St. Pölten: Klassenbester bei Nachhaltigkeit und Grünflächen? Was verschiedene Maßzahlen zu urbaner Nachhaltigkeit und Klimaschutz angeht, erfreute sich St.

Neuer Park im Norden, neues Erholungsgebiet im Westen Nein, denn klimarelevante Aspekte ziehen sich durch sämtliche Gesellschafts- und Politikbereiche. Neben energetischen und verkehrstechnischen Fragen ist das Verhältnis von Grünfläche und verbautem Gebiet ein weiterer Indikator für ökologische Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit von Städten. St. Pölten erlebt Bevölkerungswachstum und damit auch viel Bautätigkeit. Hier möchte Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) mit einem weit verbreiteten Missverständnis aufräumen. „Wenn etwas

als Baufläche gilt, heißt das nicht automatisch, dass dort schon ein Haus oder ein Betrieb steht. Das sind nur 13 Prozent der Fläche. Unter den anderen 87 Prozent befinden sich auch Landwirtschaften, Parks, Wälder“, erklärt er. Besonders die Parkanlagen der Stadt möchte er hervorheben. Derzeit dienen 36 Parks der St. Pöltner Bevölkerung als Freizeit- und Erholungsräume und der Atmosphäre als wichtige Akteure bei der Absorbierung von CO2. „Allein der Hammerpark beherbergt 584 Bäume“, heißt es vonseiten der Stadtgärtnerei. Wichtig sei es, so wird betont, dass jeder Stadtteil über entsprechende Anlagen verfügt. Auch wenn Bürgermeister Stadler St. Pölten hinsichtlich seines Grünflächenanteils an der Spitze in Österreich sieht, stehen weitere Projekte an: Der Norden St. Pöltens soll bis 2024 einen eigenen Park bekommen. Entstehen soll er am 2,2 Hektar messenden Gelände des mittlerweile aufgelösten Fußballclubs „Sturm 19“ in der Nähe des Universitätsklinikums. 300 Bäume sollen dort gepflanzt werden, die Grünfläche soll klar dominieren, Gastronomie und Attraktionen wie Klettergärten oder ein kleines Amphitheater sollen dort integriert werden. „St. Pölten hätte dann eine Parkanlagenfläche von fast 1,1 Millionen Quadratmetern“, so der Bürgermeister. Ein weiteres Projekt soll sich westlich St. Pöltens vollziehen. So soll das Gebiet des ehemaligen Truppenübungsplatzes bei Völtendorf zum Erholungsgebiet umgestaltet werden. Zwar befindet sich das Areal bereits

Wir von der ÖVP fordern diesbezüglich ein 200-Euro-Jahresticket. Das würde die Attraktivität des LUP noch befördern. MATTHIAS ADL, ÖVP ST. PÖLTEN

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St. Pölten hätte dann eine Parkanlagenfläche von fast 1,1 Millionen Quadratmetern. MATTHIAS STADLER, SPÖ

seit zehn Jahren im Besitz der Stadt, der Kauf wurde allerdings von Landwirten gerichtlich angefochten. Laut Stadler „haben wir bereits in zwei Instanzen Recht bekommen und wir hoffen jetzt auf eine endgültige Entscheidung.“ Im Gegensatz zum geplanten Park im Norden sei der 24.000 Quadratmeter umfassende Wald ein Projekt „der nächsten 30, 40 oder 50 Jahre.“ Hinsichtlich der vermehrten Hitzetage und der Hitzeballung in der Stadt selbst sei der Erhalt von Durchlüftungszonen angesagt. Dazu sei es wichtig, umliegende Gemeinden wie Unter- und Oberradlberg oder Wagram und Ratzersdorf nicht zusammenwachsen zu lassen und Raum für kühlende Windströme aus West und Ost zu ermöglichen. „Schon seit Jahrzehnten gefordert“ Was sagt die Opposition? Markus Hippmann, grüner Gemeinderat: „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.“ Er sieht einen Zusammenhang zwischen der Ankündigung des neuen Nord-Parks und der Planung des „Kinderkunstlabors“ – eines der Zugpferde bei der Bewerbung St. Pöltens als Europäische Kulturhauptstadt – im Altoona-Park. „Da war die Empörung in der Bevölkerung recht groß. Und wenige Wochen später lese ich,

dass wir einen neuen Park bekommen sollen, im Norden. Naja …“ Grundsätzlich erkennt Hippmann an, dass die Stadtregierung am Feld der Klima- und Umweltpolitik vieles in die Wege leite. Als Grünen-Politiker verweist er aber darauf, dass viele Maßnahmen „schon seit Jahrzehnten von uns Grünen gefordert wurden.“ Verbesserungsmöglichkeiten sieht er etwa im Bereich des Freibads. „Das hätte ich komplett energieautark gemacht. Wieso hat man da keine Solaranlage auf das Dach installiert. Auch die zwei Wärmepumpen sind ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Zudem führt der 30-Jährige die vertikale Begrünung als Maßnahme an. Zum Ruf St. Pöltens als Rad-freundliche Stadt meint Hippmann, dass hinsichtlich der Radinfrastruktur ein „Fleckerlteppich“ existiere. „Das kostet alles ein Schweinegeld, klar. Wenn man Vorreiter sein will, muss man diese Mittel aber in die Hand nehmen.“ Für Umwegrentabilität von Klimaschutzausgaben sprechen auch die füng bis zehn Milliarden Euro an Zertifikatzukäufen, auf die Österreich laut Gottfried Kirchengast – er vertritt die Wissenschaft im Nationalen Klimaschutzkommitee – „dank“ der verfehlten CO2-Ziele bis 2030 zusteuere. Kurz: Wer jetzt beim Klimaschutz spart, zahlt später doppelt drauf. Nach besonderen Wegmarken des Klimaschutzes in St. Pölten gefragt, lobt Vizebürgermeister Matthias Adl den vor über zehn Jahren eingeführten LUP-Stadtbus als „Erfolgsgeschichte“. „Wir von der ÖVP fordern diesbezüglich ein 200-Euro-Jahresticket. Das würde die Attraktivität des LUP nach befördern“, ist er sich sicher. Wichtig erscheint ihm auch, klimabewusst zu bauen. „Hier wäre ein

unabhängiger Gestaltungsbeirat von Vorteil, der hier Expertise liefert.“ Kooperation zwischen Stadt Krems und Wissenschaft Dass zum konsequenten Klimaschutz an vielen Schrauben gedreht werden muss, weiß man auch in Krems an der Donau. Was in St. Pölten 2015 gelang, will Umwelt- und Energiestadtrat Albert Kisling (SPÖ) für Krems bis 2030 erreichen: Energieautarkie. „Wir wollen die Hälfte unseres Energieverbrauches einsparen und die andere Hälfte durch regionale, erneuerbare Quellen decken“, erklärt er. Der letzten vollständigen Berechnung zufolge (September 2012) hat Krems einen Energiebedarf von jährlich 866.000 Megawattstunden (Mw/h). Nur knapp über 22.000 davon werden in Krems und durch erneuerbare Energiequellen gewonnen, hinzu kommen 30.410 Mw/h BiomasseEnergie, welche allerdings extern erzeugt werden. Wie soll die gewaltige Lücke bis 2030 geschlossen werden? „Genaue Buchhaltung ist zum Beispiel zentral. Strom, Wasser, Treibstoff – bei öffentlichen Gebäuden werden dazu im Minutentakt Daten aufgeschrieben. Läuft zum Beispiel in einer Schule über Nacht die Heizung, wird der zuständige Schulwart informiert“, erklärt Kisling. „1.600 Mw/h konnten dadurch in wenigen Monaten gespart werden.“ Bei etwa 4.500 Lichtpunkten wurden die alten Lam-

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. MARKUS HIPPMANN, GRÜNE ST. PÖLTEN

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pen durch energiesparendere LEDs getauscht. Außerdem wurden vier Solaranlagen mit Kapazitäten von 40 bis 70 Kilowattstunden vom Land Niederösterreich bewilligt und sind in Umsetzung. Bis 2030 sind noch große Schritte notwendig. Im Rahmen des Projektes „Greenovate“ sollen die Gebäude- und Stadtbegrünung vorangetrieben werden. Dazu wurde in Zusammenarbeit mit der Donau Universität Krems ein Leitfaden erstellt, der – laut Kisling – auch über Krems hinaus unter Bauherrn und Wissenschaftlern anerkannt sei. „Krems profitiert hier von der Zusammenarbeit mit unseren lokalen Wissenschaftsinstitutionen“, zeigt sich Kisling erfreut. Auch die Verkehrspolitik in Krems braucht eine Kurskorrektur. Zu diesem Zwecke soll bis Mitte 2020 ein Mobilitätskonzept entstehen. Krems sei eine „klassische Autostadt“ meinen etwa Kurt Lenitz (Radlobby Krems) und der Fahrradbeauftragte Robert Simlinger. Manche Kremser Radfahrer sehen die Stadt hinsichtlich der Radinfrastruktur gar „in der Steinzeit“. Verkehrsstadtrat Scheichel gibt zu, dass es einige Stellen gibt, an denen auch er „mit dem Rad gar nicht fahren“ wolle. Ein paar Eckpunkte des Mobilitätskonzeptes: „Wir wollen fadenkreuzförmig eine durchgehende Radzone, von Rehberg bis nach Krems-Süd, von Stein bis nach Landersdorf.“ Außerdem soll es eine verstärkte rad-infrastrukturelle Kooperation von Krems mit seinen Nachbarn am Südufer der Donau, Furth und Mautern, geben, um eine bessere Anbindung zu erreichen. Nachdem es vor Jahren bereits eine Verkürzung einzelner der insgesamt vier gegeben hat, soll es nun wieder zu einer Ausweitung kommen. Gneixendorf, die schnell wachsende Gemeinde im Norden von Krems, soll mit stündlichen Busintervallen angebunden werden, auch der Gewerbepark soll alle zwei Stunden befahren werden. Hinsichtlich einer E-Bus-Flotte muss Scheichel eine Absage erteilen: „Dazu gibt es derzeit weder die Technologie, noch die Infrastruktur.“ Busse seien bei Kälte und Hitze unterwegs, hätten

mehr Beschleunigungs- und Bremsmanöver, was sich alles auf die ohnehin geringe Reichweite auswirke. „So ein Bus legt pro Tag 250 bis 300 Kilometer zurück und der Akku schafft vielleicht 150.“ Lange Ladezeiten seien bei den aktuellen Busintervallen nicht handhabbar. „Klimanotstand“– Panikmache oder legitimer Begriff? Welche Rolle nimmt die Kommunalebene beim Klimaschutz ein und wie stehen die befragten Politiker dazu, dass drei österreichische Gemeinden im Juni den „Klimanotstand“ ausgerufen haben?“ Grünpolitiker Hippmann verweist darauf, dass die Städte und Gemeinden bei der Finanzmittelaufteilung immer am Schluss kämen, aber das meiste umsetzen müssten. Zum „Klimanotstand“ meint er, er sei ein probates Mittel, um Druck auf politisch Verantwortliche aufzubauen. St. Pöltens Vizebürgermeister Adl sieht die Angelegenheit anders und warnt vor einer Art Abnutzungseffekt: „Wenn man einen Notstand ausruft, sollte man einen konkreten Grund haben und auch Maßnahmen setzen, sonst

macht man sich bei der eigenen Bürgerschaft unglaubwürdig. Und wenn man zehnmal um Hilfe ruft, obwohl nichts ist, dann wird niemand mehr hinhören, wenn man mal wirklich Hilfe braucht.“ Auch Bürgermeister Matthias Stadler plädiert dafür mit derartigen Begrifflichkeiten „sorgfältig“ umzugehen. „Bei einem Notstand müsste man zum Beispiel das Autofahren und das Fliegen auf der Stelle verbieten, was zurzeit unrealistisch ist“, räumt der SPÖ-Mann ein. Die Klimakrise müsse auf allen Ebenen mit Maßnahmen bekämpft werden. „Vor allem auf der globalen Ebene.“ Kremser Energiestadtrat Kisling sieht die Sache genau umgekehrt: Er hält die Kommunalebene für essentiell und möchte nicht warten „bis Trump oder China umdenken.“ Jede Gemeinde solle Vorbild sein. „Lange Zeit sind die Dinge geschliffen, jetzt muss es schneller gehen.“ Fridays for Future verankert sich auch in Krems Ein Mittel um sicher zu stellen, dass „vieles heute schneller geht“, ist das erhöhte Bewusstsein der Bevölkerung zur sich abzeichnenden Klima-

Wir wollen fadenkreuzförmig eine durchgehende Radzone, von Rehberg bis nach Krems-Süd, von Stein bis nach Landersdorf. ALFRED SCHEICHEL, SPÖ KREMS

STADTBEGRÜNUNG. Sie spielt eine zentrale Rolle. Leider finden Bäume in stark verbauten, verdichteten und befahrenen Zonen sehr schwierige Überlebensbedingungen vor. MFG 09.19

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KLIMANOTSTAND – WAS IST DAS? Es war die badenwürttembergische Stadt Konstanz, die am 2. Mai als erste deutschsprachige Stadt den „Klimanotstand“ ausgerufen hat. Dutzende Städte und Gemeinden folgten seitdem diesem Beispiel, darunter auch drei aus Österreich: Traiskirchen, Perchtoldsdorf (beide Niederösterreich) und Michaelerberg-Pruggern (Steiermark). Was bedeutet „Klimanotstand“ in der Praxis? Wenn eine Stadt den Klimanotstand ausruft, erkennt sie damit den Klimawandel als vorrangiges Problem an und geht dagegen priorisiert vor. Theoretisch. Denn es handelt sich hier um keine harte Legislatur, der Klimanotstand ist rechtlich unverbindlich. „Symbolpolitik!“ und „Panikmache“ rufen deshalb Kritiker dieses Konzeptes. Befürworter sehen es hingegen als Druckmittel auf die „hohe Politik“. Denn viele klimarelevante Politikfelder werden beispielsweise von der Länder- oder der Bundesebene gestaltet, die Gemeinden haben bedingten Spielraum, sind auf Förderungen angewiesen. Andererseits ist der „Klimanotstand“ auch eine Art Selbstverpflichtung, die etliche Unterstützergemeinden ernst nehmen. Landau (Rheinland-Pfalz) hat bereits die Begrünung von Gebäuden und die Pflanzung 500 zusätzlicher Bäume eingeplant. In Konstanz wird in Zukunft jede Entscheidung der Stadt auf ihre Klimarelevanz überprüft. Beschlossen wurden Solaranlagen auf allen neu gebauten Gebäuden, neue Leihfahrräder und bessere Radinfrastruktur. Die australische Stadt Darebin rief den Klimanotstand bereits 2017 aus und verabschiedete einen 76 Seiten langen „Climate Emergency Action Plan“ mit umfassendem Screening der bestehenden Emissionen und zahlreichen Maßnahmen zu deren Reduktion. Zweifelsohne hat die „Klimanotstand“Kampagne für einen Schub in etlichen Städten und Gemeinden gesorgt. Ob beide Ziele (lokale Umsetzung und Druck auf die „hohe Politik“) erreicht werden, hängt wohl davon ab, wie viele Körperschaften sich dieser Idee noch anschließen werden.

BUILD A BETTER FUTURE. Im Mai kamen etwa 500 Protestierende zur ersten „Kremser Klimaparade“. „Fridays for Future Krems“ will das Spektakel am 20. September wiederholen.

katastrophe. Nicht zuletzt waren es Akteure wie die Schüler-Bewegung Friday for Future (F4F), welche zur gesellschaftlichen und medialen Resonanz des Themas beitrugen. Auch in Krems bildete sich im Frühjahr 2019 eine lokale F4F-Gruppierung. Stephanie Atteneder, Lehrerin aus Krems und schon länger im Öko-Aktivismus dabei, zählt zum engeren, etwa 15-köpfigen Kreis der Gruppierung. Von ihr mit initiiert, zog am 10. Mai – angelehnt an die F4F-Demonstrationen – die erste Kremser „Klimaparade“ durch die lokale Altstadt und erreichte – für Kremser Verhältnisse beachtliche – 400 bis 500 Teilnehmer. Dass in Krems verglichen zu den F4F-Demonstrationen in Wien und andernorts eher wenige Jugendliche anwesend waren, erklärt der 17-Jährige Aktivist Felix Kajtner so: „Die Klimaparade entstand durch Kooperation von Attac Krems, der Foodcoop und dem Weltladen. Das ist ein Umfeld, mit dem Schüler meist keinen Kontakt haben. Außerdem war die Werbung dafür in den sozialen Medien noch recht schwach, wo man

eben junge Leute am besten erreicht.“ Die nächste Kremser Klimaparade steht mit 20. September bereits ins Haus. Bis dahin wolle man junge Leute besser ansprechen. Außerdem arbeiten die Kremser F4F-Aktivisten einen 10-Punkte-Katalog für ein klimafreundliches Krems aus, welcher dem Bürgermeister Reinhard Resch (SPÖ) im Rahmen der Parade übergeben werden soll, „damit Krems seinen Beitrag zur Erreichung des Pariser Zieles von 1,5 Grad Celsius leistet.“ Optimismus oder Pessimismus? Die Gruppe überlegt nicht lange: „Optimismus!“

Ich möchte nicht warten bis Trump oder China umdenken. Lange Zeit sind die Dinge geschliffen, jetzt muss es schneller gehen. ALBERT KISLING, SPÖ KREMS

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NÖGKK lädt ein: Premiere am 20. September 2019 in allen 24 Service-Centern

„Vorhang auf!“ heißt es am 20. September 2019, wenn die NÖ Gebietskrankenkasse ihre Versicherten zum Tag der offenen Tür in allen 24 Service-Centern begrüßt. Mit diesen bietet die NÖGKK Top-Service in allen Bezirken. Bei der Veranstaltung stehen wissenswerte Angebote rund um die eigene Gesundheits- und Lebenssituation im Mittelpunkt. So können direkt vor Ort Fragen zu Bewilligungen, Rezeptgebühren-Befreiungen, Wahlarztrechnungen, Zahnersatz, Transportkosten, Kranken-, 24 Mal in NÖ – von Amstetten bis Zwettl. Kundenberater des Service-Centers Zwettl freuen sich mit Wochen- oder Kinderbetreuungsgeld NÖGKK-Direktor Günter Steindl und Leiter David Pollak (v.l.) auf die Besucherinnen und Besucher. beantwortet und Anträge eingereicht werden. Zudem liegt Infomaterial Und wer seine Arztbesuche, Versi- Über 650 000 Versicherte besuchen jährzu Veranstaltungen, Workshops cherungs- oder Pensionszeiten lich die NÖGKK-Service-Center, dazu komund Leistungen der Krankenam liebsten online – auf men knapp 800 000 Telefongespräche. www.meinesv.at – einse- Erstklassiger Kundenservice und Regiokasse auf. 19 hen will, kann sich gleich nalität stehen also nicht nur am Tag der 0 2 Personen mit kompler e b tem 20. Sep r kostenlos die Handysig- offenen Tür an erster Stelle. xeren Anforderungen Freitag, 3:00 Uh 1 – natur aktivieren lassen. werden gerne von eigevon 8:00 f au en uns Notwendig sind dafür nen Case Managerinnen Wir freu men! nur Handy und Lichtund Case Managern indiIhr Kom viduell betreut. bildausweis.

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TEXT: BEATE STEINER | FOTOS: NOMADEN/ZVG

SELBSTBESTIMMT LEBEN LERNEN TROTZ „AUTISMUS“ „nomaden“ wandern zu Betroffenen, fördern die Entwicklung und unterstützen im Alltag.

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nter Menschen bin ich im Ausland“, empfindet Günther Paal, bekannt als Gunkl. Der Kabarettist bezeichnet sich selbst als „Aspergianer“ und kann pointiert die „Innenansichten“ eines Menschen mit Autismus, konkret mit AspergerSyndrom, erklären. „Sobald ich unter Menschen gehe, muss ich aufpassen. Weil für alle anderen ist auch klar, was nicht klar ausgesprochen wird – für mich nicht.“ Deshalb ist für den Kabarettisten „Distanz das Schönste, was zwischen Menschen entstehen kann. Erst aus der Distanz seh’ ich alles. Deshalb sind Mauern gut, aber Türen wichtig.“ Für die „nomaden“ öffnete Günther Paal die Türen, war Testimonial bei der Jubiläumsveranstaltung des Vereins, der seit zehn Jahren Jugendliche und Erwachsene mit einer Autismus-Spektrumsstörung und deren Angehörige unterstützt.

„ASPERGIANER“. Kabarettist Günther Paal erklärt die Welt aus der Sicht eines Menschen mit Asperger-Syndrom. 24

JUBILÄUM. Die „nomaden“ feierten den zehnten Geburtstag ihres Vereins: Johanna Kienzl (4. von links) mit ihrem Team.

Individuelle Maßnahmen für Betroffene und Angehörige Gegründet von der St. Pöltner Psychologin und Tanztherapeutin Johanna Kienzl, sind die „nomaden“ in den vergangenen zehn Jahren zur wichtigen therapeutischen Einrichtung geworden. Derzeit berät das achtköpfige Team rund 90 Betroffene von zwei bis 58 Jahren. „Wir gehen in die Familien, die Kindergärten, die Schulen und versuchen, gemeinsam mit allen Beteiligten Lösungen für schwierige Situationen zu finden“, erklärt Kienzl. So tragen die „nomaden“ zur positiven Entwicklung von Menschen mit der tiefgreifenden Entwicklungsstörung Autismus bei, die es in vielen verschiedenen Ausprägungen gibt. Manche Autisten führen ein augenscheinlich ganz „normales“ Leben. Bei anderen ist die Entwicklungsstörung so tiefgreifend, dass sie ihr Leben lang intensiv betreut werden müssen. Die „nomaden“ sind Anlaufstelle für alle Formen dieser Entwicklungsstörung. „Unsere Maßnahmen sind individuell auf die Klienten abgestimmt, fördern die Entwicklung und steigern die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Bezugspersonen“, erklärt Kienzl. Die „nomaden“ haben zwei Ziele:

Die Vernetzung und Unterstützung der Betroffenen und des Umfelds sowie ein möglichst sebständiges Leben der Betroffenen. Heilbar ist Autismus nicht, eine Therapie kann aber Defizite aufholen, sodass viele Betroffene ein selbstständiges Leben mit Arbeit, Beziehung und Freunden führen können. Denn Selbstständigkeit und auch Selbstbestimmung sind für Menschen mit einer Autismus-Spektrumsstörung besonders wichtig. Übersetzt von Gunkl heißt das: „Wenn ich mit jemandem rede, verhänge ich über meinen Normalfall eine Ausnahme. Nicht umgekehrt – ich rede, und dann darf ich wieder ein bissl autistln.“

INFO NOMADEN • Verein, der Menschen mit tiefgreifender Entwicklungsstörung (Autismus-Spektrumsstörung) und deren Angehörige aufsuchend betreut • Schwerpunkte: Förderung der Betroffenen, Beratung des Umfelds • Zusätzlich: moderierte und kostenlose Selbsthilfegruppe • Gegründet 2009 von Johanna Kienzl www.nomaden.at


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ALLES AUF

SCHWARZ?

Stellen Sie sich vor, es ist Wahl und am Stimmzettel steht nur eine Partei. Wieso gehen Sie dann überhaupt wählen? Und wie schwierig darf es sein, auf diesen Stimmzettel zu kommen? Eine demokratiepolitische Annäherung an die niederösterreichische Landespersonalvertretung.

D

as Wesen einer Wahl ist eigentlich, dass man sich zwischen etwas entscheiden kann. Zwischen Pasta und Huhn im Flugzeug. Zwischen Schokolade und Vanille am Eisstand. Und zwischen verschiedenen Parteien am Stimmzettel. Doch es geht auch anders. Als letzten Oktober 15.369 Landesbedienstete ihre Landespersonalvertretung wählten, stand nur eine Fraktion am Stimmzettel. Mangels Konkurrenz sicherte sich in Folge die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) des ÖVP-Arbeitnehmerbundes (ÖAAB) alle 19 Mandate. Fraktionen anderer Parteien, insbesondere die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG), konnten nicht landesweit antreten. Und das kam so. 26

Alle Bediensteten sind Dienststellen zugeordnet. Die größte ist das St. Pöltner Landhaus mit rund 3.500 Mitarbeitern. Diese Dienststelle zählt gleich viel wie kleine Dienststellen am Land. Um bei der Wahl für die Landespersonalvertretung kandidieren zu können, hätten die roten Gewerkschafter in fünf Dienststellen ausreichend Unterstützungserklärungen sammeln müssen. Bei einer Dienststelle mit beispielsweise zwanzig Bediensteten sind drei Kandidaten aus diesem Team für die Dienststellenpersonalvertretung zu wählen. Laut Gesetz benötigt man im Vorfeld mindestens doppelt so viele Unterstützungserklärungen, um antreten zu können, also müssten sich im konkreten Beispiel sechs von den zwanzig Mitarbeitern

dieser Dienststelle namentlich deklarieren. Das wären also 30 Prozent der potentiellen Wähler. Glaubt man Michael Fertl, langjähriger SPÖ-Personalvertreter im St. Pöltner Regierungsviertel, ist das fast ein Ding der Unmöglichkeit. Aus Angst vor Repressalien oder ungewollten Versetzungen würde sich niemand trauen, mit einer Unterstützungserklärung für die „falsche“ Gewerkschaftsfraktion auf sich aufmerksam zu machen. Einzige Ausnahme sei eben die Landhaus-Dienststelle, dort sind auch die Mitarbeiter der SPÖ-Regierungsmitglieder angesiedelt – und von denen wisse man ja sowieso, dass sie Rote sind. Also könnten diese mit der Unterstützungserklärung auch nichts verlieren.


