Der Polo Der Taigo
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Der neue Golf Der T-Cross
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1Limitiertes Privatkunden-Angebot, gültig solange der Vorrat reicht, von 02.09.2024 bis längstens 30.11.2024 (Kaufvertragsdatum): Kostenlose Alu-Winterkompletträder (kleinstmögliche Dimension) bei Kauf eines Polo, T-Cross, Taigo, T-Roc, T-Roc Cabriolet, Golf oder Golf Variant. Kraftstoffverbrauch: 0,3 – 8,9 l/100km. Stromverbrauch: 14,0 – 20,6 kWh/100 km. CO2-Emissionen: 0 – 201 g/km. Symbolfoto. Stand 09/2024.
3100 St. Pölten
Breiteneckergasse 2
Telefon +43 505 91123
ZWICKERBUSSI
Ein bisschen ist das ja wie mit heranwachsenden Kindern. Wenn man sie lange nicht sieht, merkt man erst die unglaubliche Entwicklung, die sie seit dem letzten Besuch genommen haben. Ich erinnere mich diesbezüglich etwa noch herzhaft schmerzhaft an den alljährlichen Besuch von Tante Reserl, die ihre Begrüßung, garniert mit einem deftigen Zwickerbussi, immer mit den Worten „Ma, du bist aber groß geworden!“ eröffnete. Ein solches Aha-Erlebnis hatte unlängst auch BestsellerAutorin Vea Kaiser. Nach längerer Abwesenheit verbrachte sie wieder einmal Zeit in St. Pölten, wo ihr, wie sie in ihrer Kolumne im freizeit-KURIER schreibt, ein „kurzer heftiger Urlaubsflirt“ passierte. „Ja, ich verknallte mich in St. Pölten, meine Geburtsstadt, die nie wieder länger als nötig zu betreten, ich mir nach der Matura geschworen hatte. […] Auf meinen Wegen durch die Stadt erlebte ich nicht das Landeshauptkaff von damals, sondern eine hippe und entspannte City.“ Als Elternteil (so wollen wir uns als Bürger jetzt einfach einmal nennen) freut man sich über derlei Lob natürlich. Zugleich ist es ein guter Anlass, bewusst einen Schritt zurück zu treten und den Junior quasi aus der Distanz näher zu betrachten – und ja, Vea Kaiser hat völlig recht. Da ist in den letzten Jahren ordentlich was weitergegangen, sowohl sphärisch, wie es die Autorin empfindet, als auch ganz konkret, was ja oft die Basis für das Sphärische schafft. Ein Wachstumsschub ist unverkennbar. Wachstumsschmerzen auch, wie manche meinen? Darüber lässt sich trefflich streiten, und das wird auch getan, was völlig legitim und wichtig ist. Eltern wollen ja im Idealfall immer das Beste für ihre Kinder – da tun Diskussionen über die richtigen (Erziehungs)Maßnahmen, über Ausstattung, Bildung, Arbeit, Kultur, Freizeit, Freunde etc. not. Die Stadt ist jedenfalls auf vielen Ebenen und auf vielerlei Weise gewachsen. Allein die neun neuen Plätze, die wir in dieser Ausgabe vorstellen, sind erst in den letzten zwölf Monaten ins Erscheinungsbild getreten. Ob sie auch das
Potenzial zu neun Schätzen haben, wird sich weisen – für die meisten bin ich persönlich aber durchaus zuversichtlich. Manches muss sich halt erst zusammenwachsen, wie das so ist bei Heranwachsenden. Dem nicht genug sind zuletzt Weichen für die Zukunft gestellt worden, die ihre volle Kraft erst sukzessive entfalten werden, dies dafür aber umso nachhaltiger. Während dabei die Präsentation des Polizeisicherheitszentrums für rund 1.000 Mitarbeiter im Endausbau mit großem Trara kommuniziert wurde, schleicht manches auf eher leisen Sohlen daher. So wird aktuell bereits das ehemalige Alumnat in der Wiener Straße (Sie wissen schon, Codewort „Bubendummheiten“) in einen KPH Campus umgebaut. Bis zu 600 angehende Grundschullehrer werden dort ab 2025 studieren – und das mitten in der City. Nicht minder zukunftsträchtig ist der neue Grillparzer Campus (ja, „Campus“ ist offensichtlich gerade ein angesagtes Wort), wo die Rahmenbedingungen für die Musik- und Kunstschule mit ihrem breiten Angebot in allen Sparten kreativer Tätigkeit auf ein komplett neues, zeitgemäßes Level gehoben werden. Schließlich – mein persönlicher, weil nostalgischer Favorit – sei auch noch die die neue Stadtbücherei am Domplatz erwähnt. Auch so ein Möglichkeits- und Entfaltungsraum, wo das Denken geschult und der Horizont erweitert wird. Und ich frage mich, wie sich die Stadt unter diesen neuen Bedingungen weiterentwickeln wird? Was bedeuten diese Weichenstellungen für die Zukunft kommender Generationen?
Da geht es mir dann wie der Tante Reserl bei der Verabschiedung, wenn sie fast wehmütig meinte „Na ich bin schon gespannt, wie du nächstes Jahr aussiehst.“ Dann strich sie mir zärtlich durchs Haar und verabschiedete sich – ganz ohne Zwickerbussi, dafür mit einer innigen Umarmung und viel Liebe. Und das ist schließlich das Wichtigste, was Kinder brauchen, ob sie nun Leo, Babsi, Mohammed, St. Pölten oder Österreich heißen. Denken Sie daran, wenn Sie am 29. September zur Wahl gehen!
Offenlegung nach §25 Medien-Gesetz: Medieninhaber (Verleger): NXP Veranstaltungsbetriebs GmbH, MFG - Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten. Unternehmensgegenstand: Freizeitwirtschaft, Tourismus und Veranstaltungen. Herausgeber/GF: Bernard und René Voak, in Kooperation mit dem Kulturverein MFG. Grundlegende Blattlinie: Das fast unabhängige Magazin zur Förderung der Urbankultur in Niederösterreich. Redaktionsanschrift: MFG – Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten; Telefon: 02742/71400-330; Internet: www.dasmfg.at, Email: office@dasmfg.at Chefredakteur: Johannes Reichl Chefredakteur-Stv.: Michael Müllner Chefin vom Dienst: Anne-Sophie Müllner Redaktionsteam: Thomas Fröhlich, Sascha Harold, Johannes Mayerhofer, Michael Müllner, Andreas Reichebner, Thomas Schöpf, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller Kolumnisten: Thomas Fröhlich, Michael Müllner, Tina Reichl, Roul Starka, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller Kritiker: Helmuth Fahrngruber, Thomas Fröhlich, David Meixner, Michael Müllner, Clemens Schumacher, Manuel Pernsteiner, Maximilian Reichl, Christoph Schipp, Robert Stefan, Thomas Winkelmüller Karikatur: Andreas Reichebner Bildredaktion: Anja Benedetter, Matthias Köstler, Hannah Strobl Cover: Stadtarchiv St. Pölten Art Director & Layout: a.Kito Korrektur: Anne-Sophie Müllner Hersteller: Walstead NP Druck GmbH Herstellungs- und Verlagsort: St. Pölten Verlagspostamt: 3100 St. Pölten, P.b.b. Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2. Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr. Für den Inhalt bezahlter Beiträge ist der Medieninhaber nicht verantwortlich.
3 Editorial
6 In was für einer Stadt leben wir
URBAN
7 Shortcut Urban
8 Ein Ort zum Vergessen
16 Doch keine Mariahilferstraße
20 ... und es bewegt sich doch
22 Under Construction
26 Ortskernbelebung
28 Die letzten Jahre der 2. Republik
34 9 neue Plätze – 9 neue Schätze?
40 It‘s a Kidsworld
44 Von der Donau an die Traisen
46 Was kostet es die Zukunft zu gestalten?
KULTUR
50 Shortcut Kultur
52 Das ist nicht nichts
58 Isma Forghani – Der Siegelring
SZENE
66 Shortcut Szene
68 Give Peace a Chance SPORT
70 Klettern am Glanzstoffareal
72 Mit neuen Leitwölfen zu neuen Höhenflügen
74 Kritiken
75 Veranstaltungen
76 Außensicht
78 Karikatur
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IN WAS FÜR EINER STADT LEBEN WIR EIGENTLICH ...
in der im Landestheater Niederösterreich immer wieder der aus dem Fußball bekannte Red Bull Effekt zum Tragen kommt. Der kleine Fußballverein aus Salzburg spielt ja seit Jahren im europäischen Spitzenfußball mit und bringt Jahr für Jahr kommende Weltstars hervor. Ähnlich im Landestheater. Nicht nur, dass man als „kleines“ Haus Schauspielkunst auf Champions League Niveau kredenzt, werden hier auch große Karrieren geschmiedet. Verdienten sich anno dazumal etwa spätere Stars wie Albin Skoda, Richard Eybner oder Sänger Peter Minich ihre erste Sporen, so zeigte man zuletzt vor allem auf Führungsebene auf! Die Besten der Besten werden in der Provinz „gestählt“ und wechseln gereift – in dem Fall nicht zu größeren Fußballklubs –sondern an renommiertere Häuser. So geht die künstlerische Leiterin Marie Rötzer in ihre letzte Saison, weil sie ab kommendem Jahr das künstlerische Szepter in der Josefstadt und den Kammerspielen in Wien schwingen wird. Ihre Vorgängerin Bettina Hering, zur Erinnerung, ereilte ehemals der Ruf der Salzburger Festspiele, wo sie zur Schauspielchefin avancierte. Und ihr damals kaufmännisches Pendant, Robert Beutler, wurde als Krisenfeuerwehr nach Wien gerufen, um die operativen Agenden im damals krisengebeutelten Wiener Burgtheater zu übernehmen. Red Bull, eigentlich St. Pölten, verleiht Flügel!
in der man in Sachen „Stadtbücherei“ schon mal nostalgisch werden kann. Ältere Semester erinnern sich vielleicht noch an die alte Bücherei im Palais Wellenstein. Als Kind war der Besuch alleine schon aus zwei nichtbibliophilen Gründen ein Erlebnis: Neben dem Haupteingang schloss das Espresso von Nino Fedrizzi an, der scheinbar Tag und Nacht – als gehörte er zum Fixmobilar – im weißen Unterleiberl hinter der Eistheke stand und ein Flair von „Heiße Nächte in Palermo“ verströmte. Hatte man die elendsschwere Holztür daneben überwunden, gings über knarzende Holzstufen hinauf in den ersten Stock, wo man unter dem gestrengen Blick der Beamten sein braunes Ausleihheftchen vorlegte. Warum wir Ihnen das erzählen? Weil die Zentrale der Stadtbücherei nunmehr quasi zurück in die Hood gezogen ist und ab sofort direkt am Domplatz logiert. Ein absolut gelungenes Haus mit Wohlfühlfaktor und Schmökergarantie. Und wenn Bibliotheken heute auch längst über ein digitales Alter Ego verfügen, so schätzt man doch noch das analoge Erlebnis in der „Bücherei“ – 52.000 klassische Medien stehen zur Verfügung, von – eh klar – Büchern über Zeitschriften und Filme bis hin zu Brettspielen und Games. Die Ausleihe wird allerdings nicht mehr in braune Heftchen gestempelt (!), sondern auf eine Card gebucht … schade eigentlich – aber nur aus Sicht von Nostalgikern.
in der Österreichs bestes Märzenbier auch 2024 wieder aus St. Pölten kommt. Mit goldener Farbe, feinporigem Schaum und einer „guten Drinkability bei mildem Hopfenprofil“ hat sich das Märzen aus der Privatbrauerei Egger zum 6. Mal in Folge Platz eins unter den MärzenBieren bei der Falstaff Bier Trophy gesichert. Vorbei die Zeiten, als das Egger noch – vielleicht auch aufgrund seines bis heute durchgängigen Kampfpreises – als Baustellenbier verunglimpft wurde, oder manche naserümpfend, weil Egger am selben Gelände auch Holz verarbeitet, witzelten: „Das schmeckt nach Spannplatte.“ Die Jury sieht‘s ganz anders und konnte dem „Geruch nach Butterbrezel und Salzcracker im hellen Getreide“ nicht widerstehen und zeichnete den süffigen hopfenhaltigen Durstlöscher mit 93 FalstaffPunkten aus. Was auch die SKNFans freuen dürfte. Denn das in Unterradlberg gebraute Bier wird ab heuer wieder im SKNStadion ausgeschenkt. Märzen oder Lagerbier ist übrigens die beliebteste Biersorte Österreichs, mit einem Marktanteil von rund 70 Prozent. Immer gefragter sind alkoholfreie Biere, und auch da hat Egger einen Champion: Das Egger Zisch ist mit 89 von 100 FalstaffPunkten dekoriert. Und das Egger Zwickl holte Bronze bei Falstaff und den VizemeisterTitel bei der Bierstaatsmeisterschaft, der Austrian Beer Challenge. Na dann –prost!
NICHT FISCH NICHT FLEISCH …
… sondern Huhn ist das neue ItEssen am Fastfood-Sektor. So wird direkt am Bahnhofsplatz St. Pölten, in der ehemaligen LIBRO-Filiale, gerade fleißig am neuen Kentucky Fried Chicken (KFC) gearbeitet. Chicken in allen möglichen Varianten ist dabei Programm. Damit wird auch ein neues Match eröffnet, quasi Spitzbart (das Markenzeichen von Firmengründer Harland Sanders, verewigt im KFC Logo) gegen die weißen Kittel der Kostrhon-Damen in der Brunngasse. Letztere versor-
Dgen die Stadt als lokaler Gambler schon seit Jahrzehnten bei konstant hoher Qualität mit Hendl-Fastfood, als das noch gar nicht so genannt wurde. Ob KFC mit Kostrhons Hühnerkeulen, Schnitzel- und Hühnerlebersemmerl samt Gemüsemayo, frischen Zwiebeln und Gurkerl mithalten kann? Der US-Boy darf sich jedenfalls warm anziehen!
Für andere Anbieter in St. Pölten ist dahingegen eh alles für die Fisch. Nordsee hat die Anker im Traisenpark gelichtet.
DISKUSSIONS-STOFF
er Domplatz und „seine“ Kunstinstallationen bleiben eine durchwachsene Geschichte. Wurde „Ein Bad für Florian“ zwar „besetzt“, der geschnitzte Florian aufgrund seiner Proportionen (Smallsizekopf auf Schwarzenegger-Body) im Volksmund aber rasch zum „Schrumpfgermanen“, so kämpft die aktuelle Installation von Mariana Castillo Deball, inspiriert von den mittelalterlichen Friedhöfen darunter, vor allem mit dem Wind. Rasch verwickelten sich die Stoffteile um die Gestänge, so dass ihr Inhalt nicht mehr zu sehen war. Versuchte man, dem Problem zunächst mit Beschwerungen Herr zu
werden, so wurden sie nun endgültig aufgehängt. Ob im Sinne der Künstlerin, who knows, dafür bieten sie jetzt den versprochenen Schatten – schade, dass der Sommer vorbei ist. Aber das macht Kunst im öffentlichen Raum aus: Work in progress und Diskussionsstoff. Noch bis 2. November.
PROBLEMLÖSUNG
Seit Kamala Harris ins Rennen um die US-Präsidentschaft eingestiegen ist, verkürze ich meinen wohlverdienten Schlaf mit Ausschnitten aus Wahlkampfreden und Analysen, welcher Swing State „in the play“ ist. Das können Sie jetzt ruhig dumm finden. Ja, man kann seine Zeit besser verschwenden. Aber es lenkt mich vom Wahlkampf in Österreich ab. Wenn Sie mir schon mit dumm daherkommen.
Ich halte es ja mit Josef Hader: Der Dumme schimpft über das, was weit weg ist. Ob er das nicht sogar auf jemanden bezog, der sich über „die Amerikaner“ ausgelassen hat? Wenn bei uns Herbert Kickl den Volkskanzler macht, brauchen wir über MAGA-Clowns nicht spotten. Emotion statt Funktion, das ist das Problem. Natürlich gehört vieles repariert. Aber dafür braucht es funktionierende Lösungen, nicht funktionierende Stimmungen.
Womit wir bei St. Pölten Stadt und Land sind. Wie sehen Sie das? So viel gesudert wurde schon lange nicht, oder? Auch wenn die meisten unterschreiben, dass es hier lebenswert und schön ist, kommt man in Gesprächen sehr rasch auf Themen, die uns aufregen. Gemeinden haben einen eigenen Wirkungsbereich. Die Bürgermeister sind zwar nicht allmächtig, aber doch sehr durchsetzungsstark. Sie können nicht nur verwalten, sondern auch die Zukunft gestalten. Ich bin mir sicher, sie wären darin weit besser, würden wir alle öfters den Mund aufmachen. Nicht in Empörungskammern auf Facebook. Sondern höflich, sachlich und direkt ins Gesicht (oder zumindest per E-Mail). Am Ende sind wir dann Teil der Lösung, nicht des Problems. Wer traut sich als erster?
EIN ORT ZUM VERGESSEN
Müllhalde, NS-Zwangsarbeiterlager, Armenunterkunft – „Korea“ ist seit mehr als hundert Jahren ein Schandfleck für St. Pölten. Die düstere Geschichte dieses Areals geriet in Vergessenheit, bis ein Schriftsteller 2005 erstmals darüber schrieb. Wie kann eine Stadtbevölkerung kollektiv vergessen? Und was wurde eigentlich aus den Menschen, die dort leben mussten?
Da drüben in der Au habe ich als Kind eine Frau liegen gesehen. Die hatte wer mit einem Strumpf stranguliert. Den Mörder haben sie dann eh erwischt, war aber keiner von uns“, sagt Ricardo Hnilicka und zeigt zwischen einige Bäume. Auf der Lichtung, auf der er nun steht, lebte er vier Jahre lang –und kam auch lange danach noch fast täglich her, um Zeit mit seinen Freunden zu verbringen. Heute ist das Areal überwuchert, nichts erinnert mehr an seine leidvolle Geschichte, außer einigen umgefallenen und im hohen Gras liegen gelassenen Betonpfeilern, die einst einen
Stacheldrahtzaun trugen. Bis auf Hnilicka wollte kein Interviewpartner namentlich genannt werden, so schwer ist das Stigma, das diesen Ort belastet. Die Namen der anderen Zeitzeugen sind der Redaktion bekannt, in diesem Artikel werden zur Anonymisierung aber falsche Namen verwendet.
Wir befinden uns in der Au südlich der Viehofener Seen. Bis zum Jahr 1906 blieb dieses kleine Wäldchen nahezu unberührt, dann fing die neu gebaute Glanzstoff-Fabrik an, ihre Chemieabfälle dort zu entsorgen. Außerdem grub und betonierte man damals das sogenannte „Säurebachl“ direkt durch die Au; einen Abfluss der Glanzstoff, durch den knallgelbe Chemikalien mehr oder weniger ungefiltert in die Traisen geleitet wurden. Auf dieser Müllhalde errichteten die Nazis im zweiten Weltkrieg zwei Zwangsarbeiterlager: eines für ungarische Juden, ein anderes für zumeist uk-
rainische Zivilisten. In Chroniken wurden diese beiden Lager bis zum Jahr 2005 nie erwähnt. Bis der Autor Manfred Wieninger über sie schrieb; und die Überraschung in der Stadt groß war: Ein Judenlager in St. Pölten – das war den Meisten neu. 2017 wurde das Gelände, auf dem Hnilicka nach dem Krieg wohnte, dann ganz unzeremoniell planiert und die letzten Reste „Koreas“, wie man es nannte, entfernt. Das Judenlager im Norden hatte man in einem monumentalen Akt österreichischer Vergangenheitsbewältigung bereits im Jahre 1985 unter 655.000 Kubikmetern Wasser versenkt; der dadurch entstandene Viehofnersee ist heute ein Naherholungsgebiet. Beste Voraussetzungen also dafür, dass ein solch geschichtsträchtiger Ort in Vergessenheit geraten konnte.