TEXT: MICHAEL MÜLLNER | FOTOS: GORBOVOI81/ADOBE STOCK, HERBERT KÄFER, NEOS NIEDERÖSTERREICH, JOSEF VORLAUFER

Überraschung, kundgemacht Fertl hatte dennoch den Plan, zum regulären Wahltermin im März 2019 bei der landesweiten Wahl anzutreten. Er hätte alle kleinen Dienststellen am Land abklappern wollen, um sich und sein Programm vorzustellen. In der Hoffnung, dass doch noch ein paar Unterschriften das scheinbar Unmögliche möglich machen würden, quasi. Zudem hatte er eine Änderung des betreffenden Landesgesetzes angeregt, damit andere Fraktionen leichter bundeslandweit kandidieren können. Vorhaben, die seiner Meinung nach der schwarzen Übermacht nicht geschmeckt haben, denn überraschend kam es im Sommer 2018 zu einer Vorverlegung der Personalvertreterwahl. Statt März 2019 wurde die Wahl für Oktober 2018 angesetzt. Die gesetzlich nötige Kundmachung wurde in einer Ausgabe der „Amtlichen Nachrichten“ veröffentlicht, deren Erscheinungstermin sogar eigens vorverlegt wurde, damit ein möglichst kurzer Fristenlauf gewährleistet war. Schon Tage vor der offiziellen Sitzung wurde das Sitzungsergebnis der Redaktion des Amtsblattes mitgeteilt, damit dieses bereits in Druck gehen konnte. Im Rückblick eine nicht gerade besonders elegante Vorgehensweise, die den Verdacht der Überrumpelungsaktion nährt. Denn die roten Gewerkschafter hätten nun nur zwanzig Werktage Zeit gehabt, die nötigen Unterstützungserklärungen zu sammeln. Ein aussichtsloses Unterfangen, wie Fertl eingesteht: „Hätte ich täglich drei Dienststellen besuchen können, wären für alle 170 Dienststellen im ganzen Land 56 Tage nötig gewesen“, rechnet Fertl vor. Weißrussland grüßt DDR? In einer Anfragebeantwortung des SPÖ-Landtagsklubs hielt Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner fest, dass die vorgezogene Personalvertretungswahl gesetzmäßig ablief. Dennoch blieb die Opposition bei ihrer Kritik, dass es der ÖVP-Allmacht offenbar um eine Einzementierung der Macht ging. Seit November 2018 recherchiert MFG zu den Abläufen und

Hintergründen dieser Wahl. Handelt es sich tatsächlich um einen „demokratiepolitischen Skandal“, wie die einen meinen, der an Zustände wie in Weißrussland oder der DDR erinnert? Oder kann man den schwarzen Personalvertretern nun wirklich nicht vorwerfen, dass die Roten nicht mal eine Handvoll Unterstützungserklärungen zusammenbringen, um antreten zu können? Der Obmann der Landespersonalvertretung, Johannes Zöhling, lehnte damals eine Interviewanfrage aus Termingründen ab. Trotz mehrfachen Nachfragen wollte er unsere Fragen bis dato nicht beantworten, sondern verwies lediglich auf die landesgesetzlichen Grundlagen. Im Vorjahr zeigte sich Zöhling dem ORF gegenüber empört über den Vergleich „mit menschenverachtenden, sozialistischen und kommunistischen Diktaturen“, zudem hätten alle Fraktionen und auch etwaige neue Wählergruppen 1.643 Tage Zeit gehabt, um eine ausreichende Zahl an Unterstützern zu suchen. Aus dem Personalvertreter-Team wurde die abgelehnte Interviewanfrage auch so begründet, dass man sich nicht vor den politischen Karren spannen lassen wolle. Außerdem sei die Personalvertretung ja völlig unpolitisch, wurde mit einem Lächeln auf den Lippen ergänzt. Nordkoreanische Einheitslisten? Der springende Punkt bei all dem Streit ist letztlich die Frage, wie hoch die Hürde für Bewerber sein soll, die sich an einer demokratischen Wahl beteiligen wollen. Wohlgemerkt geht es noch nicht um den Einzug in ein Gremium, lediglich um die Zulassung zur Wahl. Hier schütteln viele – auch bekennend ÖVP-nahe – Landesbedienstete die Köpfe und bringen den Spruch vom schönen „Niederkorea“. Allmächtiges Niederösterreich auf den Spuren nordkoreanischer Einheitslisten? Das sei doch kleinlich und wehleidig. Dabei sind sich manche Personalvertreter einig, dass eine „oppositionelle“ Kraft in derartigen Gremien gar kein Nachteil sein muss. „Wenn du zur gleichen Partei gehörst wie die Landeshaupt-

AUCH DABEI. Zumindest bei einer Dienststelle stehen Michael Fertl und seine FSG-Kollegen auf dem Stimmzettel.

frau, dann kannst du schwer auf den Tisch hauen. Da wäre eine Art Außenfeind schon praktisch, wenn du sagen könntest: ‚Wenn wir das nicht durchbringen, dann rennen uns alle Bediensteten zu den Roten‘“, führt etwa ein schwarzer Funktionär aus. Gesetzesänderungen? Die Spielregeln des einschlägigen Landesgesetzes könnte der Landtag jedenfalls jederzeit abändern. So beantragte etwa der SPÖ-Klub, die Kandidatur auf Landesebene zu erleichtern, indem die Regelung gestrichen werden sollte, dass eine Fraktion an fünf verschiedenen Dienststellen ausreichend Unterstüztungserklärungen vorweisen muss, um überhaupt landesweit antreten zu können. Im zuständigen Rechts- und Verfassungsausschuss kam es jedoch zu keiner Einigung, die ÖVP hält im Ausschuss die Stimmenmehrheit. Im Fahrwasser der PersonalvertreterDiskussion wurde von der SPÖ auch ein Objektivierungsgesetz gefordert. Dabei soll das klassische Dienstrecht um gesetzliche Regelungen zum Bewerbungs- und Auswahlprozess ergänzt werden. Abgelehnte Bewerber hätten dann in Zukunft ein Recht darauf, die Ablehnungsgründe zu erfahren. Ziel sei es mit größtmöglicher Transparenz die vermeintliche MFG 09.19

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MFG URBAN „Freunderlwirtschaft“ hintanzuhalten. Ein Blick etwa ins ebenfalls schwarze Oberösterreich bestätigt, dass das Oberösterreichische Objektivierungsgesetz seit 1994 in Kraft ist. Ziel des Gesetzes sei die einheitliche und objektive Aufnahme in den Landesdienst sowie die Besetzung leitender Funktionen. Dem Vernehmen nach wurde dieser Vorschlag im zuständigen Ausschuss nicht mal ernsthaft diskutiert. Wünschen darf man ja Und weil letztlich eine Personalvertretungswahl auch nur eine Wahl mit politischem Einschlag ist, durften auch die Wünsche ans Christkind nicht zu kurz kommen. So forderten die roten Personalvertreter einen Mindestlohn von 1.700 Euro brutto für Vollzeitkräfte im Landesdienst. Auch dazu wurde im Oktober 2018 ein Antrag im Landtag eingebracht, im zuständigen Ausschuss wurde der Antrag jedoch abgelehnt. Michael Fertl ist ein Jahr nach der überraschenden Wahlausschreibung dennoch zufrieden. Seine Fraktion konnte in der Dienststelle, wo sie antreten durfte, ihre Stimmen leicht ausbauen. Von den 3.748 Stimmberechtigten gingen im Landhaus immerhin 86 Prozent zur Wahl. Davon waren immerhin 223 oder knapp 7 Prozent so wenig angetan, dass sie ungültig wählten. Von den gültigen Stimmen entfielen knapp 15 Prozent

auf die rote FSG, die schwarze FCG erhielt 85 Prozent. Bei der landesweiten Wahl, bei der es ja nur die FCG zum Ankreuzen gab, erhöhte sich der Anteil der ungültigen Stimmen auf gut 14 Prozent. Klima sei Dank Doch auch abseits der Zahlen wirkt der Wahlkampf noch auf inhaltlicher Ebene nach. Mindestlöhne sind weiterhin Thema, auch im aktuellen Nationalratswahlkampf. Und auch im Amt der NÖ Landesregierung, wird intensiver über Home-Office nachgedacht. Eine Wahlkampfforderung, für die Fertl auch kritisiert wurde, kratzten seine Wahlkampfplakate im Liegestuhl doch für manche hart am Klischee des faulen Beamten. Fertl: „Ich sage lediglich, dass die VierTage-Woche auch im Landesdienst möglich sein muss. Warum soll jemand stundenlang im Wieselbus sitzen, wenn er die gleiche Arbeit auch an vier Tagen leisten kann? Warum muss man immer nach St. Pölten pilgern, wenn man auch an einem Tag von zu Hause aus die gleiche Leistung erbringen könnte?“ Auftrieb sieht er für diese Themen auch durch das zunehmende Bewusstsein im Hinblick auf Verkehrs- und Klimapolitik. Jedem Sheriff sein Deputy Scharfe Kritik setzte es rund um das Thema Personalvertretung auch von

WILLKÜRLICH. Der Landtagsabgeordnete der NEOS, Helmut Hofer-Gruber, sieht den Verdacht illegaler Parteienfinanzierung. den NEOS. Landtagsabgeordneter Helmut Hofer-Gruber hinterfragte bei Landeshauptfrau Mikl-Leitner im Frühjahr das System von „Vertrauenspersonen“, die quasi inoffiziell als „Hilfsorgane“ der offiziellen Personalvertreter seit jeher im Landesdienst auftreten. Hofer-Gruber bezog sich auf wiederholte Vorwürfe, dieses System stelle eine illegale Form der Parteienfinanzierung dar, da diese Vertrauensleute vom regulären Dienst de facto freigestellt seien und ihre Arbeitszeit vermeintlich für parteipolitische Agenden nutzen würden. Vergangene Anzeigen wurden

PERSONALVERTRETUNGSWAHL NIEDERKOREA LANDESPERSONALVERTRETUNG (LPV) Liste Nr.

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Für gewählte Fraktion im Kreis ein X einsetzen!

Kurzbezeichnung

Fraktionsbezeichnung

NIX-EINANDER

NIX-EINANDER – Fachgruppe Niederkoreanische Landesbedienstete und Fraktion Dieser und Jener Gewerkschafter

(NON) FICTION? Ein Stimmzettel ohne Wahlmöglichkeit macht noch keine Diktatur. Aber auch noch keine Demokratie.


ALLES AUF SCHWARZ?

von den Staatsanwaltschaften jedoch mangels Anfangsverdachts meist rasch eingestellt. In ihrer Anfragebeantwortung wies Landeshauptfrau Mikl-Leitner darauf hin, dass dieses System seit 1962 bestehe, jedoch (erst) 2017 im Zuge einer Gesetzesänderung eine rechtliche Klarstellung vorgenommen wurde. Die Vertrauenspersonen würden im Auftrag und unter Verantwortung des Obmanns der betroffenen Dienststellenvertretung tätig sein. Für den NEOS-Mandatar eine der „dünnsten Anfragebeantwortungen, die es je gegeben hat. Die Landeshauptfrau dokumentiert leider wieder einmal ihre Geringschätzung dem Landtag gegenüber, hierzu kann das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Wenn der schwarze ÖAAB 100 Prozent der Personalvertretung stellt, wieso benötigt man dann noch zusätzliche Vertrauenspersonen, die völlig willkürlich, aber natürlich auf Kosten der Steuerzahler installiert werden?“ Über unser Interesse an ihrer Tätigkeit zeigte sich die Landespersonalvertretung ablehnend verwundert. Dabei handelt es sich bei der Landesverwaltung um einen großen und einflussreichen Dienstgeber, der nicht zuletzt durch die direkte Anbindung an die Landespolitik einen besonderen Stellenwert hat: Wer es demokratiepolitisch ernst meint, der beginnt damit doch sicher im eigenen Haus? Im besten Fall könnte „das Land“ mit hereinnehmender, partizipativer Personalvertretung, einem transparenten Objektivierungsgesetz und modernen Arbeitsbedingungen als gesellschaftliches und ökologisches Vorbild auch nach außen wirken, auf andere Gebietskörperschaften und auf private Unternehmen. Einheitslis­ ten am Stimmzettel im zweifelhaften Charme der DDR-Nostalgie helfen dabei wohl nicht. Alles auf Rot? Nicht nur in der Landesverwaltung im Regierungsviertel gibt es gesetzlich geregelte Personalvertreter. Geht man ein paar hundert Meter ins Herz der Innenstadt weiter, so findet man

im St. Pöltner Rathaus das Zentrum der städtischen Verwaltung. Rund 1.200 Gemeindebedienstete in Hoheitsverwaltung, Wirtschaftshof, Stadtgärtnerei und im Senioren- und Pflegeheim „Stadtwald“ wählen alle fünf Jahre ihre Personalvertreter. Geregelt ist auch dies in einem eigenen Landesgesetz. Überraschende Neuwahlen scheinen hier nicht möglich, der Wahltermin hat laut Gesetz höchstens drei Monate vor oder nach der letzten Wahl stattzufinden und wird von der Landesregierung für alle 570 Gemeinden Niederösterreichs gleichzeitig angesetzt. Ein Prozent möcht ich haben Möchte man nun als eigene Liste bei der Personalvertreterwahl der Gemeindebediensteten teilnehmen, so braucht man Unterstützungserklärungen von einem Prozent der Beschäftigten. In der Hoheitsverwaltung mit rund 750 Mitarbeitern wären also rund acht Unterschriften nötig. Dennoch gingen alle 25 Mandate bei der letzten Personalvertreterwahl im Juni 2019 an die rote FSG, eine andere Liste trat nicht an. FSGObmann Christian Pandion sieht darin kein demokratiepolitisches Defizit: „Die paar wenigen Unterschriften sind jetzt wirklich keine große Hürde. Schwieriger ist es eher,

PERSONAL SIEHT ROT. Christian Pandion und die FSG hält alle Stimmen der St. Pöltner Gemeindebediensteten-Vertretung.

die Kollegen überhaupt zu motivieren, sich für die Personalvertretung aufzustellen. Dass wir bei der letzten Wahl 78 Prozent Wahlbeteiligung hatten, ist ein schönes Ergebnis, besonders hat mich gefreut, dass sehr viele junge Bedienstete zur Wahl gegangen sind und dass ihnen die Personalvertretung wichtig ist.“ You name it Die parteipolitische Rolle sieht Pandion untergeordnet: „Die Personalvertretung hat keine besonders politische Rolle, es geht um die Vertretung der Kollegen. Anders ist das bei der Gewerkschaft, da sind politische Themen und Inhalte richtig aufgehoben.“ Viele Gewerkschaften, die ja private Vereine sind und dadurch unabhängig agieren können, halten Wahlgänge zu ihren Gremien aus praktischen Überlegungen zeitlich parallel zu den gesetzlich vorgegebenen Wahlterminen der Personalvertretung ab. Personalvertretung und Gewerkschaft verschwimmen deshalb auch oft in der Praxis. Die Zeiten, als die FSG nicht allein den Ton angab, sind jedoch schon länger her. Als das heutige Universitätsklinikum St. Pölten im Jahr 2005 vom städtischen Spital zum Landesklinikum wurde, gingen viele Stimmberechtigte „verloren“. Die relativ kleine Fraktion der schwarzen FCG schaffte im Rathaus seither keine weitere Kandidatur, kamen doch ihre früheren Stimmen vorrangig vom Krankenhauspersonal, welches nun nicht mehr zur Gemeinde gehört. Auch eine unabhängige Liste des Pflegepersonals schaffte es vor Jahren einmal in die Personalvertretung. „Ich glaube, dass der Trend derzeit generell eher zu Namenslisten geht. Dabei kann man dann vielleicht einmal eher von einer rot-nahen, einmal eher von einer schwarz-nahen Liste sprechen. Damit haben wir grundsätzlich auch kein Problem, wenn sich jemand auf einer eigenen Liste für die Anliegen der Bediensteten einsetzen will. Aber ich bin überzeugt, leicht hat man es als kleines Team sicher nicht“, gibt Pandion zu bedenken. MFG 09.19

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TEXT: PHILIPP METTAUER | FOTOS: INJOEST, TOPOTHEK ST. PÖLTEN, LUFTBILDDATENBANK DR. CARLS GMBH, FLORIAN NÄHRER

Die kontaminierte Jugendstilperle Bei ihrer Gründung galt die „Heil- und Pflegeanstalt“ Mauer-Öhling bei Amstetten als eines der modernsten und fortschrittlichsten Krankenhäuser der Habsburgermonarchie. Nach der feierlichen Eröffnung am 2. Juli 1902 in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph beschrieb sie dieser in einem Brief an seine Geliebte Katharina Schratt als „ein mit allen Erfindungen der Neuzeit ausgestattetes Etablissement, mit Wirtschaftshof, Meierei, Feldern, Werkstätten etc. – Alles zum Besten der Narren. Es muß ein Hochgenuß sein, dort eingesperrt zu sein.“ Mit seinen im Jugendstil errichteten 18 Patienten-Pavillons, die von ursprünglich sieben Ärzten und 200 Pflegepersonen betreut wurden, war es nach dem Wiener „Steinhof“ und dem Grazer „Feldhof“ die drittgrößte psychiatrische Klinik Österreichs. Zu ihrem Einzugsgebiet zählten neben Amstetten, Waidhofen/Ybbs, St. Pölten, Wiener Neustadt, Baden, Krems, Melk, Mödling, Neunkirchen, Pöggstall, Scheibbs, Hietzing-Umgebung, in der NS-Zeit auch Eisenstadt mit dem nördlichen Burgenland sowie Znaim mit den annektierten, „Niederdonau“ zugeschlagenen Gebieten Südmährens. Nach dem Ersten Weltkrieg, spätestens aber seit Mitte der 1930er Jahre, herrschten in der Anstalt durch die eklatante Überbelegung mit bis zu 1.900 Pfleglingen bei gleichzeitigem Personalmangel allerdings unerträgliche Zustände. Mit der endgültigen Machtübernahme der NS-Administration – die Direktion lag mit Michael Scharpf und Josef Schicker bereits seit 1933 in den Händen nationalsozialistischer Ärzte – kippte das System ins Mörderische. Von „Massentransporten“ zu anstaltsinternen „Liquidierungen“ Schon bald nach dem „Anschluss“ im März 1938 entwickelte sich die „Heil- und Pflegeanstalt“ zu einem Ort von NS-Medizinverbrechen, zum Ausgangspunkt von Transporten in die Tötungsanstalten und zur Drehscheibe innerhalb des nationalsozialistischen Terrorapparats zur Durchsetzung von „erb- und rassebiologischen“ Wahn-

vorstellungen. Mindestens 350 Patientinnen und Patienten aus Mauer-Öhling wurden ab Jänner 1940 nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ zwangsweise sterilisiert – die Männer im Krankenhaus von Amstetten, die Frauen in Waidhofen/Ybbs. Das „Erbgesundheitsgericht“, bei dem die „Unfruchtbarmachungen“ auf Antrag beschlossen wurden, befand sich beim Kreisgericht St. Pölten. Von Juni 1940 bis August 1941 wurden rund 1.300 Pfleglinge zunächst in die Zwischenanstalt Niedernhart, danach in eine – angeblich – „der Direktion nicht genannte Anstalt übersetzt“, das heißt in Schloss Hartheim bei Linz vergast und eingeäschert. Nach der Beendigung dieser sogenannten „Aktion T4“ wurde bis Kriegsende anstaltsintern weiter gemordet. Die Sterblichkeitsrate verdreifachte sich bis Ende 1943 auf 18%. Die „Übersterblichkeit“, d.h. die erhöhte Zahl von Todesfällen während der NS-Herrschaft verglichen mit dem Vorkriegsniveau durch gezielte Mangelernährung, systematische Vernachlässigung und psychiatrische Gewalt, betrug 570 Patientinnen und Patienten. Im Gegenzug waren so in der „Heilund Pflegeanstalt“ bis zu 1.000 Betten für „volksdeutsche Umsiedler“ aus Bessarabien, der Dobrudscha (heute in Rumänien), der Slowakei und Südtirol bzw. ab März 1942 für ein Reservelazarett der Wehrmacht freigemacht worden. Aus dem Stalag-Lager Gneixendorf-Krems wurden alliierte Kriegsgefangene in die Anstalt transferiert, ab September 1944 fungierte MauerÖhling als „Sammelstelle“ für die gesamten „Alpen- und Donaugaue“ für „geisteskranke Ostarbeiter“. Zwischen Februar und Oktober 1943 verlegte die Verwaltung 320 Personen in „Todestransporten“ in die „Heil- und Pflegeanstalt“ Gugging, von denen dort die wenigsten das Kriegsende erlebten. Im November 1944 wurden 20 „geisteskranke“ sowjetische Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter in das „Barackenlager 65“ nach Linz-Waldegg „abtransportiert“ und ermordet. Im selben Monat begann der „Euthanasie“-Arzt Emil Gelny ge-

meinsam mit dem Vorstand der Frauenabteilung Josef Utz unter Beihilfe des Pflegepersonals mit der „Liquidierung“ von nochmals 190 Patientinnen und Patienten. Das „Endphaseverbrechen“ dauerte bis April 1945, die Ermordeten warf man in Massengräber am erweiterten Anstaltsfriedhof. Die verantwortlichen Ärzte, Juristen und Beamten wurden nie oder nur alibihalber zur Rechenschaft gezogen. Spätes Forschen Erste Ansätze einer öffentlichen Auseinandersetzung mit der NS-Euthanasie begannen spät. Eine frühe Initiative stellt die von Peter Nausner 1984 gedrehte Fernsehdokumentation „Unwertes Leben“ dar. Der Filmemacher erhielt dafür zwar den Österreichischen Preis für Volksbildung, der ORF sah sich allerdings nach der Erstausstrahlung mit gerichtlichen Klagen seitens Täterangehöriger bedroht und nahm von weiteren Sendungen Abstand. (Eine Kopie gibt es auf youtube.) Sperrfristen und Falschauskünfte verhinderten lange Zeit die wissenschaftliche Bearbeitung. Noch 1989 schrieb Michaela Gaunerstorfer in ihrer unveröffentlichten Diplomarbeit zu Mauer-Öhling 1938-1945: „Krankengeschichten konnte ich leider nicht mehr einsehen; sie dürften bereits der Skartierung zum Opfer gefallen sein.“ Tatsächlich befanden sie sich im Keller des Landesklinikums. Ein Forscherinnenteam der Gedenkstätte Hartheim im Auftrag des Oberösterreichischen Landesarchivs konnte 2005 zwar die Protokollbücher und Krankenakten benutzen, der Zugang zu weiteren Archivschränken blieb ihnen allerdings verwehrt. Rund um das Jahr 2010 wurde schließlich das Verwaltungsarchiv, die Korrespondenzen und Personalakten der Ärzte ohne Skartierungsvermerk „entsorgt“. Die Krankengeschichten konnten von einem engagierten Mitarbeiter gerettet und dem NÖ Landesarchiv übergeben werden. In Kooperation mit dem Institut für jüdische Geschichte Österreichs wurden 30.000 Stück von den Jahren 1902 bis 1975 in einer Datenbank erfasst und sind mittlerweile für Forschung und FaMFG 09.19

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WAHNSINN. Leonardo Conti, einer der Initiatoren der Aktion „T4“ (im Zuge derer 1.300 Pfleglinge aus Mauer-Öhling zunächst nach Niedernhart „übersetzt“ und schließlich in Hartheim vergast und eingeäschert wurden) vor dem St. Pöltner Krankenhaus, 17. Mai 1941.

milienrecherche zugänglich. Die erste publizierte wissenschaftliche Arbeit von Wolfgang Neugebauer vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes von 1987 stützte sich aus diesen Gründen auf die Akten des Volksgerichtsprozesses, der 1948 gegen Beamte der Gesundheitsverwaltung und Oberpflegerinnen und -pfleger geführt wurde. Zwar wurde der Teilbestand der Krankenakten der „T4“Opfer, die über Umwege ins Bundesarchiv Berlin gelangt waren, 1998 von einem Team der ärztlichen Direktion des Landesklinikums gesichtet, die Resultate allerdings nicht publiziert. Der jüngste Beitrag von Herwig Czech 2016 über die niederösterreichischen Heil- und Pflegeanstalten Gugging, Mauer-Öhling und Ybbs berücksichtigt schließlich auch die Bestände der „Reichsstatthalterei Niederdonau“. Mit dem Symposium „Psychiatrie ohne Menschlichkeit – Wir vergessen nicht!“ 2007 und der folgenden Errichtung eines Denkmals auf dem Gelände des ehemaligen Landesklinikums Tulln-Gugging, waren dies die letzten erinnerungspolitischen Auseinandersetzungen mit der NS-Euthanasie in Niederösterreich. 32