Unfreiwillig hilfswillig
Das Deutsche Reich unter Hitler verschleppte Menschen aus allen Gebieten, die es besetzen konnte und setzte sie als Arbeitssklaven ein. In der Viehofener Au waren es 300 sogenannte „Hilfswillige“, zwei Drittel davon Frauen, die ihren Dienst in der Glanzstoff leisten mussten. Sie stellten Fallschirmseide oder Reifencord her, genau lässt sich das heute nicht mehr sagen. Was man aber weiß ist,
Die meisten Leute haben sich nicht getraut, zu uns nach Korea zu kommen. Aber solange einer normal war, hat ihm fast keiner was getan.
RICARDO HNILICKA (WOHNTE VON 1956–1961
KOREA. BILD LINKS)
Wenn dich die Koreaner erwischen, fesseln sie dich mit Stacheldraht und schmieren dich mit Scheiße ein.
HISTORISCHER
BESTAND
1 Korea
2 Judenlager
3 Ausländerlager
4 Glanzstoff
5 Barackensiedlung
6 Traisensiedlung
7 Säurebachl
8 Zehn Häuser
AKTUELLER BESTAND
A Traisenpark
B Traisencenter
C Fachhochschule
D Viehofnersee
E Sportzentrum
DAS GLASSCHERBENVIERTEL. Am 1. April 1945, Ostersonntag, flogen etwa hundert schwere Bomber vom Typ B-24 „Liberator“ der 15th Air Force der USA einen Luftangriff auf St. Pölten. Dabei entstand dieses Luftbild vom Norden der Stadt. Korea und das Judenlager sind in der Au gut zu erkennen. Die Baracken in der Herzogenburgerstraße und Matthias Corvinus-Straße gehörten im Ersten Weltkrieg zu einem Militärspital, in der Zwischenkriegszeit zogen arme Leute ein und brachten ähnliche Sitten wie in Korea. So entstand die Bezeichnung „Glasscherbenviertel“ für das Gebiet, das sich vom Mühlweg bis nach Korea erstreckte. Die „zehn Häuser“ gehörten ebenfalls dazu. Damit ist der Wohnblock am Mühlweg, begrenzt von der Peppertstraße und der Doktor Bilcik-Gasse, gemeint, den es heute noch gibt. Das Mühlwegkino gleich daneben hieß im Volksmund „Blutoper“. Zwischen Traisencenter und Glanzstoff befanden sich Schrebergärten und ein weiteres Barackenlager für 400 Zwangsarbeiter.
Soldaten mit Stahlhelmen, Gewehren und – das weiß ich noch genau –Gasmasken am Gürtel haben das Lager bewacht.
ZEITZEUGE PICHLER
dass die Glanzstoff aufgrund dieser Arbeitssklaven ihre Produktion zwischen 1939 und 1944 von 2.100 auf 9.500 Tonnen pro Jahr steigern konnte. Im für sie errichteten Barackenlager schliefen 30 Leute in einem Zimmer. Sechs Tage pro Woche verrichteten sie Zwölf-StundenDienste in der Fabrik. Waren es anfangs Kriegsgefangene, die in den sechs Baracken hausen mussten, kamen spätestens 1942 verschleppte Zivilisten aus der Ukraine und Russland, aber auch anderen Staaten wie Frankreich, Italien, der Tschechei oder Griechenland zum Einsatz. Von den Fußwegen rund um das Gebiet sah man Korea nicht, weil die Au es verdeckte. Die Anrainer wussten aber natürlich sehr wohl, dass es das Lager gab. „Zum Zaun haben wir Kinder uns schon getraut“, erzählt Zeitzeuge Pichler, „da haben wir Hasenfutter geholt. Aber stehen bleiben und gaffen, das ging nicht. Soldaten mit Stahlhelmen, Gewehren und – das weiß ich noch genau – Gasmasken am Gürtel haben das Lager bewacht.“ Die Wärter waren Männer, die wohl zu alt für den Wehrdienst waren und laut Zeugenberichten nicht allzu motiviert bei der Arbeit. Sie halfen den Insassen zwar nur selten, waren aber auch nicht so grausam, wie man das von SS-Wärtern gewohnt war. Drei Namen sind mündlich überliefert, die Schreibweisen deshalb unklar: Kubitschek war der Lagerleiter, Seif und Losleben gehörten zum Wachpersonal. Kubitschek war im zivilen Leben Fleischer, Franz Seif wohnte in Waldletzberg, südlich von Traismauer, und war Hilfspolizist. Für die
AUFARBEITUNG. 2017 wurden die Fundamente Koreas archäologisch untersucht. 14 Bananenkisten voll Material wurden sichergestellt. Leider aber wenig Interessantes: Teile eines Fensters, Türbeschläge, Knöpfe, Schuheisen und Patronenhülsen.
Erwachsenen in der Nachbarschaft galt die Au aufgrund der schweren Bewachung als tabu. Sie betraten sie entweder heimlich oder bei Fliegeralarmen. Dann trafen die Anrainer auch manchmal auf die Insassen, denn im Lager gab es zwar zwei Splitterschutzkeller, die waren aber nur für die Wachen bestimmt. Die Gefangenen mussten im Freien warten und flüchteten während Bom-
bardierungen teilweise in die Au. In derselben Hoffnung wie die Anrainer: dass die Amerikaner ihre kostbaren Bomben nicht über Wäldern abwerfen würden. Einige nutzten die Gelegenheit aber auch, um im Kommandogebäude Essen zu stehlen. Denn im Lager gab es ausschließlich Brot und „Bolanda“, eine dünne Suppe. In die Au zu flüchten war möglich, weil der Zaun nicht völlig
undurchlässig war. Er hatte eher eine abschreckende Wirkung und den Insassen des Lagers war klar, dass sie erschossen werden würden, sollte man sie irgendwo außerhalb erwischen. Einige flüchteten dennoch. Ob das jemand überlebte, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen.
Chaotische Regulierung
Weiter im Norden, dort wo heute Badegäste vom großen Steg in den Viehofnersee springen, befand sich das Lager für ungarische Juden. Es bestand aus zwei Baracken, einem Kommandogebäude und zwei Schuppen, in denen ebenfalls Menschen hausen mussten. „In Gruppen von etwa 15 Leuten haben sie in der Au die Weiden abgeschnitten, Holzpflöcke in die Erde geschlagen, einen Draht gespannt, mit den Weiden ein Geflecht gemacht und Erde drüber geschüttet und so die Böschungen angelegt“, erzählt Pichler. Er und die anderen Kinder fürchteten sich vor den Menschen in den grauen Arbeitsanzügen. „Wenn sie da waren, haben wir uns nicht hingetraut. Wir wussten ja nicht, wer das ist und was mit denen los ist. Aber wenn sie nicht da waren, sind wir mit ihren Grubenhunden (Rollwägen, Anm. d. Red.) gefahren.“ Kubitschek erschien jeden Morgen um sechs Uhr und brüllte Befehle vom Rücken seines Pferdes; man erkannte ihn an der Feder im Hut. Das erste Todesopfer dieser Strapazen war Malvine Hegyi, die 81-Jährige überlebte die schwere Arbeit an der Traisen nur wenige Wochen. Und das obwohl die Zwangsarbeiter besser versorgt wurden als anderswo, denn aufgrund der Hochwasserkatastrophen der Jahre 1940, 1941 und 1944 wollte man die Regulierung der Traisen rasch abschließen.
Selbst Kinder mussten dafür schuften. Der kleine Peter Kraus etwa sprach im Alter von 16 Monaten schon fließend, im Lager hörte er aber wieder auf zu sprechen und lutschte den ganzen Tag an seinem Daumen. Pichler könnte die beiden einmal in der Nähe des Fußballplatzes des SC St. Pölten an der
Traisen gesehen haben, als eine Gruppe von Zwangsarbeitern vorbeigetrieben wurde: „Ich bin die Traisenböschung runtergesprungen und habe mich versteckt. In der Gruppe waren Kinder und darum dachte ich, die nehmen mich auch mit. Das war das einzige Mal, dass ich mich vor den eigenen Soldaten gefürchtet habe.“ In den Baracken war die Stimmung schlecht, die Insassen stritten ständig miteinander. Wenn die Kinder schrien, wurden die Mütter verantwortlich gemacht. Frauen tauschten sexuelle Gefälligkeiten gegen Lebensmittel. Sowohl Kubitschek wie auch Losleben hatten Affären mit Insassinnen, wobei Kubitschek sogar eine Frau schwängerte. Der Lagerarzt, selbst ungarischer Jude, musste sich um die Abtreibung kümmern. Die Nachbarschaft bekam von diesen Dingen offenbar nur wenig mit. Es gibt einzelne Geschichten von Anrainern, die den Insassen manchmal heimlich
Essen vorbeibrachten, doch das Gebiet rund um das Judenlager wurde normalerweise nicht einmal von den Kindern der Gegend betreten. „Da hörte man, es seien SS-Leute dort“, erzählt Pichler, „und vor der SS hat ja jeder Angst gehabt.“ In der Nacht des 8. April 1945 desertierte die Wachmannschaft. Kubitschek riet den Lagerinsassen, nach Osten zu flüchten. Einige taten das auch, viele von ihnen wurden auf den Straßen St. Pöltens erschossen. Die meisten fühlten sich aber zu schwach oder hatten zu große Angst und blieben im Lager. Am 9. April kamen SSLeute, erschossen die Alten, Kranken und Schwachen und zwangen den Rest zum Todesmarsch ins KZ Mauthausen. Sechs Tage später, am 15. April 1945, erreichte die Rote Armee um sieben Uhr früh Viehofen, die Stadt fiel nur wenige Stunden später. Stalin freute sich über den Fall des strategisch wichtigen St. Pöltens so sehr, dass er diesen Sieg in
Wenn ich von Korea heimgekommen bin, musste ich mich immer draußen schon ausziehen, damit ich keine Flöhe heimbringe.
ZEITZEUGE PICHLER
Moskau mit einem Salut von zwölf Artilleriesalven aus 124 Kanonen feiern ließ. Etwa zwei Monate danach traute sich Pichler zum ersten Mal zum nun ehemaligen Judenlager. Der damals Siebenjährige schildert: „Außerhalb des Lagers war eine Sutte, da lagen die erschossenen Juden drinnen. Die SS-Leute hatten nur notdürftig Erde drüber geschüttet. Ich kann mich erinnern, dass man die Haare noch gesehen hat.“
Brutale Einigkeit
Während das Judenlager nach Kriegsende leer stand und die Baracken abgetragen wurden, blieb das Glanzstoff-Lager stehen. Die Sowjets benutzten es noch bis etwa Mai 1946 als Internierungslager für Nationalsozialisten, dann baute die Glanzstoff zwischen den Häusern Gemüse für ihre Fabriksküche an. In dieser Zeit verschwanden zwei der ehemals sechs Baracken. Ob sie von den Russen abgerissen worden waren, oder ob sich die frierende Bevölkerung Brennholz organisiert hatte, weiß heute niemand mehr. Ab 1947 zogen jedenfalls bedürftige Familien in das Lager, die sich sonst nichts leisten konnten. Darunter auch Ricardo Hnilicka und seine an Kinderlähmung leidende Mutter. Einige Bewohner arbeiteten in der Glanzstoff. „Aber die meisten sind pracken gegangen“, erzählt Hnilicka, der von 1956 bis 1961 in der Barackensiedlung wohnte und meint damit, dass sie stempeln gingen, also Arbeitslosengeld bezogen. Viele gingen im Gefängnis ein und aus, wöchentlich gab es Polizeieinsätze. „Wir hatten ein paar wirklich schöne Damen“, sagt Hnilicka, „die haben fast jeden Tag untereinander gerauft, weil sie alle was mit den Männern der anderen hatten.“ War ein Mann im Gefängnis, kam es vor, dass seine Frau von einem anderen Barackenbewohner schwanger wurde. Es entstanden dort sehr kinderreiche Familien, deren Sprösslinge unterschiedliche Familiennamen trugen. Frau D. etwa hatte elf Kinder. Auch Prostitution war in Korea, der Name entstand zu dieser Zeit, Gang und
Gäbe. Hnilicka: „Es war eine wilde Gegend, aber das haben wir selbst nicht so empfunden.“ Der Alltag in den vier Baracken war entsprechend trist: Die meisten Männer schliefen morgens lange, weil sie nirgendwo hin mussten. Irgendwann gingen sie dann fort, kamen spät abends nach Hause und fingen an, sich betrunken zu prügeln. Zeitzeuge Mayer, der nicht in Korea wohnte, aber fast täglich dort war, erinnert sich: „Besonders wenn einer aus dem Häfn zurückgekommen ist, war es schlimm. Dann ist der Köch losgegangen. ‚Du hast mei Alte g‘schnackselt!‘ und so. Wenn die Polizei gekommen ist, waren es immer sechs oder sieben Beamte. Und die haben dann gewartet, bis die Streithanseln wieder Ruhe gegeben haben. Weil sonst hätten alle Barackinger plötzlich zusammengeholfen und wären auf die Polizisten losgegangen.“ Es gab also dennoch ein Zusammengehörigkeitsgefühl in Korea. Ein Wir-gegen-die-Anderen. „Die meisten Leute haben sich nicht getraut, zu uns nach Korea zu kommen. Aber solange einer normal war, hat ihm fast keiner was getan“, erinnert sich Hnilicka.
Obwohl die Traisensiedlung im Süden keine 150 Meter von Korea entfernt lag, spielten die Kinder in den 60er- und 70er-Jahren kaum miteinander. Trafen die Buben in der Au aufeinander, verteidigten die Burschen aus Korea ihr Revier und verscheuchten die Eindringlinge. „Wenn dich die Koreaner erwischen, fesseln sie dich mit Stacheldraht und schmieren dich mit Scheiße ein“, erzählten sich die Kinder der Traisensiedlung. Da blieb man doch lieber auf Abstand. Mayer, der mit den Kindern aus den Baracken in die Schule ging, meint: „Ich war immer gern in Korea. Eigentlich waren das nette Leute und es war halt immer etwas los.“ Und auch Pichler, der als Bauhofmitarbeiter öfter für Renovierungsarbeiten in Korea eingesetzt war, erzählt anerkennend: „Mir ist dort nie ein Werkzeug weggekommen. Sogar in Harland in der Schule haben sie mir einen Fäustel gestohlen – in Korea nie. Es
gab eine Handvoll Alkoholiker und faule Hunde, aber die meisten waren normale Leute, nur halt arm.“ Neben Schlägern, Dieben und Räubern sind auch zwei Mörder eng mit der Barackensiedlung verbunden. Der erste ist Adi Karas, der ein Bordell in der Stadt betrieb und später dafür bekannt wurde, mit einem Schuss durch eine Tür seinen Schwager erschossen zu haben. „Der kannte einfach keine Grenzen“, erzählt Mayer, der ein Freund von Karas war, „Der Adi hat in einer Bar an einem ganz normalen Tag einfach mit der Pistole in den Plafond geschossen, weil ihm danach war. Aber wennst ihn gekannt hast, hast alles von ihm haben können.“ Auch Hnilicka war mit Karas unterwegs. Damals fand regelmäßig der 5-Uhr-Tee in den Stadtsälen statt; eine Tanzveranstaltung für junge Leute. Im Zuge einer Schlägerei mischte „Arl“, wie ihn seine Freunde nannten, dort fünf Polizisten auf. „Der war ja ein mordstrum Knecht“, sagt Hnilicka, „bei dem wusste man nie, was er als nächstes macht.“ Der zweite Name ist österreichweit bekannt: Max Gufler wohnte zwar am Kupferbrunnberg, kam aber immer zum Kartenspielen vorbei. „Ein feiner Herr mit Koffer“, erinnert sich Hnilicka, „sehr gute Umgangsformen und immer viel Geld.“ Geld, das der Heiratsschwindler Frauen abgenommen hatte, die er üblicherweise mit Somnifen – einem Schlafmittel – bewusstlos machte und dann ertränkte. „Wie sie den erwischt haben, ist die Polizei gekommen und hat jede einzelne Wohnung in Korea durchsucht“, erzählt Hnilicka. Sonst gab es in den Baracken nur kleinere Ganoven, wie Mayer sagt: „Zwei Buben von dort haben zwei Jahre unbedingt bekommen, weil sie einen Glanzstoffarbeiter in der Au überfallen und sein Rad in die Traisen geworfen haben. Für 20 Schilling haben sich die das Leben zerstört.“
Verlotterte Beschaulichkeit
Viele Familien hatten sich kleine Vorgärten angelegt, in denen sich tagsüber das Leben abspielte. An-
GEDÄCHTNISSCHWUND ODER PURE VERDRÄNGUNG?
John Haas ist Psychologe, Hochschuldozent und Autor aus Melk und beschäftigt sich mit sozialpsychologischen Phänomenen. MFG hat ihn zum Thema befragt.
Herr Haas, Korea wurde jahrzehntelang in keinen Medien oder Chroniken erwähnt.
Vor allem junge Leute wussten bis 2005 nicht, dass es das Lager gab. Wie kann eine Stadtbevölkerung kollektiv vergessen?
Kollektives Vergessen heißt: Wir einigen uns als Stadtbevölkerung implizit darauf, dass wir uns an etwas nicht mehr erinnern. Das kann mit Scham oder Schuld verbunden sein, oder aber auch damit, dass die Diskussion des Themas zu Konflikten führt. Deshalb erachten wir es für die Gestaltung der Zukunft als sinnvoll, nicht mehr darüber zu sprechen.
Wir verdrängen also einen Fakt – wie die Existenz eines Zwangsarbeiterlagers – ganz bewusst?
Das aktive Vergessen, oder besser gesagt Verdrängen, ist ein Vorgang, der kaum verbalisiert wird. Es gibt in der Gruppe einfach den unausgesprochenen Konsens, dass man über dieses Thema nicht mehr spricht. Die menschliche Kultur ist durch eine solche Impulskontrolle erfolgreich geworden. Wir schlagen uns nicht mehr gegenseitig die Köpfe ein, wie in der Steinzeit. Schweigen als eine Form der Impulskontrolle ist in einer komplexen Welt oft das sozial Ökonomischste.
In der Nachkriegszeit waren die Menschen mit dem Wiederaufbau beschäftigt und blickten in die Zukunft. Kann das auch ein Grund sein, warum man sich nicht mehr mit der Vergangenheit auseinandergesetzt hat?
Man geht von einer fast flächendeckenden Traumatisierung der Nachkriegsgesellschaft aus. Jede Diktatur wird von einem Dogma geleitet. Das Pragma, also eine Denkweise, die auf praktische, realistische Problemlösungen abzielt, leidet darunter. Nach dem Ende der Nazi-Diktatur blieb vom Dogma wenig übrig und die Menschen mussten pragmatisch werden: Ziegel schleppen. Holz sammeln. Da spielten Vergangenheitsthemen für die meisten Menschen keine große Rolle, weil sie andere Probleme hatten. Erst als sich ein gewisser Wohlstand etablierte, fand ein Großteil der Gesellschaft die Kraft, Vergangenheitsthemen wieder zuzulassen.
Wie sollte eine Stadt wie St. Pölten Ihrer Meinung nach mit der Wiederentdeckung der beiden Lager umgehen?
Eine verantwortungsvolle Stadt hat die Aufgabe, nicht nur die Zukunft zu gestalten, sondern auch der Vergangenheit Raum zu geben und Formen der Erinnerung zu schaffen. Die Politik sollte hier eine moderierende Rolle spielen und die Bevölkerung mitentscheiden lassen, wie eine Gedenkstätte beschaffen sein kann. Einfach ein Mahnmal hinstellen und sagen „Da dürft ihr traurig sein“ ist ein wenig wirksamer Weg.
Einfach ein Mahnmal hinstellen und sagen
„Da dürft ihr traurig sein“ ist ein wenig wirksamer Weg.
JOHN G. HAAS
Die, die es geschafft haben, leben heute noch. Die Säufer sind schon alle tot.
RICARDO HNILICKA
gebaut wurde dort nichts, denn gleich am anderen Ufer der Traisen, in Wagram, gab es viele Felder, von denen sich die Koreaner Gemüse besorgten. Ein paar Familien hatten Hühner und Gänse, eine Familie züchtete auch Hasen; das meiste Fleisch wurde gewildert. Von der Caritas bekamen sie oft gelbe Dosen voll Käse, Kondensmilch und Gretschnewaja Kascha, einem russischen Buchweizenbrei. „Ratten hat es halt viele gegeben“, sagt Mayer, „weil die Leute haben ja ihren Müll einfach in die Au geschmissen.“ Auf dem Gelände gab es zwar vier Toiletten neben der Waschküche, aber: „Die hat keiner benützt, weil die sind immer geschwommen. Alles war komplett dreckig“, erinnert sich Hnilicka. Die meisten Bewohner benutzten einfache Kübel und leerten ihre Exkremente in Bunker Nr. 1, den sie für eine Senkgrube hielten, weil er fast zugeschüttet war. Nur Bunker Nr. 2 war damals bekannt. Dort richteten sich die Koreaner eine Bar mit Tresen und Hockern
ein. Viele verrichteten ihre Notdurft gleich in der Au. Manchmal kamen Arbeiter der Gemeinde, unter denen auch Pichler war, um die Toiletten wieder zu reinigen und instand zu setzen. „Aber nach ein paar Wochen ist wieder alles geschwommen“, sagt Hnilicka. Pichler: „Die Gemeinde musste den Bunker dann ausräumen, weil das gesundheitlich bedenklich war. Die Toiletten wurden hergerichtet, die Waschküche renoviert und die Müllabfuhr kam. Ab dem Zeitpunkt waren es eigentlich normale Wohnungen.“
Zu den wohl kuriosesten Persönlichkeiten der Barackensiedlung zählte Regina, die „Hundsmutter“. Die geistig beeinträchtigte Frau hielt in einem Verschlag neben ihrer Baracke bis zu 35 Hunde, die Tag und Nacht angekettet waren und immer bellten. „Die hat beim Fleischhacker die gute Wurst gekauft und die haben die Hunde bekommen“, sagt Mayer, „dabei hatte sie eh nicht viel Geld.“ Die Behörde nahm ihr die Tiere irgendwann ab; einen Hund
ließ man ihr. Ein anderer Name, der in Erzählungen immer wieder auftaucht, ist das „Mariel“, das gemeinsam mit ihrem Gatten Müll sammelte. „Ihr Mann war im Krieg verschüttet, der hatte Ausfälle“, erzählt Hnilicka. In Mariels Wohnung stapelte sich der Abfall bis zur Decke. Hnilicka: „Wenn die Müllabfuhr wo stehen geblieben ist, hat sie hinten geschaut, was sie findet. Ich habe öfter gesehen, wie sie hineingegriffen und sich ein Brot herausgenommen und direkt hineingebissen hat. Die war aber nie krank!“ Pichler bestätigt diese Zustände: „Wenn ich von Korea heimgekommen bin, musste ich mich immer draußen schon ausziehen, damit ich keine Flöhe heimbringe. Ich habe unserem Chef dann gesagt, dass ich da nicht mehr arbeite. Und er hat gesagt: ‚Ja was sollen wir denn machen? Die Arbeit muss ja erledigt werden‘. Und recht hat er gehabt.“
Was wird aus Kindern, die in solchen Verhältnissen aufwachsen? „Die meisten haben eine Lehre gemacht“, sagt Mayer. Natürlich sind sie heute alle in Pension, aber Zeit ihres Lebens waren sie Maurer, Schlosser, Schweißer, auch ein Polier und ein Autoverkäufer waren unter ihnen; Hnilicka war Pflegeassistent im St. Pöltner Krankenhaus. „Die haben sich fast alle Häuser gebaut und sich etwas geschaffen“, sagt Mayer. Heute schämen sich viele für ihre Vergangenheit, wie er beschreibt: „Die meisten kommen auch zu keinen Klassentreffen, weil sie sagen, da sehen sie alle als die Koreaner.“ Etwa 20 Familien wohnten in den Baracken. „So sechs bis acht Familien sind Korea größtenteils entkommen“, resümiert Hnilicka. „Bei den anderen waren die Kinder auch wieder ständig im Gefängnis. Die, die es geschafft haben, leben heute noch. Die Säufer sind schon alle tot.“
Einige wollen auch zeigen, dass sie es geschafft haben, glaubt Hnilicka und scherzt: „Zwei von uns tragen heute immer so viele Goldketten, dass sie gar nimmer gscheit gehen können.“
Denkwürdiges Vergessen
Korea wurde noch bis in die Siebzigerjahre hinein bewohnt, bis die Baracken abgerissen wurden. Die meisten Koreaner zogen in die Herzogenburger Straße. Pichler war auch hier wieder von der Gemeinde für die Arbeiten eingeteilt worden. Ein großes Waschbecken, an dem sich bereits die Zwangsarbeiter im Weltkrieg gewaschen hatten, nahm er mit nach Hause und verwendete es als Blumentrog in seinem Garten. Gleichzeitig, von 1967 bis 1985, baute die Firma „Transporte Karl Paderta“ Schotter im ehemaligen Judenlager ab.
Der so entstandene Padertasee –heute Viehofnersee – hat eine Fläche von 19,8 Hektar und eine mittlere Tiefe von 3,31 Metern. „Der Bunker des Judenlagers muss noch irgendwo da unten liegen“, glaubt Pichler, „gesprengt haben sie den sicher nicht.“ Danach passierte lange gar nichts, bis der Autor Manfred Wieninger Texte über die Lager veröffentlichte und sie wieder ins Gedächtnis der Stadtbevölkerung rief. Die Stadt stellte Tafeln mit historischen Luftaufnahmen an Radwegen und dem See auf, die auf die geschichtliche Bedeutung des Areals hinweisen. Lei-
der werden diese immer wieder mit Gang-Symbolen überschmiert. 2017 untersuchten Archäologen Korea, fanden aber nichts Besonderes mehr. Dann wurden die Fundamente und Bunker entfernt, um einem Wohnbauprojekt Platz zu machen, dessen Baustart seitdem immer wieder verschoben wird. Gibt es Pläne für ein Mahnmal, das an das Lager erinnert? „Wir haben das immer wieder angeregt“, nimmt die Stadtregierung hier nur eine passive Rolle ein. Psychologe John Haas sieht die Verantwortlichkeit für ein Denkmal sehr wohl bei der Stadt selbst und emp-
RELIKT. Zeitzeuge Pichler stellte
das Waschbecken des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers in seinen Garten und benutzte es als Blumentrog. Das Relikt wurde erst 2012 entfernt. Oben ein Familienfoto Ende der 80erJahre mit dem Waschbecken im Hintergrund, unten ein baugleiches Modell im Konzentrationslager Mauthausen.
fiehlt einen Ansatz, der die Bevölkerung in die Entscheidungsfindung integriert (siehe S. 13). Derzeit hindert die St. Pöltner jedenfalls kaum etwas daran, Korea bald wieder zu vergessen. Pragmatisch gesehen war es ja auch nur eines von mindestens 25 Lagern für Zwangsarbeiter in St. Pölten während der NS-Zeit. Vom Krankenhaus und der Voith bis zur Papierfabrik beschäftigten alle größeren Firmen damals „Hilfswillige“ und sperrten sie in Baracken und Fabrikshallen. Wieviele Gedenktafeln verträgt eine Stadt mit HolocaustVergangenheit?
Grausige Schönheit
Der letzte Bewohner Koreas verschwand erst um das Jahr 2006 von dem Areal. Der Obdachlose hatte sich im Bunker einen Schlafplatz eingerichtet. Dosen seiner bevorzugten Biermarke – Gösser Gold – verstreute er überall auf dem Gelände und die umliegenden Bäume behängte er mit allem, was er finden konnte: Weihnachtsschmuck, Damenunterwäsche und sogar Babypuppen. Dieses Verhalten sorgte dafür, dass sich viele – wie schon so oft in der Vergangenheit – nicht mehr in die Au trauten. Manfred Wieninger, der die vergangenen Gräuel des Geländes wohl besser kannte als jeder andere, wusste die bunte Dekoration des Au-Sandlers jedoch in Relation zu setzen. Nach einem Lokalaugenschein vermerkte er in seinem Bericht: „Noch nie in seiner ganzen Geschichte war Korea so schön.“
Der Bunker des Judenlagers muss noch irgendwo da unten liegen.
ZEITZEUGE PICHLER
DOCH KEINE MARIAHILFERSTRASSE
Im April 2024 erklärte das Rathaus die Linzer Straße zur „temporären Fußgängerzone“. Wie so vieles im Jahr der Kulturhauptstadt diente das Gegenwartskultur-Festival „Tangente“ als Begründung. Hat sich das Experiment Verkehrsberuhigung bewährt und soll die Fußgängerzone bleiben?
Wer wissen will, welche Themen St. Pöltnerinnen und St. Pöltner zurzeit bewegen, der schlendert am besten durch die Linzer Straße. Dort mischen sich gerade die Kontroversen der Stadt zur St. Pöltner Melange. Vertreibt die Stadtplanung die Handelsbetriebe aus der Innenstadt oder macht das schon Amazon? Gehört die Mo-
bilität den Fußgängern und Radfahrern oder haben Autoabstellplätze auf öffentlichem Gut weiterhin eine Daseinsberechtigung? Katapultiert sich die Stadt mit der Tangente auf einen neuen Wahrnehmungslevel oder wird Steuergeld zukünftiger Generationen für importierte Kurzzeitkunst verbrannt? Ja, das alles kann man diskutieren, wenn man in
der Linzer Straße durch die offenen Türen geht und freundlich grüßt. Man trifft auf Lokalbetreiber und Essenslieferanten, Schuhhändler und Fleischhauer, man plaudert mit Trafikanten, Büroleuten und Festivalkuratoren. Und ja, gelegentlich trifft man auch einen Passanten.
Seit April müssen Autos die Linzer Straße gleich wieder in Richtung Schneckgasse verlassen. Am Europaplatz wurde mit dem Windfänger ein neuer Hotspot geschaffen, die neugestaltete Promenade zeigt, wohin St. Pöltens Reise stadtplanerisch gehen soll, Mobilität wird neu gedacht. Wer das noch nicht weiß und sein Auto ratlos vor der Beschilderung am Anfang der Fußgängerzone hält, der kann schon mal von einem Busfahrer niedergehupt werden. Zu Stoßzeiten staut es sich rund um das angrenzende Schulzentrum: tausend Schüler, aber keine Parkplätze für das Ein- und Aussteigen der Jüngsten. Flüssiger Verkehr ist nicht Teil des Konzepts, womit auch Busse im Stau stehen und mit ihnen jene, die dem Autochaos eigentlich entkommen wollen. Obacht heißt es auch für Radfahrer, diese dürfen die Linzer Straße zwar in beide Richtungen befahren, aber nur im Schritttempo. Mancher erlag angesichts menschenleerer Straße der Versuchung, fuhr normales Radfahrtempo und wurde von der Polizei prompt gestraft. Was manche beim Erzählen bis heute die Köpfe schütteln lässt. Ein Lokalbetreiber berichtet, er hatte im Sommer zwei Monate geschlossen. Belebung im Sinne von Fußgängern sei nicht eingetreten, sein Gastgarten bleibt leer. Da keine Autos zufahren dürfen, um Essen zu holen, ist auch das Liefergeschäft
sehr schwierig geworden. Zum Glück funktionieren die beiden anderen Standorte, dort parkt man in Lokalnähe. Ein paar Meter weiter hört man über ältere Kundschaft, die sich vielmals entschuldigt, dass sie nicht mehr ins Fachgeschäft kommen kann. Sie schätzen die Qualität der Ware, aber können den Einkauf einfach nicht hunderte Meter weit schleppen. Am Anfang der Linzer Straße schüttelt ein Schuhhändler den Kopf, sein Fachgeschäft blickt auf viele Jahrzehnte am Standort zurück: „Unsere Kundschaft ist oft älter und in der Mobilität eingeschränkt. Die städtische Neugestaltung rund um unser Geschäft hat uns die nötigen Parkplätze genommen.“ Dabei wäre es einfach, schon vier Parkplätze würden genügen. Blickt er bei seiner Auslage raus, ärgert er sich über einen seit Jahren brachliegenden Schandfleck, bei dem die Eigentümer offenbar auf bessere Zeiten spekulieren. Da sollte die Stadt was machen, findet er, ein Bauzwang, eine temporäre Nutzung als Parkplatz oder zumindest ein Sichtschutz. Rechtlich nicht möglich, heißt es dazu aus dem Rathaus.
Weder Autos, noch Menschen Enttäuscht zeigt sich auch ein anderer Lokalbetreiber, er war anfangs Feuer und Flamme und dachte, die Verkehrsberuhigung wäre das Startsignal für eine Aufwertung der Straße durch die Stadt. Doch dahingehend ist nichts passiert. Heute sieht er das Projekt als gescheitert, die Fußgängerzone gehöre weg. Und falls sie doch bleibt, dann muss man mehr machen, als nur die Autos raussperren, während zugleich alle fünf Minuten ein Bus mit vollem Karacho durch die Straße brettert. Denen sei das Tempolimit nämlich egal. Besonders skurril ist die Geschichte um einen Gastgarten in der Linzer Straße. Der Gastronom erhält
GRÜNSTÜCKE: AUCH BÄUME ZU MIETEN
Dass Anfang September noch schnell vorübergehend Gräser und Bäume gepflanzt wurden, irritiert manche: „Wenn sie das im April machen, hat es Hand und Fuß. So wirkt es, als wäre ihnen Fördergeld übergeblieben.“ Die Tangente dazu: „Die temporäre Begrünung war immer wieder Thema und wird jetzt im dritten Schwerpunkt realisiert. Die Pflanzen sind gemietet und eine Art Aviso, wie eine dauerhaft begrünte Linzer Straße wäre.“
Besuch von der Stadt. Die Behörde richtet ihm aus, die Linzer Straße ist so ruhig, da würde sein geplanter Gastgarten stören. Aber wenn er ihn überdachen würde, dann dürfte er dort bis 19:00 Uhr ausschenken. Da das Lokal grundsätzlich erst um 18:00 Uhr aufsperrt, war die Idee rasch begraben. Und dem Gastronom klar, dass die Stadt mit der erhofften Belebung der Linzer Straße wohl etwas anderes vor Augen hat als seinen Gastgarten.
Aber wahrscheinlich sind das alles nur Suderanten, Wirten halt oder aussterbende Handelsleute, die einfach eine Ausrede für ihren mäßigen Geschäftserfolg suchen? Fragen wir doch den Trafikanten, weil bekanntlich: eine Trafik geht immer. „Ich würde den hohen Rathaus-Mann gerne fragen, wo die
tausend Fußgänger sind, von denen er mir anfangs vorgeschwärmt hat. Aber der kommt ja nicht mehr her.“ Er berichtet von Gesprächen, in denen Stadtverantwortliche die verkehrsberuhigte Linzer Straße mit der Wiener Mariahilferstraße verglichen hätten. Da würden auch keine Autos fahren, dafür spazieren Menschen, kaufen ein, sitzen in Gastgärten. Doch davon merkt er nichts. Gerade als Trafik ist man auf das Auto angewiesen. Die Leute fahren vorbei, hüpfen kurz raus, kaufen Zigaretten oder eine Zeitung. Das können sie nicht mehr, die Frequenz sei darum eingebrochen. Und das Erscheinungsbild der Straße an sich sei in einem schrecklichen Zustand, da drauf brauche sich niemand etwas einbilden. Wenn man mit Menschen spricht, die in der
I BIN I
Das ist typisch und, ja, das hat es immer schon gegeben, dort, wo Menschen zusammenwohnen: Ältere Mitbürger beschweren sich über lautes Kindergeschrei, Eltern haben dafür kein Verständnis. Aktuell erhitzt das gerade die Gemüter in einer Wohnsiedlung in Wagram – spielende Kinder sind den alteingesessenen Anwohnern ein Signal im Hörgerät, lautlos genutzte Spielplätze wären für die kleinen Wagramer wertlos. Neu ist die Aggressivität, mit der die eigene Meinung vertreten wird: Die Oldies fotografieren die spielenden Kids, drohen mit der Polizei. Weil: Das ist ihr Revier, sie wohnen seit Jahrzehnten dort, da hat es ruhig zu sein wie eben schon seit 60 Jahren. I bin I. Wie das öffentliche Gut rund um mein Heim genutzt wird, das bestimme ich. Schon eine interessante Einstellung, die immer öfter durchblitzt: „Auf dem Parkplatz vor meinem Wohnhaus darf kein anderes Auto stehen“. Wie bitte? Auf öffentlichem Grund kann sein Auto abstellen, wer will. Wer einen gesicherten Parkplatz haben möchte, soll einen mieten. Denn: Wie kommt die Allgemeinheit dazu, etwas mitzufinanzieren, auf das Einzelne individuell Anspruch erheben? Es gibt viele Auswüchse dieser aktuellen IchZentriertheit: Autolenker, die durch die Fußgängerzone rasen – I bin I, I derf des; Radler und Scooter, die Seniorenslalom in der City üben – I mach, was mir Spaß macht; laute Nachtschwärmer, denen die gesetzliche Nachtruhe wurscht ist –I hab da jetzt mei Hetz. Wär‘ schon schön, wenn alle ein bisserl empathischer wären – altmodisch heißt das Rücksicht nehmen. Das hat es früher schon häufiger gegeben.
ROAD FURNITURE: IST DAS KUNST ODER DARF ICH DA DRAUF SITZEN?