Spätes Erinnern Bis zur Enthüllung des Mahnmals der „Himmelstreppe“ für die Ermordeten der NS-Euthanasie vor dem Pavillon der „Schule für psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege“ im Landesklinikum Mauer am 8. Mai dieses Jahres, erinnerten lediglich zwei gut versteckte Gedenktafeln an die NS-Zeit. Auf der Rückseite der Aufbahrungshalle erinnert eine 1980 – nicht ohne inneren Widerstand – angebrachte Inschriftentafel „an alle verstorbenen Patienten des Krankhauses, besonders an die Opfer der Jahre 1940–1945“, um gleich vis-à-vis allen „gefallenen und verstorbenen Bediensteten“ zu gedenken. Eine weitere Plakette im hinteren Friedhofsteil markiert die Ruhestätte von „7 Kriegsgefangenen“, die wohl stellvertretend gemeint sein muss, denn alleine 46 sowjetische Staatsangehörige starben in der Anstalt. Der „Euthanasie“-Friedhof Aufgrund des drastischen Anstiegs der Sterblichkeitsrate wurde der Anstaltsfriedhof, dessen Kapazitäten mit seinen 1.000 Grabstellen trotz Exhumierungen und Wiederbelegungen nach nur neun Jahren erschöpft waren,

längs der Straße Amstetten-Waidhofen erweitert. Wie das Friedhofsprotokoll dokumentiert, dessen Sicherung im ehemaligen Archivkeller des heutigen Landesklinikums erst kürzlich gelang, wurde das neue Areal ab November 1944 belegt. Es bildete dies den Auftakt der großen Mordaktion in der Anstalt, die bis zwei Wochen vor Kriegsende dauern und der 190 Personen zum Opfer fallen sollten. Bis zu neun Tote in einem Grab, bis zu 15 täglich wurden in diesem Zeitraum beerdigt, was der Anzahl der monatlichen Begräbnisse der Vorjahre entsprochen hatte. Unter den Ermordeten befanden sich neben österreichischen Patientinnen und Patienten und den „Evakuierten“ aus den „luftgefährdeten“ Heil- und Pflegeanstalten im „Rheinland“, auch sowjetische Zivilpersonen, polnische und griechische Zwangsarbeiter, serbische, französische und italienische Kriegsgefangene, „Volksdeutsche“ aus der Slowakei, Südtiroler „Optanten“ und deutsche Wehrmachtsangehörige. Sie gehörten nicht nur der katholischen, sondern auch der evangelischen, russisch-, griechisch-, serbisch-orthodoxen, mosaischen Religionsgemeinschaft an, manche waren


„HEIL- UND PFLEGEANSTALT“ MAUER-ÖHLING IM NATIONALSOZIALISMUS

„gottgläubig“ oder konfessionslos. Die im Kriegslazarett Verstorbenen, die regulär am Öhlinger Pfarrfriedhof bestattet worden waren, bis auch dieser überbelegt war, wurden ebenfalls auf dem erweiterten Areal bestattet – auf der den „Geisteskranken“ gegenüberliegenden Seite. Der erweiterte Teil des Friedhofs wurde in den späten 1980er Jahren aufgelassen. Während die Wehrmachtssoldaten auf den Soldatenfriedhof Oberwölbling nördlich von St. Pölten umgebettet wurden, wurden auf die Gräber der Psychiatrietoten, deren Grabhügel noch zu erkennen waren, Fichten gepflanzt. Bei einem aufmerksamen Gang durch dieses Dickicht konnten noch zwei Grabeinfassungen inklusive Nummerierung dokumentiert werden. Aufgrund eines Borkenkäferbefalls musste das Waldstück 2017 gerodet werden, ohne archäologische Begleitung oder zumindest einer oberflächlichen Fundsicherung wurden die Wurzelstöcke aus dem Boden gefräst. Die darauffolgende Wiederaufforstung mit Kiefern misslang schließlich aufgrund des heißen und trockenen Sommers 2018. Der eingefriedete, reguläre Teil des Friedhofs präsentiert sich heute, bis auf wenige Holzkreuze von Bestattungen der letzten Jahre, als eine gepflegte, aber leere Wiesenfläche. Auch hier sind die Grabhügel noch gut zu erkennen, die Gräber selbst sind allerdings nicht mehr zu identifizieren. Nichts deutet

mehr auf die evangelische, die konfessionslose und vor allem auf die israelitische Abteilung mit annähernd 60 Gräbern hin, die bis 1941 belegt wurde und zumindest bis in die 1960er-Jahre bestanden haben muss. Zur Jahrtausendwende wurde die Bundesstraße 121 von Amstetten bis zum „Weißen Kreuz“ vierspurig ausgebaut, darunter eine Unterführung errichtet, wobei die denkmalgeschützte Friedhofsmauer um einige Meter nach innen versetzt wurde und mindestens eine Grabreihe unter dem Asphalt verschwand. „Friedhof ist im Weg“ titelten am 15. Mai 2001 die Nieder­ österreichischen Nachrichten und meinten lapidar: „Auch vor den Toten macht die Verkehrslawine nicht halt. […] Eventuell müssen sogar Verstorbene für den Straßen-Ausbau ihre Gräber räumen.“ Das Sammelgrab, in das die Exhumierten umgebettet wurden, ist nicht mehr lokalisierbar. Ohne Hinweis auf seine kontaminierte Geschichte harrt das Gelände nach wie vor einer der Bedeutung des Ortes würdigen Gestaltung. Dieser als unbefriedigend zu bezeichnende Zustand wird in Kooperation mit der neuen Leitung des Landesklinikums schrittweise verbessert werden und die aktuellen Forschungsresultate in weitere Gedenkprojekte mit einfließen. Angedacht ist etwa ein virtuelles Gedenkbuch mit der namentlichen Nennung der Opfer, ein „Weg der Namen“ von der „Himmelstreppe“ zum

ZUM AUTOR Philipp Mettauer, Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Juden Österreichs, studierte Geschichte und Politikwissenschaft an den Universitäten Wien, Madrid, Salamanca und Basel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Österreichisch-jüdischer Emigration nach Argentinien; Shoah und Nationalsozialismus im Familiengedächtnis; Zwangsumsiedlung der Wiener Jüdinnen und Juden in Sammelwohnungen; Provenienzforschung an der Österreichischen Nationalbibliothek; Psychoanalyse und Psychotherapie in Westdeutschland nach 1945; NS-Euthanasie und Medizinverbrechen in den „Heil- und Pflegeanstalten“ Am Steinhof, Mauer-Öhling und Gugging. Mettauer publizierte zahlreiche Artikel, Buchbeiträge und Monographien.

„Euthanasie“-Friedhof und die Einrichtung eines Museums-Pavillons im Rahmen der niederösterreichischen Landesausstellung 2026. Weitere Forschungsvorhaben und Gedenkveranstaltungen Am 10. September 2019 startet das INJOEST mit einer Eröffnungsveranstaltung im Rathaussaal Amstetten das Top Citizen Science Projekt „Namen, Gräber und Gedächtnis. Mauer-Öhling in der NS-Zeit“, bei der alle Interessierten eingeladen sind, mitzuforschen. Am 3. Oktober 2019 werden in St. Pölten weitere „Steine der Erinnerung“ verlegt, mit denen der deportierten und ermordeten Jüdinnen und Juden gedacht wird. Unter ihnen befindet sich auch Emil Reiss, der im April 1940 in der „Heil- und Pflegeanstalt“ ums Leben kam.

FRIEDHOF. Luftbild des Anstaltsfriedhofs, 15. Mai 1945: links gerodete Fläche mit den Reihengräbern der NS-Euthanasie, rechts die Umfassungsmauer der israelitischen Abteilung.

www.injoest.ac.at/aktuelles MFG 09.19

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„HEIL- UND PFLEGEANSTALT“ MAUER-ÖHLING IM NATIONALSOZIALISMUS

„DAS BÖSE VERTREIBEN“ Bereits im Vorjahr gestaltete der Künstler Florian Nährer gemeinsam mit Patienten und jungen Künstlern das Wandgemälde „Wonderwall“ für die Jugendpsychiatrie in Mauer-Öhling. Heuer folgte das Mahnmal für die NS-Opfer der ehemaligen „Heil- und Pflegeanstalt“, das auch eine sehr persönliche Note trägt.

HIMMELSTREPPE. Alte Grabsteine sollen die Erinnerung an die „ausgelöschten“ Toten zurückholen. Wie kann man sich die generelle Arbeit an einer solch deprimierenden Materie, auch im emotionalen Sinne, vorstellen – was geht einem durch den Kopf, wie sehr wird man „persönlich“ hineingezogen?

Mein zwölfjähriger Sohn Laurenz ist ein Mensch mit Down Syndrom. Er wäre damals sicher ein Opfer der NS-Euthanasie geworden. In all den Jahren mit Laurenz hatte ich nicht einen Moment, der mich am Wert seines Lebens zweifeln hätte lassen, ganz im Gegenteil, wir hatten und haben viele wunderbare Augenblicke mit ihm. Dieser Gedanke hat mich während der Monate, an denen ich an diesem Projekt gearbeitet habe, nie losgelassen. Welchen Wert hat ein behinderter Mensch heute? Wenn wir heute Mahnmale für damals ermordete behinderte Menschen errichten, macht es mich traurig, dass gleichzeitig heute in Österreich behinderte Babys bis zum Ende des 9. Schwangerschaftsmonats abgetrieben werden dürfen – da steigt Ärger in mir hoch.

Sie nennen Ihr Werk „Himmelstreppe“ – wie sind Sie auf die Idee gekommen und welcher Grundgedanke liegt dem Werk zugrunde?

Als ich zum ersten Mal das Gelände des Anstaltsfriedhofs betrat, fiel mir sofort auf: Es gibt dort keine Grabsteine! Lediglich einige vereinzelte Steinstelen lehnten herum.

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Noch schlimmer empfand ich die Situation auf dem Gelände der Friedhofserweiterung aus den 1940er-Jahren. Dort hatte man vor rund 50 Jahren direkt auf den Gräbern von ungefähr 400 Menschen einen Wald gepflanzt. Diese Abwesenheit der Grabsteine erschütterte mich, denn damit waren sozusagen die letzten Zeugen dieser hier systematisch ermordeten Menschen ausgelöscht. Für mich war somit klar, dass ich mit alten Grabsteinen arbeiten wollte.

Woher sind die gekommen, und was soll damit beim Betrachter evoziert werden?

Die Grabsteine, die ich für dieses Mahnmal verwendet habe, stammen von aufgelassenen Gräbern der näheren Umgebung von Mauer-Öhling. Im Normalfall würden diese geschreddert und zu Beton verarbeitet werden. Hier werden sie zu einem Platzhalter, zu einem Stellvertreter für die vielen hundert Ermordeten der NS-Euthanasie. Die Steine habe ich aufeinander gestapelt, als eine Art Treppe, die die Erde wieder mit dem Himmel vereinen will, daher auch der Titel „Himmelstreppe“. Bei der Arbeit an dem Denkmal ist mir auch eine weitere Analogie in den Sinn gekommen: „Die Bremer Stadtmusikanten“: Die vier Tiere waren von der Gesellschaft ausgemustert und zum Tode verurteilt. Erst als sie sich zusammentaten und einen „Turm“ bildeten, konnten sie mit Hilfe der Musik und Kunst das Böse vertreiben.


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FOTO: DANIELA MATEJSCHEK

WACHAU IN ECHTZEIT Kunst, Kulinarik und Genuss

Mit Wachau in Echtzeit lädt die beliebte Schauspielerin Ursula Strauss zum nunmehr achten Mal zu ihrem ganz persönlichen Kulturprogramm unter Freunden. Von 25. Oktober bis 29. November präsentiert das Herbstfestival zwölf unterhaltsame, bewegende bis schräge Programmpunkte in unterschiedlichsten Spielstätten wie Schlössern, Weinkellern oder Heurigenlokalen zwischen Krems und Melk. Der Veranstaltungsreigen reicht dabei von musikalischen Lesungen über theatrale Liederabende und kulinarische Erlebnisse bis hin zu einer literarischen Wanderung und einem Mitmachkonzert für Kinder.

Literarische Schmankerl, musikalische Reisen und moderne Märchen Eine Besonderheit von Wachau in Echtzeit ist mitunter die Einzigartigkeit der einzelnen Veranstaltungen. Neben einer Uraufführung und einer Österreich-Premiere bietet die Pro-

grammreihe mehrere Abende, die so wohl kein zweites Mal wiederholt werden. So wurden zum Beispiel der kulinarisch-literarische Streifzug „Die schlemmerische Kehle“ im Kellerschlössel der Domäne Wachau und die literarische Wanderung auf den Spuren des Wolfes im Naturpark Jauerling speziell für Wachau in Echtzeit entwickelt. Und auch sonst geht es köstlich, unterhaltsam und berührend durch das Programm, unter anderem mit Karl Markovics und den OÖ Concert Schrammeln, Gerti Drassl, Miriam Fussen­egger, Maria Bill, Barbara Spitz, Alexander Jagsch, dem Trio Lepschi und vielen anderen. Nähere Informationen zum Programm unter www.wachauinechtzeit.at

Wachau in Echtzeit

Das Kulturprogramm von Ursula Strauss 25. Oktober bis 29. November 2019

Haus der Regionen | Krems-Stein Konzertprogramm Herbst 2019 Fr 13.9.

WIA WAUN - Vesselsky/Kühn

Fr 20.9.

BURGUND: Mind Le Gop

Fr 4.10

Tschejefem - Johanna Dumfart

Do 17.10.

Beat Poetry Club

Fr 25.10.

Streicher intensiv

Mo 28.10.

Europa denken – Diskussion

Do 7.11.

Michal Noga Band

Mo 11.11.

Poetry Slam

Fr 22.11.

Donau in Flow

Sa 23.11.

Vienok - Feurige Mischung

Sa 30.11.

Indeed

Haus der Regionen Volkskultur Niederösterreich Donaulände 56 | 3500 Krems-Stein Karten: www.oeticket.com www.volkskulturnoe.at

Eintritt frei!.

THEATERFEST FÜR ALLE eater im Landesth ich Niederösterre

Samstag, 28. Sept. 2019, 13.30–18.00 Uhr. www.landestheater.net

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SHORTCUT KULTUR

FOTOS: VAASEENAA/ADOBE STOCK, HÖFEFEST/ZVG, LUKAS BECK

KOLUMNE THOMAS FRÖHLICH

ICH ESSE, ALSO BIN ICH Ja, ja, ich geb’s zu: Trotz gelegentlicher, mitunter fast ernstgemeinter Versuche schaff‘ ich’s nicht – die völlige Hinwendung zum Vegetariertum. Oder gar zum Veganen. Dazu schmeckt mir Fleisch einfach zu gut. Ein Gastgarten ohne Schweinsbraten und Bier? Sorry, Leute, geht gar nicht. Oder die herrliche Lama-Salami, die es derzeit bei Inge Lorenz am Markt gibt: besser und stärker als jeder gute Vorsatz. Und Fundamental-Verzicht ist sowieso nur was für Genussfeinde (also jene Pharisäer, die uns auch das flächendeckende IndoorRauchverbot eingebrockt haben). Dennoch: Ich brauch’s nimmer täglich. Zweimal die Woche (das aber unverhandelbar) reicht auch. Und ansonsten kommen halt Gemüse, Hummus und Tofu an die Hunger stillende Reihe. So man zu Hause speist. Denn die St. Pöltner Gastronomie macht es einem nicht gerade leicht. Wir verfügen zwar über die höchste Kebap-Dichte diesseits des Bosporus, aber über ein einladendes veganes oder vegetarisches Lokal hat sich noch keiner drüber getraut. Wieso eigentlich? Vielleicht, weil es die St. Pöltner im Grunde am liebsten fett, viel und kostengünstig haben. Obwohl sich da zuletzt einiges geändert hat – ich sag‘ nur: Vinzenz Pauli. Aber es wär‘ ein Wagnis. Da macht man doch lieber den 100.000. TakeAway-Pizzaladen auf. Der stinkt zwar vielleicht nicht ganz bis zum Himmel – aber Piloten im Landeanflug auf Wien könnten da schon ein Problem kriegen. Nein, ernsthaft: Ein ansprechender Ort für avanciertes Vegetariertum tut dringend Not. Vielleicht hat ja jemand von euch Lesenden ein Einsehen. Einen Stammgast hättet ihr auf jeden Fall schon! Also …?

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HÖFEFESTIVAL

as Höfefest wird heuer wieder ‚fett‘!“ verspricht Patrizia Liberti, welche das Format im Vorjahr ja erfolgreich wiederbelebt hat, und sie schwärmt davon „dass aus dem Höfefest ein richtig kleines Höfefestival wird!“ Mit mehr als 80 Künstlerinnen und Künstlern, die noch mehr Höfe und Plätze entern, sowie anvisierten 24 Konzerten und Darbietungen jeder Art samt noch streng geheimem Vorhöfefest-Konzert im cinema paradiso am

27. September ist der Terminus auch allemal gerechtfertigt. Und wenn Liberti auch noch nicht alle Acts verraten kann, lässt das bereits Durchgesickerte durchaus mit der Zunge schnalzen, wobei man sich als indigener St. Pöltner etwa auf ein Wiedersehen mit dem St. Pöltner Geiger und Komponisten Matthias Jakisic freut! Geöffnet werden die Höfe am 28. September ab 14 Uhr! Das Programm findet man auf www.hoefefest.at

BLÄ T T ERW IRBEL

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pricht man in St. Pölten von „Festival“, dann fallen einem vordergründig einmal die großen popkulturellen wie Frequency oder Beatpatrol ein. Auf den „Hochkulturbetrieb“ kommend denkt man zuerst an das Barockfestival oder auch ans kleine, feine Jazz im Hof. Tatsächlich beherbergt die Stadt aber seit einigen Jahren jeden Herbst auch eines der renommiertesten Literaturfestivals der Republik, nämlich den „Blätterwirbel“. An verschiedenen Standorten wie Stadtmuseum, Landestheater & Co. warten auf die Literatur-Gemeinde Autorenportraits, Poetry Slam, Lesungen, Buchausstellung etc. – kurzum, Wort und Sprache sind

Trumpf! Heuer kommen etwa Michael Köhlmeier, Arik Brauer, Judith W. Taschler, Alfred Komarek, David Schalko uvm.! Den Auftakt bestreitet am 2. Oktober Doron Rabinovici im Stadtmuseum, „geblättert“ wird dann bis 3. November! www.blaetterwirbel.at


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FESTSPIELHAUS ST. PÖLTEN / BÜHNE IM HOF

JUGEND VOR

TANZ & MUSIK IM HERBST

Jung & saugut ist der Claim jener Schiene, wo der Nachwuchs in der Bühne im Hof vor den Vorhang gebeten wird, freilich jener, der quasi schon dick da ist und zumeist, zurecht, auf einer Hypeschiene durchs Land surft.

Mit märchenhaftem Spitzentanz startet das Festspielhaus voller Zauber in die neue Saison: Das monegassische Starensemble Les Ballets de Monte-Carlo zeigt mit CINDERELLA einen Klassiker von Kult-Choreograf Jean-Christophe Maillot. Wie könnte man den Nationalfeiertag besser ausklingen lassen, als mit dem weltberühmten Jazz von Fusion-Legende JOHN McLAUGHLIN? Mit revolutionären Klängen im Gepäck machen THOMAS GANSCH und das JANOSKA ENSEMBLE eine musikalische Reise von Wien nach Liverpool. CINDERELLA Für alle ab 8 Jahren Sa, 5. Oktober 2019 Beginn: 19.30 Uhr So, 6. Oktober 2019 Beginn: 16.00 Uhr

So etwa DER Rising Star der Kabarettszene Christoph Fritz. Sein Programm hat er natürlich nicht zufällig „Das jüngste Gesicht“ betitelt, immerhin wirkt der 24-jährige WU-Absolvent eher wie ein 15-jähriger Milchbart. Die vermeintlich damit assoziierte Unbedarftheit lässt er herrlich mit bitterböser Satire und schwarzem Humor kollidieren, was ihm völlig zurecht den Förderpreis beim Österreichischen Kabarettpreis eingebracht hat. Am 24. Oktober wird er leise in der Bühne im Hof auf den Putz hauen.

(Familienvorstellung)

JOHN McLAUGHLIN & THE 4TH DIMENSION Sa, 26. Oktober 2019 Beginn: 19.30 Uhr JANOSKA ENSEMBLE THOMAS GANSCH Sa, 9. November 2019, Beginn: 19.30 Uhr

Infos und Tickets unter www.festspielhaus.at |

/festspielhaus |

FOTOS: ROLAND FERRIGATO, LUKAS BECK

Cinderella © Alice Blangero

Tags darauf „schlägt“ die Musik zurück. Während Bands wie Wanda, Seiler & Speer, Pizzera & Jaus gemeinhin der „lauten“ Krachmacher-Pop/Rock-Fraktion zugezählt werden, reiht sich Wenzel Beck in die Riege österreichischer Singer-Songwriter ein, die eher auf leisen, textlich fein nuancierten Spuren eines Willi Resetarits wandeln. Wenig verwunderlich, dass der Altspatz auch am Beginn der Karriere des 19-jährigen Wenzel stand und ihm quasi ein Gütesiegel verliehen hat. Am 25. Oktober gastiert Beck im neu formierten Trio in der Bühne im Hof. Jung & saugut eben!

www.buehneimhof.at

/festspielhaus.at

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MFG KULTUR

BRANDSTETTER & FREUNDE Seit über 32 Jahren steht das Music Center halb versteckt zwischen Wagramer Wohnungen und Einfamilienhäusern. In ein paar Monaten wird das einzige Musikgeschäft der Stadt neben das VAZ übersiedeln. Ein Andenken.

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ls Gerhard Semmler die Tür zum Music Center öffnet, liegt Hannes Brandstetter bereits im Rettungswagen – mit Blaulicht und Sirene am Weg ins Krankenhaus. Hannes hatte im Geschäft eine Gehirnblutung. Eigentlich will Gerhard – ein ehemaliger Mitarbeiter von Hannes – nur Kaffee trinken und in Ruhe tratschen und dabei im Hinterzimmer ein paar Mentholzigaretten rauchen. Zur Erklärung: Für die meisten sieht so ein gewöhnlicher Tag im Music Center aus. Heute wird es Gerhard ein letztes Mal als Gast 38

betreten, dafür bald in der Position des neuen Verkaufsleiters verlassen. Zufall oder Vorsehung? Das könne er auch nicht beantworten, „aber es war wirklich ein verdammtes Glück, dass ich da war!“ Zwei Jahre später schupft der 56-Jährige den Music Center Laden. Das Geschäft ist eine St. Pöltner Institution unter Bands und Teilzeitmusikern, verschüttet in der Familiensiedlung. Zumindest noch ein paar Monate. Dann wird das Music Center, seit Jänner des Jahres Teil der NXP-Familie, in ein neues Gebäude

neben dem VAZ St. Pölten einziehen. Fläche 550 Quadratmeter anstelle von bislang 220 mitsamt Stauraum. Lage neben der Autobahn und weg aus der Wagramer Vorstadt, wo manche Bewohner der anderen Straßenseite gar nicht ahnen, dass sie einen


TEXT: THOMAS WINKELMÜLLER, JOHANNES REICHL | FOTOS: BRANDSTETTER/ZVG, MATTHIAS KÖSTLER, HERMANN RAUSCHMAYR

ANNO DAZUMAL. Hannes Brandstetter (S. 38) gründete 1986 gemeinsam mit Toni Bruckner das Musikgeschäft Music Center, wo in der Anfangszeit auch noch Fernseh- und HiFi-Geräte verkauft werden. 1997 steigt Bernard Voak anstelle von Bruckner ein. Musikladen zum Nachbarn haben. Sogar eine eigene Website wird kommen. Manch einer meint, so viel Erneuerung hat das Musikgeschäft die vergangenen 30 Jahre nicht erlebt. Aber wo wurzeln überhaupt die Anfänge des Music Centers? Das St. Pölten-Problem St. Pölten, Ende 1986. Der gelernte Elektrotechniker Hannes Brandstetter repariert TV-Geräte und Radios. Hin und wieder verkauft er sogar ein paar. Nebenbei arbeitet er als Tontechniker bei den Jets, dieselbe St. Pöltner Band, in der Toni Bruckner E-Gitarre spielt. Beide sind damals um die 20 und beide verspüren ein Gefühl, das die meisten St. Pöltner nachempfinden können: In unserer Stadt fehlt irgendetwas. „Musikgeschäfte gab es schon in St. Pölten. Da waren der Strobl und der Radler“, erzählt Toni, „aber E-Gitarren und Keyboards für junge Bands, gemeinsam mit der richtigen Beratung und ein richtiger Treffpunkt für Musiker? Das hat es zu der Zeit einfach nicht gegeben und wir wollten es bieten.“ Die beiden ergänzen sich gut. Hannes beherrscht Technik und Buchhaltung von seinem eigenen kleinen Handel und Toni die Musikinstrumente. „Trotzdem waren wir blutige Anfänger und hatten es am Anfang schwer“, gibt Toni zu. Zuerst besichtigen sie Lokale in der Innenstadt – zum Beispiel ein paar Räume gegenüber dem Vino. Der Gedanke daran sei schön gewesen, am Ende

des Tages blieb alles nur leider weit außerhalb ihrer Preisklasse. Für das heutige Music Center nehmen sie einen Kredit auf, denn ihnen fehlt es an Eigenkapital. „Außerdem haben wir seit der Eröffnung im Dezember 86, außer Mundpropaganda, nie Werbung gemacht, bis heute nicht“, sagt Toni und klingt so, als würde er sich selbst wundern, wie das eigentlich funktionieren konnte. Ob sie jemals ans Zusperren gedacht hätten? „Nein, so schlimm war’s zum Glück nie“, sagt Hannes mit ruhiger Stimme. Wer ihn kennt, weiß über seine unaufgeregte Art Bescheid. Heute lässt er sonst meistens lieber Toni reden. Der Night-X-Press fährt ein Am Anfang verkaufen sie noch Fernseher und andere „Hi-Fi-Geräte“, wie Toni sie nennt, „aber für einen Musiker ist ein Musikgeschäft, wo auch anderes Zeug verkauft wird, mehr ein Tandler als sonst was. Deswegen sind wir bald ausschließlich auf Instrumente und Zubehör umgestiegen.“ Das war nicht die einzige Änderung im Sortiment. Rund ein Jahrzehnt nach der Gründung trifft Toni die Entscheidung das Music Center geschäftlich zu verlassen. Er und Hannes hätten einfach andere Vorstellungen über die Zukunft des Ladens gehabt und das sei damals die beste Lösung gewesen. Vor allem weil jemand bereit ist, Tonis Anteil zu übernehmen. Im September 1997 wird aus „Bruckner und Brandstetter“ näm-

lich „Voak und Brandstetter“. Bernard Voak, dem heute gemeinsam mit Bruder René die NXP-Gruppe gehört, kauft sich zur Hälfte in das Geschäft ein (siehe S. 42). „Ich weiß ja nicht, ob die Brüder Voak da heute noch so stolz drauf sind, aber die haben als Teenager in der Kommerz-Band ‚Night-X-Press‘ gespielt und waren unsere Kunden“, erinnert sich Toni mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht. Über die Initialen der Band sei übrigens auch der Name des Unternehmens NXP entstanden. In den kommenden Jahren vergrößert der neue Miteigentümer gemeinsam mit Hannes das Geschäft. Dort, wo heute Kasse und Keyboards sind, stand früher eine geschlossene BAWAG-Filiale leer. Sie wird gekauft, die Wände eingerissen und so die Verkaufsfläche des Music Centers verdoppelt. Der Weg in die Höhle Damit steigt auch die Arbeit. Hannes muss ein größeres Geschäft mit weniger Unterstützung führen. Von Montag bis Freitag kassiert und verkauft er, am Wochenende steht die Buchhaltung an. Lieferungen nimmt er meistens selbst entgegen, packt sie aus und bringt sie in seine eigene Ordnung. Stichwort Ordnung: Wer einmal im Music Center war, vergisst niemals dessen Erscheinungsbild. Manchmal sei nicht einfach zu unterscheiden gewesen, ob Inventur oder geöffnet war. Lager und Verkaufsfläche verschwammen und so bildete ein Wall aus Kisten den Gang MFG 09.19

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MFG KULTUR

BRANDSTETTER & FREUNDE

kauft, bis über den etwas schrägen Vogel, der das zwölfte Fender-Merchandise abholt, bevor im Hinterzimmer ein Packerl Zigaretten verraucht.