Als die verkehrsberuhigte Linzer Straße die Ankunft des Kunstfestivals Tangente mit einem Straßenfest feierte, waren die Kunstobjekte aus Altmetall und lustigen Schildern schon in der ganzen Linzer Straße und im Festivalzentrum verteilt. Auch vor einem Pub wurden diese Objekte platziert, was dazu führte, dass sich Gäste natürlich auch auf diesen „OutdoorMöbeln“ niederließen. Irgendwann hieß es dann, das Objekt sei nicht als Gastgarten genehmigt, man dürfe dort nicht sitzen. Nach einiger Zeit wurden die Möbel dann vorzeitig abgebaut.
Linzer Straße arbeiten, zeigt sich ein klares Bild. Wer darauf angewiesen ist, dass Kunden kommen, der leidet unter der Verkehrsberuhigung. Alle hoffen, dass mit Ende der Tangente auch der Spuk der Fußgängerzone ein Ende findet. Wobei einige die Sorge haben, dass das Festival nur eine Ausrede war, ein Testballon, um zu schauen, ob sich die Autoverbannung bewährt. Angeblich habe der Bürgermeister die Verordnung zur Einführung der Verkehrsberuhigung ohne Ablaufdatum unterschrieben.
Dass die Linzer Straße als KunstSchauplatz nötig war, bestreiten die meisten. Für zwei Straßenfeste müsse man nicht sieben Monate lang eine Straße sperren. Auch die Straßenmalerei und Kunstobjekte im Rahmen des Projektes „Road Furniture“ haben die Anrainer nicht wirklich ins Herz geschlossen. Vom Rathaus wurde bisher jedenfalls kein einziger unserer Gesprächs-
partner befragt, wie sie die Situation wahrnehmen und welche Wünsche sie hätten. Dort betont man unterdessen, dass die temporäre Maßnahme bis Ende Oktober angedacht war und man „derzeit die bestehende Situation evaluiert und die Erkenntnisse als Grundlage für die Entscheidung zur weiteren Zukunft heranzieht.“ Welche konkreten Erkenntnisse die Grundlage für diese geplante Zukunftsentscheidung liefern sollen, lässt man im Rathaus unbeantwortet.
Letztlich findet sich dann doch noch eine Anrainerin, die mit der verkehrsberuhigten Straße ihre Freude hat. Die Dame arbeitet in einem Beratungslokal und berichtet von der guten Kooperation mit den Nachbarn von der Tangente und dem Vorteil, dass sie nun bei offenen Türen ohne Straßenlärm arbeiten kann. Was wiederum irgendwie das Problem bestätigt.
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Wie berichtet sollen im Westen der Stadt, in Nachbarschaft des bereits bestehenden Landeskriminalamtes, der Logistikabteilung der Landespolizeidirektion NÖ sowie der Hundestaffel, die über die Stadt verteilten diversen Einrichtungen der Bundespolizei in einem Sicherheitszentrum zusammengeführt werden.
In diesen Gebäudekomplex sollen – auf einer kolportierten Bruttogeschossfläche von 36.300 Quadratmetern – die Landespolizeidirektion NÖ, das Einsatztrainingszentrum, das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung sowie eine Polizeiinspektion einziehen. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen auch die Polizeischule und Sportanlagen auf die Schanze übersiedeln. Dafür sind nun endgültig sämtliche für das Projekt notwendigen Grundstücke beisammen,
Einen gehörigen Schritt weiter Richtung Realisierung ist man im Fall des geplanten Polizeisicherheitszentrums auf der Schanze gekommen – ein Projekt, das schon zu Beginn des Jahrtausends (damals noch mit Standort St. Georgen) ventiliert wurde und mehrere Innenminister „verschlungen“ hat. Anfang September wurde es – nicht zum ersten Mal – der Öffentlichkeit präsentiert. Diesmal könnte es halten.
welche die Stadt – wie im SeptemberGemeinderat beschlossen – dem Land Niederösterreich als Errichter verkauft. „Dem Verkauf der Grundstücke mit einer voraussichtlichen Gesamtfläche von 71.202 Quadratmeter zu einem Verkaufspreis in Höhe von 115,00 Euro pro Quadratmeter und einem Optionsvertrag über eine Teilfläche mit 31.654 Quadratmetern zu einem Verkaufspreis in Höhe von 3,37 Millionen Euro an das Land NÖ zur Realisierung des Projektes Polizeisicherheitszentrum wurde zugestimmt“, heißt es dazu in einer Aussendung. In Folge müssen diese Flächen von
DÉJÀ-VU. 2022 präsentierte die Politik schon einmal das Projekt Sicherheitszentrum – damals sorgte die östlichere Standortwahl für massive Anrainerproteste.
Grünland in BaulandSicherheitszentrum umgewidmet werden. Außerdem wurde vom Gemeinderat für das Projekt eine Subvention in Höhe der Aufschließungskosten sowie der Kosten für Straßen und Wegebau samt erforderlicher Infrastruktur von bis zu 2,5 Millionen Euro abgesegnet.
Wie Ende des Vorjahres berichtet, wandert das Sicherheitszentrum als solches – nachdem ein letzter FlächenMosaikstein doch erworben werden konnte – wieder zurück auf das ursprünglich dafür vorgesehene Areal (Fläche 1A), und damit weiter weg von den Anrainern. Gegen die zwischenzeitige Standortalternative weiter östlich in unmittelbarer Nachbarschaft der Siedlung hatte es massive Bürgerproteste gegeben.
Im Gemeinderat stimmten bis auf die Grünen, welche nach wie vor die Standortwahl u. a. aus Gründen der großen Versiegelungsfläche oder des zu erwartenden Mehrverkehrs für falsch halten, sämtliche anderen Fraktionen dafür. Tags darauf präsentierte das KörperschaftsTriumvirat – bestehend aus Innenminister Gerhard Karner, Landeshauptfrau Johanna MiklLeitner und Bürgermeister Matthias Stadler – das Projekt der Öffentlichkeit.
Wie es nun konkret weitergeht, fasst der zuständige Projektverantwortliche, Oberst Robert Klaus,
POLZEISICHERHEITSZENTRUM
Schanze St. Pölten
FLÄCHE1A/BAUPHASE1 SICHERHEITSZENTRUM
FLÄCHE2/BAUPHASE2 POLIZEISCHULE SPORTANLAGEN
Fläche1B Reserve/ Parken Grüngürtel STRASSE Grüngürtel
POLIZEISICHERHEITSZENTRUM ST. PÖLTEN
Bestand am Standort „Schanze“
• Landeskriminalamt
• Logistikabteilung der Landespolizeidirektion NÖ
• Hundestaffel
Polizeisicherheitszentrum NEU
Bauphase 1 (Umsetzung geplant bis 2030)
• Landespolizeidirektion
• Einsatztrainingszentrum
• Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
• Polizeiinspektion
• PAZ (Polizeianhaltezentrum)
• SVA (Sicherheitsverwaltungspolizeiliche Abteilung)
Bauphase 2
(Umsetzungshorizont offen)
• Polizeischule
• Sportanlagen
GROSSPROJEKT. Das Sicherheitszentrum wird auf Baufläche 1A umgesetzt. Bei Fläche 1B handelt es sich um eine (Park)Reservefläche. Wann eine etwaige Bauphase 2 mit Polizeischule und Sportanlagen (Fläche 2) errichtet wird, ist noch offen. Eine neue Straße wird umgesetzt, das Areal wird an den Lup angebunden.
zusammen. „Das Gesamtprojekt Sicherheitszentrum, Bauphase 1 – also ohne Schule und Sportanlagen – wurde jetzt von der Politik präsentiert. Am 17. September gibt es dazu mit allen Beteiligten eine Startsitzung, in deren Zuge die Parameter wie etwa Ausschreibungsphasen, Bauphasen, Fertigstellung etc. festgelegt werden. Als erster Schritt wird dann der europaweite Architektenwettbewerb gestartet – mit den Einspruchsfristen und Entscheidungsfindungen dauert dieser Prozess mindestens eineinhalb Jahre.“ Erst danach – aktuell wird das Jahr 2027 anvisiert – kann mit dem eigentlichen Bau begonnen werden. Etwaige herumschwirrende „Ansichten des Projekts“ quittiert der Oberst mit einem Lächeln – wie das Sicherheitszentrum genau aussieht,
könne man noch gar nicht sagen. „Der Architekt des Siegerprojektes legt ja die Gebäudestruktur und art fest – erst zu diesem Zeitpunkt kann man dann detaillierte Aussagen über die verbaute Grundfläche, Anzahl der Stockwerke etc. treffen.“ Im Hinblick auf die Verkehrssituation geht der Oberst von einer bewältigbaren Situation aus. „Wir haben schon jetzt 300 Mitarbeiter hier am Standort. Nach dem Endausbau werden es insgesamt rund 1.000 sein, die in der Regel einmal zu und einmal abfahren am Tag und dazwischen ihr Auto in der Tiefgarage parken.“ Mit einer Fertigstellung des Sicherheitszentrums, Bauphase 1, wird frühestens Ende des Jahrzehnts gerechnet. Die Kosten dafür sind mit 171 Millionen Euro veranschlagt.
UNDER CONSTRUCTION
WIE ES MIT ST. PÖLTENS (BAU-)PROJEKTEN WEITERGEHT
Was wird das Rewe-Frischezentrum bringen? Wie lange leidet St. Pölten noch am MülldeponieGestank? Ist die Domplatz-Garage 2025 noch realistisch? MFG bietet ein Update zu den brennendsten Fragen rund um Bauprojekte.
Nicht ohne politische und aktivistische Kontroversen gingen die bisherigen Pläne zur Errichtung eines Rewe-Frischelagers in Hart über die Bühne. Nach deren Bekanntwerden formierte sich Widerstand vonseiten der St. Pöltner Grünen. Auch die Zivilgesellschaft machte mobil. So sammelte die „Ini-
tiative Bodenschutz St. Pölten“ Anfang 2023 rund 3.200 Unterschriften gegen das Frischelager, welches auf einer Fläche von 20 Hektar entstehen soll. Dies entspräche 25 Fußballfeldern. Die Stadt St. Pölten hob und hebt die aus ihrer Sicht überwiegenden Vorteile des Frischelagers hervor. Das Projekt bringe eine
„Stärkung des Wirtschaftsstandortes“, ermögliche „kürzere Lieferwege“ der Produkte und sichere die Rewe-Arbeitsplätze, denn das alte Rewe-Zentrallager am Kopal-Gelände werde aufgelassen. Die Grünen und die „Bodenschutz“-Aktivisten kritisieren dahingegen neben „Landfraß“ auch die laut verkehrstechnischer Ersteinschätzung 1.000 zusätzlichen Lkw pro Tag, welche durch das Lager verursacht würden. Aus Sicht der Grünen und der „Bodenschutz“-Gruppe sei das Projekt jedoch nicht nur ökologisch fatal, sondern obendrein gesetzeswidrig: Die Flächen, welche Rewe für die Realisierung des Projekts gekauft hat, liegen an der Traisen. Baulandwidmungen in derartigen Hochwassergefährdungszonen müssten allerdings seit einer Novelle des Raumordnungsgesetzes von 1999 innerhalb von fünf Jahren in Grünland umgewidmet werden, so kein Hochwasserschutz vorliegt. Da es einen solchen auf den neuen Rewe-Gründen nie gab, hätten diese also spätestens 2005 Grünland werden müssen, argumentieren die grünen Projektgegner und reichten eine Aufsichtsbeschwerde beim Land Niederösterreich ein. Die Entscheidung des Landes im Juni 2024 schlug bei Rewe-Kritikern ein wie eine Bombe: Eine Grünflächenwidmung müsse nicht erfolgen, da bereits ein Hochwasserschutzprojekt in Planung sei. Tatsächlich hatte die Stadt St. Pölten im Dezember 2023 beim Land NÖ einen Antrag eingebracht, ob eine Umweltver-
träglichkeitsprüfung (UVP) für das Projekt „Hochwasserschutzprojekt KG Hart“ nötig sei. „Hier fehlen mir ehrlich gesagt nach wie vor die Worte. Die NÖ Landesregierung hat über ein Jahr zur Entscheidungsfindung gebraucht und meiner Meinung nach zu Gunsten der Stadt sehr viel Zeit verstreichen lassen. Somit hat man der Stadt St. Pölten genug Zeit gegeben, um ein Hochwasserschutzprojekt zu planen und einzureichen“, mutmaßt „Bodenschutz“Sprecherin Romana Drexler erbost. Da die Stadt den Hochwasserschutz nur bis zum letzten Rewe-Grundstück plant, müssten die Flächen der angrenzenden Grundstücksbesitzer auf Grünland umgewidmet werden. Aufgeben wolle ihre Initiative trotz des Machtwortes des Landes NÖ allerdings nicht: „Wir stehen erst am Anfang. Wir werden jede Chance nutzen, die sich für uns ergibt. Außerdem wird aus heutiger Sicht der gesamte Rewe-Bau UVP-pflichtig sein und hier werden wir als Bürgerinitiative mit Sicherheit Parteienstellung fordern.“
Sprang Stadt St. Pölten bei Umweltprüfung für Rewe ein?
Bei einer UVP wird festgestellt, ob ein Projekt mit den Umweltschutzgesetzen übereinstimmt. Ist ein Projekt nach geltenden Gesetzen unvertretbar, heißt das einen Projekt-Stopp. Da UVPs in der Regel sehr aufwändig und kostspielig sind, werden diese von Bauwerbern, wo nur möglich, vermieden. Hochsuspekt erscheint den Rewe-Gegnern folgender Umstand: Der Konzern beantragte bereits im März 2023 die wasserrechtliche Genehmigung für die Errichtung eines Hochwasserschutzes beim Magistrat. Da der Zusammenhang zwischen Hochwasserschutz und dem Bauprojekt
in diesem Fall evident gewesen wäre, hätte das zwingend eine UVP nötig gemacht. Als dieses Szenario drohte, zog Rewe seinen Antrag zurück. Sechs Monate später erfolgte, wie bereits oben erwähnt, der Antrag der Stadt bezüglich der Notwendigkeit einer UVP für eine 350 Meter lange und 20 Meter breite Mulde als Hochwasserschutzmaßnahme. Das Land sieht darin keinen Zusammenhang mit dem ReweProjekt, eine teure und aufwändige UVP sei daher nicht nötig. Kritiker der Vorgänge meinen, St. Pölten wäre für Rewe eingesprungen, um die Errichtung eines Hochwasserschutzes ohne UVP zu ermöglichen. Gegen diese Interpretation beziehen die Verantwortlichen Stellung. „Festzuhalten ist, dass es zum damaligen Zeitpunkt und bis heute kein einreichfähiges Projekt für dieses Bauvorhaben gab, beziehungsweise gibt“, erklärt Pressesprecher Thomas Kainz. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Rewe-Hochwasserschutzprojektes erfasste dieses 13 Grundstücke. „Das nunmehrige Hochwasserschutzprojekt, welches von der Stadt eingereicht wurde, umfasst 17 Grundstücke und ist damit etwas grundsätzlich anderes“, hält Kainz fest. Verwaltungsgerichtliche Urteile bestätigen dies, eine Revision dagegen wurde zurückgewiesen.
Während die Projekt-Gegner weitere Schritte vorbereiten (und noch nicht viel darüber preisgeben), bleibt die Frage der Güterabwägung. Liegen positive Effekte vor, die die Verbauung 20 Hektar potentiellen Grünlandes rechtfertigen? „Stärkung des Wirtschaftsstandortes“ ist ein schwammiges Argument, das man konkret messbar machen müsste. Bezüglich der geschätzt 250 erhaltenen Arbeitsplätze gießt Peter
Klein, Architekt zweier Rewe-Lager, Wasser in den Wein. „Das kommt mir zu viel vor. In modernen Lebensmittellagern arbeitet eine Handvoll Menschen, sie sind automatisiert, theoretisch brauchen sie keinen einzigen Mitarbeiter. Auch in älteren Lagern arbeiten wenige Menschen, meistens Hilfskräfte wie Staplerfahrer“, erklärt er. Stadt-Pressesprecher Kainz versucht, im Gleichklang mit einer MFG-Beantwortung des Rewe-Konzerns, pessimistische Einschätzungen zu zerstreuen. Die Anzahl der genauen Arbeitsplätze könne man erst nach Vorliegen genehmigungsfähiger Projektunterlagen beantworten. „Es wurde auch immer der positive Faktor eines möglichen Lebensmittel-Lagers im Stadtgebiet im Fall eines Blackouts oder anderer Katastrophen bzw. im Sinne des Bevölkerungsschutzes genannt.“
Müllmenge „Am Ziegelofen“ seit 2019 um 1.100 Prozent gestiegen
Im Westen St. Pöltens brodelt unterdessen der Konflikt um Geruchsbelästigung durch die Mülldeponie „Am Ziegelofen“ weiter. Für Wilhelm Maurer, direkt Betroffener und Sprecher der Initiative „Landeshauptstadt Luft“, und etwa 20 Nachbarn gehören spontane Grillabende oder gemütliche Zeiten auf der Terrasse der Vergangenheit an. „Was ich machen kann oder nicht, hängt nicht nur von der Außentemperatur, sondern auch von der Windrichtung und der Menge des angelieferten oder deponierten Mülls ab“, sagt er dem MFG-Magazin. Maurer schildert bitter: „Meine Frau und ich haben unser Haus in der neuen Siedlung ‚Eisberg Süd‘ mühsam mit dem Ersparnissen unseres Arbeitslebens gekauft und uns
auf die Aussagen der länger dort lebenden Nachbarn verlassen, dass die Mülldeponie ‚nie ein echtes Problem‘ gewesen sei. Bis 2019 war diese Aussage auch korrekt.“ 2018 verkaufte die Stadt St. Pölten die Deponie „Am Ziegelofen“ an die Zöchling Abfallverwertungs GmbH aus Hainfeld. Seitdem hat sich das Müllaufkommen massiv gesteigert, wie eine Anfrage der St. Pöltner Grünen an das ebenfalls grüne Klimaministerium ergab (siehe Grafik).