GERHARD SEMMLER. Gerhard schupft seit 2 Jahren als Verkaufsleiter das Music Center. in das hintere Abteil des Geschäftes – wie die Öffnung in eine gemütliche Höhle, in der friedfertige Musikmonster mit einer ausgewogenen Diät aus Kaffee und Tabak hausten. Auch wenn die Kisten mittlerweile weg sind und Gerhard nach einem Jahr Arbeit Ordnung in das kontrollierte Chaos bringen wird, diese „Höhle“ bleibt der Grund für viele wiederzukommen. Aus Hannes‘ Kunden werden Freunde. Einer, der sich noch an die Kisten erinnert, ist Benedikt Dengler. Das Mitglied des St. Pöltner Drum&BassDuos „Dossa & Locuzzed“ besucht zufällig heute das Geschäft. Als sein Alter noch im einstelligen Bereich war, kam er für Drumsticks, heute sucht er nach den passenden Kabeln fürs Studio. Mit dem Wort „legendary“ beschreibt er das Music Center. Seinerzeit habe er in einem Keller auf der anderen Seite der Straße begonnen aufzulegen. Er sei damals immer wieder „rüber gekracht“ und habe mit den neuen Synthesizern experimentiert. Allgemein erstreckt sich der Kundenkreis von der Mutter, die mit ihrem Kind das GitarrenanfängerHeft Fridolin für die Musikschule 40

Last Christmas Letzteren, also den Stammkunden von Hannes, zaubert das Wort „Weihnachtsfeier“ ein Lächeln ins Gesicht. Jedes Jahr feiert er mit ihnen gemeinsam im Music Center Heilig Abend. Zwischen Sammlerstücken im Wert von tausenden Euro und selbstgebranntem Obstschnaps eines Nachbarn verbringen sie die Nacht bis in die frühen Morgenstunden. Sie jausnen und reden über „die alten Zeiten“. „Da haben sie sich wirklich nicht lumpen lassen“, erzählt ein Besucher. Daran erinnert sich auch Hannes noch gerne zurück. Seit seinem Vorfall gibt es keine Weihnachtsfeier mehr. Kurz darauf setzen sich Bernard und Gerhard zusammen und besprechen, ob ein Weitermachen prinzipiell sinnvoll ist. Das Resümee – JA! Und so kommt auch Bruder René ins Spiel, denn das Music Center soll in die Firma NXP von Bernard und René eingegliedert werden. Außerdem ringen sich die Brüder zu einem „Relaunch“ der in die Jahre gekommenen Institution durch samt komplettem Neubau beim VAZ St. Pölten sowie künftig eigener Website, um dem Onlinemarkt etwas entgegenstellen zu können. Der ist schließ-

lich die einzige Konkurrenz. Im Umkreis gibt es keine Musikläden mehr. Das neue Gebäude soll, grob gesprochen, moderner werden. Finanziell kann sich ein frisches Flair durchaus rechnen. Die Autobahnabfahrt, das VAZ St. Pölten und ein paar Konzertlocations würden den einen oder anderen neuen Kunden anlocken, meint Gerhard. „Es darf aber auch nicht zu steril werden“, weiß er. Die Stammkunden kommen wegen der Kaffeehaus-Atmosphäre und der Gemütlichkeit. Sie lieben das alte Geschäft und manche wären bereits seltener zu Besuch, seit die Sitzgelegenheiten im Hinterzimmer dem dringend notwendigen Lagerraum weichen mussten. Gegen Ende des Jahres soll, wenn alles nach Plan läuft, der Umzug beginnen. Der rauchige Music CenterGeruch auf der neuen Gitarrentasche wird bald Geschichte sein, aber noch herrscht Betrieb im Geschäft in der Jörgerstraße Nummer 4. Jeden Samstag schaut Hannes drei Stunden vorbei und tratscht wie früher mit Kunden, die zu Freunden wurden – auch heute während des Interviews. Er schaut etwas besorgt und wirft nach langem Schweigen kurz ein: „Ich bin mir einfach nicht sicher, ob das neue Geschäft gehen wird.“ Darauf hin dreht sich Toni zu ihm, packt ihn behutsam an der Schulter und erwidert felsenfest: „Und ich sag dir Hannes, das wird funktionieren!“

KONTROLLIERTES CHAOS. Das in die Jahre gekommene Music Center begrüßt die Gäste mit ganz eigenem Charme und Patina. Praktisch seit Beginn kämpfte es mit Platzproblemen.


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MFG KULTUR M U S I C WA S M Y F I R S T LOV E Geplant war die Sache nicht, aber die Erkrankung von Hannes Brandstetter erforderte von Music Center Miteigentümer Bernard Voak rasches Handeln, wie es nun weitergehen soll. Alles stand am Tapet: weiterführen wie bisher, renovieren, neu bauen oder zusperren. Bernard Voak ist vielen, gemeinsam mit seinem Bruder René, vor allem als Firmeninhaber von NXP ein Begriff, dabei war er seit 1997 auch 50% Teilhaber des Music Centers in Wagram. Stand er zu Beginn noch selbst im Geschäft, verlangte die Betriebsübernahme des VAZ St. Pölten durch NXP zunehmend Präsenz in der Kelsengasse. Schon damals träumte er davon, die beiden Schienen einmal zusammenzuführen. Nun ist es soweit – das Music Center, St. Pöltens letztes Musikgeschäft, ist seit Jänner diesen Jahres Teil der NXP Familie und wird in der Kelsengasse beim VAZ neu gebaut.

Ja. Hannes hatte in Wagram alles aufgebaut, der Standort hatte sich bewährt, es gab damals keinen zwingenden Grund, etwas zu ändern – im Gegenteil erweiterten wir das Geschäft in Folge sogar um das Geschäftslokal der ehemaligen BAWAGFiliale. Hannes war einer, auf den konnte man sich immer verlassen, da war eine absolute Vertrauensbasis gegeben – und das ist in unserer Branche wahrlich keine Selbstverständlichkeit.

Sie sind, könnte man sagen, der bisher unsichtbare 50% Besitzer des Music Centers gewesen. Wie kam es zu den Banden zum Musikgeschäft?

Ja, René und ich stellten uns gemeinsam mit den Mitarbeitern die Frage: Wie machen wir jetzt weiter? Das Problem ist, dass das Gebäude in Wagram schon sehr sanierungsbedürftig ist, die Geschäfts- und Lagersituation suboptimal – da war die Frage, ob wir dort noch großartig viel Geld reinstecken sollen oder ob wir

Ich war vor meinem Einstieg eigentlich klassischer Kunde mit unserer Band Night-X-Press, in der meine Brüder René und Pierre spielten, und in der ich vor allem für alle technischen Belange zuständig war. Das Music Center hatte in der Anfangszeit ja auch noch HiFi und TV-Geräte, bevor es sich auf die Nische Musikinstrumente spezialisierte. Ich hab Hannes damals gut kennengelernt, habe als IT-Techniker etwa diverse elektronische und digitale Umsetzungen für ihn gemacht – von der Kassensoftware bis zur elektronischen Datenverarbeitung. Als 1997 sein Kompagnon aussteigen wollte, fragte er mich, ob ich nicht einsteigen möchte – da war ich 25 Jahre alt. Wir hatten schon sechs Jahre unseren Ton- und Lichtverleih aufgebaut, und ich dachte, dass das gut zu NXP passen könnte und hegte schon damals die Idee, die Firmen zusammenzuführen, auch räumlich.

Wobei es dann aber doch bei zwei verschiedenen Firmen und zwei verschiedenen Standorten geblieben ist.

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Seine Erkrankung riss dann im Vorjahr aber eine Lücke und warf die Frage nach der Zukunft des Music Centers auf.

das Geschäft nicht überhaupt gleich an einem gut frequentierten Platz komplett neu aufziehen. Und da kam meine alte Vision, das Music Center näher an NXP heranzuführen, die Synergien von Verleih und Verkauf zu verknüpfen, wieder ins Spiel.

Es heißt, dass auch Zusperren als Alternative im Raum stand? Ja, aber da steckt 30 Jahre Herzblut drin, tolle und kompetente Mitarbeiter – das sperrt man nicht einfach so zu. Zudem bin ich überzeugt, dass das Geschäft Potenzial hat. Unser Anspruch war ja immer Qualität – also Produkte und Marken zu bieten, die nicht beim zweiten Mal Spielen auseinanderfallen – und das hat jetzt gar nichts damit zu tun, dass es deshalb unbedingt teuer sein muss. Aber auch wenn wir Einsteigermodelle bieten, dann geht es darum, dass die Schüler eine Freude damit haben, dass ihnen die Musik Spaß macht. Das beginnt klarerweise beim Material, das war mir immer ein Anliegen.

NXP MUSIC CENTER. Bernard Voak (r.), schon bislang 50% Besitzer des Music Centers, hat das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder René (l.) heuer komplett in die NXP-Familie integretiert.


BRANDSTETTER & FREUNDE

Ich glaube schon, zumal wir ja – kann man aus unserer Sicht ja auch positiv betrachten – weit und breit das einzige Musikgeschäft in der Region sind. Und bei uns kannst du die Instrumente eben sehen, angreifen, ausprobieren, spüren. Und du hast eine gute Beratung – das kann das Internet schlicht nicht bieten! Natürlich besteht die Gefahr, dass man im Geschäft gustiert, sich beraten lässt und dann vielleicht online kauft – aber dem wollen wir mit einem Mehr an Know-how, Einfühlungsvermögen sowie einer persönlichen Beziehung zu unseren Kunden begegnen. Außerdem werden wir auch selbst unseren bereits für Ton, Licht und Multimedia bestehenden Online-Handel um das Musikgeschäft-Repertoire erweitern. Das passt gut zusammen.

Welcher Art werden die Synergien zum Ton- und Lichtverleih sein?

Es gab schon in Wagram oft die Frage „Habt ihr auch dieses oder jenes für meine Party, meine Feier etc.?“ – etwa Lautsprecher, Licht, Discokugeln, DJ-Equipment – und wir verwiesen dann auf NXP in der Kelsengasse. Nur, damit hast du die Leute verloren, weil die sind nicht ans andere Ende der Stadt getingelt, das war schlicht zu weit weg. Jetzt habe ich sie gleich vorort, ja direkt im Geschäft, und sie können sich auf das Know-how von Technikern und Mitarbeitern verlassen, die Tag für Tag mit den verschiedenen Geräten arbeiten und daher wirklich wissen, wovon sie reden und was wofür am geeignetsten ist – das kann kein anderer Anbieter erfüllen!

Manche alteingesessenen Music Center-Kunden hegen aber auch ein bisschen Angst, dass mit dem neuen Music Center der – nennen wir es einmal euphemistisch – shabby-Look des alten Standortes verloren geht. Ich verstehe die Nostalgie, auch eine gewisse Romantik für den alten

Standort – der aber, das kann man nicht wegreden, wirklich in die Jahre gekommen ist. Und klar: Neu ist neu. Das neue Music Center wird räumlich anders und größer sein als das alte, ich hoffe aber vor allem besser und kundenfreundlicher, wobei die Kontinuität durch das Personal und das Know-how unserer Mitarbeiter ja gegeben sein wird. Und wir werden uns sehr bemühen, dass sich die Besucher auch im neuen Music Center wohlfühlen, wo man sich auch wie bisher untereinander austauschen und fachsimpeln kann, vielleicht mit kleinen Rückzugsräumen – ganz klar! Wir denken auch an kleinere Veranstaltungen, exklusive Vorführungen mit Neuware und dergleichen. Mir ist jedenfalls ein großes Anliegen, einen größeren Verkaufsraum zu schaffen, wo wir möglichst viel Ware präsentieren können, zum Ausprobieren, zum Spüren, zum Fühlen, und dass wir auch viele Waren lagernd haben – dass man sein Teil also gleich mit Nachhause nehmen und zuhause loslegen kann.

NXP MUSIC CENTER NEU Das NXP Music Center ist das letzte umfassende Musikgeschäft im niederösterreichischen Zentralraum. Das neue Geschäft in der Kelsengasse wird eine Fläche von 550 Quadratmetern umfassen, die sich in einen ebenerdigen Geschäftsraum sowie eine Galerie gliedert. Im MC sind Marken wie K & M, Casio, Fender, dw, Toma, Sonor, Höfner, Klangwerk, Soundcraft etc. vertreten. Das Instrumentenangebot reicht von Gitarren, Streichinstrumenten und Flöten über Klaviere und Schlaginstrumente bis hin zu klassischem DJ-Equipment, Heimstudios/Software für Computermusik sowie Ton- und Lichtanlagen. Jegliches Zubehör von der Tasche bis zum Plektron gehört natürlich ebenso dazu wie Notenhefte. Mit dem Neubau beim VAZ wird im Herbst begonnen, eröffnet wird voraussichtlich Anfang 2020. Bis dahin hält das Geschäftslokal in der Wagramer Jörgerstraße 4 die Stellung!

KOLUMNE BEATE STEINER

PROBLEMLOS Ich mag Facebook. Das soziale Medium zeigt häppchenweise, wie die Leut’ so denken und denken lassen in unserer kleinen Welt der Möchtegern-Kulturhauptstadt. Jetzt verfärben sich einige grad ein bisserl leuchtend grün. Das ist in, das wird grad vorgedacht und vorgeschrieben – damit sie ohne zu denken nachreden und nachtun können. Zum Beispiel folienverschweißte Apferl ins Papiersackerl stecken – weil Plastiksackerl sind pfui und verboten. Oder sie plappern nach und posten eifrig, dass kein Baum gefällt, kein Blümchen geknickt werden darf. Zum Beispiel im Altoona-Park – ja, das ist die Grünfläche am Schulring, auf der zwei große Bäume wachsen, die keiner kannte und jetzt jeder retten will. Davor nämlich, dass ein Kulturprojekt für Kinder dort gebaut wird. Die Erregung ist groß und reicht von „Die letzte Grünfläche in der Innenstadt wird versiegelt“ bis zu „St. Pölten wird zur Betonwüste“. Fakten spielen in der Diskussion keine Rolle. Fakten wie: Es sind nur wenige Schritte vom Altoona-Park bis zum Hammerpark oder zur Traisen und zehn Minuten Gehzeit bis zum Sparkassenpark. Oder: St. Pölten ist eine Kleinstadt mit viel unversiegelter Fläche. Vernetztes Denken, womöglich aus verschiedenen Perspektiven, ist auch nicht drin bei den FB-Besserwissern, die ihre schwarz-weiße Welt plötzlich durch eine grüne Brille sehen. Wie sonst könnten sie mit dem benzinfressenden SUV bis zum schützenswerten Baum vorfahren und in flächenfressenden Einfamilienhäusern wohnen wollen? Und das problemlos – denn was ein Problem ist, gibt die Blase in Facebook vor.

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FOTO: M. SCHUPPICH/ADOBE STOCK

Aber ist ein Musikgeschäft überhaupt noch zeitgemäß – Stichwort Online-Handel. In St. Pölten ist das Music Center ja sozusagen der letzte Mohikaner, alle anderen haben zugesperrt.

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MFG KULTUR ALEXANDER KUCHAR

EINE MEERES-ODE In St. Pölten gilt er als das, was man gemeinhin als bunten Hund bezeichnet, auch wenn er persönlich gar nicht mehr so oft in der Stadt zu sehen ist. Doch fallweise gibt er sich kurz und prägnant die Ehre, wenn er wieder einmal österreichischen Landboden betritt: Alex Kuchar, Schauspieler, (Ex-)Kellner und seit drei Jahren „Meeresbewohner“.

E

in Mensch sitzt am Kai in Lissabon, betrachtet die Mündung des Hafens und beginnt zu träumen. Unausweichlich angezogen von der Weite des Horizonts und dem „Unbeständigen, Unbegreiflichen dieses unmöglichen Universums“ führt ihn sein Traum hin zu den entferntesten Küsten seiner Sehnsucht. So sieht das Setting des Stücks „Meeres-Ode“ des portugiesischen Dichters Fernando Pessoa aus, das vor einem Jahr im Werk X in Wien gegeben wurde: ein unglaublich poetisches und rätselhaftes Werk, das in seiner Vielschichtigkeit mehrere Deutungen 44

„Ach wie dem auch sei, wohin auch immer, nur fort!“ FERNANDO PESSOA

zulässt. Unter den Darstellern: der sich damals soeben auf „Landurlaub“ befindende Alexander Kuchar, in St. Pölten als Schauspieler, Kellner und umtriebiger wie unüberseh- und -hörbarer Stadtbenützer bekannt. Seine Stimme, wohltönend und kräftig, hat jeder im Ohr, der auch nur einmal bei ihm einen Kaffee im Café Schubert bestellt oder ihn bei einem seiner zahl-

reichen Auftritte im Rahmen der Theatergruppe Perpetuum erlebt hat. Wo Kuchar war, war Bühne – nicht zufällig gingen manche damals nicht „ins Kaffeehaus“, sondern „zum Alex“. Mit Glück war „der Alex“ abends dann auch in Monolog-Laune (improvisiert, versteht sich) – und das zum Preis eines kleinen Espresso. Doch so wie den Protagonisten aus Pessoas Stück zog es auch Kuchar vor etwa drei Jahren zu den Ozeanen, wo er derzeit als Schiffsschauspieler auf einem Kreuzfahrtschiff tätig ist. Heute ist er allerdings auf Land- beziehungsweise Heimaturlaub, was es


TEXT: THOMAS FRÖHLICH | FOTOS: KONSTANTIN MIKULITSCH, EMMA VANEECLOO

mir ermöglicht, ihn im Café Emmi auf ein Gespräch zu treffen. Was sich als gar nicht so einfach herausstellt, will ihn doch halb St. Pölten begrüßen – man weiß ja nicht, wann er wiederkehrt. Zudem dürfte er am Vorabend schon ein wenig mit seinen Perpetuum-Kollegen gefeiert haben – Sozialkontakte wollen ja gepflegt werden, vor allem, wenn sie so rar gesät sind. Und da darf und muss auch etwas Party dabei sein, Nachwirkungen inklusive. „Ich bin ja ein Wirkungstrinker!“, meint Kuchar und grinst sich eins. „Ich trink ja ganz selten was. Und jetzt bin ich nur drei Tage da ...“ Alles klar: Wenn schon, denn schon. Ein rettender Kaffee macht‘s soeben wieder gut. Wie es ihm, dem Wahl-St. Pöltner, auf hoher See gefällt? „Super! Herrliches Leben!“ Er schwärmt. Vor jeder Saison gebe es zwar eine harte Probezeit in Berlin, danach werde auf dem Schiff weitergeprobt – de facto sieben Stücke in sieben Wochen. „Die neue SchauspielCrew löst die alte ab.“ Und dann beginnen die Vorstellungen: „Das ist dann ganz gemütlich, vor allem, wenn das Team passt.“ Und derzeit sei die Zusammenarbeit überhaupt hervorragend. Ein paar Zahlen am Rande: Die Schiffscrew in ihrer Gesamtheit allein umfasst 1.100 Menschen. Dazu kommen, wenn ausgebucht, 3.300 Passagiere. Das Theater verfügt über ein Fassungsvermögen von 1.000 Besuchern, die kleinere Schaubühne von 200. „Und die Auslastung beträgt üblicherweise 98 Prozent.“ Kein schlechter Schnitt – einer, von dem andere Theater mitunter nur träumen können. Kuchars Repertoire ist vielseitig. „Ich spiele alles: vom Krimidinner über Komödie bis hin zum Improtheater. Ein schönes Potpourri!“ Nicht unbedingt Shakespeare, „aber gute Stücke wie ‚Der Kontrabass‘ von Patrick Süskind sind schon dabei.“ Und auch wenn das Publikum manchmal anfänglich kühl erscheine – beim schallenden Applaus am Ende wisse man, dass man es richtig gemacht hat.

Das klingt jetzt wie ein G‘schicht‘l, aber es ist wahr. ALEXANDER KUCHAR

„Bei einem Krimidinner etwa dachten wir einmal schon, die hassen uns. Haben bei keiner Pointe gelacht – da kam gar nichts. Wir haben uns dann auch nichts mehr angetan und wollten einfach zum Ende kommen. Zum Schluss waren die aber restlos begeistert und wollten uns gar nicht mehr weglassen!“ Derlei müsse man eben zur Kenntnis nehmen. Er ergänzt: „Ich bin da auch immer auf demselben Schiff, ‚Mein Schiff‘ von TUI, – und ich komm‘ sehr gut trainiert vom Schiff runter.“ Und endlich sei er weg von der Gastronomie: „Ich kann jetzt von der Schauspielerei leben. Und ich seh‘ die ganze Welt dabei.“ Bis dahin war es aber ein mitunter steiniger Weg 1970 in Wien geboren, „wollte ich eigentlich schon immer Schauspieler werden. Mit vierzehn habe ich ‚Richard III.‘ mit Gert Voss im Burgtheater gesehen. Als ich rausging, wusste ich: das ist es.“ Seine Ausbildung erhielt Kuchar unter anderem bei dem beliebten Volksschauspieler Kurt Sobotka. Vor etwa achtzehn Jahren zog er nach St. Pölten, wo er nebst TV-Auftritten, etwa bei „Soko Donau“ oder „Mundl 2“, und einigen Kurzfilmen und Werbeclips seinen wohlige Gänsehaut erzeugenden Bariton bei der Theatergruppe Perpetuum erklingen ließ und die von ihm gespielten Charaktere mit einer beinahe beängstigenden Intensität auf die Bühne brachte. Und auch bei Lesungen, etwa mit Texten von Franz Kafka im Vinzenz Pauli, wusste er zu begeistern. „In St. Pölten ist mir von Anfang an sehr viel Liebe und Zuneigung entgegengebracht worden“, verrät Kuchar. Und dennoch gestaltete sich sein Lebensweg als mitunter etwas verschlungen. „Als Stier im Sternzeichen hab‘ ich eine gewisse Erdung“, sinniert er

beim zweiten Kaffee. Eine inzwischen beendete Lebensgemeinschaft, „die zwei wunderbare Töchter hervorbrachte“, ließ ihn etwas vorsichtiger agieren und nicht den Verlockungen eines künstlerischen Bohème-Lebens erliegen, „bei dem man nie weiß, ob man sich selbst, geschweige denn eine Familie ernähren kann.“ Daher auch seine Tätigkeiten in der Gastronomie, bei der er es aber schaffte, das Kellnern gleichsam zur Kunstform zu erheben. Doch eine innere Zerrissenheit war schon auch merkbar: „Ich musste halt das Leben bedienen – es ging ja nicht nur um mich.“ Doch inzwischen habe sich seine Situation geändert und es gebe auch keine Alimente mehr zu zahlen. Und so ließ sich Kuchar „von einem Stammgast im Schubert, der im Kunstmanagement tätig ist, fürs Schiff engagieren. Und ich hab‘s nicht bereut!“ Obwohl ihm Österreich schon abgehe: „Die kleinen Gassln, die Grätzln, die Freundschaften.“ Und er ergänzt: „Ich mag meine Heimat.“ Und das sei ein Begriff, den er sich nicht von den Falschen wegnehmen zu lassen gedenke. Heimatparteien braucht er keine. „Und mein austriakisches Idiom, bei Bedarf mein Wienerisch, kommt übrigens im Ausland sehr gut an.“

KUCHAR WILL MEER. Ein anfangs steiniger Weg kann auch übers Wasser führen. MFG 09.19

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MFG KULTUR

EINE MEERES-ODE

KOLUMNE ROUL STARKA

NACHHALTIG

FOTO: BABSI_W/ADOBE STOCK

Wenn man in St. Pölten wohnt, hat man genug Baustellen, um sich aufzuregen. Es ist zu heiß und zu kalt, man braucht ja Schlagzeilen, gleichzeitig stehen schon wieder die Lebkuchen in den Regalen. Kaum ist das Frequency vorbei, kommt auch schon Weihnachten. Praktisch. Greta segelt mit einem günstigen, fünf Millionen Euro teuren Boot nach New York, und alle Parteien, die wir am 29. September wählen können, sind die bravsten der bravsten. Ich glaub, der liebe Gott hat eine Freude mit uns. Eigentlich eh alles super, menschlich, bissl Plastik, bissl Trüffel, Kardinalschnitte zum Kaffee, „ah ja, so einen Pariser Spitz geben Sie mir auch noch…“ … und die Vorstadtweiber. Ich liebe mein Land, mein St. Pölten. Ich lebe mitten im Paradies und ich mein das ernst. Wäre da nicht dieses eine Wort: nachhaltig. Es war eine Unterwassergeburt zwischen Räucherstäbchen und Klangschalen, irgendwo im siebten Wiener Bezirk. Dieses Wort, es macht mich wahnsinnig. Es kommt öfters als die Werbung auf RTL II, es ist lästig wie eine Fliege im verschwitzten Sommer beim guten Bratlfettnheurigen. Dieses „nachhaltig“ wird, laut ausgesprochen, immer begleitet von betroffenen Mundwinkeln, gequält verantwortungsvollem Stirnrunzeln, der Blick dabei in Richtung „Zukunft“, der Schwester von „nachhaltig“. Im geschriebenen Text klopft es wie ein Rohrstock auf unschuldige Finger, grauenvoll. Bitte, tun wir es wieder weg dieses komische Wort. Stattdessen: Geröstete Knödel mit Ei für dich und mich, Salat, streicheln und umarmen, lieb sein und liebhaben, genügt.