Diese Entwicklung hänge laut Grünen-Stadträtin Christina EngelUnterberger mit den veränderten Abfallimporten vor allem aus Italien und Slowenien zusammen. Beim Betreiber Zöchling GmbH erklärt man die Schwankungen mit veränderten Wirtschaftslagen und verweist auf die Einhaltung der genehmigten Kapazitäten. „Besonders auffällig ist der Höhepunkt im Jahr 2021 mit über 35.000 Tonnen, gefolgt von einem leichten Rückgang in den Jahren 2022 und 2023, die aber immer noch deutlich über den Mengen von 2019 liegen“, so Engel-Unterberger. Was die Grüne aufregt: „Warum gab es kein ordentliches Genehmigungsverfahren sondern nur Einzel-
bescheide, obwohl es sich ab 2019 mit zahlreichen zusätzlichen Abfallarten und erhöhten Abfallmengen um wesentliche Änderungen der Anlage handelt? Warum wurden die Grenzwerte erhöht? Welche langfristigen Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen? Wie bringen wir den Bürgermeister dazu, aktiv an der Lösung des Problems mitzuarbeiten?“
Betroffene müssen bis 2027 Nase zuhalten Kritik an Untätigkeit will sich die St. Pöltner Stadtregierung gewiss nicht gefallen lassen. „Die Zuständigkeit liegt hier eindeutig beim Land NÖ“, hält Pressesprecher Thomas Kainz eingangs fest. „Dennoch wurde die Stadt auf Initiative von Bürgermeister Matthias Stadler aktiv und hat mit dem Betreiber eine Vereinbarung inklusive Pönalzahlungen bei Nichteinhaltung getroffen.“ Der Deal von 2021 sah, beziehungsweise sieht im Gegenzug für eine Grundstückserweiterung den Bau einer neuen Halle vor, um der Gestanksproblematik Herr zu werden. „Das finale Projekt ‚Erweiterung
91103: Rückstände aus der mechanischen Abfallaufbereitung
92212: kommunale Klärschlämme 94302: Überschussschlamm aus der biologischen Abwasserbehandlung
2021 91103: Rückstände aus der mechanischen Abfallaufbereitung 92212: kommunale Klärschlämme 94302: Überschussschlamm aus der biologischen Abwasserbehandlung
2022 57803: Shredderleichtfraktion, metallreich 91103: Rückstände aus der mechanischen Abfallaufbereitung
2023 57803: Shredderleichtfraktion, metallreich 91103: Rückstände aus der mechanischen Abfallaufbereitung
91107: heizwertreiche Fraktion aus aufbereiteten Siedlungs- und Gewerbeabfällen und aufbereiteten Baustellenabfällen, nicht qualitätsgesichert
Zwischenlager‘ sowie den Bau der Halle, in der Haus- und Sperrmüll der Stadt St. Pölten gelagert werden sollen, und eigener Einhausung für den Biomüll wurde im Jahr 2022 eingereicht“, erklärt Kainz weiter. Seitdem habe es viele Behördenverhandlungen und Nachreichungen von Gutachten an die Sachverstän-
GEDULDSPROBE. Den Anrainern stinkt es gewaltig. Bislang gibt es keine Verbesserung der Geruchsbelästigung.
digen des Landes NÖ gegeben. Die Stadtregierung hoffe allerdings auf eine Bewilligung bis Jahresende. Stellungnahmen über Geruchsbelästigungen leite man stets an die Landesregierung weiter. Die Zöchling GmbH äußert sich zu Projektdetails und den Status Quo der neuen Halle lakonisch. Das Projekt ist eingereicht, einen ungefähr avisierten Termin für einen Baustart und Details der Halle könne man nicht nennen, da noch keine Bewilligung vorliege. Ungeachtet dieser schwammigen Aussichten steht aktuell nur eine Jahreszahl, nämlich 2027.
„Das ist der vertragliche Zeitrahmen zwischen Betreiber und Stadt, den wir im Jänner 2023 im Gemeinderat diskutiert haben“, erklärt Deponie-Kritikerin Engel-Unterberger. Das damals vorgelegte Konzept sah sehr wohl einen Baubeginn vor, nämlich März 2025. Von da an solle es dann noch maximal 24 Monate bis zur Inbetriebnahme der neuen Halle dauern. Was sagt „Landeshauptstadt Luft“-Sprecher Maurer dazu? Können und wollen die Bewohner so lange noch die „Zähne zusammenbeißen“ oder treffender formuliert: die „Nase zuhalten“? Angesichts der seit 2019 verelffachten Müllmenge sei die geplante Halle aus seiner Sicht und der Sicht der Initiative „too little, too late“ und ein „Ablenkungsmanöver mit unzureichenden Mitteln.“ „Wir bezweifeln, dass ab Hallenfertigstellung sämtliche geruchsintensiven Prozessschritte inklusive der Zwischenlagerung von ‚gut abgelegenem‘ Müll dort durchgeführt werden können“, zeigt sich Maurer skeptisch. Außerdem sei die Strafzahlung nach seiner Ansicht „lächerlich gering“. Nach geltender Regelung beträgt die Pönale jährlich maximal 50.000 Euro, mit einem absoluten Deckel von 150.000 Euro. Aktuell kämpfen Maurer und die Initiative vor dem Landesverwaltungs-
SÜDSEE. Bevor die Bürger am Südsee die Seele baumeln lassen können, wird noch einiges Wasser die Traisen hinunterfließen. Aktueller Realisierungshorizont 2030.
gericht um Parteistellung, unterstützt werden sie durch den Grün-Alternativen Verein zur Unterstützung von Bürgerinitiativen, der sich aus freiwilligen Gehaltsabzügen grüner Nationalratsabgeordneter finanziert.
Noch viele Fragezeichen rund um den „Südsee“ Auch rund um den „Südsee“ gab es in den letzten Monaten etwas Bewegung, auf alle Fälle politische Ankündigungen. Das geplante Naherholungsgebiet zwischen Spratzern und St. Georgen soll bis 2030 entstehen. Dieses sei laut Stadt-Sprecher Kainz unter anderem notwendig, weil „St. Pölten wächst und der Bedarf an Freizeit- und Erholungseinrichtungen ist in den letzten Jahren enorm gestiegen ist“. Allerdings war es das dann schon mit konkreten Details, denn vieles sei noch offen. So ist noch nicht klar, ob ein großer See, oder mehrere kleine entstehen sollen. Auch das „Ob“ und „Wie“ eines naturbelassenen Bereiches sind nebulös. Die MFG-Fragen nach möglichen Verwendungen des Aushubmaterials und der Tiefe des
Grundwasserstauers beantwortete die Stadt ebenfalls noch nicht. Gerade bezüglich des Faktors „Grundwasser“ gab es bereits Kritik der Stadt-VP. Eine Gefährdung des Grundwassers sei noch nicht ausgeschlossen. Bezüglich der Kosten des Projektes könne man erst dann sprechen, wenn die oben gelisteten unbekannten Variablen geklärt seien, so Kainz. Kurz zusammengefasst: Die Stadtregierung weiß, dass etwas kommt, sie weiß nur noch nicht genau, was.
Domplatz-Garage kommt mit einem Jahr Verspätung Konkrete Ankündigungen gibt es immerhin für die „DomviertelGarage“, die eigentlich zeitgleich mit der Domplatzeröffnung hätte kommen sollen. „Das Projekt wird in Bälde bei der Baubehörde abgegeben und wir rechnen bis nächsten Frühling mit einem Bescheid. Bis dahin sollten auch alle archäologischen Arbeiten abgeschlossen sein“, erklärt Walter Benda, Geschäftsführer der Benda Immobilien Gruppe, welche das Projekt umsetzt. Die Bauzeit schätzt er auf 18 Monate. „Das würde bedeuten, dass die Garage bis etwa Ende 2026 mitsamt der geplanten 280 Stellplätze fertig wäre.“ Die Netto-Investitionssumme liegt bei 12 Millionen Euro.
ORTSKERNBELEBUNG
Eine neue Wohnsiedlung soll rund um einen alten Bauernhof in Pottenbrunn entstehen. MFG hat mit Architekt Ralf Bock über die Hintergründe gesprochen.
Die Vorlage des neuen Gemeinschaftswohnprojekts in Pottenbrunn liefert das Wiener Siedlungsmodell der 1920er-Jahre, das unter anderem Architekt Adolf Loos geprägt hat. Damals wurden, um auf die akute Wohnungsnot nach Ende des Ersten Weltkrieges zu reagieren, einfache Siedlungen an der Stadtgrenze errichtet. Daran angeschlossene Gärten sollten dabei die Lebensmittelversorgung sicherstellen. An diese grundlegende Idee, angepasst an moderne Erfordernisse, will nun Architekt Ralf Bock in Pottenbrunn anknüpfen. Gemeinsam mit einer Kerngruppe von etwa 15 Personen sei man im Vorjahr bei der Suche nach einem geeigneten Standort auf einen Bauernhof in Pottenbrunn aufmerksam geworden, der kurz vor dem Verkauf und anschließendem Abriss stand. „Wir haben gemeinsam mit der Stadt St. Pölten in nur einer Woche einen Masterplan entwickelt, der den Hof als gemeinschaftlich genutzte Fläche erhält und gleichzeitig um neun Häuser mit je vier Wohneinheiten erweitert“, so Ralf Bock. Man wolle damit zeigen, dass alte dörfliche Strukturen neu genutzt werden können und Alternativen zu Zersiedelung aufzeigen. „Wir
sehen das niederösterreichweit als wichtiges Pilotprojekt dafür, wie man Ortskerne nachverdichten und wiederbeleben kann“, ergänzt der Wiener Architekt.
Genossenschaftsmodell statt Wohnbauspekulanten
Rein praktisch soll das Ganze auf einem Genossenschaftsmodell basieren, in der jeder künftige Bewohner Mitglied ist. Preislich will man dabei weit unter aktuellen Marktpreisen liegen. Beispiel: Für eine 60 m² Wohnung soll eine Einlage von etwa 110.000 Euro getätigt werden, bei Auszug wird diese Einlage wieder zurückerstattet – das Eigentum verbleibt also bei der Genossenschaft. Damit will man unter anderem Wohnraumspekulationen einen Riegel vorschieben. „Wir wollen damit ein Modell schaffen, das die aktuelle Wohnprobleme mit zu hohen Mieten und Preisen löst“, erläutert Bock. Zusätzlich zu Wohneinheiten, Gemeinschaftsflächen und -räumen soll auf dem etwa 1ha großen Grundstück ein gemeinsam genutzter und bewirtschafteter Garten entstehen, der es ermöglicht, alle Bewohner mit frischem Obst und Gemüse zu versorgen. „Wir wollen mit dem Wohnprojekt zeigen, dass Gemeinschaftsleben Vorteile hat. So können in gemeinsam genutzten Räumen wie etwa Werkstätten, größere und qualitativ hochwertige Anschaffungen gemacht werden, als das jeder Einzelne für sich könnte. Private Rückzugsorte ergänzt um soziale Aspekte und gemeinschaftlichen Austausch“, fasst Bock die Idee des neuen Wohnprojekts zusammen. Auch energetisch will das Projekt Vorbildwirkung haben: Über eine PV-Anlage soll so viel Strom produziert werden, dass damit der private Verbrauch inklusive Betrieb von Wärmepumpen für jedes Haus abgedeckt wird. Als nächster Schritt steht nun das Wachstum der Genossenschaft an. Aktuell ist man dabei, den Kaufvertrag mit den aktuellen Eigentümern zu finalisieren, der Baubeginn soll in einem Jahr erfolgen. Wenn alles nach Plan läuft, werden in drei Jahren die ersten Bewohner in die neue Pottenbrunner Siedlung einziehen und damit die Idee jenes vor einhundert Jahren entstandenen Siedlungsmodells fortführen, das auch in St. Pölten in den 20er- und 30er-Jahren erfolgreich war.
INFORMATIONEN
In mehreren Stufen soll das Genossenschaftsmodell, auf dem das Wohnprojekt basiert, weiter wachsen. Im Herbst werden weitere Mitbewohner in die Genossenschaft aufgenommen. Bewerbungen können eingereicht werden unter: info@pottenbrunn.com
Weitere Informationen unter: www.woge-pottenbrunn.com
GEMEINSAM STATT EINSAM. In Pottenbrunn möchte Ralf Bock beweisen, „dass Gemeinschaftsleben Vorteile hat.“ Es geht um mehr als „nur“ Wohnen. „Private Rückzugsorte ergänzt um soziale Aspekte und gemeinschaftlichen Austausch.“
KOLUMNE TINA REICHL
FREUNDE
Wenn man den 4. oder 5. runden Geburtstag feiert, merkt man, dass die Gästeliste ziemlich konstant bleibt. Schule, Arbeit, Nachbarschaft, Yogarunde, Elterngruppe – das war´s. Keine Zeit für neue Freunde, denen man ja dann alle Schwänke aus dem bisherigen Leben erzählen müsste. Das dachte ich zumindest, bis ich im Sommer auf Kur fuhr. Jetzt weiß man, dass man diese Menschen dort nur für 3 Wochen sieht. Man gibt sich also ungezwungen, muss sich nicht verstellen und redet drauf los. Während man auf die Hydrojet Behandlung wartet oder auf die Nachspeise ergeben sich so immer mehr Momente, in denen man sich kennen lernt. Und nach der ersten Einschätzung von Pirelli Rudi, Veganerin Silke, dem geilen Hansi und Pharmafuzzis Elke und Guggi merkt man plötzlich, dass man sich auf den ersten Eindruck nicht verlassen kann. Die stille Silke brauchte nur die passende Tischnachbarin um in Gang zu kommen und mit Pirelli Rudi, dem lauten und polternden Vertreter, kann man ganz tolle Gespräche führen. Nach 2 Wochen kennt jeder deine Eigenheiten, die Tischnachbarin Sabine bestellt dir mittags gleich dein obligatorisches Cola Zero mit und du merkst schon am Klang des „Mooargen!“, wie jeder gelaunt ist oder ob die Schulter von Guggi wieder schmerzt. Alle Schranken fallen nach der letzten Freitagabenddisco. Wir schließen uns in die Arme und schwören, von jetzt an nur mehr gemeinsam auf Kur zu fahren und ewige Freundschaft. Wie wohl mein Spitzname war? Tina-Zero? Blondie? Ich werde es auf der nächsten Kur herausfinden und dann berichten!
GEORG RENNER
DIE LETZTEN JAHRE DER ZWEITEN REPUBLIK
Dieses Buch war überfällig! Nachdem wir uns – auch als Journalisten –angesichts des Dauerfeuers aufeinanderfolgender Krisen zusehends in Einzelthemen und Kleinklein zu verheddern drohen, legt Georg Renner endlich einen Gesamtüberblick über die österreichische Politik der letzten zehn Jahre und ihre Verfasstheit vor. Warum er mit den Entwicklungen gar die letzten Jahre der Zweiten Republik gekommen sieht, und ihn dies hoffnungsfroh stimmt, darüber sprach der Wilhelmsburger mit MFG – Das Magazin.
Es hätte für die Politik Spielraum für tiefgreifende Reformen gegeben. Man hat sich stattdessen entschieden, Kleinklein zu machen. Und jetzt ist der Spielraum weg. Vergebene Chancen.
GEORG RENNER
Der Titel Ihres Buches lautet „Die letzten Jahre der Zweiten Republik“ – das klingt wie ein Abgesang. Schwingt da so etwas wie Melancholie mit oder ist es umgekehrt ein erleichtertes Seufzen?
Es ist ein bisschen was von beidem, Melancholie, Erleichterung – aber am Ende auch Hoffnung. Man kann ja durchaus der Ansicht sein, dass Jahrzehnte, in denen SPÖ und ÖVP die Republik in ihrem Wider- und Zusammenspiel geprägt haben – im Bund, den Ländern, der Sozialpartnerschaft und auch im Vereinsleben –Österreich zu einem der reichsten und sichersten Länder der Welt gemacht haben. Und man kann trotzdem finden, dass es gut ist, wenn so ein Machtoligopol nach einem Jahrzehnt der Krisen, die die Schwächen dieses Systems offengelegt haben, zu Ende ist und Platz für eine dynamischere, vielleicht sogar demokratischere Politik macht.
Was hat Sie eigentlich zu Ihrem Buch bewogen:
Das Gefühl, dass im vermeintlichen Chaos, Wirbel und politischen Dauerstress der letzten (Krisen) Jahre der Gesamt-Überblick verloren gegangen ist? Oder ist es Enttäuschung über politische Entwicklungen bzw. Handlungen?
Eher ersteres. Ich war in diesen zehn Jahren in verschiedenen Medien mit der österreichischen Politik befasst – und mir ist es oft so gegangen, dass ich mir zwischen Migrationskrise, der endlosen Bundespräsidentenwahl, Ibiza, Corona, Inflation usw. gedacht hab: Hey, jetzt wär einmal ein Jahr zum Durchatmen gut, um zu verdauen und zu reflektieren, was wir als Gesellschaft und Staat da eigentlich durchgemacht haben. In der Kleinen Zeitung habe ich 2021 einen Essay geschrieben über die „atemlose Republik“, über dieses hektische von-Krisezu-Krise-Hanteln. Seit damals habe ich darüber nachgedacht, das einmal in Buchform auszuschreiben, um, ja, um einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, einmal über die Verfasstheit des politischen Österreich als Ganzes nachzudenken. Therapie durch Schreiben quasi.
Das Buch bietet einen schönen Überblick über das letzte Jahrzehnt – in der dichten Gesamtschau denkt man sich: „Bist du deppad, was ist da alles abgegangen.“ An globalen Krisen wie etwa Migrationskrise 2015, Pandemie, Ukraine-
Krieg, aber auch an hausgemachtem „Irrsinn“ von Silberstein-Affäre bis Beinschab-Tool, von sakrosankter Militärmusik bis Türl mit Seitenteilen, von fehlerhaften Kuverts bei der Präsidentenwahl bis Kneissl-Knicks vor Putin, von SPÖ Selbstzerfleischung bis Ibiza. Da erwischt man sich beim Gedanken: Hätten die nicht ganz andere Probleme zu lösen gehabt? Wie empfinden Sie das selbst?
Ich versuche ja immer, darzustellen, dass Politik gerade in solchen Krisenzeiten kein einfaches Geschäft ist. Wenn ich mir vorstelle, im Bundeskanzleramt oder im Innenministerium zu sitzen, als Orban im September 2015 die Massen in Richtung österreichischer Grenze geschickt hat – ich hätte nicht der sein wollen, der gerade die Verantwortung hat, zu entscheiden: ok Grenze dicht, alle auch mit Gewalt abwehren – oder Grenze auf, alle dürfen durch. Dasselbe, als Corona ausgebrochen ist oder als die Russen in der Ukraine einmarschiert sind. Das ist ein harter Job, und ich beneide niemanden, der ihn machen muss. Das gesagt habend: Aus heutiger Sicht muss man festhalten, dass die österreichische Politik zwischen solchen Krisenphasen etliche Zeitfenster gehabt hätte – 2012 bis 2015 zum Beispiel, oder auch 2017 bis 2019 – in der es Spielraum für tiefgreifende Reformen gegeben hätte: Bildung, Gesundheit, Föderalismus, Verteidigungspolitik, you name it. Man hat sich stattdessen entschieden, Kleinklein zu machen. Und jetzt ist der Spielraum weg. Vergebene Chancen.
Zum einen sind Sie der nüchterne Chronist, der nicht großartig wertet, zugleich ist da aber auch ein pädagogischer Impetus zu erkennen: Jedem Kapitel stellen Sie explizit Reflexionen unter dem Motto „was man aus dem Gelesenen für die Zukunft lernen kann“ nach. Auffallend ist, dass sich diese Empfehlungen praktisch ausschließlich an die Politik richten. Ja, weil ich ein großer Anhänger der repräsentativen Demokratie bin. Ich appelliere in meinem Schlusswort schon an die Bürgerinnen und Bürger, bei ihrer Wahlentscheidung darüber nachzudenken, wem sie auf dem Wahlzettel am ehesten zutrauen würden, die Republik durch eine weitere Krise steuern zu können – die nächste kommt bestimmt. Aber letzten Endes formen naturgemäß Parteien und Politiker die Politik; ihnen übertragen wir bei jeder Wahl Macht und deswegen gilt es, ihnen auf die Finger zu schauen, wie sie sie einsetzen – oder ob sie ihr Zeitfenster an der Macht mit sinnlosen nichtReformen wie jener der Militärmusik verschwenden.
Umgekehrt: Hat der Bürger aus alledem für sich persönlich nichts zu lernen? Ist er als mündiger Staatsbürger nicht auch stärker in die Pflicht zu nehmen, insofern, sich auch selbstständig zu informieren, zu reflektieren – und zwar auf Basis nicht nur seiner möglicherweise eingeschränkten Sicht aus der Social-Media-Bubble, sondern viel-
Dass Kleinparteien wie die Bier-Truppe von Dominik Wlazny jetzt genauso eine Chance haben, in den Nationalrat einzuziehen wie etablierte Parteien, hängt mit dieser Medienvielfalt zusammen – das ist gut für die Demokratie.
GEORG RENNER
fältig über „seriöse“ Medien?
Konrad Adenauer, der große deutsche Nachkriegskanzler, hat gesagt, man muss die Menschen nehmen, wie sie sind – „andere gibt’s nicht!“ Natürlich würde ich mir wünschen, dass jeder von uns besonders seine politischen Entscheidungen vor einem weltpolitischen Gesamtkontext reflektiert, Wahlprogramme liest und abwägt, Qualitätsmedien konsumiert, und so weiter –aber das ist doch nicht realistisch. Bei jeder Wahl wirft uns der Wähler ein interessantes Puzzle hin, und es liegt an den Institutionen – Parteien, Parlament, Bundespräsident und so weiter – daraus etwas Sinnvolles zu machen. Und dieses System hat sich tatsächlich über Jahrzehnte bewährt.
Ist das Paradox – „Informations(über)fülle“ bei gleichzeitigem Diskursverlust im Sinne, man hört einander nicht mehr richtig zu – mit ein Grund der politischen Misere?
Es wird – natürlich rede ich da ein bisschen aus Eigeninteresse – tatsächlich eine spannende Frage, wie und wohin sich unsere öffentliche Diskurslandschaft in den nächsten Jahren entwickelt. Wir stehen am Ende dessen, was Kommunikationswissenschaftler als „Gutenberg-Klammer“ bezeichnen: Jenes Zeitalters, in dem Kommunikation im Wesentlichen ein linearer Prozess weniger Akteure war. Eine politische Frage, die weder in Fernseh- und Radiosendern noch in einer Handvoll Zeitungen erörtert worden ist, hat bis vor wenigen Jahren einfach keinen Diskursraum gefunden. Heute findet jedes Mini-Interesse, jede Kleinpartei und jedes noch so kleine Anliegen über Internet und Social Media potenziell Zehntausende Leser, Seher, Zuhörer. Das hat Vor- und Nachteile: Es sind eben nicht mehr einige wenige Eliten, die bestimmen, was öffentlich diskutiert wird – aber stattdessen hat heute jeder ein Megafon in die Hand bekommen, Menschen mit berechtigten politischen Anliegen genauso wie Lügner, Betrüger und Rattenfänger. Ich bin mir sicher: dass Kleinparteien wie die Bier-Truppe von Dominik Wlazny jetzt genauso eine Chance haben, in den Nationalrat einzuziehen wie etablierte Parteien, hängt mit dieser Medienvielfalt zusammen – das ist gut für die Demokratie. Die Schattenseite ist, dass viele Menschen sich in eigene Realitäten und Echokammern zurückziehen und dort in Desinformationswelten versinken, die mit der Realität wenig zu tun haben.
Welche Rolle spielen und spielten in diesen Umbruchjahren eigentlich die Medien? Gibt es
ZUR PERSON
Der Wilhelmsburger Georg Renner, 41 Jahre alt, ist seit vielen Jahren Politik-Journalist. Zuletzt hat er das Innenpolitik-Ressort der „Kleinen Zeitung“ in Wien geleitet, zuvor arbeitete er für „Die Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“. Seit 2023 ist er freiberuflich tätig, schreibt für die „Wiener Zeitung“ und „DATUM“, moderiert einen Podcast und lehrt Journalismus an der Fachhochschule Wiener Neustadt. MFG – Das Magazin bereichert er im Wechselspiel mit Jakob Winter als Verfasser der „Außensicht“.
hier Versäumnisse, Akzente, was man in Zukunft besser machen muss, um seiner idealtypischen Rolle als „vierte Gewalt“ gerecht zu werden? Das ist ein Rückzugsgefecht, das muss man so klar sagen. Zeitungen und andere Medien haben bisher sehr gut gelebt vom „Bundling-Effekt“: Man hat Geschichten, die viele Menschen interessieren – Fußball-Ergebnisse, das Kinoprogramm, Geschichten aus der Gemeinde – neben wichtige Informationen wie die Innenpolitik- oder Wirtschaftsberichterstattung gestellt – und die hohen Leserzahlen für das eine haben als Abonnenten oder Inseratenkonsumenten das andere mitfinanziert. Das Internet hat diesem Geschäftsmodell den Garaus gemacht: Wer heute wissen will, wie sein Fußballverein gespielt hat, kann das bequem im Netz nachschauen, der braucht keine Zeitung mehr dafür, kein Medium, bei dem er den ganzen Rest mitkaufen muss. Dieser Unbundling-Effekt führt dazu, dass Medien in Zukunft weit kleinere Zielgruppen, einen weit geringeren Horizont haben werden – die allgemeine Zeitung, die die ganze Welt abdeckt, ist ein Auslaufmodell.
In der Gesamtschau: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Schnitzer, die sich die österreichische Politik in den letzten Jahren geleistet hat, jetzt weniger auf konkrete Sachverhalte und Themen bezogen, sondern in der Art, WIE man Politik macht. Ich glaube, der Worst Case war die Impfpflicht-Erklärung am Achensee. Ohne jede öffentliche Debatte haben sich die Landeshauptleute mit der Bundesregierung hingestellt und gesagt: So machen wir das jetzt. Noch dazu mit dieser moralischen Komponente – die Ungeimpften sind schuld, dass wir wieder einen Lockdown brauchen, dafür bekommen sie jetzt als Strafe diese Impfpflicht auferlegt. Ich finde ja, man hat schon über die Pflicht diskutieren können, aber wie das beschlossen worden ist, wie der Rest der Republik vor vollendete Tatsachen gestellt worden ist, war wirklich ganz schlechte Politik. Das war eben noch einmal repräsentativ für die Schattenseiten der Großen Koalition: Ein paar Granden aus den Bundesländern, die sich im Hinterzimmer völlig intransparent ausgeschnapst haben, was die Regierung dann umzusetzen hat. So eine Diskussion gehörte in die Breite – ins Parlament und die Öffentlichkeit.
Wenn man Ihr Buch liest, wird einem der klassische österreichische „Schlendrian“ vor Augen geführt. Minutiös listen Sie die Versäumnisse auf, die dazu geführt haben, dass Österreich in der Pandemie oder etwa auch im Ukraine-Krieg schlecht vorbereitet war, was die Situation noch zusätzlich verschärft hat: Verschleppte Reformen, unbesetzte Posten, naive Einschätzungen der Weltlage. Und plötzlich denkt man sich: das vermeintlich herzig-schrullige Operettenhafte ist vielleicht eine todernste Sache. Ist dieses Mindset mitverantwortlich für das in Ihren Augen Ende der
Zweiten Republik? Muss uns das in unserem eigenen Interesse „ausgetrieben“ werden?
Ja, auch wenn ich fürchte, dass es uns noch zu gut geht dafür. Weltpolitisch haben wir es uns zum Beispiel in der Schimäre gemütlich gemacht, dass uns die Neutralität eh schützen wird – in Wirklichkeit waren es eher die NATO und damit der Schutzschirm der USA, die unsere Sicherheit gewährleisten. Und jetzt kommen wir drauf, dass es im November von ein paar tausend Wählern in den Vorstädten von Pennsylvania abhängt, ob wir russischen Großmachtfantasien ausgeliefert sind oder nicht. Oder das demografische Dilemma: Wir wissen seit Jahrzehnten, dass uns mit der Pensionierung der Babyboomer zehntausende Arbeitskräfte im Jahr fehlen werden – und dass wir entweder mehr Einwanderung, spätere Pensionsantritte oder ein Produktivitätswunder brauchen würden, um unseren Wohlstand zu halten. Sind wir darauf vorbereitet? Nein, wir machen immer noch Politik, als ob es mit unserer Insel der seligen Pensionisten immer weitergehen kann wie bisher, machen Schulden wie nie zuvor. Wir steuern da auf einen großen gesellschaftlichen Krach zu, wenn die Musik zu spielen aufhört.
Großartig, so dass es fast weh tut, arbeiten Sie dieses fahrlässig Groteske am Kampf um die Militärmusik auf. Als diese von neun auf vier Klangkörper verkleinert werden soll, bricht ein Kulturkampf los. Von der „Reform“ bleibt nichts über. Ja, das habe ich hineingenommen, weil es exemplarisch dafür steht, wie reformträge die Große Koalition in ihrem Endstadium geworden ist. Ich habe gar nichts gegen die Militärmusik, ich hör sie ja selber gerne und ich weiß, wie wichtig sie gerade für die Blasmusikkapellen im Land ist – aber wenn man sich als Koalition auf so eine, pardon, Pimperlreform einigt und dann nicht einmal in der Lage ist, die umzusetzen, sollte man seine Existenzberechtigung durchaus hart hinterfragen.
Ist das nicht auch ein Grunddilemma in der Systematik der 2. Republik – der Föderalismus in seiner aktuellen Form, die Macht der Landeshauptleute bzw. die Macht, die sie sich einfach herausnehmen, ohne dass diese immer verfassungsrechtlich gedeckt wäre – und eine Bundesregierung, die das durchgehen lässt?
Ich würde eher den letzten Teil der Frage betonen. Es braucht immer eine Regierung, die so etwas mit sich machen lässt. Grundsätzlich finde ich die starke Stellung der Bundesländer recht gut. Der Vorteil dieser Konstruktion ist, dass es Österreich zu einem relativ stabilen
Ich glaube, der Worst Case war die Impfpflicht-Erklärung am Achensee.
GEORG RENNER
Ich glaube, dass der Trend eher in Richtung Pluralismus gehen wird als in Richtung Autokratie.
GEORG RENNER
Gefüge macht. Aber der Nachteil dieses Systems ist, dass es Österreich auch zu einem starren Gefüge macht. Sprich: Es ist nicht leicht, ein grundsätzlich funktionales System in Österreich mit einer Wahl im Bund zu stürzen, zum Beispiel in Richtung Autokratie. Andererseits sind auch dringend nötige Reformen schwer umzusetzen. Ich fürchte, es wird noch mehr Leidensdruck brauchen, um das zu ändern.
Umgekehrt führen Sie in einem Nebensatz an, dass angesichts des Ukraine-Krieges diesmal die Flüchtenden gleich direkt in Bundesbetreuung gekommen sind und es dadurch nicht, wie 2015/16, zu Chaos um Quartiere, Grundversorgung und Streit zwischen Ländern, Bezirkshauptmannschaften und Bund gekommen ist. Bleibt also – um auf ihren Schlusssatz zu kommen: „Die nächste Krise kommt bestimmt“ – doch Hoffnung für die anstehende „3. Republik“, die Sie ante portas sehen? Ich bin da tatsächlich hoffnungsfroh. Eine dynamische Demokratie, in der sich Parteien an der Macht abwechseln, hat mehr Potenzial, lern- und reformfähig zu sein als ein verkrustetes Machtoligopol, in dem sich die handelnden Personen längst nicht mehr ausstehen können. Schauen wir, was uns nach der Wahl ins Haus steht.
Was wird bzw. könnte diese „3. Republik“ ausmachen? Von einer solchen hat ja bereits Jörg Haider anno dazumal explizit geredet, wo die repräsentative Macht des Parlaments zugunsten eines Präsidialsystems mit einem starken Führer an der Spitze zurückgedrängt ist, die Sozialpartner entmachtet werden, Volksplebiszite gestärkt werden, Kultur- und Medien in ihrer Freiheit beschnitten werden etc. Das klingt sehr nach dem Weg Viktor Orbans in Ungarn – das erklärte Vorbild von Herbert Kickl. Ist das unsere nahe Zukunft?
Ich glaube, dass der Trend eher in Richtung Pluralismus gehen wird als in Richtung Autokratie – es würde mich zum Beispiel sehr überraschen, wenn wir in einem Jahr nicht eine Koalition aus mindestens drei Parteien im Bund hätten. Das kann, wenn sich alle zusammennehmen und manche Themen außer Streit stellen, gut funktionieren, wenn man zum Beispiel nach Skandinavien oder in die Benelux-Staaten schaut – oder es kann an gegenseitiger Sabotage und Zaudern vor der Macht scheitern, wie wir das bei der deutschen „Ampel“ sehen. Es wird ein unübersichtlicheres, dynamischeres Regieren sein als heute. Ich würde zum Beispiel nicht darauf
wetten, dass die nächste Koalition die vollen fünf Jahre durchdient.
Wenn man Ihr Buch auch als eine Art Wake-UpCall versteht, von wegen „Freunde, ihr müsst etwas ändern, und zwar ganz grundsätzlich, so kanns nicht weitergehen bzw. wenns so weitergeht, geht’s nicht gut weiter“– was wäre die wichtigste Botschaft, die Sie der Politik geben. Ich würde sagen, die wichtigste Erkenntnis der vergangenen zehn Jahre ist, dass man große Reformen angehen sollte, sobald man die Gelegenheit dazu hat. Die Lage der Welt – mit den geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA, dem Klimawandel, autoritären Tendenzen an allen Ecken und Enden – wird in absehbarer Zeit nicht entspannter; das heißt, die Zeitfenster für Reformen wie im Schulsystem, im Heer, bei den Staatsfinanzen, werden kleiner und kleiner. Außerdem werden Parteien sich darauf einstellen müssen, in einem bunteren Parlament nur selten an der Macht zu sein. Also: Sobald die Gelegenheit da ist, ans Werk – und keine Angst vor dem Wähler.
Wachen wir nach den Nationalratswahlen in einem „anderen“ Österreich, tatsächlich einer sphärischen 3. Republik auf?
Nach menschlichem Ermessen wird die Sonne auch am 30. September ganz normal aufgehen, in den Schulen wird unterrichtet werden, die Ämter werden verwalten, die Polizei wird strafen und ganz generell wird die Republik noch da sein, ob man das Zweite, Dritte oder sonst wie nennt. Und genau mit der Einstellung sollten wir am 29. in die Wahlzelle gehen: dass es auch am Tag danach gute, verantwortungsbewusste Leute an der Spitze der Republik geben sollte, die sie besser machen wollen und in der Lage sind, sie durch die nächsten Krisen zu führen. Wenn wir uns daran halten, wird das schon gut gehen.
DIE LETZTEN JAHRE DER ZWEITEN REPUBLIK. Migration, Pandemie und Inflation. Der Vertrauensverlust in die Politik. ecoWing 2024
heißblütig*
*[ passionate ]
WAS DEN SOMMER IN ST. PÖLTEN ZUM EVENT MACHT? Ein Stadtleben, das so richtig auf „Kultouren“ kommt. Immer schmuck aufgeräumt, egal wie heiß es hergeht: dank exzellentem Abfallmanagement!
L(I)EBENSWERT
9 NEUE PLÄT
... 9 neue Schätze? Wir stellen die neuen Plätze St. Pöltens vor, von A wie Altoonapark bis Z wie Ziegel-Windfänger.
ALTOONAPARK
Rund um das einzigartige KinderKunstLabor präsentiert sich der vormalige Beserlpark am Schillerring jetzt als Spiel- und Kunstraum mit Skulpturen und Kunstinstallationen, die Kinder in den vergangenen vier Jahren mitentwickelt haben, etwa die Skulptur „CO:CO“ der Künstlerinnen Christine und Irene Hohenbüchler. Oder „Buchstabentheater“ von Andrea Maurer – es wurde in Workshops mit jungen Künstlern und Künstlerinnen erarbeitet. Aus den Entwürfen von mischer’traxler wählten die Kinder den Entwurf „Zuckerhut“ aus, der nun realisiert wird. Der Park wird zurzeit wieder aufgeforstet – 30 Bäume werden gepflanzt, der große Mammutbaum, um den sich viele St. Pöltner sorgten, ist erhalten geblieben.
Fakten
Bauzeit August 2021 bis Juni 2024 (Umgestaltung im Rahmen von Workshops) Eröffnung gemeinsam mit dem KinderKunstLabor am 28. Juni 2024 Gesamtkosten 1,4 Millionen Euro Größe ca. 6.200 m2 www.kinderkunstlabor.at
ALUMNATSGARTEN
Im 500 Jahre alten Klostergarten hat Landschaftsplaner Alfred Benesch die St. Pöltner Version eines mediterranen Gartens geschaffen – mit Rosenbeeten, Pergola, Springbrunnen, Wasserspiel und einem schattigen Laubengang. Ein Baurechtsvertrag über 99 Jahre mit der Diözese St. Pölten hat die barrierefreie Umgestaltung des alten Alumnatsgartens möglich gemacht. Jetzt ist der 1.950 Quadratmeter große Park für alle offen, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Und er soll nicht nur Erholungsraum für die St. Pöltnerinnen und St. Pöltner sein, sondern bald auch für viele Studierende. Denn im September wird die Kirchliche Pädagogische Hochschule (KPH) einziehen in das Alumnatsgebäude, das derzeit umgebaut wird. 360 Studierende werden nach St. Pölten kommen.
Fakten
Planung land.schafft mit Alfred Benesch Bauzeit Ende Februar 2023 bis Mai 2024
Eröffnung 1. Juli 2024
Gesamtkosten 1,3 Millionen Euro Größe ca. 1.950 m2
Ausstattung behindertengerechtes WC mit Wickeltisch
EISBERGSPITZE
Das Naherholungsgebiet im Westen der Stadt ist konzipiert für viele verschiedene Besucher, für Spaziergänger und Naturliebhaber, für Kinder, die ihre Eltern zum Drachensteigen mitnehmen, für Großeltern, die ihren
ZE …
Enkerln beim Stelzengehen oder Trampolinspringen zuschauen, aber auch für Sportbegeisterte, die den Bewegungspark nutzen. Im 14.200 Quadratmeter großen Naherholungsgebiet Eisbergspitze mit 2.000 Meter Wegenetz, 5.200 Laubbäumen, Sträuchern und Stauden sowie Pavillon, Trinkbrunnen und Retentionsbecken ist der NV Freizeit- und Bewegungspark integriert. Dort kann an zahlreichen Sportstationen trainiert werden. „Dort wäre ein Schattenspender fein“, sagt eine hitzegeplagte Großmutter, deren sportliche Enkerl die Geräte ausgiebig nutzten.