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Als Stier im Sternzeichen hab‘ ich eine gewisse Erdung. ALEXANDER KUCHAR

Zukunftspläne? „Mein aktueller Vertrag umfasst ein halbes Jahr von jetzt an.“ Danach sei ein kleines Päuschen geplant. „Ich treffe ja viele interessante Menschen auf dem Schiff, auch viele Künstler, die sich halt nicht so gut selbst vermarkten.“ Schiffsschauspieler hätten ja in der Szene nicht unbedingt DEN guten Ruf. „Doch lernt man, sehr schnell sehr effizient zu arbeiten.“ Und diese Erfahrung nimmt ihm keiner weg. Glück auf hoher See wurde Kuchar übrigens schon zweifach prophezeit: „Das klingt jetzt nach einem G‘schichtl, aber es ist wahr.“ Seine Stimme nimmt einen beinahe verschwörerischen Unterton an: „In Wien hab‘ ich vor Jahren im Certo gearbeitet. Da kam dreimal ein Gast rein: schwarzer Mantel, schwarzer Hut, vernarbtes Gesicht, Gehstock. Beim dritten Mal hab‘ ich ihn be-

dient. Er meinte mit sonorer Stimme: ‚Du musst aufs Meer, um glücklich zu sein.‘ Und einige Zeit danach sagte mir eine wildfremde Frau auf der Straße das Gleiche.“ Er lacht. „Und Jahre später steh‘ ich dann an der Reling, schau‘ aufs Meer und denk mir, ‚Glück – was ist das?‘“ Vielleicht das zu tun, wozu man sich berufen fühlt? Apropos Berufung: Einen Traum möchte sich der Weltenbummler auf jeden Fall noch erfüllen: „Ibsens ‚Peer Gynt‘ spielen!“ Was eigentlich niemanden wundern sollte. Geht es doch im gleichnamigen Stück um einen Getriebenen, der die Welt kennen lernt und doch starke Heimatgefühle empfindet. Eine Rolle, für die sich Kuchar ja drei Jahre lang intensiv vorbereitet hat: mit Salzwasser, Herzblut und der Lizenz zu reisen.


SPIONAGE. 39 FÄLLE. „Bond … James Bond.“ Keine Frage, der britische Agent mit der Lizenz zum Töten ist wohl der berühmteste Agent … Freilich nur ein fiktiver. Schon ganz anders schaut es mit jenen 39 Fällen aus, die das Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich im Rahmen seiner Sonderausstellung „Spionage. 39 Fälle“ präsentiert. Diese sind nämlich alle aus dem Leben gegriffen, wenngleich teils nicht minder spektakulär wie die HollywoodFantasien, von Oberst Redl über Mata Hari bis Edward Snowden, um nur einige zu nennen. Und angesichts der drei Beispiele lässt sich auch schon ganz gut – inszeniert in eine geheimnisvoll-verwinkelte Ausstellungsarchitektur – das große Feld des Spionage-Themas und seine damit einhergehenden moralischen und philosophischen Fragen umspannen: In welchen Fällen sprechen FALL 28

wir von gerechtfertigten Geheimnissen? Wann ist deren Weitergabe bzw. Beschaffung Verrat und in welchen Fällen hingegen ein Akt von Heldentum? Was darf der Staat bespitzeln – und wem nützt das Beschaffen von Informationen, welchem Zweck dienen sie? Dem Schutz der Bevölkerung oder gar ihrer Bevormundung bis Unterdrückung?

Von Originalen und der Spionage Akademie All diesen Themenkreisen geht die Ausstellung – die FALL 17 auch zahlreiche besondere Originalstücke wie etwa eine Enigma Dechiffriermaschine, eine Brosche Mata Haris, die

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MFG KULTUR

EINZIGARTIG & SEXY

EARL OKIN Dicke Brille, Frack und Gamaschen, feiner Bossa Nova Sound, geschmeidiger Jazz und ein gehörig Quäntchen Humor. Der legendäre Musik-Comedian Earl Okin braucht nur sich, die Gitarre und ab und an ein Klavier, um einenmusikalischen Abend zu gestalten,der sich in Herz, Bauch und Hirn hineinlaviert. Am 6. November kommt er ins VAZ St. Pölten.

S

pätestens wenn Earl Okin seidenweich und mit dem wahnwitzigen Ausdruck eines verschrobenen Sonderlings, heutzutage Nerd genannt, ins Mikrofon haucht: „come and taste my juicy mango“, ist es geschehen. Earl hat sein Publikum im Sack seiner antiquierten Frackhose. Geboren 1947 in London, tingelt der „very britishe“ Musik-Comedian schon seit über 50 Jahren durch die Clubs und Konzertsäle der Welt. Er trat als Special Guest während einer ganzen Paul McCartney-Tournee auf und als Vorprogramm von Van Morrison, nahm neben den Beatles CDs in den legendären Abbey Road Studios in London auf. Die Beatles sind Geschichte, Earl ist noch immer da. Und er singt von der großen Liebe, die entweder für immer hält oder erst gar nicht gefunden wird. Earl scheint aus der Zeit gefallen und ist doch immer aktuell. Seine Wegbegleiter sagen über ihn: „He is what he is“ und „jokes are friends of him“. Kompromisse gehen andere ein, er nicht. Wie sagt Earl über sich gerne: „Better the 48

first Earl Okin than the second Paul Mc Cartney.” Earl Okin ist eine Legende, spielte vor der Königin von England und dem Schwedischen Königshaus. Beim Festival „Just for laughs“ in Montreal zeigte das „Musikgenie und Sexsymbol“, welch perfekte Mischung britische Comedy, Bossa Nova und Jazz ergeben können. Earl ist ein Erlebnis, sowohl für die Lachmuskulatur als auch für feinsinniges musikalisches

COME AND TASTE MY JUICY ALMDUDLER. Earl Okin liebt Almdudler und Schnitzel.

Gehör. Und übrigens, Earl Okin liebt Almdudler und ist großer ÖsterreichFan in Sachen Essen: Schnitzel und Apfelstrudel – was immer das auch zu bedeuten hat. Wir vom MFG haben Earl zum Kurzinterview gebeten. Sie haben Ihren Cousin im Film „Who is Earl Okin?“ gefragt, wie er Sie mit einem Wort beschreibt. Was wäre Ihre Antwort? Ich habe keine Ahnung. Leider habe ich nicht das Geschenk bekommen, mich so zu sehen, wie mich andere sehen. Kein Zweifel – die Leute, die mich kennen, werden mich auf verschiedene Arten sehen. Aber ich würde sagen „einzigartig“. Wie lebt es sich seit vielen Jahren als musikalisches Genie und „Sex Symbol“? Ich weiß es nicht. Das ist nur der Name einer meiner vergangenen Shows am Edinburgh Festival, einer SONY CD und eine Phrase, die sie für mich verwenden, wenn ich in einem Comedy Club auftrete.


TEXT: ANDREAS REICHEBNER | FOTOS: SPATS MUSIC, ANDY DOBERSBERGER, JÜRGEN ROTTENSTEINER

Ein Artikel hat Sie einmal als „unluckiest man in pop“ bezeichnet, kann man mit dieser Bezeichnung leben? Ich war sehr genervt von dieser Bezeichnung – also negativ. Außerdem mache ich viel mehr als Pop – Jazz, Bossa Nova … ich habe sogar eine Symphonie geschrieben. Ich bevorzuge es von mir als „einen Schritt vor dem weltweiten Durchbruch“ zu denken. Sie tragen schon seit Jahrzehnten Maßanzüge und Gamaschen, nie Lust auf Jeans oder casual wear gehabt? Meine ersten Helden waren Caruso, Puccini etc. Sie haben alle Gamaschen getragen. Später waren meine Helden Leute wie Duke Ellington, Fred Astaire, etc. Vor dem Zweiten Weltkrieg haben auch sie Gamaschen getragen. Ich mag diesen Look. Und Jeans? Nein, als ich ungefähr sieben war, hat mir meine Mutter ein Paar Jeans gekauft. Ich habe sie angesehen und wollte sie nicht anziehen. Ich habe zu meiner Mutter gesagt: „Ich bin kein Klempner.“ Was halten Sie vom Brexit? Komplettes Desaster ohne positive Effekte. Britischer Humor im Zeichen der politischen Korrektheit, wie passt das? Der „Neue Humor” von 1980 lehnt rassische und sexuelle Stereotype richtigerweise ab. Aber in letzter Zeit ist politische Korrektheit aus dem Ruder gelaufen. Wir brauchen keine„Comedy Police“. Der berühmte Songwriter Ralph Mc Tell hat einmal sinngemäß gesagt, „Jahrelang das Gleiche zu machen, wäre für ihn nichts“. Denken Sie, dass sie wirklich

jahrelang das gleiche Programm gemacht haben? Meine Show beinhaltet Lieder, die mein Publikum vermissen würde, wenn ich sie nicht spielte, und andere, die ich vermissen würde, wenn ich sie nicht spielte. Der Rest der Show besteht aus neuen Songs von mir oder Klassikern, die ich gerade erst gelernt habe. Das heißt, meine Show entwickelt sich über die Jahre, aber ich mache keine „neue Show“. Das tut auch Ralph nicht, apropos. Warum, denken Sie, haben Sie den großen Durchbruch trotz ihres Witzes und musikalischen Vermögens nie nach ganz oben geschafft? Ich passe nicht in Schubladen und heutzutage wird das Musikbusiness vor allem von Leuten geleitet, die nur Schubladen verstehen. Ich bin nicht unter 25, ich habe keine Band, ich mache mehr als nur eine Sache. Die mögen Vielseitigkeit nicht. Sie wollen, dass du nur eine Sache machst. Vor allem bin ich nicht wie alle anderen. Das verunsichert Entscheidungsträger. Noch nie die wirkliche Liebe des Lebens kennengelernt? NEIN. Wie schafft man es so lange ohne Kompromisse, wie einer Ihrer Wegbegleiter erzählt hat, im Showgeschäft zu überleben? Du überlebst, solange die Leute dich buchen. So einfach ist das. Wenn du deine eigenen Stärken und Schwächen kennst, gehst du keine Kompromisse ein. Allerdings – die Person, die das gesagt hat, ist Boris Johnson‘s Onkel, das erklärt einiges. Gleiche Posen, gleiche Jokes – Doppeldeutigkeiten hinsichtlich des gespielten „Sexappeals“, wie sexy ist Earl Okin?

TANDEM. Mario Rossori bringt Earl Okin in Österreich unters Volk.

Für mich ist der Comedy Teil der unwichtigste. So wie ein Stück Käse bei einer Weinverkostung. Es frischt nur die Palette auf. In meiner Show ist die Musik der Wein. Die Sache mit dem „Earl is sexy“ ist nur für die Comedy Clubs. Berühmt und doch weitgehend unbekannt, wie lebt es sich damit – auch beim selbstständigen Verkauf der eigenen CDs? – während viele Wegbegleiter weltbekannt sind … Frustrierend! Natürlich! (lächelt) Offensichtlich, bin ich sehr verbittert! Das Tingeln durch die Welt, Konzerte überall, die vielen Hotelzimmer, wie lange wollen Sie das noch machen? Kommt der Autumn Wind (aus einer Textzeile eines Okin-Songs, Anm.) nicht irgendwann? Solange es meiner Gesundheit gut geht und die Leute mich buchen. Ausgenommen, der BREXIT ruiniert nicht alles. Legendär sind Ihre „Vocal trumpet solos“ – welchen Stellenwert haben diese in Ihrer Kunst? Nur eine weitere Zutat meiner Show.

Ich passe nicht in Schubladen und heutzutage wird das Musikbusiness vor allem von Leuten geleitet, die nur Schubladen verstehen. EARL OKIN

MFG 09.19

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MFG KULTUR

EINZIGARTIG UND SEXY – EARL OKIN!

BREXIT. Komplettes Desaster ohne positive Effekte. EARL OKIN

Wenn du eine One-Man-Show bist, musst du Vielfalt bieten, um das Publikum zu unterhalten. Meine„Vocal trumpet solos“ sind eine weitere „Überraschung“. Für mich persönlich geht es nicht nur um den Sound im Generellen, sondern um die Qualität der Jazz Solos.

tatsächlich eines der erfolgreichsten Lieder aller Zeiten.

Bossa Nova und Earl Okin sind wie geschaffen füreinander, was bedeutet Bossa Nova für Sie? Jede Art von Musik, die ich liebe, beinhaltet interessante Akkordfolgen. Und schöne Melodien – von der großen Oper zu „The great American Songbook“ etc. Bossa Nova ist eines dieser Musik-Genres, ich liebe es. Wie auch immer, du musst dir viel von Joao Gilberto and Tom Jobin anhören und dein Bestes geben, es authentisch darzubieten.

Wie verletzlich ist Earl Okin? Ich glaube, dass 99% der Leute auf irgendeine Art und Weise verletzlich sind.

Lieber Kult-Figur als berühmt? Bossa Nova ist sehr berühmt. „Garota de Ipanema“, zum Beispiel, ist

Wie ist Earl Okin abseits von Kameras und Scheinwerfern? Ziemlich gleich. Natürlich übertreibt man auf der Bühne. Aber mit mir kriegst du, was du siehst.

Witz als Möglichkeit des dahinter Verbergens? Nein. Nicht in meinem Fall. Ich mag es einfach albern zu sein. Wie albern der Jazz-Comedian Earl Okin sein kann, und welche musikalische Genialität ihn umkreist, davon kann man sich beim Konzert im VAZ St. Pölten am Mittwoch, 6. November 2019 um 19:30 Uhr, ein schönes Bild machen.

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MFG ADVERTORIAL

FOTO: ALICE BLANGERO

ES GEHT WIEDER LOS! Und, sind Sie auch schon „ausgehungert“ nach Kunst und Kultur nach einem langen Sommer und freuen sich wieder auf unsere Veranstaltungen?

das Friedrich Schiller – vielfach als Meister der Tragödie punziert – auch als großen Komödiendichter zeigt. Am 28. November sind wir zu Gast in der NÖ Landesbibliothek, die heuer einen ganz besonderen Ausstellungsschwerpunkt setzt: Unter dem Titel „Aonogahara“ spürt man auf bewegende Weise österreichischen Kriegsgefangenen in Japan nach. Frauenpower wird dann am 6. Dezember in der Bühne im Hof großgeschrieben. Wenn Ulrike Beimpold, Petra Morzé und Angelika Hager sowie selbstredend deren Alter Ego Polly Adler zu „Polly Adlers Xmas-Special“ laden, dann erwartet den Besucher, wie es der Pressetext witzig formuliert, „weihnachtlich-seelisches Frostschutzmittel mit Lachkrampf Garantie“!

Die Freunde der Kultur wohnen am 6. Oktober „Cinderella“ des Les Ballets de Monte-Carlo bei. Mir geht es definitiv so, und deshalb freut es mich, dass wir ab September nicht nur ein hochkarätiges, sondern insbesondere ein dermaßen dichtes Programm wie selten zuvor anbieten können.

Hans Morgenstern, im Gespräch mit Reinhard Linke und der Leiterin des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs, Martha Keil, im Haus der Geschichte des Museum Niederösterreich seine wechselvolle Biographie erzählen.

Den Beginn machen wir diesmal im NOEDOK, dem im Stadtmuseum St. Pölten situierten Niederösterreichischen Dokumentationszentrum für Moderne Kunst, wo wir am 6. September zur Preview der Ausstellung „Schöne Neue Welt“ einladen.

Am 6. Oktober werden wir dann gemeinsam mit dem Festspielhaus ins Eröffnungswochenende starten. Les Ballets de Monte-Carlo wird zur Musik von Sergej Prokofiew seine Interpretation von „Cinderella“ darbieten.

Am 14. September – bitte alle Eltern, Omas, Opas, Onkeln, Tanten rot anstreichen – dürfen wir gemeinsam mit unseren Kindern einer Probe im Landestheater Niederösterreich beiwohnen. Das Ensemble des Theaters probt Ottfried Preußlers „Die dumme Augustine“. Ein spannender Blick hinter die Kulissen.

Eine kleine Reise zurück in die Zeit, als die Grand Dame des Österreichischen Kabaretts Cissy Kraner das Genre nach 1945 neu mit aufbaute, erleben wir im Rahmen von „Alles für’n Hugo“ am 12. Oktober. Katharina Strasser schlüpft in die Rolle der berühmten Dieseuse und Kabarettistin, musikalisch wird sie von Boris Fiala und der Familie Lässig begleitet.

Im Zuge der Reihe „Erzählte Geschichte“ wird am 24. September St. Pöltens letzter Jude,

Am 21. November wohnen wir im Landestheater Niederösterreich „Der Parasit“ bei,

MITGLIED WERDEN und die zahlreichen Vereinsvorteile (Exklusivveranstaltungen, Previews, Künstlertreffen, Exkursionen, Ermäßigungen uvm.) genießen. Anmeldung und Infos unter T +43 2742 90 80 90-941, F +43 2742 90 80 94, freunde@kultur-stp.at

Mit Jazz vom Feinsten swingen wir uns am 13. Dezember Richtung Weihnachtsfest. Eine der größten Stimmen des Genres, Kurt Elling, bestreitet ein wunderschönes Weihnachtskonzert! Nach allen Veranstaltungen laden wir wieder zu einem gemeinsamen Empfang, im Zuge dessen uns vielfach die Protagonisten und Künstler besuchen werden. Und weil wir natürlich auch wieder ein bisschen die Welt erkunden möchten, bieten wir im Herbst gleich zwei Reisen an: Zum einen führt uns unsere große Herbstreise von 12. bis 20. Oktober nach Verona, Mailand, Turin sowie die Oberitalienischen Seen. Zum anderen begleiten wir das Ensemble des Landestheaters von 4. bis 6. November zum Euro-Scene Leipzig Festival, wo es sein umjubeltes Stück „Am Königsweg“ aufführt! Es erwartet uns also wieder spannendes Programm in und mit unseren Kulturinstitutionen! Ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen, Ihr

Lothar Fiedler

(Präsident Freunde der Kultur St. Pölten)

INFORMATIONEN

www.freundederkultur-stp.at, Tel.: 0 2742 90 80 90-941

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SHORTCUT SZENE

FOTOS: FUSSSERGEI/GEORGERUDY/DEEDRA (ALLE ADOBE STOCK)

KOLUMNE THOMAS WINKELMÜLLER

WHERE WERE YOU? Vermutlich waren Sie an diesem Montag im Bett. Der Ort, an dem sich Menschen zwei Stunden nach Mitternacht für gewöhnlich aufhalten, wenn sie nicht an akuter Insomnie leiden. Vier Menschen aber waren in Wagram unterwegs. Sie zündeten in dieser Nacht die FPÖ-Landesgeschäftsstelle an und machten der FPÖ Platz frei für die Opferrolle und viel Spekulation über Täter und Auftraggeber. Spätestens seit Ibiza darf eine Prise Verschwörungstheorie in FPÖ-Geschichten ja nicht fehlen. Am 12. August war die FPÖ wirklich Opfer, aber die Rolle gefällt einfach einen Deut zu gut. Trotzdem muss aufgeklärt werden, wer hinter dem hauseigenen 9/11 steckt. Laut Videoaufnahmen sollen es vier junge Männer gewesen sein. „Warscheindlich Studenten die zum Lernen zu Blöd sind ,aber zum Flaschen werfen haben sie noch genug Hirn ,!!!! Armes Studenten Volk !!!“, vermutet jemand unter einem Facebook-Post der FPÖ St. Pölten. Doch so ganz stimmt das nicht. Einer der Täter war tatsächlich selbst zum Flaschen werfen zu blöd. Traut man den Videoaufnahmen der Freiheitlichen, steckte sich einer der Attentäter während der Geschehnisse selbst in Brand. So ungeschickt können eigentlich wirklich nur Studenten sein. Mittlerweile steht ein anderes Täterprofil im Raum. FPÖ-Landesparteichef Udo Landbauer erklärte, dass es sich laut Medienberichten „um einen subsidiär Schutzberechtigten handelt“. Bestätigt ist das noch nicht. Wo sich die FPÖ jedenfalls jetzt schon sicher ist, ganz gleich ob Student oder Ausländer: Mit einem Innenminister Herbert Kickl wäre das nie passiert!

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WORKSHOP-FESTIVAL

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er Begriff „Festival“ ist gerade en vogue in der Stadt – aber, meine Lieben, zurecht! Denn auch der Jugendklub, seit Jahren herbstlicher Kreativorkan im Festspielhaus, definiert sich neuerdings als „WorkshopFestival“! Alle kreativen Köpfe zwischen ca. 15 bis 25 Jahren können gegen den wohlfeilen Obulus von 15 Euro wieder drei

Tage lang (1. bis 3. November) ihrer kreativen Ader – unter professioneller Anleitung – freien Lauf lassen, Abschlussveranstaltung inklusive! Das Angebot ist wie eh und je breit gefächert und reicht vom Breakdance und Dancehall über Fotografie und Storytelling bis hin zu Parkour, Poetry Slam & Co. Anmeldung unter jugendklub@ festspielhaus.at!

K ELLERK INDER

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ollten Sie in Zukunft untertags (oder vielleicht auch nächtens) aus dem Keller der Minimall in der Wiener Straße seltsame Geräusche vernehmen (Jubel, Schreckensschreie, satanisches Gelächter, geisterhaftes Stöhnen), sollte Sie das nicht ängstigen. Handelt es sich doch um den ersten St. Pöltner SpieleDungeon, der vom Board-Game-Laden JuPet angeboten wird. Wer also Anleitungen für „Call of Cthulhu“, „Villen des Wahnsinns“ oder – demnächst – auch Sherlock-Holmes-Brettspiele benötigt (oder einfach mit Betreiber Julian Diendorfer gegen ein paar Untote ermitteln und kämpfen möchte), der respektive die ist in der Wiener Straße 29 bestens aufgehoben. Seit ein paar

Monaten ist die Minimall der kleinste Supermarkt St. Pöltens, ja dortselbst anwesend: Zentraler geht’s kaum und Interessenten dürfen sich auf nervenzerfetzende Stunden in anheimelnder, obgleich noch etwas improvisierter Atmosphäre in den Minikatakomben der Innenstadt freuen.



MFG SZENE INTERVIEW PAROV STELAR

ICH STEHE NICHT MIT ZYLINDER UND HOSENTRÄGERN IM WOHNZIMMER UND TANZE Marcus Füreder ist unter seinem Pseudonym Parov Stelar seit Jahren einer der international erfolgreichsten österreichischen Künstler und Produzenten. Er gilt als Erfinder des „Electro Swing“ und ist mit seiner Band, der Parov Stelar Band, ein international gefragter Live-Act. Am 25. Oktober kommt er erstmals aufs Beatpatrol Festival. Grund genug, mit dem gebürtigen Linzer ein Gespräch zu führen.