Fakten
Eisbergspitze – Naherholungsgebiet
Bauzeit 2020 bis Mai 2022 Eröffnung 9. August 2023
Gesamtkosten rund 7 Millionen Euro Größe 14.200 m2
Bestand rund 5.200 Laubbäume, Sträucher und Stauden sowie Sumpf- und Wasserpflanzen
Ausstattung Pavillon in 310 Metern Seehöhe, Trinkbrunnen, Retentionsbecken, Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten wie Fußball oder Drachensteigen; Bienenstöcke
Eisbergspitze – NV Freizeit- und Bewegungspark
Erarbeitung Firma Yewo Landscapes GmbH; Planung: Firma Agropac
Bauzeit 10 Wochen Fertigungszeit, 4 Wochen Aufbau Eröffnung 9. August 2023
Gesamtkosten rund 212.000 Euro (Förderung: Werbesponsoring der NV 100.000 Euro; Förderung des Sportlandes NÖ 20.000 Euro)
Ausstattung diverse Sportgeräte und -stationen, Motorik-, Fitness- & CalisthenicsGeräte, Balancierstrecke, Stelzenwald, Spinnennetz, Slackline Valley, Hindernislaufstrecke, Bodentrampoline, Monkey Bar, Kombi-Trainingsgeräte und Calisthenics-Elemente
GRILLPARZER CAMPUS
Neun Millionen Euro hat die Stadt in das Großprojekt „Grillparzer Campus“ investiert. Im neuen Schulcampus integriert sind die Grillparzer Volksschule mit 14 Klassen, ein zweigruppiger Landeskindergarten und die Musik- und Kunstschule – 50 moderne Unterrichtsräume stehen dann ab Oktober in den drei neuen Gebäuden für die mehr als 2.000 Musik-Schülerinnen und -Schülern bereit. Die Tagesbetreuung der Volksschüler kann im neuen Campus erweitert werden. Der zentrale Bereich zwischen der Grillparzer-Volksschule und dem Neubau wird außerdem verkehrsberuhigt.
Fakten
Planung Pfaffenbichler Architektur mit Architekt Gerhard Mirth
Bauzeit März 2023 bis September/Herbst 2024 Eröffnung 17. Oktober 2024
Gesamtkosten rund 9 Millionen Euro Größe 2.300 m2
Ausstattung moderne Klassen-, Gruppenund Funktionsräume mit interaktiven Schultafeln und WLAN; Kommunikationsbereich; viel Bewegungsraum im Außenbereich mit grünem Schulgarten
JÜDISCHER FRIEDHOF
Der jüdische Friedhof wurde 1906 neben dem Stadtfriedhof in der Karlstettner Straße angelegt. 340 Personen sind hier beerdigt, 188 Grabsteine erhalten. Denn während der Zeit des Nationalsozialismus waren viele Gräber und Grabsteine beschädigt oder zerstört worden. Seit 2022 wurde der Friedhof restauriert. Die Sanierung umfasste Baumeister-, Schlosser-, Steinmetz- und gärtnerische Arbeiten, auch die Zeremonienhalle wurde renoviert. Dabei hat der Fonds zur Instandsetzung jüdischer Friedhöfe 880.000 Euro investiert, das Land NÖ hat rund 280.000 Euro an Förderungen bereitgestellt.
Fakten
Bauzeit 2022 bis Mai 2024
Übergabe 28. Juni 2024
Gesamtkosten Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe rund 880.000 Euro; Land Niederösterreich: rund 280.000 Euro
Größe 6.205 m2
Öffnungszeiten Montag bis Sonntag 6.30 Uhr bis 20 Uhr
PROMENADE – GRÜNER LOOP
Der Promenadenring soll vom Verkehrsraum zum Verweil- und Flanierraum werden, Fußgänger, Radfahrer und Busse haben Vorrang gegenüber den Autos – für dieses Konzept hat der „Grüne Loop“ schon 2022 den
Mobilitätspreis des Verkehrsclub Österreich bekommen. In der Kategorie „Verkehrsberuhigung“ ist das St. Pöltner Projekt auch heuer wieder nominiert, jetzt, nachdem der erste Abschnitt fertiggestellt wurde. Vom Linzer Tor bis zur Lederergasse wurden Stadtbäume in Riesenbeeten gepflanzt, es grünt und blüht, in mehreren Hochbeeten ernten St. Pöltner Paradeiser, Kräuter, Salat – die Beete wurden an Interessierte verlost. Und der Grüne Ring soll sich positiv auf das lokale Stadtklima auswirken, wenn er 2027 fertig gestaltet ist.
Fakten
Lage Die Promenade ist 2,3 Kilometer lang, umrundet die Altstadt und vernetzt die angrenzenden Stadtteile. Zusätzlich soll der Grüne Ring die angrenzenden kleinen Parks und den Sparkassenpark miteinander verbinden und so einen zusammenhängenden Grün- und Freiraum entstehen lassen. Planung Das Verkehrsplanungsbüro Rosinak & Partner und das Landschaftsplanungsbüro DnD haben das Konzept „Grüner LOOP“ entwickelt.
Zeitplan
Die Umsetzung des Projekts erfolgt in drei Etappen. Der erste Abschnitt vom Linzer Tor bis zur Lederergasse wurde im August 2024 fertiggestellt. Der westliche Teil der Promenade zwischen Heitzlergasse und Ludwig Stöhr-Straße wird ab 2026 umgesetzt. Den Abschluss bildet der östliche Teil zwischen Lederergasse und Bischofsteich. Hier beginnen die Bauarbeiten im Laufe des Jahres 2027. Entlang des Hauptbahnhofes bleibt die Promenade in ihrer aktuellen Form erhalten, da dieser Bereich bereits neugestaltet wurde.
PROMENADE – GRÜNER LOOP
RATZERSDORFER SEE
Der Ratzersdorfer See wird kontinuierlich attraktiviert: Die Stege wurden ergänzt, die Tischtennis-Tische erneuert und ein zusätzlicher Beachvolleyballplatz neben der Calisthenics-Anlage geschaffen. Heuer wurde der Belag beim bestehenden Basketballplatz daneben erneuert und eine zusätzliche Multicourt-Anlage fertiggestellt, in der Fußball, Basketball und Volleyball gespielt werden kann. Dazu wurde eine Schaltuhr für das Flutlicht installiert, die bei Finsternis jeweils bei Knopfdruck zwischen 16 und 22 Uhr das Licht für 30 Minuten aktiviert. Am Badesteg wurden zwei Alu-Leitern angebracht. Dieser Steg bei der Seelounge am Südufer ist ein drei Meter langer und zwei Meter breiter Modulsteg – er gleicht
sich selbstständig dem Niveau der Wasseroberfläche an und ist in allen Richtungen erweiterbar. Auch der Holzsteg im FKK-Bereich wurde 2023 erneuert. Im vergangenen Jahr wurde der Skatepark mit einer Minirampe erweitert, im heurigen Juli eine Beachbar bei der Seelounge eröffnet.
Fakten
Ausstattung Die beiden öffentlichen WC-Anlagen beim Stützpunkt der Wasserrettung und bei der Seelounge wurden saniert,
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Infoabend „Treffpunkt Wohnbau”: Donnerstag, 10. Oktober 2024, 18.30 Uhr Sparkassenhaus St. Pölten
daneben zwei zusätzliche Container mit behindertengerechtem WC, Wickeltisch und Duschen geschaffen. Am Ratzersdorfer See und am Viehofner See wurden um 6.000 Euro zwei Defibrillatoren angeschafft. Skatepark Mit einer städtischen Subvention von 15.000 Euro wurden 2023 abgenützte Geräte erneuert, eine neue Rampe installiert.
STURM 19 PARK
Am Sturm 19 Platz begann die Karriere des legendären St. Pöltner Fußballers Franz „Bimbo“ Binder. Jetzt können sich im Sturm 19 Park auf der Fußballwiese Jungtalente ausprobieren. Sie können sich auch Kleinfeldtore ausleihen und zwar beim Stützpunkt der Stadtgärtnerei, die hier gerne auch Tipps geben für die Bepflanzung von Gemüse- und Kräuterbeeten. Der Park wurde im Juli eröffnet, der Spielplatz mit Klettergerüst, Sandkisten, Riesenschaukel wird bereits bestens angenommen, auch der Basketball Half-Court, der Volleyballplatz, die BocciaBahn und die Calisthenics-Anlage. „Ein tolles Angebot, meine Kinder sind begeistert, nur die neu gepflanzten Bäume hätten größer ausfallen können“, sagt eine Mutter, die extra aus einer Umlandgemeinde angereist ist.
Fakten
Planung
Nach einem Bürger:innenbeteiligungsprozess kreierten Raumposition, land.schafft und DnD Landschaftsplanung den zwei Hektar großen Park.
Bauzeit April 2023 bis Juli 2024
Eröffnung 16. Juli 2024
Gesamtkosten 2 Millionen Euro, ca. 90.000 Euro Förderung vom Land NÖ
Größe 2 Hektar
Ausstattung Fußballwiese, Basketball Half-Court, Tischtennistisch, Volleyballplatz, Calisthenics-Anlage, Boccia-Bahn, Trampoline, Sonnenliegen, Hängematten, Holzdeck, Klettergerüst, Sandspielbereich mit Schöpfbrunnen, Wasserspiel, Riesenschaukel; WC-Anlage, zwei Trinkbrunnen. Die Sturm 19-Tribüne wurde hergerichtet. Extensivflächen mit Naturblumen so wie neu gepflanzte Bäume und Sträucher; Lebensraum für Eidechsen, Libellen und Bienen; die Gemüse- und Kräuterbeete werden zur Bepflanzung vergeben.
WINDFÄNGER AM EUROPAPLATZ
Der Springbrunnen war das Wahrzeichen vom Kreisverkehr am alten Europaplatz. Neben der neuen Kreuzung plätschert Wasser von oben auf eine Skulptur aus 16.000 Ziegeln: Der Windfänger ist eine Brunnenskulptur mit einem Durchmesser von 13 Metern und rund vier Metern Höhe und mit einem Lederhülsenbaum in der Mitte, umgeben von einer Bank. Wer St. Pöltens meistbefahrene Kreuzung zu Fuß queren will, kann sich vorher hier abkühlen und auch einen Schluck aus dem Trinkbrunnen nehmen.
Fakten
Planung Künstler:innen-Verbund „Breathe Earth Collective“ Bauzeit Mai 2024 bis August 2024
Eröffnung Ende August 2024
Gesamtkosten rund 860.000 Euro, 80.000 Euro Förderung des Landes NÖ.
Größe 13,5 m Durchmesser, 4,8 m hoch, 16.000 Ziegel des Pottenbrunner Ziegelwerks Nicoloso wurden verbaut, für 1.000 sandfarbene Ziegel wurde von Bürgerinnen und Bürgern mit eine Ziegelpatenschaft erworben und in den „Windfänger“ integriert.
Wiener Neustadt
Neunkirchner Straße 90, 2700 Wiener Neustadt St. Pölten
Breiteneckergasse 2, 3100 St. Pölten
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IT’S A KIDSWORLD
Es ist schon grotesk. Jahre, nein jahrzehntelang wurde immer wieder ein Indoorspielplatz gefordert, das Thema fand gar Eingang in Wahlkampfauseinandersetzungen –wo und wie man eine derartige Einrichtung umsetzen könnte. Allein, daraus geworden ist nie etwas. Und jetzt … setzen Manuel Pemmer und Thomas Schuster einfach einen um, und könnten damit dem mühsamen Indoorspielplatz-Tourismus heimischer Eltern ein Ende setzen. Im ehemaligen Pueblo City-Treff.
Unbekannte sind die beiden Unternehmer dabei wahrlich nicht, wenngleich ihr Spezialgebiet bislang einige Semester höher lag: Pemmer und Schuster betreiben gemeinsam die Disko „Infinity Club/Bar“ am Schießstattring, Manuel Pemmer ist zudem Wirt der „Seelounge“ am Ratzersdorfer See. Warum sie jetzt quasi zusätzlich ins „Kinderfach“ wechseln, ist wohl primär elterlichem Leidensdruck geschuldet, denn wie viele Eltern insbesondere von Kleinkindern standen die beiden Väter nicht selten vor der Frage aller Fragen: Was unternehmen wir? Wie halten wir die Gschroppen bei Laune? Ein Indoorspielplatz war da heißbegehrtes Objekt der Begierde „dafür mussten wir aber bislang immer nach Wien oder anderswohin ausweichen, weil es eine solche Einrichtung in St. Pölten und Umgebung schlicht nicht gibt.“ Ein Umstand, dem die beiden Unternehmer schon seit geraumer Zeit Abhilfe schaffen möchten und nun dafür endlich die passende Immobilie gefunden haben: das ehemalige Pueblo Fitnesscenter im Süden der Stadt. „Vom Standort her, mit der direkten Anbindung an die A1, der Lage im Industriegebiet, den Parkplätzen direkt vor der Haustür, ist es unserer Meinung nach ein perfekter Platz für ein Kinderparadies. Dazu kommt noch der schön angelegte Garten mit Pool, der auch weiterhin für diverse Events genutzt werden
CHECKER. Reden nicht nur davon, sondern sezten um: Thomas Schuster (l.) und Manuel Pemmer (r.).
kann.“ Vor allem verfügt der legendäre Fitnesstempel aber über eine „weiterverwendbare Lüftungs und Heizungsanlage“, so Pemmer. „Das erspart uns einen großen Brocken an Kosten. Tatsächlich glaube ich, dass daran bislang die meisten gescheitert sind.“ Denn eine finanzielle Herausforderung ist das Projekt auch ohne sündteure neue Lüftungsund Heizungsanlage. „Wir reden da immerhin von einem Investment im höheren sechsstelligen Eurobereich!“ Von dem die beiden aber auf Basis eines stimmigen Gesamtkonzeptes sowie persönlicher Marktanalysen vollends überzeugt sind. „Wir haben ja sehr viele bestehende Parks in Niederösterreich und Wien
besucht, auf Herz und Nieren geprüft.“ Im Übrigen von den besten MysteryShoppern und härtesten Testpiloten, die man sich vorstellen kann – den eigenen Kindern. Zudem haben sich Manuel und Thomas mit der HPS Play Company DEN Branchenprimus in Sachen Ausstattung an Bord geholt. Dabei lautete das Motto – gut für die Nutzer –eher klotzen, statt kleckern, denn es gibt gefühlt nichts, was es nicht gibt. Herzstück ist, wenn man so möchte, der über gleich mehrere Ebenen aufgebaute Kletterpark, mit Attraktionen wie zum Beispiel drei (Röhren)Rutschen, Krabbelrohren, Shootingarena mit Tippa Toppa, Trampoline mit interaktivem Valo
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Jump, Knuffsäcken, Spinnenkletterturm mit sechs Ebenen und vielem mehr. Weiters gibt es einen eigenen Kleinkinderbereich für alle Kinder bis drei Jahre sowie einen Kids Ninja Parkour mit schwebenden Plattformen, Drehteller, NinjaPlates und Hangelparcours – ausgelegt für Kinder ab sechs Jahren. Ein Soccercourt mit interaktiven Games für IndoorFußballspiele findet sich noch im Erdgeschoss, eine Ebene darüber, dort wo ehemals im großen Turnsaal die FitnessAfficionads bei Bodypower, BauchBeinPo & Co. schwitzten, rollen in Zukunft die Kids mit ZweisitzerKarts auf einer IndoorMiniKartbahn durch die Gegend. Hunger und Durst wird im „Bistro“ gestillt, das auch ein Aufenthaltsraum für die Eltern ist, die durch die offene Architektur des Gebäudes von fast überall ihre Kinder im Blick haben … wenn sie nicht ohnedies selbst mitmachen „Aus eigener Erfahrung wissen wir ja, dass es einigen Eltern genauso viel Spaß
GEMEINSAM ERINNERUNGEN SAMMELN
macht, mit ihren Kindern gemeinsam die Attraktionen zu nutzen.“
Wer aber glaubt, das wars jetzt – weit gefehlt. Parallel zum Kinderparadies möchten die beiden Unternehmer im Untergeschoss auch eine zweite Schiene, für die das Pueblo bereits jetzt bekannt ist, fortführen und sukzessive ausbauen. „Die beliebte Veranstaltungsreihe ‚Sunset Terrazza‘ etwa wird auf jeden Fall weitergeführt, außerdem sind auch weitere Indoor bzw. Outdoorveranstaltungen in Planung“, verraten die beiden Szenewirten. Zudem möchten sie eine bisweilen klaffende Lücke im Raumsprektrum der Stadt für größere Feiern ab etwa 100 Personen schließen: „Deshalb soll die Location auch für Hochzeiten, Firmenfeiern, Geburtstagsfeiern, kleine Konzerte, Kabarettabende und ähnliches genutzt werden.“ Fürs leibliche Wohl vertraut man in diesem Fall dann neben der eigenen Expertise auch auf jene befreundeter St. Pöltner Gastronomen.
ZEITEN ÄNDERN SICH. Dort, wo einst FitnessAficionados ihre Muskeln stählten oder bei Bauch-Bein-Po schwitzten, werden fortan die Kinder der Region ihren Spaß haben. Zugleich das Ende einer Ära, sind damit doch auch die letzten Squashplätze Geschichte.
Das ist aber noch – freilich nicht allzuferne – Zukunftsmusik „denn jetzt ist einmal die Umsetzung des Indoorspielplatzes vorrangig.“ Und die beschert den beiden aktuell intensive Arbeitswochen. Läuft alles nach Plan – am Areal wird schon an allen Ecken und Enden fleißig gebohrt und gehämmert – möchten sie nämlich noch heuer die Pforten öffnen, quasi (fast) rechtzeitig zur IndoorSaison und damit eine lange klaffende Wunde im KinderAngebotsspektrum der Stadt schließen,
was die beiden Väter auch als gesellschaftlichen Beitrag verstehen: „Gerade in der heutigen Zeit, in der die elektronischen Medien und Geräte von TV über Handy, Tablet & Co. immer stärker und früher im Alltag der Kinder Einzug halten, ist eine sinnvolle und sportliche Freizeiteinrichtung wie ein Indoorspielplatz, die auch im Winter genutzt werden kann, in St. Pölten schon längst überfällig.“ Dem werden die bisweilen „geplagten“ Eltern der Hauptstadtregion freudig zustimmen.
Gerade in einer Zeit, in der elektronische Medien und Geräte immer stärker und früher im Alltag der Kinder Einzug halten, ist ein Indoorspielplatz in St. Pölten überfällig.
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KIRCHLICH PÄDAGOGISCHE HOCHSCHULE
VON DER DONAU AN DIE TRAISEN
St. Pölten erfährt eine weitere Aufwertung als Hochschulstandort. Im kommenden Jahr übersiedelt die Kirchlich Pädagogische Hochschule (KPH) von Krems in die Landeshauptstadt.
Die Diözese St. Pölten entschied sich für eine Übersiedlung in den, zurzeit entstehenden, neuen Campus im ehemaligen Alumnatsgebäude in der Wiener Straße, wo dereinst Priester ausgebildet wurden. Ein Gespräch mit KPH-Rektor Hubert Philipp Weber.
Warum hat man sich entschieden, den Standort von Krems nach St. Pölten zu verlegen?
Die KPH ist eine private Hochschule, die von mehreren kirchlichen Einrichtungen, unter anderen von der Diözese St. Pölten getragen wird. Diese Träger sind für die Infrastruktur verantwortlich. Die Diözese St. Pölten hat aus strategischen Überlegungen entschieden, den Ausbildungsbetrieb nach St. Pölten zu übersiedeln. Dabei spielen wirtschaftliche Überlegungen und das Interesse, mehrere diözesane Bildungseinrichtungen näher beisammen zu haben, eine Rolle. Gleichzeitig können neue Akzente in der LehrerInnen-Bildung gesetzt werden.