Deine ersten Platten waren primär Technoscheiben, manche mit ein paar House-Einflüssen. Viel vom heutigen „Swing“ hört man darin noch nicht. Woher kam dann die Idee, bei deinen Veröffentlichungen als „Parov Stelar“ Jazz und ähnliche Musikrichtungen eine so tragende Rolle spielen zu lassen? Woher kam der Stilbruch? Ich habe versucht, die doch recht sterile Elektromusik mit etwas Organischem zu verbinden, es ist ein Hybrid aus elektronischer Tanzmusik und Versatzstücken aus allen möglichen Genres, nicht nur Swing, auch wenn der Swing sehr erfolgreich war. Im Endeffekt ist meine Musik aber eine Beschreibung dessen, wofür ich selbst nicht die Worte finde. Neben deiner Musik per se ist die Entscheidung, eine Live-Band einzusetzen, sicher auch ein Grund für deinen Erfolg. Könntest du dir zukünftige Shows ohne überhaupt noch vorstellen? Nein, denn es macht mir Spaß eine Gang zu haben und gemeinsam die Welt unsicher zu machen. Ich habe

gleitet und es kommt für jeden irgendwann der Zeitpunkt zu sagen, ich will neue Wege gehen, ich will mich verändern. Ich verstehe sie und wünsche ihr nur das Beste für ihre Zukunft. Wir haben aus vielen Sängerinnen, die uns vorgeschlagen wurden, ein paar eingeladen. Als Elena auf der Bühne stand, wusste ich nach wenigen Minuten, dass wir eine neue Sängerin gefunden haben. Wir hatten alle Gänsehaut und die Chemie stimmte sofort.

auch erkannt, dass es bei einer LiveShow mindestens zu 50 Prozent ums Schauen geht. Wenn Leute auf der Bühne schwitzen, entsteht eine ganz andere Verbindung zum Publikum, als wenn ich als DJ alleine da oben stehe. Ich liebe es bei unserer Show mit der Band verbunden zu sein, das ist mir unglaublich wichtig. Seit diesem Sommer gibt es eine neue Sängerin in deiner Band. Wie kam es dazu? Cleo Panther hat uns acht Jahre be-

Auf deinem letzten Album bist du eher in Richtung Blues und Jazz gegangen und hast dich vom klassischen Electro-Swing wieder abgewandt. Wie relevant ist das Genre heute noch für dich? Was den Swing angeht: Parov Stelar steht nicht für Electro-Swing, sondern es ist der Teil, der von außen von Parov Stelar am meisten wahrgenommen wird. Hört man sich meine Alben an, findet man sehr durchgemischte Stilrichtungen. Ich stehe also nicht mit Zylinder und Hosenträgern im Wohnzimmer und tanze. Ich sehe mich als Künstler und habe künstlerischen Anspruch an meine Arbeit, daher muss

Wenn Leute auf der Bühne schwitzen, entsteht eine ganz andere Verbindung zum Publikum, als wenn ich als DJ alleine da oben stehe. PAROV STELAR

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TEXT: THOMAS WINKELMÜLLER, JOHANNES REICHL | FOTOS: JAN KOHLRUSCH, MARK UNTERBERGER

Das neue Album wird ein neuer Parov Stelar werden, zumindest für die Leute, die nur den Electro-Swing Parov Stelar kennen. PAROV STELAR

INFO Marcus Füreder wurde 1974 in Linz geboren. Bereits seine erste EP als Parov Stelar „KissKiss“ und das da­ rauffolgende Album „Rough Cuts“ im Jahr 2004, auf dem von Füreder eigens gegründeten Label Etage Noir Recor­ dings, brachten den internationalen Durchbruch für das Projekt. Seither zählt er zu den erfolgreichsten Künstlern des Genres, der mit seiner Parov Stelar Band schon mehr als 1.000 Live Shows bestritten hat mit ausverkauften Headliner-Shows in New York, San Francisco, Los Angeles, Pa­ ris, Berlin oder London sowie auf den wichtigsten Festivals der Welt wie Coa­ chella (US), Glastonbury (UK), Sziget (HU), Lollapalooza (DE & FR) etc. Als Kooperationspartner und Remixer hat Parov Stelar mit und für Größen wie Tony Bennett & Lady Gaga, Lana Del Rey, Lukas Graham, Marvin Gaye, Brian Ferry, Klingande und viele andere gearbeitet. In Österreich wurde er bislang mit 8 Amadeus Austrian Music Awards ausgezeichnet, neben Top-Rankings in Europa erreichte etwa sein Titel „The Sun“ Platz 1 in den U.S. Electronic iTunes Charts. Parov Stelar hat über 1 Million Face­ book Fans, mehr als 500 Millionen views auf YouTube und mehr als 500 Millionen plays auf Spotify! Seine Songs finden sich auf mehr als 700 Compilations weltweit und sind der Soundtrack in unzähligen TV-Shows, Serien, Spielfilmen und Werbespots, unter anderem von Audi, Bacardi, Courvoisier, Colgate, Cosmopolitan, Escada, Fiat, Google, Microsoft, Moto­ rola, Nespresso, Paco Rabanne, Target, Telecom Italia oder Vodafone. Aktuell arbeitet er an seinem neuen Album wie an brandneuen Artworks, die von ihm per Hand im Siebdruck­ verfahren hergestellt werden. Im VAZ St. Pölten gastiert er am 25. Oktober mit brandneuer Show im Rahmen des Beatpatrol Festivals, selbstredend begleitet von seiner Band, die mittler­ weile sieben Vollblutmusiker inklusive der neuen Sängerin Elena Karafizi umfasst.

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MFG SZENE

PAROV STELAR – ICH STEHE NICHT MIT ZYLINDER UND HOSENTRÄGERN IM WOHNZIMMER UND TANZE

ich mich laufend verändern, sonst wäre es für mich Stillstand. Warum ist es für Stars im Showbiz so schwer, die Reißleine zu ziehen – für viele endet das Business ja tatsächlich tragisch. Wie schafft man die richtige Balance zwischen Starhimmel und Erde? Ich denke, es ist von Person zu Person verschieden und jeder hat eine psychische Belastungsgrenze. Der eine hält es länger durch, der andere weniger lang. Das Musikbusiness macht deine psychische Belastungsgrenze sicher nicht besser, speziell wenn du ein sensibler Mensch bist. Die Balance schafft man durch sehr erdige Dinge wie Familie, Sport, Dinge total weg vom Business, wo du mit dir und deinem Körper alleine bist, oder einfach Dinge, die das normale Leben von dir fordert. Du arbeitest an einem neuen Al-

GROSSES KINO. Parov Stelars Live-Shows haben absoluten Kultfaktor.

GESCHENK. 2009 fand das erste Beatpatrol Festival statt. Im Jubiläumsjahr 2019 wartet mit Parov Stelar und seiner Band ein absoluter Kultheadliner als „Geschenk“. bum. Manche erste Reaktionen klingen wie ein „Vorwurf zum Wechsel in Richtung Pop“. Was dürfen wir erwarten? Das neue Album wird ein neuer Parov Stelar werden, zumindest für die Leute, die nur den Electro-Swing Parov Stelar kennen. Ich habe mit komplett elektronischer Musik begonnen vor über 20 Jahren und das ist auch das, was ich privat höre. Ich möchte mich mit dem neuen Album wieder komplett ausprobieren in alle Richtungen ohne Rücksicht auf Verluste. Ich will mir den Mut behalten zu produzieren, was mir selber gefällt. In St. Pölten findet seit elf Jahren das Beatpatrol statt, am Frequency sind ebendort mittlerweile Electronicmusic-Acts

Headliner, anno dazumal baute im St. Pöltner warehouse Christian Lakatos die Schiene „Urban Art Forms“ auf und dort fanden auch Camo & Krooked zusammen. Welche Rolle spielt St. Pölten für die österreichische ElectronicmusicSzene deiner Meinung nach? In den 90ern war ich sehr viel im Linzer Nachleben unterwegs und dort herrschte zu dieser Zeit Aufbruchsstimmung. Techno war riesig und Linz hatte in dieser Szene eine Vorreiterrolle. Ich verfolge die Szene in Österreich jetzt nicht laufend, aber immer wieder, und St. Pölten spielt neben Wien definitiv auch eine sehr wichtige Rolle in der elektronischen Musik-Szene in Österreich, und zwar aus genau den Gründen, die du aufzählst.

L E T

WWW.LASERTRON.AT

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T H E

G A M E

B E G I N

Cybersports I bowlIng I bIllard I bar 3100 st. pölten I ratzersdorfer see



MFG SZENE

FORTNITE IN VIER FRAGEN Österreich ist Weltmeister. Im Juli diesen Jahres gewinnt der Kärntner Aqua aka David Wang gemeinsam mit seinem dänischen Teamkollegen Nyhrox die Fortnite-WM im New Yorker Arthur Ashe Stadion – derselbe Ort, wo wenige Wochen später Dominic Thiem bei den US Open aufgeschlagen hat.

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qua ist seitdem nicht nur Millionär, sondern hat Videospiele so wieder zum heiß diskutierten Thema im Land gemacht. Um kurz und bündig zu verstehen, worin genau ein Österreicher nun Weltmeister ist und warum das wichtig ist, hat MFG Felix Schniz, den Mitbegründer und Studienprogrammleiter des interdisziplinären Masterprogramms „Game Studies and Engineering“ der Universität Klagenfurt vier Fragen zu Fortnite gestellt.


TEXT: THOMAS WINKELMÜLLER | FOTOS: ABEMOS/ADOBE STOCK, SEANLOCKEPHOTOGRAPHY/ADOBE STOCK

Was macht Fortnite zu einem so leicht zugänglichen Videospiel, dass es so beliebt ist? Jeder Mensch ist einzigartig – und durch die Interaktivität des Mediums Videospiel kann jeder Spieler auf ganz eigene Art Freude und Begeisterung daraus ziehen. Fortnite schafft es, ein sehr großes Spektrum an Spielerinteressen abzudecken: Es ermöglicht sportlichen Wettbewerb unter den Spielern, es bietet Möglichkeiten, eine bunte und vielseitige Spielwelt zu entdecken und kreativ zu bearbeiten, und es ist schließlich auch eine soziale Plattform, auf der man Spieler aus aller Welt kennenlernen kann. Hinzu kommt natürlich Fortnites aktueller popkultureller Hype. Überall wird über den Titel berichtet und gerade unter Jugendlichen will man natürlich Teil des Phänomens sein. Auf welchem Geschäftsmodell beruht denn dieser Hype und warum funktioniert es so gut? Fortnite ist auf Grund seines Spieldesigns und seiner Vermarktung unglaublich zugänglich. Durch die cartoonhafte Darstellung hat es eine niedrige Altersfreigabe, das Spielprinzip ist schnell zu erlernen und durch die kurze Spieldauer – eine Partie dauert maximal 25 bis 30 Minuten – kann man schnell einsteigen. Zudem ist Fortnite ein sogenannter free-toplay Titel, es kostet also nichts in der Anschaffung, sowie auch ein crossplatform Titel: Egal welche Spielkonsole man besitzt oder ob man auf dem PC spielt, man ist mit den Spielern aller anderen Plattformen verbunden. Fortnite ist also grundsätzlich gratis. Sein Geld macht Epic Games aber primär durch In-Game-Käufe. Ist das in diesem Fall ein ethisch vertretbares System oder reine Abzocke? Microtransactions im Allgemeinen, also In-Game Verkäufe über kleine Beträge, betrachte ich generell kritisch. Fortnites In-Game Einkäufe tragen sich über die sogenannten V-Bucks ab. Diese spielinterne Währung kann man gegen echtes Geld erstehen, aber auch durch das Meistern von Aufga-

PHÄNOMEN. Der Fortnite-Hype steht vor allem synonym für die Videospiel-Industrie, die mittlerweile mehr Geld umsetzt als die gesamte Filmbranche.

ben im Spiel erlangen, ohne dass Geld ausgegeben werden muss. Im Austausch für V-Bucks bekommen Spieler dann kosmetische Upgrades für ihren Avatar, also die eigene Spielfigur, oder einen der regelmäßig veröffentlichten Battle Passes, der neben einer Auswahl kosmetischer Upgrades auch einen wechselnden Satz an Herausforderungen mit sich bringt, über die Spieler wiederum V-Bucks verdienen können. Nichts von beidem bringt jedoch spielmechanische Vorteile. Das ist in meinen Augen zwar weniger kritisch als die Pay-to-Win Mechaniken anderer Spiele, in denen man unfair gegenüber Spielern benachteiligt ist, die mehr Geld in ein Spiel investieren, gleichzeitig kann aber auch das ständige Präsentieren neuer kosmetischer Gegenstände – vergleichbar etwa mit Markenkleidung oder vergleichbaren Statussymbolen – sozialen Druck erzeugen. In-Game Einkäufe verlangen darum ein besonderes Maß an Verantwortungsbewusstsein. Fortnite Spielern muss klar sein, dass der Impuls zum Geld-Ausgeben immer gegeben ist und sich auch kleinere Ausgaben schnell summieren. Zum Abschluss: Sind Videospiele heute ein ganz normaler Teil unseres Medienkonsums geworden? Kurzum: Ja! Videospiele sind heute ein essenzieller Bestandteil unserer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Realität. Die Videospielbranche

macht jährlich mehr Umsatz als die gesamte Filmindustrie, Videospiele inspirieren Fangemeinschaften weltweit und bringen, ebenso global, Spieler im Rahmen ihres Hobbies zusammen – sei es im privaten Raum, in Jugendhäusern, an akademischen Einrichtungen oder aber auch in großen Eventlocations wie bei der jüngsten Fortnite Weltmeisterschaft. Wir reden hier nicht von einer Jugend-, sondern von einer gesamtgesellschaftlichen Leidenschaft für das Spiel.

HARDFACTS Fortnite ist ein gratis Multiplayer-Shooter für alle Konsolen und Geräte, der sich besonders bei jungen Menschen großer Beliebtheit erfreut. Der Name kommt von einer früheren Version des Spieles, in der nachts Forts gebaut werden mussten, um dann Zombies abzuwehren. Durch die In-GameWährung V-Bucks können sich Spieler in der aktuelleren Version des Spiels neue, meistens zeitlich limitiert verfügbare Outfits, Gleiter, Spitzhacken und Emotes, also zum Beispiel Tänze oder Begrüßungen, kaufen. Einen Vorteil im Spiel bekommt dadurch aber niemand. Fortnite ist ein sogenannter BattleRoyale-Titel. Das bedeutet: Bis zu 100 Spieler landen auf einer virtuellen Insel. Dort sammeln sie Waffen und bekämpfen sich gegenseitig. Je nach Spielmodus gewinnen der oder die letzten überlebenden Spieler.

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MFG SZENE

DAS NEUE EPOS DER

GENERATION Z Videospiele kรถnnen Wissen und Inhalte vermitteln oder der puren Unterhaltung dienen. Die Entwickler von Fortnite wollten Letzteres bieten und haben damit einen fast unvergleichbaren Erfolg erzielt. Trotzdem stoร en sie immer wieder auf Kritik.

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TEXT: THOMAS WINKELMÜLLER | FOTOS: KOELNMESSE/GAMESCOM, THOMAS WINKELMÜLLER, SEBASTIAN METZL/ZVG

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rei junge Männer sitzen am Sofa und starren wie gefesselt in Totenstille auf den Bildschirm vor ihnen. Einer dreht den Lautstärkeregler weiter nach oben. Er will sichergehen, dass Richard – er steuert gerade den Avatar in Fortnite – jeden Schritt hört, den sein letzter überlebender Kontrahent machen könnte. Im Spiel sitzt Richard mit dem Rücken zur Wand im ersten Stock eines Hauses, das goldene Sturmgewehr im Anschlag und siehe da: Sie hören wie jemand langsam die Treppen nach oben steigt. Der Rest geht ganz schnell. Die Tür geht auf, Richard drückt ab, schießt und setzt sich durch. Die Totenstille ist vorbei. Er hat gewonnen. Alle drei springen auf und schreien als ob gerade sie die Fortnite-WM gewonnen hätten und nicht der 17-jährige Kärtner Aqua. Aufgrund dessen Erfolges und Talents in dem Battle-Royal-Shooter Fortnite diskutieren Leute in ganz Österreich wieder öffentlich über Videospiele. Hemmen oder fördern sie die Entwicklung? Machen sie süchtig? Ist es eigentlich ethisch vertretbar, wenn Jugendliche digital und aus spielerischen Motiven heraus morden? Wie die Cowboys Auf die erste Frage kann Peter Judmaier einige Antworten geben. Er unterrichtet an der FH St. Pölten und beschäftigt sich seit rund 25 Jahren mit Videospielen, vor allem in Bezug auf das Game-Design in den Bereichen „serious gaming“ und „game based learning“. „In der Theorie von Spie-

ZOCKEN & FORSCHEN. Peter Judmaier untersucht wie Spiele Inhalte vermitteln können.

Wenn dann Leute am Tag acht Stunden nur zur Unterhaltung spielen, kann das ungesund werden. PETER JUDMAIER, FH ST. PÖLTEN

len sprechen Wissenschaftler immer wieder von einem ‚magic circle‘, der die Spielwelt von der Realität trennt. Wäre das so strikt, würden Menschen allerdings gar nicht aus Spielen lernen“, erklärt Judmaier. Dann nennt er das Stichwort „Wissenstransfer“. Eine Interaktion im Spiel könne der Spieler nur in die Realität transferieren, wenn sie auch in dieser getätigt werden kann. Überdurchschnittlich schnell mit einer Waffe auf das feindliche Gegenüber zu zielen ist ein Skill, den Cowboys trainieren mussten, in Österreich ist er heute nur noch bedingt von Nutzen. Aber kann ein Shooter wie Fortnite diese Reflexe überhaupt trainieren? Dazu gebe es noch wenig Forschung. „Ich habe aber einmal mit PaintballSpielern gesprochen und die meinten, die Transferleistung bei ‚Zockern‘ sei nicht besonders überragend gewesen“, sagt Judmaier, „Überprüfen konnte ich das leider nie.“ Wenn etwas erlernt werden würde, dann sei das eher kommunikativer Natur. Müssen einige Spieler ein Team bilden oder zusammenarbeiten, dann können die dort erlernten Fähigkeiten in die Realität übernommen werden. Das ist ein Musterbeispiel für den von Judmaier genannten Wissenstransfer.

Das Zuckermonster Neben Spielen, bei denen das Lernen nur zufälliger Beigeschmack ist, nennt Judmaier ein Beispiel, das explizit auf Gamification, also spielerisches Lernen, aufbaut und bei dem die Unterhaltung im Hintergrund steht: Das 2012 in Österreich für Diabetiker entwickelte Spiel ‚mySugr‘. Judmaier ist selbst von der Krankheit betroffen und so auf das Spiel gestoßen. Es ist kein Spiel im herkömmlichen Sinn, aber mit ähnlichen Elementen durchzogen. Grob gesagt muss der Spieler ein digitales Monster mit seinen eigenen Blutzuckerwerten aus dem echten Leben bekämpfen. „Man spielt hier bereits zum Teil in der Realität, daher ist die Rückkoppelung dementsprechend groß,“ sagt Judmaier. Gerade für junge Diabetiker in der Pubertät möchte er das Spiel empfehlen. Selbst treibt es ihn kaum noch vor die Konsole oder den Computer. Es fehle schlichtweg an Zeit. In seiner Jugend spielte Judmaier Autorennspiele wie „Need for Speed“. Auch dabei habe es einen Wissenstransfer gegeben: „Wenn ich in ein Fahrzeug steige und in der ersten Person gespielt habe und nicht aus der Sicht einer dritten, merke ich, dass es Rückwirkungen gibt.“ MFG 09.19

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MFG SZENE Fortnite sei da etwas anders. „Von den Let’s Plays, die ich gesehen habe, lernt man wenig. Die Reflexe, welche trainiert werden, sind alle weit weg vom realen Leben, nicht wie bei einem Rennspiel in der ersten Person. Es gibt keine inhaltliche Metaebene, keinen Kontext, in dem das Spiel stattfindet“, sagt Judmaier, „es geht nur um Unterhaltung.“ Das sei auch so in Ordnung. Ein Spiel müsse nicht nur Lerninhalte vermitteln, es könne auch einfach Spaß machen ohne dabei tiefer zu gehen. Aber er fügt hinzu: „Wenn dann Leute am Tag acht Stunden nur zur Unterhaltung spielen, kann das ungesund werden.“ Sucht ohne Stoff Mit solchen Menschen arbeitet Kurt Fellöcker. Auch er unterrichtet an der FH St. Pölten, wobei sein Spezialgebiet in der Sozialarbeit und Suchtvorbeugung liegt. Da eine Sucht als Krankheit definiert werde, müsse mit dem Wort in Bezug auf Videospiele vorsichtig umgegangen werden. „Man kann da umgangssprachlich schon von einer sprechen und bei vielen Jugendlichen tut man das auch. Es stimmt aber nicht“, sagt Fellöcker. Woran in diesem Rahmen eine Erkrankung am Abhängigkeitssyndrom festgemacht werden könne, lege vielmehr an der Beeinträchtigung und der Vernachlässigung der sozialen Kontakte. „Das eigentliche Problem ist ja, dass Videospiele Zeiträuber sind“, sagt Fellöcker. Rund fünf Prozent aller Menschen, die Videospiele regelmäßig konsumieren, seien wirklich süchtig. Grund dafür wären oft Defizite und Benachteiligungen, bei denen ein Videospiel dann als Auslöser für eine Erkrankung dienen könne. Der Teufel an der Wand Und wie schätzt er das Suchtpotenzial von Fortnite ein? „Das Spiel ist darauf ausgelegt den Spieler auf lange Dauer zu binden“, sagt Fellöcker, „da haben sich ein paar Menschen wirklich viele Gedanken gemacht, wie sie die Konsumenten bei der Stange halten.“ Das könne dazu führen, dass vor allem junge Menschen eine Zeit lang unverhältnismäßig stark in ein 62

GAMESCOM. 373.000 (!) Besucher pilgerten zur diesjährigen Computerspielmesse. Kein Jugendphänomen! Im Altersdurchschnitt ist der Videospieler von heute älter als 30.

Spiel hineinkippen und nichts anderes mehr tun würden. Deswegen gebe es Videospiele überhaupt, „denn letztlich geht es den Entwicklern ja darum mit ihrem Spiel viel Geld zu machen.“ Den Teufel wolle Fellöcker aber auch nicht an die Wand malen. Nur in seltenen Fällen werden Jugendliche wirklich krank und selbst dann würden sie in der Regel wieder von alleine ihren Weg aus diesem ungesunden Verhalten hinausfinden. Wenn das aber nicht mehr möglich ist und die Betroffenen den Anschluss an ihr Leben verlieren, dann würden die üblichen Therapieformen wie eine Gesprächstherapie als Hilfe dienen. Eltern würden sich beraten lassen, sinnvoll sei prinzipiell den zeitlichen Rahmen von Videospielzeiten festzusetzen. „Also zwei Stunden am Tag zum Beispiel, damit das Kind seine anderen Interessen behält“, sagt Fellöcker. Es könne auch helfen, wenn die Eltern für das Spiel Interesse zeigen. Am besten sei sogar, selbst mitzuspielen. Erziehende würden oft viel zu schnell glauben, dass ihr Kind schwer krank sei, dabei gebe es einfache Methoden etwas gegenzulenken. Das Rolling Stone Abonnement In gewissen Fällen ist das aber nicht möglich. Manche Jugendliche sitzen stundelang vor ihrem Bildschirm und trainieren. Sogenannte E-Athleten. Sie verdienen ihr Geld im E-Sport,

so heißt der Wettkampf zwischen Menschen in Videospielen. Millionen schauen ihnen dabei zu, es gibt eigene Ligen wie im Fußball und eine eigene Industrie steckt dahinter. Der erste offizielle Videospiel-Wettkampf fand 1972 an der Stanford University in den Vereinigten Staaten statt, wobei das Preisgeld niedriger war als heutzutage üblich. Zu gewinnen gab es ein einjähriges „Rolling Stone“Abonnement. Seitdem hat der E-Sport einen weiten Weg zurückgelegt. Bei der Fortnite-WM haben Aqua und sein Teamkollege drei Millionen Dollar erspielt! Fellöcker sieht diese Berufswahl selbst trotz guter Bezahlung bei Erfolg kritisch. Jeder Leistungssport habe eine ungesunde Seite und es brauche eine starke, reflektierte Persönlichkeit, um das durschauen zu können. Sebastians Stolz Jemand, der selbst bei Wettkämpfen mitgemacht hat und die E-SportSzene verfolgt, ist der 20-jährige St. Pöltner Sebastian Metzl. Er hat mit dem Online-Shooter Counterstrike begonnen und seitdem nicht mehr mit dem Zocken aufgehört. Seine Eltern hätten nie verstanden, was er da genau mache und wieso ihn E-Sport interessieren würde. Als dann auch Fernsehsender wie etwa der ORF über den Sieg von Aqua bei der Fortnite-WM berichteten, habe er ihnen


DAS NEUE EPOS DER GENERATION Z

das stolz präsentiert. „Mir ging es darum, dass sie sehen, wie viele andere Menschen ihr Interesse für Videospiele zeigen, und dass das nicht nur auf ihren Sohn zutrifft“, sagt Metzl. Mittlerweile hat er online viele Freunde in der Community gefunden, die er bei der Gamescom in Köln, der größten deutschsprachigen Messe für digitale Spielkultur, nun zum fünften Mal wiedersah. Er fuhr dieses Jahr gemeinsam mit seiner Freundin, die auch eine Passion für Videospiele hegt. Viele Frauen in der Szene gebe es nicht, wenngleich sich das langsam ändern würde. Auf Metzl trifft es nicht zu, aber ein paar seiner Freunde haben ihre heutigen Partnerinnen sogar online über Multiplayer-Spiele kennengelernt und dann auf der Gamescom das erste Mal getroffen. „Die Convention ist eigentlich nur Nebensache“, sagt Metzl, „mir und den meisten anderen geht es darum, Freunde zu treffen und neue Bekannte mit denselben Interessen kennenzulernen.“ Sport ist Mord Trotz der sozialen Komponente im ESport und dem reinen Hobbyzocken, ist die Gewalt in Videospielen für viele unterbewusst zu einem der Pfeiler geworden, auf dem ganze Freundschaften beruhen. Eugen Pfister von der Universität Wien forscht zu diesen historisch gewachsenen kulturellen

Phänomenen. „Die Gewalt in Videospielen ist mittlerweile normal geworden, wobei normal unter Anführungszeichen steht“, erklärt Pfister, „wir sind es einfach gewohnt, Videospiele als gewalttätigen Konflikt zu sehen oder zumindest als Konkurrenzdenken.“ Fortnite sei da keine Ausnahme. Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK), die auch in der Schweiz und Österreich entscheidet für welche Altersstufe ein Spiel geeignet ist, stufen Fortnite für Spieler ab 12 ein. Laut der USK sei ein Spiel im ComicDesign weniger problematisch für das Heranwachsen als eine besonders lebensechte Grafik in Videospielen. Die Entscheidung der Entwickler für diesen Grafik-Stil sei Pfister zufolge aber sicherlich mit dem Hintergedanken getroffen worden, eine breitere und jüngere Masse ansprechen zu können, wobei die Spielmechanik gleichbleibt. Die Tendenzen zu Gewalt stammen aber nicht aus Videospielen allein. Zur Veranschaulichung nennt Pfister den Vergleich eines Kollegen: „Videospiele sind in ihrer Grundidee jetzt gar nicht so unterschiedlich zu den Spielen, die wir am Pausenhof gespielt haben. Bei Räuber und Gendarm muss man sich auch gegenseitig fangen und früher haben wir uns mit der Steinschleuder abgeschossen. Im Grunde ist es das.“ Die Spielzeugpistole unterm Weihnachtsbaum Junge Menschen würden Gewalt lernen. Das fange schon beim Spielzeug an. „In Österreich kommt es zum Glück eher selten vor, dass unter den Weihnachtsbäumen die Spielzeugpistole liegt, aber anderswo ist das gar nicht ungewöhnlich“, sagt Pfister. Statistiken würden zeigen, dass vor allem junge Männer bereits zuhause oftmals ein Männlichkeitsdenken vermittelt

AUF DER GAMESCOM. Sebastian Metzls alljährlicher Urlaub.

DIE MACHER VON FORTNITE Tim Sweeney ist der CEO von Epic Games, dem Unternehmen hinter dem Battle-Royale-Shooter Fortnite. Da das Unternehmen nicht an der Börse gehandelt wird und daher keine Bilanzen veröffentlichen muss, gibt es keine offiziellen Daten zu der finanziellen Lage. Videospielentwickler geben nur selten und wenn, dann ungern, Informationen über ihre Einnahmen preis. Laut dem Wall Street Journal war Epic Games Anfang 2019 aber bereits 15 Milliarden US-Dollar wert. Darf Epic Games geglaubt werden, so soll Fortnite derzeit rund 250 Millionen Spieler haben.

bekommen, dass Konflikte auch mit Gewalt gelöst werden können. „Das bedeutet nicht, dass jemand Fortnite spielt und ab dem Moment denkt, jeden zu watschen und nur noch Gewalt anwenden zu müssen“, sagt er. Aber als Mann würde man viel eher lernen Gewalt in einem gewissen Rahmen zu akzeptieren als eine Frau das tut. Also welches Weltbild vermittelt Fortnite Jugendlichen? „Ich würde es als gespielten Konkurrenz-Kampf bezeichnen. Der herrscht aber auch in der Realität, muss man gestehen“, sagt Pfister. Das Weltbild „alle gegen alle“, welches in dem Spiel transportiert werde, sei ein eigentlich furchtbares. Der Wissenschaftler beschreibt es mit Thomas Hobbes‘ Leviathan. „Homo homini lupus“, übersetzt: der Mensch ist dem Menschen Wolf. Fortnite sei überspitzt gesagt totale Anarchie, in der man sich bekämpft bis nur einer überbleibt. „Das hat aber nicht Fortnite erfunden“, sagt Pfister zum Abschluss, „Konkurrenz und Gewalt sind schon lange in unserer Gesellschaft verankert.“

Die Convention ist eigentlich nur Nebensache. Mir und den meisten anderen geht es darum, Freunde zu treffen und neue Bekannte mit denselben Interessen kennenzulernen. SEBASTIAN METZL, GAMER

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STAR UNTER DEN BARS Oliver Kloiber steht hinter einer der besten Bars des Landes, dem „Yesterday“ in der Linzer Straße.

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edämpftes Licht, angenehme Hintergrundmusik, elegant-gemütliches Ambiente, und hinter der Bar ein Mann, der für jeden Gaumen und jedes Gemüt das stimmigste Getränk ins passende Glas fließen lässt – und der an „Yesterday“ nicht nur glaubt, sondern es zu seinem Lebensinhalt gemacht hat. Zu einem Lokal nach alter Etikette, in dem der Dame aus dem Mantel geholfen wird und Männer Hut und Kapperl ab-

nehmen. Und wo es kein WLAN gibt, weil sich die Leute miteinander unterhalten sollen. „Ich hab das American Bar Konzept nicht neu erfunden, aber ich möchte es weiter leben lassen. Die Gäste sollen sich wohlfühlen, wie in einem erweiterten Wohnzimmer“, sagt Oliver Kloiber, Bar-Mann aus Leidenschaft und Herr über 750 Flaschen mit hochwertigem und teilweise rarem Inhalt. Seit neun Jahren verwöhnt der St. Pöltner Gastro-

Das ist mein zweites Wohnzimmer, da soll Harmonie herrschen. Ich hab’ immer den Ablauf vor den Umsatz gestellt. OLIVER KLOIBER

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Fachmann seine Gäste im „Yesterday“ in der Prandtauerstraße, wohl bemerkt von Genießern: Im Gault Millau wird St. Pöltens schönste Bar erwähnt, im Falstaff Bar & Spirits Guide gewinnt das Yesterday Jahr für Jahr in der Wertung und war in der 2019-Ausgabe als zweitbeste Bar Niederösterreichs gelistet – mit neun von zehn möglichen Punkten für das Sortiment und zwei Falstaff-


TEXT: BEATE STEINER | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER

STILVOLLES PLATZERL. Im Yesterday sitzen die Gäste schon jetzt sehr gemütlich. Oliver Kloiber wird sein Lokal mit noch mehr edlem Interieur ausstatten. Gläsern. Das freut den Hausherrn, aber „wir wollen Nummer eins werden.“ Punktevergabe ist Ende Oktober, „vielleicht schaffen wir dann das dritte Falstaff-Glas.“ „Kochen auf Getränkebasis“ Gelingen sollte das mit den kreativen Ideen des Chefs von drei Mitarbeitern, die er mit seinen Einfällen für neue Cocktail-Varianten oder außergewöhnlichen Serviervorschlägen nicht selten verblüfft. „Ich liebe dieses ‚Kochen auf Getränkebasis’. Oft reicht eine kleine Zutat, und der Cocktail schmeckt ganz anders.“ Der absolute Renner bei den Gästen sind Fruchtcocktails. „Wir bereiten die je nach Saison mit frischen Früchten zu, auf Basis des Klassikers Daiquiri.“ Für die Früchte-Mischungen nimmt der „Getränke-Koch“ dann schon mal Anleihe bei bewährten Kombinationen, etwa von MineralwasserAnbietern. Nicht nur immer wieder neue Variationen von Früchtecocktails können die Gäste verkosten. „Mir gehen hunderte Ideen pro Woche durch den Kopf. Natürlich werden nicht alle realisiert.“ Aber doch einige. Mit Rauch, mit Essenzen im Sprühflascherl, mit ätherischen Ölen und mit Unterstützung von Bunsenbrenner und Tiefkühler gibt Oliver Kloiber auch Standarddrinks eine persönliche Note. „Cocktails entstehen beim Ausprobieren, das ist das Wichtigste.“ Orangenschale und Zucker, die über einem Eisball mit dem Bunsenbrenner karamellisiert wurden, verleihen zum Beispiel einem

Diskretion und ein verschwiegenes Barpersonal sind das Allerwichtigste in der Gastronomie. OLIVER KLOIBER

Cocktail den besonderen Kick, wie auch ein Hibiskus-Eisbarren dem Gin Tonic. Apropos Gin: Den „Yesterday“Gin lässt Oliver Kloiber von einem Geschäftspartner destillieren, bei niedrigen 38,5°. Dadurch verliert die klare Köstlichkeit nicht an Aroma, duftet nach Zitrus und Zimt und schmeckt besonders mild. „Auch deshalb, weil wir unsere Spirituosen ohne drei Prozent Vorlauf und 33 Prozent Nachlauf abfüllen“, erklärt Oliver Kloiber das kostspielige Verfahren. Kostbare Gaumenfreuden Neben den Freunden der liebevoll dekorierten gaumenschmeichelnden Cocktails sind Genießer exzellenter Spirituosen Stammgäste im Yesterday. Sie können dort den Abend auch bei einem edlen Whisky oder Cognac um 100 Euro pro Glas ausklingen lassen, derzeit noch mit Zigarre. „Das Rauchverbot wird mich schon einiges kosten“, fürchtet Oliver Kloiber, dass Gäste wegbleiben, wenn der Kombi-Genuss nicht mehr möglich

ist. Auf jeden Fall nicht verboten werden in Zukunft die spannenden und interessanten Geschichten zu den Drinks – Cognac-Liebhaber Oliver Kloiber weiß alles über Historie und Herkunft seiner feinen Getränke, von denen die wertvollsten in einem Safe im Keller lagern. Und der Bar-Wirt erzählt auch so manche Anekdote. Zum Beispiel über den Glendronach, einen Whisky aus den schottischen Highlands. Gegründet 1826 vom Schotten James Allardice in Glendronach, dem Tal der Brombeerhecken, war das Gerstendestillat anfangs nicht erfolgreich. Auch nicht in Hotels in Edinburgh, wo James Allardice seinen Whisky verkaufen wollte. Erst als der Destilleur die mitgebrachten Flaschen mit Prostituierten in den Straßen von Edinburgh leerte, verbreitete sich die Kunde vom feinen Whisky in Schottland und darüber hinaus. Oliver Kloiber weiß auch, dass der Rum ursprünglich nicht aus der Karibik kam. Erst Christoph Kolumbus brachte das Zuckerrohr von Asien nach Barbados, von wo sich das MFG 09.19

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MFG SZENE Lieblingsgetränk der Piraten in den Bars ausbreitete. Apropos Bars: Den Namen haben die Nachtlokale von amerikanischen Hafenkneipen, in denen ein rauerer Ton herrschte. „Da gab es immer wieder Raufhändel. Deshalb haben die Lokalbetreiber Barrieren aufgestellt zwischen sich und den Gästen.“ Diese Zeiten hat es im „Yesterday“ nie gegeben, auf der Bar(rierre) serviert und präsentiert Oliver Kloiber die Drinks, an der Bar plaudert er mit den Gästen, hört zu – und schweigt. „Man wird dabei Experte auf allen Gebieten. Es gibt nichts, was nicht angesprochen wurde, wenn man da längere Zeit dabei ist. Wenn man involviert ist, gibt man natürlich schon seinen Senf dazu. Aber Diskretion und ein verschwiegenes Barpersonal sind das Allerwichtigste in der Gastronomie.“ Vom „Englischen Fräulein“ zum Barbesitzer Das kennt der 1980 geborene St. Pöltner bereits seit 25 Jahren – so lange ist Oliver Kloiber schon in der Gastronomie. Nach Otto-Glöckel-Volksschule, Hauptschule bei den Englischen Fräulein und einem kurzen Abstecher in die Hotelfachschule Krems machte Oliver Kloiber

STAR UNTER DEN BARS

ZAUBERHAFTER GARTEN. Im idyllischen Innenhof neben dem Steingöttersaal schmecken die Kreationen von Oliver Kloiber unter freiem Himmel besonders gut. dann die Lehre zum Hotel- und Gastgewerbeassistenten. Er war tätig im Hotel Kronprinz in Mayerling und in einem Weinrestaurant in Wien. „Aber Wein hat mich nicht so wirklich interessiert.“ Dann sammelte er Auslandserfahrung in Spanien und Griechenland, fand Gefallen am Barkeeper-Dasein und wurde zum bekannten Mitarbeiter von Franz Pittner im „Rothen Krebs“. Zehn Jahre lang war Oliver Kloiber dort beschäftigt. „Da hab ich viel gelernt, von der Frau Pittner auch, wie man das Ambiente gestaltet. Da hat sich die Idee so gefestigt, dass ich mir vorstellen konnte, das ist meins.“ 2010 war es dann soweit, Oliver Kloiber eröffnete sein „Yesterday“. Die ersten Jahre waren mühsam, „wirklich begonnen hat es dann im vierten Jahr. Rein durch Mundpropaganda sind immer mehr Gäste gekommen. Wir sind ganz langsam gewachsen.“ Das ist wichtig, sagt der erfolgreiche Gastronom, auch, dass er stetig seinen Weg verfolgt hat. „Ich hab schon viele scheitern sehen, weil sie von ihrer Linie abgewichen sind.“ Im „Yesterday“ ist klar, was die Besucher erwartet, und sie kommen

immer wieder, weiß der Barbesitzer, der sich die bevorzugten Drinks aller Stammgäste merkt und sich freut, dass auch immer mehr junge Leute sein Ambiente und sein Service schätzen. Auch seine Verkostungen und Workshops fürs Cocktail-Mixen. „Hierher kommen nur Leute, die ich gern bediene.“ Und wenn sich einer mal daneben benimmt, wird er hinauskomplimentiert. „Das ist mein zweites Wohnzimmer, da soll Harmonie herrschen. Ich hab’ immer den Ablauf vor den Umsatz gestellt.“ Sein „erstes Wohnzimmer“ teilt der zweifache Vater mit Gattin Katharina, die ihn in organisatorischen Dingen unterstützt, der fünfjährigen Melanie und Benjamin, der bald seinen dritten Geburtstag feiert. Den zehnten Geburtstag feiert das „Yesterday“ im nächsten Jahr. Davor bekommt es eine Auffrischung mit neuen Sitzgarnituren. Damit sich die Gäste noch wohler fühlen. Denn Oliver Kloiber ist stolz und zufrieden, dass sein Konzept der American Bar auch in einer kleineren Stadt wie St. Pölten ausgezeichnet funktioniert, „trotz der Unkenrufe, als ich aufgesperrt habe.“

Ich hab schon viele scheitern sehen, weil sie von ihrer Linie abgewichen sind. OLIVER KLOIBER

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MEIN TAG MIT

FRENKIE SCHINKELS Meine Fußballfreunde werden denken „jetzt wärmt er wieder seine Gurkerlstory“ aus dem Jahre Schnee auf. Nein! Ich ging bloß der Frage nach: Was macht eigentlich Frenkie Schinkels so den ganzen Tag?

A

ls St. Pöltner Fußballfan, Baujahr 1974, galt meine erste und einzig wahre Liebe, der Voith Schwarzen Elf St. Pölten. Besonders angetan hatten es mir die VSE-Feinmotoriker Frenkie Schinkels, Jevgenij Milewskij und Mario Kempes. Frenkie taugte mir auf Anhieb. Er war damals noch kaum größer als ich und beherrschte die feine wie die raue Klinge. Unmittelbar vor meiner Matura 1992 schoss er beim 3:2-Heimsieg gegen Rapid ein Traumtor, riss sich das Leiberl runter und stürmte zu uns Fans. Ich sah, dass selbst meinem sonst so reservierten Deutschlehrer Prof. Hans Harrer ein Lächeln auskam und wusste: Alles wird gut! Irgendwann in den Nuller-Jahren durfte ich mich selbst mit Frenkie messen und bezwang ihn, Wolfgang Kienast und weitere Ex-Profis mit unserer Traisental-Hobbyliga-Auswahl bei einem Kleinfeld-Turnier am SC St. Pölten-Platz 2:1. Unser Sprinter Gottfried Lammerhuber doppelpackte die verdutzten Altstars und ich schob Frenkie ein Gurkerl! (Ja, es gibt Zeugen!) Konfrontation Weniger lustig waren manche Kontakte mit Frenkie als Sportjournalist. Als es beim SKN nach dem Aufstieg in die Bundesliga nicht so richtig lief und ich seine Transfers als Sportdirektor kritisierte, rief er das erste Mal 68

CHAUFFEUR. Mit einem ehemaligen „SKNBoliden“ ging‘s zum Gebietsliga-Training. mich an. Nicht alle Passagen dieses Gesprächs waren druckreif. Kurz war ich echt beleidigt und wollte schon meine „Legendär“-CD von Frenkie und Marlena Martinelli kübeln. Das brachte ich aber nicht über das Herz. Auf den „Genusskalender 2013“, in dem Frenkie mit verschiedenen Würsten und Fleischvariationen posiert, verzichtete ich von vornherein. Nach seinem Rauswurf beim SKN kreuzten sich unsere Wege „nur“ mehr am Tennisplatz beim UETV St. Pölten und als ich wissen wollte, was das Idol meiner Kindheit jetzt alles macht, kam uns die Idee – verbringen wir doch einmal einen (Arbeits-)Tag miteinander. Game, Set, Match – Schinkels Wir starten unser Date mit einem Tennisduell am Centre Court des UETV. Beide leicht angeschlagen: Frenkie

von einem 100km Radausflug ins Schweizerhaus („Mir tuat der Arsch weh“), ich von einem Kickerl. Frenkie kommt knapp, hat sich zuvor um seinen 82-jährigen Vater Pjaha, den alle „Pete“ nennen, gekümmert. „Er war immer schon mein bester Freund“, sagt Frenkie, „und eine 24-StundenHilfe können wir uns nicht jedes Monat leisten.“ Am Weg in die Kabine telefoniert er noch dienstlich mit „oe24“. Sein Ü55-Meisterschaftskumpel Alfred gibt mir als letzten Tipp mit auf den Weg: „Wenn du gewinnen willst, musst du es in zwei Sätzen erledigen. Müde wird er nicht, im dritten taut er richtig auf.“ Frenkie taut dann gar nicht auf. Er zieht sich bei seinem 7:5-7:5-Sieg in knapp zwei Stunden trotz rund 20 Grad nicht einmal seine Jacke aus, während ich drei Leiberl durchschwitze. Zwischendurch füttert er Cindy, die Hündin der Fallmanns. Ein paar Leckerlis hat Tierliebhaber Frenkie immer dabei. Herrl Jochen (ehemaliger SKN-Trainer und nunmehriger Amstetten-Coach) schaut kurz zu, ehe er zum Lauftraining in Richtung Traisen verschwindet. Stevie Wonder Nach dem Spiel will ich Frenkie zum Essen einladen. Er zeigt Richtung Platz auf den Tennistrainer und meint: „Lad’ den Felix ein, der hat heut schon was geleistet. Wir nicht.“ Nicht einmal einen Spritzer darf ich Frenkie


TEXT: THOMAS SCHÖPF | FOTOS: ELIAS KALTENBERGER, THOMAS SCHÖPF, FRENKIE SCHINKELS

DAS DUELL. Gleich um 9 begaben wir uns auf den Sand. Frenkie musste unbedingt vorher noch die Linien nachziehen, denn wir können ja beide die Filzkugel millimetergenau in die Winkel setzen.

Da kann sich der Stevie Wonder künftig auch hinsetzen, da kommt das Gleiche raus. FRENKIE SCHINKELS

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MFG SPORT KOLUMNE TINA REICHL

FOTO: TINA REICHL/FACE APP

RUHIG BLUT Jetzt ist es also soweit. Ich bin alt. „Nein, das ist keine Frage des Alters. Hoher Blutdruck ist oft auch ein genetisches Problem!“, will mich mein Arzt beruhigen und drückt mir ein Rezept in die Hand. Ich versteh das nicht, ich habe einen erfüllenden Job, einen Mann, der im Haushalt mithilft und mir morgens SMS schreibt „Du in der Früh – bist immer ein zuckersüßer Anblick!“ Ich könnte also total gechillt durchs Leben gehen. Es ist mir wirklich unerklärlich! Stattdessen liegt jetzt neben mir ein Blutdruckmessgerät und ich habe sogar eine App am Handy, in die ich die Daten dann eintragen kann! Eine App! Für meinen Blutdruck! Dabei reg ich mich nie auf, also fast. Außer mein Sohn spielt gerade ein Fußball- oder Tennismatch. Der eine Ball war aber auch ganz sicher out, gibt’s beim U10-Turnier keinen Videobeweis? Also, da geb ich zu, da kann ich mich aufregen – innerlich halt. Ich bin ja schließlich eine Frau mit Stil. Innerlich geb ich zu, da muss ich mich schon oft ärgern. „Vielleicht wäre Sport eine Option?“, sagt meine gute Freundin Jutta, und schickt mir Fotos von der Klettertour am Wilden Kaiser. Vom Gipfel, bei Sonnenaufgang! Wann sind die losgeklettert? „Ruhig bleiben!“, sagt mein Blutdruck! „Oder Abnehmen!“, rät meine Freundin Claudia. Sie war gerade mit drei Hunden Gassi. Das macht sie dreimal täglich. „Tief durchatmen!“, sagt mein Blutdruck. „Kennst du schon die neue Faceapp? Wie du aussiehst, wenn du alt bist?“, fragt mein Freund Michi grinsend. „Wahnsinn, genau wie deine Mutter!“ Noch Fragen?

bezahlen: „Alter, ich hab heut’ noch Training. Da gibt’s keinen Alkohol.“ Wir einigen uns schließlich auf einen Kaffee. Während der geselligen Runde unter Tennisfreunden läutet mehrmals Frenkies Handy. Einmal gibt er uns einen Wink, doch bitte ruhig zu sein, weil gerade ein Radio-Sender mit aufzeichnet. Frenkie analysiert en passant eine vermeintliche Elfer-Entscheidung des Video-Schiedsrichters beim Champions-League-Qualispiel des LASK: „Da kann sich der Stevie Wonder künftig auch hinsetzen. Da kommt das Gleiche raus.“ Wenig später beantwortet Frenkie noch die Anfrage eines niederländischen Erstliga-Trainers nach der Form eines österreichischen Bundesliga-Spielers per WhatsApp. Er zeigt mir die Nachrichten, Näheres soll aber geheim bleiben. Danach vertschüsst sich der fünffache Vater und siebenfache Großvater, um ein paar private Dinge zu erledigen. Ab geht’s im SKN-SUV Zum Training des Gebietsligisten SC Fischer Hainfeld holt mich Frenkie dankenswerterweise mit seinem Mercedes SUV, der noch aus seiner Zeit beim SKN stammt, ab: „Die größten Autos haben der Generalmanager und ich bekommen. Meinen habe ich mir nachher gekauft.“ Die Vereins-Pickerl sind weg. Unterwegs ruft ein „Österreich“-Redakteur bei ihm an. Frenkie diktiert via Frei-

sprechanlage seine Kolumne/Vorschau zur Deutschen Bundesliga. Ich bin verblüfft, wie deftig er formuliert. Er hingegen sagt nachher: „Das wird mir dann noch geschickt. Ein bisschen muss ich wohl noch nachpfeffern.“ Da wir früh dran sind, geht sich noch ein Capuccino in der Bäckerei Schindl in Rohrbach aus. Diesmal zahlt Frenkie. Wie es der Zufall will, schneit gerade der sportliche Leiter des SC Rohrbach, Thomas Wachter, rein und bleibt kurz zum Plaudern. Die beiden sinnieren über Spielerabstellungen zu FutsalEndrunden. Hainfelds Stürmer Patrik Levcik kickt nämlich nicht nur in der sechsten Spielklasse in Österreich, sondern auch im tschechischen FutsalNationalteam. Danach erzählt mir Frenkie noch „Der Levcik hat auch noch den Petr (Fojtik, Anm.) mitgebracht. Der frisst lebendige Tiere. Der geht in die Zweikämpfe, wie früher der Franky Schiemer, und ein Tor hat er als Linksverteidiger auch schon geschossen.“ Schinkels’ Augen funkeln. Momentan sei sowieso alles super, weil die ersten beiden Spiele haben „meine Jungs“ 4:0 (gegen Wilhelmsburg) und 6:0 (in Neuhofen/Ybbs) gewonnen. Vor der Saison habe man einen Kreis gebildet und sich auf den Meistertitel eingeschworen. „Sie haben das drauf“, sagt Frenkie, „und wenn nicht, sind eh ich und der Präsident die Deppen und nicht die Spieler. Das habe ich ihnen auch gesagt. Aber sie müssen danach

DIE HÖSCHE. Schon vor dem eigentlichen Trainingsbeginn des SC Hainfeld fanden sich einige zu lockeren Spielchen ein. Frenkie (3. von links) war selbst mit Feuereifer dabei.

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MEIN TAG MIT FRENKIE SCHINKELS

TRIUMVIRAT. Obmann Hans Sperl (l.) und Präsident Harald Fischer (r.) schauten Frenkie über die Schulter, was er mit den Burschen trainiert. Natürlich wurde auch fachgesimpelt. leben. Wenn die Schwiegermutter Geburtstag feiert, können sie gerne hingehen, aber erst nach dem Training.“ „Bin kein Laptop-Trainer“ Trotz Zwischenstopps sind wir lange vor Trainingsbeginn am Sportplatz Hainfeld und Frenkie lässt mich in sein Tagebuch blicken, das mit für mich unverständlichen Symbolen, Pfeilen und fast unleserlichen Notizen voll gekritzelt ist. „Ich bin kein Laptop-Trainer“, stellt er klar, „leider. Oft kriegst du bei uns ja dann einen guten Job, wenn du die schönsten Folien herzeigst.“ Im Amateurbereich sei aber ohnehin Improvisation das Wichtigste: „Manchmal kommen 16 Spieler zum Training, manchmal 23.“ Diesmal sind es 19. Frenkie zählt zwei Mal durch, grinst hocherfreut und vermeldet: „Zwanzig ist besser. Ich mach wieder mit!“ Bei der Aufwärm„Hösche“ (zwei im Kreis versuchen Pässe der anderen abzufangen) ist Frenkie mit Feuereifer dabei und bejubelt das erste „Gurkerl“: „Wenn du das bei deinem Bruder noch einmal schaffst, feiert ihr Weihnachten wohl

getrennt.“ Mir kommen selbst auch schöne Erinnerungen hoch – bislang habe ich mich aber noch nicht nach unserer besonderen Begegnung am SC-Platz nachfragen getraut. Frenkie macht beim Training nicht nur weitgehend mit, sondern zeigt auch alle Übungen vor, während ich mich müde und gezeichnet von unserem Tennismatch am nächsten Baum anlehne und bemerke, dass im Hintergrund Schafe blöken. Ein Spieler ist dieser Tage Papa geworden. Ihn holt Frenkie bei einer Regenerationspause zu sich und lässt ihn etwas auspacken: Ein Kinder-Dress vom SKN und einen Teddy-Bär mit violetter Schleife. „Grün hätte es auch gegeben. Aber die violetten waren billiger“, scherzt Frenkie und legt noch einen drauf, „aber tu das ja nicht verkaufen. Gib das deiner Frau.“ Neben mir kiebietzen noch Präsident und Sponsor Harald Fischer und Obmann Hans Sperl. Fischer ist Feuer und Flamme für Frenkie: „Er hat letztes Jahr schon aus einer nicht so guten Mannschaft eine gute gemacht und heuer hat er eine gute. Es ist alles drin.“

Ich bin kein Laptop-Trainer, leider. Oft kriegst bei uns ja dann einen guten Job, wenn du die schönsten Folien herzeigst. FRENKIE SCHINKELS

Die Auflösung Nach dem Training spendet mir Frenkie ein großes Bier und gönnt sich selbst nur ein kleines. Danach erkundigt er sich noch beim Masseur, wo es bei den behandelten Spielern gezwickt hat und drückt jenem auch noch ein „kühles Blondes“ in die Hand. Um 20:30 Uhr fahren wir. Jetzt traue ich mich endlich zu fragen, ob er sich noch an das Turnier am SC-Platz erinnern kann. Er kann! An die Gurke? „Was!?!“, Frenkie schaut mich verwundert bis neutral an. Ich kann aus seiner Mimik leider nichts herauslesen und hake nach: „Du wolltest mich nachher gleich umsensen, ist dir aber nicht gelungen!“ Er grinst. Ich glaub, er kann sich erinnern, sagt aber nix. Okay – Schwamm drüber! Nach einer kurzen Redepause, meint Frenkie: „Weißt was jetzt schön ist, Thomas? Ich seh’ nach der Arbeit noch meine Frau. Ich hab schon finanziell bessere Angebote gehabt, aber da wäre ich nicht um die Zeit heim gekommen ... wenn alles passt, würde ich natürlich schon auch weiter oben einen Job nehmen. So ist es nicht. Ich möchte auch irgendwann ruhigen Gewissens in die Pension gehen können. Ich bin 56.“ Als er mich dann in St. Pölten ablädt, bedanke ich mich für den leiwanden Tag und er fragt: „Rufst mich eh bald an?“ Wieso? „Na, i hoff’, dass du eine Revanche willst?“ Definitiv!

STATIONEN. Feyenoord, Alkmaar, SAK, Sportklub, Austria, VOEST, VSE und ÖFB! MFG 09.19

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MFG SPORT

VON HARLAND NACH KASACHSTAN & WIMBLEDON

Im Mai und Juni hält sich Jörg Bachl meist beim Hammerpark auf, ging dort heuer für die Tennisspielgemeinschaft (TSG) St. Pölten in der Landesliga C auf Punktejagd bzw. auswärts in Gars oder Fischamend. Im Urlaub darf’s dann schon mal Kasachstan sein oder das ATP-Turnier in Kitzbühel. Dort war der St. Pöltner „Chief Umpire“.

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n seiner Freizeit dreht sich beim Personalleiter von Kika/Leiner, Jörg Bachl, alles um die gelbe Filzkugel. Am Court hat es der 34-jährige St. Pöltner bis zum Mannschaftsmeister in der Landesliga B mit dem TC Harland (mit Alex Bilcik und dem jungen Markus Sedletzky) gebracht. Als Schiedsrichter hat er eine internati72

onale Karriere hingelegt, die ihn unter anderem bis nach Wimbledon führte. Begonnen hat aber auch hier alles am Luggauer Weg 9 in St. Pölten/ Harland. Obmann Dietmar Sedletzky suchte „hauseigene“ Schiedsrichter für das ÖTV-Turnier des TC Harland und Vereinsmitglied Bachl besuchte gleich den nächsten Kurs: „Werner

Hötzinger, der damals für das internationale Schiedsrichterwesen in Österreich verantwortlich war, hat ihn selbst geleitet. Danach hat er mich und ein paar andere gefragt, ob wir nicht weitermachen wollen.“ Bachl fand sich gleich bei der internationalen Nachwuchs-Turnierserie „Springbowl“ in St. Pölten und beim internationalen Rollstuhltennis-Turnier in Groß-Siegharts auf dem Stuhl wieder. „Dann bin ich sofort reingewachsen und die Turniere sind immer größere geworden. Da kommst du viel herum und siehst teilweise Städte, in die du als Tourist wohl nie kommen würdest, die aber durchaus auch ihre Reize haben“, strahlt Bachl.


TEXT: THOMAS SCHÖPF | FOTOS: BACHL/ZVG

Er absolvierte alle nationalen und internationalen Ausbildungsstufen und war bei Turnieren von allen drei WeltVerbänden, der „International Tennis Federation“ (ITF), der „Woman’s Tennis Association“ (WTA) und der „Association of Tennis Professionals“ (ATP) tätig. Heimische Highlights als Stuhlschiedsrichter waren die Turniere in Wien, Kitzbühel, Linz und Bad Gastein, sowie Davis-Cup und FedCup, international Linienrichter-Einsätze im Tennis-Mekka Wimbledon (von 2006 bis 2009). In Astana – beim Davis-Cup Kasachstan gegen Argentinien – hat es ihm am besten gefallen. „Die Stadt ist überraschend schön, die Leute dort überaus gastfreundlich SCHIEDSRICHTER UNTER SICH. Jörg Bachl (links) beim Davis Cup GER vs. HUN mit (v. l. n. r.) ITF Referee und Regional Officer Asia/Oceania Andrej Kornilov (UZB), den ATP Schiedsrichtern Carlos Bernardes (BRA) und Aurelie Tourte (FRA) sowie Chief of Umpires Patrick Mackenstein (GER).

und wir waren da in ein paar wirklich urigen Lokalen“, erinnert sich Bachl. Eineinhalb Jahre war Bachl, der auf der WU Betriebswirtschaft und Wirtschaftspädagogik abschloss, hauptberuflich Schiedsrichter. Bachl gibt das Hawk-Eye frei Heute ist Bachl im Urlaub als Oberschiedsrichter (oberste Instanz für alle Plätze) oder „Chief Umpire“ (Rekrutierung und Organisation) tätig, oder als „Review Offical“ für die korrekte Abwicklung des „Hawk-Eye“-Systems verantwortlich. „Das ist sehr spannend“, schildert Bachl begeistert, „im Vorfeld der großen Turniere bist du mit den Technikern beim Testing und Kalibrieren dabei. Dann sitzt du ganz oben am Platz in einer Kabine und bist verantwortlich dafür, dass der richtige Ball, den der Spieler noch einmal sehen will, eingespielt wird.“ Theoretisch könnte er einen völlig falschen Ballabdruck zeigen, der überall auf der Welt auch noch (live) im TV

BOWLING BILLARD CAFE-BAR LOUNGE

gezeigt wird. So ein Schnitzer ist Bachl allerdings noch nicht passiert. Es kann aber sehr wohl sein, dass ein Bild technisch nicht verfügbar ist: „Intern haben wir das Ergebnis aber immer.“ Dann erklärt Bachl per Funk dem Schiedsrichter, wie zu entscheiden ist. Beim Österreichischen Tennis Verband (ÖTV) ist Bachl als Schiedsrichterreferent vornehmlich für die Koordination der Landesschiedsrichterreferenten, Aus- und Weiterbildung, die Besetzung der Turniere sowie für die Kontakte zu den internationalen Verbänden verantwortlich. Als Spieler hat Bachl heuer mit der Tennisspielgemeinschaft (TSG) St. Pölten – deren Präsident er auch ist – den Klassenerhalt in der Landesliga C geschafft, im Einzel drei von sechs Partien gewonnen und im Doppel vier von sechs. Den Sommerurlaub verbrachte er beim ATP-Turnier in Kitzbühel, wo er als „Chief Umpire“ den ersten HeimTriumph von Dominic Thiem miterleben durfte.

SHOWHIGHLIGHTS IM VAZ IN ST. PÖLTEN

22.11.19

21.05.20 nxp-bowling.at

Strike up your life.

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MFG 09.19

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MFG KRITIKEN ZUM HÖREN Manshee | mikeSnare | Thomas Fröhlich | Dr. Schramek | Rob.STP | Dr. Ray B. (von links nach rechts)

BIFFY CLYRO

Der erste Soundtrack des schottischen Trios BIFFY CLYRO basiert auf Elementen des Shakespeare Dramas „Romeo und Julia“. Das Besondere ist das Zusammenspiel zwischen Bild und Ton, denn der Soundtrack stand zuerst. Ein facettenreiches Album – vom harten, verqueren Alternative Rock der frühen Alben über Pop-Elemente bis hin zum Mainstream mit Synthesizern, dezentem Funk-Bass und mehrstimmigen Gesängen.

WORK TO DO

MARC COHN AND BLIND BOYS OF ALABAMA

WHO ARE YOU NOW MADISON CUNNINGHAM

Seit ihrem letzten Werk hat die 21-Jährige fast ausschließlich auf Tour verbracht (u.a. mit Andrew Bird, Punch Brothers). Naheliegend, dass da ein Album über Beziehungsbrösel raus kommt. Aber was für eines: Zehn gefühl-, wie kraftvolle Blues- und Folk-Rock getränkte Songs mit wunderbaren Texten, die all die schwelgenden Vergleiche mit Joni Mitchell, Bob Dylan und Jeff Buckley als mehr als verdient bestätigen.

NON-RESPONSIVE PHACE & NOISIA

Mit „Walking On Memphis“ knallte Marc Cohn ein veritables One-HitWonder in die Musikgeschichte. Zwar konnte er an den Erfolg von damals nie wieder anschließen, gediegene Alben hat er aber immer abgeliefert. So auch das aktuelle, das er mit der fünffach Grammy ausgezeichneten Gospellegende Blind Boys Of Alabama eingespielt hat. Und der Herr sah, dass es gut war – Halleluja, HALLELUJA!

Wenn eine Promo von Phace & Noisia eintrudelt, bekommen alte Neuro-Drum & Bass Fans wie ich vor Vorfreude Schnappatmung. Es ist in den letzten 1-2 Jahren etwas stiller um besagten Sound geworden, es dominiert am Partysektor Jump-Up, den ich mit viel mentaler Bemühung als dadaistische Variante von Drum&Bass ernst nehmen kann. Erfrischend, wie Phace & Noisia mit nonresponsive dagegen halten.

1313 MOCKING BIRD LANE PAUL ROLAND

Der sich gerne in der musikalischen Twilight Zone aufhaltende britische Singer/Songwriter mit einem Faible für nachhaltige Melancholie legt nun ein sonnig-psychedelisches Pop-Album vor, bei dem auch Syd Barrett, früher Alice Cooper oder Joe Strummer ums Eck blicken dürfen. Die im Titel genannte Adresse ist jene der legendären TV-Familie Munsters – inhaltlich sind wir im Summer of Love gelandet. Bezaubernd!

THREADS

SHERYL CROW

Threads, Fäden, nennt Sheryl Crow ihr neues Album, und die laufen diesmal nicht alle in ihr zusammen, sondern die hat sie – per Duetten – mit Größen wie Eric Clapton, Neil Young, James Taylor, Keith Richards uvm. gesponnen. Das Liedgut? Meist gute Laune, manchmal ein Schuss Melancholie und mitunter harte Gesellschaftskritik wie in „Redemption Day“, im Duett mit dem vor 16 Jahren verstorbenen Johnny Cash.

ZUM SCHAUEN

ZUM SPIELEN

ZUM LESEN

Manshee | C. Schuhmacher

Christoph Schipp

H. Fahrngruber | M. Müllner

BLINDED BY THE LIGHT

REMNANT: FROM THE ASHES

DIE NEUEN SEIDENSTRASSEN

Inmitten der Unruhen in England in den 80er-Jahren schreibt der Teenager Javed Gedichte, um der Intoleranz seiner Heimatstadt und dem konservativen Vater zu entkommen. In Springsteens Liedtexten entdeckt er Parallelen zu seinem eigenen Leben und findet den Mut, sich in seiner eigenen Stimme auszudrücken. Ein Lobgesang auf die Wichtigkeit der Musik.

Im Survival-Horror angesiedelt macht das Game vieles richtig und ist ein solider Action-Adventure-Titel, den man im Koop-Modus mit bis zu drei Spielern bestreiten kann. Die zufällige Generierung der Welten ist eine der stärksten Eigenschaften des Spiels. „Remnant“ ist ein adrenalinhaltiges, überaus ansehnliches und intelligent inszeniertes Abenteuer im Stile der Soulsreihe.

One Belt, one Road, die Neuen Seidenstraßen, sind ein gigantisches Infrastrukturprojekt, das großteils von der VR China geplant, finanziert und gebaut wird. Der politische und wirtschaftliche Einfluss Chinas wird weiter global ausgedehnt und gestärkt, Konflikte mit Transitund Zielländern, v. a. aber mit anderen Supermächten werden unvermeidbar sein.

RAMBO: LAST BLOOD

CONTROL REMEDY

FREDERIK OBERMAIER, BASTIAN OBERMAYER

Auch nach fast 40 Jahren Schurkenjagd ist dem ergrauten Actionheld John Rambo (Sylvester Stallone) kein Pensionierten-Dasein gegönnt. Seine Nichte Gabrielle wird entführt und so muss er zu seinem übergroßen Messer greifen und sich mit einem Menschenhändler-Ring anlegen. Um sein Ziel zu erreichen, ist Rambo wie gewohnt beinahe jedes Mittel recht.

Remedy hat mit „Control“ ein durchaus sehr stimmiges Mystery-Actionspiel abgeliefert. Grafisch super in Szene gesetzt bietet „Control“ eine gelungene Atmosphäre und das Quest-Design kann sich sehen lassen. Die Kämpfe machen richtig Spaß! Leider hat die Story mit der einen oder anderen Schwäche zu kämpfen und macht es so nicht zu dem erhofften Meisterwerk.

Ibiza überall. Umso wichtiger ist es, die Aufmerksamkeit auf Fakten zu lenken. Die Aufdecker-Journalisten erklären, wie es zum folgenschweren Skandal kam – und was die beiden Protagonisten im unveröffentlichten Video von sich geben. Statt Voyeurismus erwartet den Leser die Erkenntnis, dass Strache & Co. weiter tarnen, täuschen und das Volk verarschen.

GURINDER CHADHA

ADRIAN GRUNBERG

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GUNFIRE GAMES

PETER FRANKOPAN

DIE IBIZA-AFFÄRE

FOTOS: ZVG

BALLANCE, NOT SYMMETRY


MFG VERANSTALTUNGEN HIGHLIGHT VAZ St. Pölten

ALBERT HAMMOND

Foto: Andreas Weihs

15. NOVEMBER Albert Hammond schreibt seit über 50 Jahren Hits. Seine Lieder sind verantwortlich für den Verkauf von über 360 Millionen Platten weltweit, darunter mehr als 30 ChartHits. Aus seiner Feder stammem Welthits wie The Air that I breathe (Hollies), 99 Miles from LA (Art Garfunkel), One Moment in Time (Whitney Houston), When I need you (Leo Sayer), Nothing’s Gonna Stop us now (Starship) oder I don’t wanna lose you (Tina Turner). Auch unter seinem eigenen Namen gelangen ihm unzählige Hits wie The Free Electric Band, Down By The River, It Never Rains In Southern California uvm.

ROCK OUT M/ DJ MARCO

HAMLET

STP METALWEEKEND

SOUNDS OF AFRICA

13. SEPTEMBER St. Pöltens Greatest Alternative Rock Party kehrt aus der Sommerpause zurück mit Dj Marco Pogo, Sänger von TURBOBIER als Special Guest Dj inkl. den besten Skate und Bier Visuals aus der lokalen und internationalen Szene! Außerdem bei der „Rock Out #27 – Skank‘N‘Twist Night Edition“: Veraweena, Paul le‘Buche und Tintifucks.

AB 27. SEPTEMBER Der junge Hamlet erlebt die Wirklichkeit wie einen bösen Traum, in dem sämtliche Regeln und Gesetze außer Kraft gesetzt sind. Denn wie kann es anders sein, wenn seine Mutter den Mann heiratet, der seinen Vater ermordet hat? Regisseur Rikki Henry inszeniert Shakespeares rätselhafte Tragödie als modernen Mythos über Macht und Moral.

27.-28. SEPTEMBER Ende September startet im frei:raum das Metalweekend. Mit dabei sind u. a. DISBELIEF, SCHIRENC PLAYS PUNGENT STENCH, EPSILON, UNDERTOW, POPPY SEED GRINDER oder COMMANDER. Mit spitzer Zunge wird Richard Met zum bereits sechsten Mal durchs Weekend führen und die insgesamt 11 Bands anmoderieren.

29. SEPTEMBER Im Rahmen des Festivals Musica Sacra präsentiert der Cape Town Opera Chorus das besondere Programm „Grace Notes“. Sakrale Kompositionen von Byrd, Palestrina, Duruflé und Pärt werden hier mit religiöser Musik der Xhosa, Venda, Zulu und Suaheli verwoben – ein Hörerlebnis der besonderen Art, wenn kulturelle Klangwelten aufeinandertreffen.

WARHOUSE

| PARTY

LANDESTHEATER

| THEATER

BLÄTTERWIRBEL

INSIEME

AB 2. OKTOBER Doron Rabinovici eröffnet den diesjährigen Blätterwirbel und liest aus seinem Buch „I wie Rabinovici. Zu Sprachen finden“, in dem er Aspekte des Widerständigen in der Literatur auslotet, sowie seinem Roman „Die Außerirdischen“, in dem er von einer Gesellschaft erzählt, die keine Außerirdischen braucht, um sich selbst unheimlich zu werden.

18. OKTOBER Christian Deix, Monika Ballwein, Erik Arno und René Velazquez-Diaz präsentieren als Gruppe „Insieme“ wieder „Una Notte Italiana – Die Italienische Nacht“ mit neuen Songs und dem Besten, was die italienische Musik zu bieten hat, u. a. mit Hits wie Azzurro, Ti Amo, Volare, That´s Amore, Laura Non C’è, Adesso Tu uvm. Italo Pop Non Stop!

STADTMUSEM | LITERATURFESTIVAL

VAZ ST. PÖLTEN

| KONZERT

WILLI RESETARITS

EDUARDO GUERRERO

18. OKTOBER Der Stubnblues kann ziemlich alles. Willi Resetarits und seine Wegbegleiter erfinden, auf der Höhe der Zeit musiziert, die Band permanent neu – und ein bisschen auch die Welt. Weil das so ist, wenn sich Talent, Leidenschaft und Herzensbildung treffen. Das Vertraute moderiert das Neue ein, und das Neue lässt das Vertraute ganz eigenwillig glänzen.

24. OKTOBER In seiner Flamenco-Kreation stellt Guerrero die Beziehungen zu Frauen in den Fokus: Mutter, Freundin, Geliebte oder Wegbegleiterin – auf der Bühne verkörpert durch drei virtuose Sängerinnen, die gemeinsam mit ihm performen. Mit Drama, schwindelerregenden Drehungen und starkem Ausdruck wird ein Kampf der Gefühle ausgefochten.

BÜHNE IM HOF

| KONZERT

FESTSPIELHAUS

| TANZ

FREI:RAUM

| FESTIVAL

| KONZERT

DOM ZU ST. PÖLTEN

VAZ ST. PÖLTEN

KONZERTE | EVENTS | MESSEN | KONGRESSE

SA 05.10. // 20:00

THE CHIPPENDALES FR 01.11. // 14:00

CONNI – DAS SCHUL-MUSICAL DO 14.11. // 19:30

MONIKA BALLWEIN CELEBRATES THE BEATLES DO 21.11. // 19:30

MICHAEL SCHERUGA Tickets im VAZ St. Pölten, ticket@nxp.at, www.vaz.at, 02742/71 400 in allen Raiffeisenbanken, Geschäftsstellen von www.oeticket.com und unter www.noen.at/ticketshop VERANSTALTUNGSBETRIEBS GMBH

MFG 09.19

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MFG

AUSSENSICHT

NATIONALRATSWAHL IM ZEICHEN VON IBIZA „Bei dieser Wahl geht es weit mehr um die Vergangenheit als um die Zukunft.“

„Der Wahlkampf verkommt zum kollektiven Durchschummeln!“

Am 29. September wählen wir einen neuen Nationalrat. Und selbst auf die Gefahr hin, wie der zynische alte Grantler vom Dienst zu wirken, möchte ich festhalten: Zum ersten Mal fühlt es sich für mich an, als ob es bei dieser Wahl weit mehr um die Vergangenheit geht als um die Zukunft. Denn die Frage, wie Sie die vergangenen eineinhalb Jahre, die türkis-blaue Regierung und die Folgen, beurteilen, taugt wahrscheinlich als der weit bessere Indikator, wen Sie jetzt wählen werden, als all die schönen neuen Ideen, die die Parteien in ihre bisher bekannten Programme geschrieben haben. Wenn Sie zum Beispiel der Meinung waren, dass Sebastian Kurz ein guter Kanzler war – sagen wir, weil er klarer und entschlossener kommuniziert hat als viele seiner Vorgänger und verstanden hat, seine Regierung als besonders fleißig zu inszenieren – stehen die Chancen ganz gut, dass Ihre Stimme an die ÖVP gehen wird, obwohl die zu Redaktionsschluss außer einer Ausweitung des Kopftuchverbots noch nicht viel Neues präsentiert hat. Das weiß auch die FPÖ, die klarer als jede Partei zuvor mit einer einzigen Koalitionsvariante wirbt, der Fortsetzung von türkis-blau. Ein schlauer Zug, weil die größte Gefahr für Hofer, Kickl und Co. die Wählerflucht Richtung Kurz ist; wenn sie den Eindruck erwecken, dass das z. B. die Chancen auf türkis-grün erhöht und nur eine Stimme für blau den Kurz-Kurs absichert, gewinnen sie. Haben Sie dagegen gefunden, dass die Sprengung der rot-schwarzen Koalition und die folgende Marginalisierung der SPÖ eine Sauerei waren, könnte Pamela RendiWagner auf Ihre Stimme hoffen. Wer dagegen Wert auf engagierte Oppositionsarbeit mit klarer inhaltlicher Kante legt, könnte Richtung Neos tendieren; und wem schließlich die Grünen zuletzt mehr als Peter Pilz gefehlt haben, wird wohl Werner Kogler wählen. Man kann bedauern, dass Wahlen nicht immer in Debatten über die Zukunft entschieden werden. Oder sich damit abfinden – und es als Wahlhilfe nutzen: Wenn Sie wissen, wo Sie die letzten eineinhalb Jahre standen, wissen Sie wahrscheinlich auch, wo Sie am 29. stehen werden. 76

JAKOB WINTER

Aufgewachsen in St. Pölten, emigriert nach Wien, Redakteur beim „profil“.

Vielleicht erinnern Sie sich noch, was in den vergangenen drei Monaten so los war: Die Ibiza-Affäre legte schonungslos die Schwächen des Parteiengesetzes offen. Und langsam sickerte in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Auswirkungen der Klimakrise – angefeuert von einem überdurchschnittlich heißen Sommer und Schülerprotesten. Die Relevanz beider Themen ist offensichtlich – umso mehr verwundert es, dass die Parteien im Wahlkampf darauf nur wenig ernstzunehmende Antworten formulieren. Da wäre zunächst Ibiza: In dem berüchtigten Videomitschnitt plauderte die zurückgetretene FPÖ-Spitze freimütig über Vereinskonstrukte, mit denen Parteispenden am Rechnungshof vorbeigeschleust werden sollten. Doch im Parlament kam es trotz diesem Skandal nur zu einer minimalen Korrektur des Parteiengesetzes. Entscheidende Änderungen blieben ausgespart: Es gibt weiterhin keinen Straftatbestand für illegale Parteienfinanzierung. Es ist möglich, ungestraft Parteispenden über dubiose Vereinsnetzwerke einzusammeln – und damit alle Beschränkungen zu umgehen. Und dem Rechnungshof wird noch immer der direkte Einblick in die Bücher der Parteien verwehrt. Ja, die Kleinparteien Liste Jetzt, Neos und Grüne haben zwar weitreichende Forderungen zu mehr Transparenz in den Wahlprogrammen. Doch ÖVP, SPÖ und FPÖ, die – in welcher Konstellation auch immer – mutmaßlich die nächste Regierung bilden werden, kommen mit ihren Beteuerungen durch. Auch in Sachen Klimaschutz bleiben die Wahlwerber Konkretes schuldig: In den vergangenen Wochen wurde vornehmlich darüber diskutiert, was alles nicht geht: Das Schnitzel dürfe nicht teurer werden, Autofahren schon gar nicht. Es stimmt schon: Klimapolitik wird ein Nischenprogramm bleiben, wenn die Maßnahmen starke Einschnitte in der Lebensqualität bedingen. Doch selbst Positivanreize – wie etwa der starke Ausbau öffentlicher Verkehrsanbindungen – spielen in den Kampagnen kaum eine Rolle. So verkommt der Wahlkampf zum kollektiven Durchschummeln. Vielleicht erinnern Sie Ihre Regionalkandidaten daran.

FOTOS: LUIZA PUIU, SEBASTIAN REICH

GEORG RENNER

Der Wilhelmsburger arbeitet als Journalist bei der „Kleinen Zeitung“.


AB 4.9.

AB 19.9.

AB 3.10.

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REICH(L)EBNERS PANOPTIKUM

EUROPA-THERAPIE. Die Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt entfaltete für die geschundene St. Pöltner Seele auch therapeutische Wirkung. Manch Kindheitstrauma konnte aufgearbeitet werden, um unbelastet für Größeres, nämlich Europa, bereit zu sein. 78


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