Im Alumnat wird ja schon fleißig umgebaut.
Wann werden die Arbeiten beendet sein?
Wann beginnt die KPH-Ausbildung in STP?
Die Umbauarbeiten und Adaptierungen werden im kommenden Jahr abgeschlossen sein. Ab Oktober 2025, mit Beginn des Studienjahres, werden die Primarstufenstudierenden am neuen Campus in St. Pölten begrüßt. Für die StudienanfängerInnen ändert sich nicht nur der Ort, an dem sie künftig studieren, sondern auch die Studienstruktur. Das Bachelorstudium wird drei Jahre dauern, das anschließende Masterstudium zwei Jahre. Die Ausbildung verbindet dabei Theorie mit Praxis. Die Studierenden sammeln Erfahrungen an Schulen von der ersten Studienwoche an, begleitet durch MentorInnen und KPH-ProfessorInnen.
Die neuen Curricula sind zukunftsorientiert gestaltet und bilden eine fundierte Basis für den Lehrberuf. Neben der Ausbildung werden am KPH Campus St. Pölten auch Fortbildungsveranstaltungen und Weiterbildungen angeboten.
ATTRAKTIV. Das historische Ambiente, modernste Technik und der neue Alumnatsgarten versprechen am Campus ein tolles Studienumfeld, wie auch Rektor Weber überzeugt ist.
Hat man genügend Platz im Alumnats-Areal – es standen ja auch Teile des Hippolythauses zur Diskussion?
Das Areal des Alumnats bietet für die verschiedenen Angebote ausreichend Platz, um einen modernen Studienbetrieb zu gewährleisten. Darüber hinaus eröffnet der Campus auch die Möglichkeit zu eigenständigem Lernen, Arbeiten oder zur Begegnung. Durch die Nähe verschiedener Bildungseinrichtungen in St. Pölten können außerdem Synergien gefunden werden, zum Beispiel wird ein externer Turnsaal benützt werden.
Wird sich das Angebot der KPH am neuen Standort verändern?
Am KPH Campus St. Pölten wird es weiterhin Angebote im Bereich der Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung geben, wobei sich die Studienarchitektur des Lehramts Primarstufe aufgrund der neuen gesetzlichen Vorgaben ändert. Außerdem werden die Angebote laufend den gesellschaftlichen Anforderungen angepasst.
Mit wie vielen Studierenden rechnet man?
Mit den verschiedenen Studien und Lehrgängen erreicht die KPH in Krems derzeit an die 600 Studierenden. Diese Zahl, die schon länger konstant ist, soll auch in St. Pölten erreicht werden. Sie werden von einem engagierten Team aus Lehrenden betreut. Unter diesen hervorragenden ExpertInnen sind auch PraktikerInnen, die neben ihrer Unterrichtstätigkeit in Schulen in der Lehre mitwirken.
Sehr gute Voraussetzungen bieten auch die gute Anbindung und die anderen Vorteile der Stadt St. Pölten.
Wird es eine Besonderheit in St. Pölten geben?
Die Besonderheit der KPH ist die Möglichkeit, sowohl allgemeine pädagogische als auch religiöse Bildung zu erwerben, werteorientiert und sensibel für die Diversität. Neben den vielen neuen Vorteilen des Standortes bezüglich Erreichbarkeit und Infrastruktur bleiben unsere bekannt hohe Qualität in der Lehre, die hohe Professionalität in der Ausbildung und unser besonderes Eingehen auf die Studierenden. So werden die persönlichen Rahmenbedingungen wie etwa bei Berufstätigkeit, Kinder, Pflegesituationen der Studierenden usw. möglichst berücksichtigt. Das bleibt auch am Campus St. Pölten unverändert erhalten.
Sind die kooperativen Schulen, „Übungsschulen“, schon bekannt?
Die KPH kooperiert auch jetzt schon im Rahmen der LehrerInnen-Bildung mit vielen verschiedenen Schulen in Niederösterreich, so auch mit zahlreichen Schulen in und um St. Pölten. Hier kann nahtlos angeschlossen werden.
Wie sieht sich die KPH in ihrer Position in der aufstrebenden Studentenstadt St. Pölten?
Die KPH bietet an allen sieben Standorten exzellente Qualität in allen Bereichen der LehrerInnen-Bildung in der Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung. Damit wird sie in St. Pölten einen wichtigen Beitrag für die Zukunft der Bildung leisten.
Wie darf man sich die neue architektonische Gestaltung vorstellen?
Das Raumkonzept der neuen Nutzung wird nach allen modernen Gesichtspunkten und Anforderungen bestmöglich in die bestehende Gebäudestruktur eingepasst. Dabei bleibt der historische Charakter erhalten. Wir zollen damit der Geschichte des Gebäudes Respekt und vereinen so Schönheit mit Funktionalität.
In dem Gebäude wird es eine hervorragende Verbindung von gut erhaltener Bausubstanz mit moderner Architektur geben.
Wie sieht man von Seiten der KPH das Konzept, Studierende nach STP zu bringen?
Die KPH macht jungen Menschen ein attraktives Studienangebot, mit dem sie sich für einen zukunftsorientierten, schönen Beruf fit machen. Sehr gute Voraussetzungen bieten auch die gute Anbindung und die anderen Vorteile der Stadt St. Pölten.
Was liegt Ihnen bezüglich dieses Umzuges noch am Herzen?
Wir wünschen uns – und gehen davon aus –, dass es uns gelingt, den guten „KPH-Spirit“ von Krems auf den neuen Campus St. Pölten mitzunehmen und dort weiterzuentwickeln. Dieser Neubeginn wird unseren Lehrenden und Studierenden viele neue Chancen eröffnen.
ZUKUNFT WAS KOSTET ES DIE ZU GESTALTEN?
Erlöse um 578.000 Euro, zugleich stieg aber der Personalaufwand um 757.000 Euro noch stärker an, auf stolze 2 Millionen Euro pro Jahr. Auch die Aufwendungen für Mieten und Werbung erhöhten sich deutlich, auf den zuvor zitierten Jahresverlust von rund einer Million Euro. Von einem Break-Even-Point scheint man weit entfernt. Im Prüfbericht merkt der Wirtschaftsprüfer aufgrund des negativen Eigenkapitals an, dass der Fortbestand des Unternehmens
Die Berta von Suttner Privatuniversität möchte die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten. Berufsbegleitend studiert man hier die Zukunftsthemen Soziales, Psychologie und Psychotherapie. Die Gegenwart prägt aber auch ein chronisches Budgetloch. Wohin will die Suttneruni?
von der Aufrechterhaltung der Finanzierung durch die Gesellschafter abhängig ist – also der Stadt St. Pölten, welche durch nachrangige Darlehen Geld zuschießen muss. Der Finanzplan 2024 bis 2030 sieht laut
dem Wirtschaftsprüfer ein positives Ergebnis 2028 vor. Es wird wohl noch eine Zeit lang dauern, bis aus derartigen Überschüssen eine Rückzahlung der Gesellschafterdarlehen erfolgen kann – wenn überhaupt.
ZUKUNFT
Uni-Ambulanz und Angebotsplus
Inhaltlich entwickelte sich die Suttneruni unterdessen konsequent weiter. Dank erfolgreicher Akkreditierung durch die AQ Austria, kann man ab dem Wintersemester 2024 Psychologie mit 30 Studienplätzen berufsbegleitend studieren (4.900 Euro je Semester im Bachelorstudium, auch ein Masterstudium wird später aufbauend angeboten). In den letzten Monaten stand die gesetzlich vorgesehene Re-Akkreditierung ins Haus, dabei überprüft eine Aufsichtsbehörde die Entwicklungspläne sowie die Qualität der praktischen Umsetzung und entscheidet, ob die Privatuni weitermachen darf. Die formalen Beschlüsse werden im Herbst 2024 erwartet, das Rektorat freut sich über ein sehr gutes Gutachten der Experten, die vor Ort den Betrieb durchleuchtet haben und erwartet darum eine Re-Akkreditierung ohne Auflagen. Besonders zufrieden waren die Studierenden bei einem wesentlichen Anspruch der BSU, der „Studierbarkeit“. Eine für die Allgemeinheit zugängliche Uni-Ambulanz wurde 2023 eröffnet. Jeder kann sich an diese Ambulanz im Gesundheitszentrum in der Maximilianstraße wenden, um dort Beratungs- und Therapieangebote in Anspruch zu nehmen. Studierende und Lehrende von Sozialer Arbeit und Psychotherapie sind dort tätig, Klientinnen und Klienten erhalten günstige Angebote, Studierende sammeln Praxiserfahrung unter Supervision.
Die wesentliche Zukunftsfrage für die Sutteruni wird wohl auch in der Psychotherapieausbildung liegen, welche gesetzlich neu aufgestellt wurde. 500 öffentlich finanzierte Studienplätze soll es künftig österreichweit geben. Bisher war die Ausbildung zur Psychotherapeutin bzw. zum Psychotherapeuten nur in privaten Einrichtungen möglich –und das zu sehr hohen Kosten. Werden nun öffentlich finanzierte und damit vergleichsweise kostengünstige Studienplätze die Sutteruni ad absurdum führen? Oder startet man in dem bereits etablierten Rahmen mit einem öffentlich finanzierten Vollzeitstudium, flankiert von weiterhin privat bezahlten berufsbegleitenden Studien, wie dies etwa bei Sozialer Arbeit und Psychologie schon heute möglich ist?
Versorgungsloch
Wir sprechen darüber mit Rektor Peter Pantuček-Eisenbacher und Studienprogrammleiter Michael Wininger. Sie führen aus, dass diese öffentlich finanzierten Studienplätze in der Planung der Sutteruni keine Rolle spielen, da Privatunis grundsätzlich nicht direkt vom Bund finanziert werden dürfen. Doch wie soll das dann funktionieren, wenn man an öffentlichen Universitäten „gratis“ Psychotherapie studieren kann, während man zum Studieren an der BSU tief in die Tasche greifen muss? Michael Wininger: „Knapp zehn Prozent der Bevölkerung in Österreich haben Bedarf an psychotherapeutischer Unterstützung und wären bereit, sich diese zu organisieren. Aber nicht mal drei Prozent der Bevölkerung bekommen teilstaatlich finanzierte Behandlungen, sprich einen Teil der Behandlungs-
PSYCHOTHERAPIE. Michael Wininger verspricht moderne Lehre.
FAKTENBOX
Die Entwicklung der Bertha von Suttner Privatuniversität St. Pölten anhand von Zahlen, immer bezogen auf Sommersemester 2024 im Vergleich zum Sommersemester 2023:
• 258 ordentliche Studierende (zuvor: 254), davon 134 BA Soziale Arbeit, 95 BA Psychosoziale Interventionen, 17 MA Psychotherapie und 12 andere Studien.
• 117 außerordentliche Studierende in Universitätslehrgängen oder Summer Schools (zuvor: 75)
• 143 AbsolventInnen (zuvor: 92)
kosten tragen die staatlichen Gesundheitskassen. Daran sieht man, dass ein wesentlich größerer Bedarf an qualifizierten und leistbaren Behandlungsangeboten besteht. Wenn wir nur das heutige Niveau des Versorgungsgrads halten wollen, welches ja eigentlich viel zu gering ist, dann brauchen wir in Österreich in Zukunft jährlich rund 1.200 bis 1.300 Absolventen. Jetzt sind 500 Plätze von der Politik im Rahmen
Es ist eine Erfolgsgeschichte, dass die Stadt mittlerweile nur mehr 30 Prozent unserer Gesamtkosten zuschießen muss – und nicht mehr 70 Prozent wie früher.
UNIAMBULANZ. Leistbare Psychotherapie und sozialarbeiterische Beratung kann hier jeder in Anspruch nehmen.
DER WÜRFEL IST GEFALLEN
Als ich vor mittlerweile 25 Jahren nach St. Pölten zog, gab es im Grunde zwei kulinarische „Musts“. Das eine war der Koll beim Kaiserwald, das zweite der Winkler am Mühlweg. Galt der Koll als studentische Kulturbeisl-Variante mit bodenständiger Speisekarte, so war der Winkler der gutbürgerliche Gasthof, in der typisch österreichische Küche auf selten hohem Niveau in gepflegter WohnzimmerAtmosphäre angeboten wurde. Ging man zum Winkler, so zog man sich vielleicht auch ein bissl besser an, um dem noblen, aber nie überkandidelten Gesamtstil ein wenig gerecht zu werden. Der Koll ist Geschichte, den Winkler gibt es immer noch. Seit 1904 im Familienbesitz leiten derzeit Ilse und Franz Winkler gemeinsam mit ihrem Sohn die Geschicke des Lokals, mit Liebe zum Detail und der wahrscheinlich besten Mehlspeise der Stadt, dem Winklerwürfel, einer schokoladigen Offenbarung, die auch Mehlspeismuffel begeistern kann. Am 30. Oktober geht diese Ära nun zu Ende. Probleme, Personal zu bekommen, sowie die Tatsache, dass sich die beiden Chefs in einem Alter befinden, in dem andere schon längst in Pension sind, leiten das Aus ein. Das freundliche Understatement von Frau Ilse und ihrem Kellner Adrian hinterlassen eine Lücke, die niemand füllen kann, schon gar nicht die hunderttausendste Burgeroder Kebap-Hütte. Der Wiener Filmregisseur Willi Forst meinte einst: „Mein Stil hat Pause.“ Das lässt sich nicht nur auf das verschwundene Gutbürgerliche, sondern auch auf den Winkler übertragen. Ich selbst werde beim letzten Winklerwürfel garantiert eine Träne zerdrücken.
öffentlicher Universitäten angekündigt. Somit bleibt noch immer ein gewaltiges Loch in der Versorgung. Wenn wir unser Ziel schaffen, dass aus St. Pölten jährlich hundert Absolventen auf den Markt kommen, dann sind wir ein Teil der Lösung dieses gesellschaftlichen Problems. Man sieht klar, dass private Anbieter weiterhin nachgefragt werden.“
Doch wenn der Bedarf an Absolventen und das Interesse an Studienplätzen so groß ist, wieso stockt man dann nicht die Ausbildungsplätze auf? Peter PantučekEisenbacher: „Wir sind eine privatrechtlich organisierte Universität, das heißt nur, wir werden nicht vom Bund finanziert. Aber wir sind keine Uni, deren Eigentümer privatwirtschaftliche Ziele verfolgen – wir dürfen gar keine Gewinne machen. Natürlich verfolgen wir gemeinsam mit der Stadt St. Pölten als unserer Haupteigentümerin das sinnvolle Ziel, dass wir die laufenden Kosten über Studienbeiträge decken können. Es ist eine Erfolgsgeschichte, dass die Stadt mittlerweile nur mehr 30 Prozent unserer Gesamtkosten zuschießen muss – und nicht mehr 70 Prozent wie früher. Aber wenn wir in einem Studiengang die Plätze beispielsweise von 30 auf 60 verdoppeln wollen, dann müssen wir das doppelte Lehrpersonal bereitstellen. Das sind dann wieder hohe Anlaufkosten, bis man letztlich diese zusätzlichen Plätze vollbekommt und sich wieder alles im Businessplan bewegt. Wobei man auch sagen muss, dass die Studiengebühren nicht ausreichen können, um alle Kosten des Betriebes zu tragen.“
Michael Wininger ergänzt: „Der Begriff einer Privat-Universität weckt leider oft falsche Assoziationen. Bei uns können Sie sich nicht mit viel Geld einen Titel kaufen. Aber wir bieten hoch qualitative Lehre mit modernsten Methoden an. Bei uns studieren beispielsweise Menschen Psychotherapie, die nicht aus einem wohlhabenden Haus kommen, sondern die neben dem Studium arbeiten gehen müssen, um sich den Traum dieser teuren Berufsausbildung zu ermöglichen.“
So gesehen ist die Berta von Suttner Privatuniversität St. Pölten das Gegenteil von „Privat“. Nämlich eine von der Stadt St. Pölten mit rund einer Million Euro jährlich bezuschusste Bildungseinrichtung, die dringend benötigte Arbeitskräfte ausbildet, auch in der Hoffnung, damit einen möglichst hohen Versorgungsgrad in dieser Region bei diesen Berufsfeldern zu erreichen und zugleich auch einen wissenschaftlichen Raum für diese zukunftsweisenden Themenfelder in St. Pölten zu etablieren. Also durchaus eine Aufgabe für unsere Gesellschaft und nichts, was man dem freien Markt überlassen möchte.
Bei uns können Sie sich nicht mit viel Geld einen Titel kaufen. Aber wir bieten hoch qualitative Lehre mit modernsten Methoden an.
MICHAEL WININGER, STUDIENPROGRAMMLEITER
ST. PÖLTEN UND DIE KUNST
Alle werden jetzt glauben: „Oje, das wird bös.“ Jetzt ist es aber mit der Kunst wie mit der Mama. Ich will natürlich gscheiter sein als die Mama. Dann kommt sie durchs Vorzimmer. So hab ich sie noch nie gesehen und sage: „Mama, wie bist denn du heut angezogen? Na, das schaut aber komisch aus, ich mein, willst wirklich so unter die Leute gehen?“
Und die Kunst geht unter die Leute. Steht an der Tangente, hängt am Domplatz, macht Musik, spielt Theater, malt Bilder oder schreibt was. Überall in St. Pölten, am Herrenplatz, am Europaplatz, oder steht als Baum im Hammerpark. Alle wissen dann, was Kunst ist, die richtige, die falsche, die gute, die schlechte. Nur der Frau Kunst ist das wurscht, sie ist eine Frau. „Warum glaubst du, dass die Kunst eine Frau ist?“, sagt da einer vor dem Café im Palais Wellenstein. Er heißt Hubmayer und hat eine ganz tolle Sportuhr. Sofort bestellt er sich ein großes Bier, weil das braucht er jetzt, und erklärt mir, was richtige und gute und schlechte und falsche Kunst ist. Dann kommt der Herr Berghuber dazu, er hat noch Kopfweh von gestern, und erklärt dem Herrn Hubmayer, wie es wirklich ist, mit der Kunst.
„Tu ihnen nicht weh, dem Herrn Hubmayer und dem Herrn Berghuber, weil du weißt selbst nicht, wie was wann wo. Oder willst du es noch immer wissen?“, sagt die Frau Kunst. „Nein“, sag ich, „aber ich will es immer tun, bis ich einschlafe und neben dir aufwache.“ „Na, dann tu“, sagt sie. Und ist schon wieder weg. Mir wurscht, irgendwann find ich sie, und dann schmusen wir für immer und ewig.
ENDSPURT
Startpunkt
Auf in die dritte, und finale Runde heißt es beim Tangente-Festival. Noch bis 6. Oktober läuft Phase 3, die dem Schwerpunktthema „Demokratie“ gewidmet ist und einen Veranstaltungsreigen aus künstlerischen Projekten, Symposien, Performances, Workshops, Konzerten etc. über die Stadt schwappen lässt. Worum‘s inhaltlich geht, umreißt der kuratorische Leiter Tarun Kade: „Der letzte Schwerpunkt der Tangente versammelt Gegensätzliches und Gleichgesinntes: Wrestling, Widerstand und Weltpolitik; Populismus, Poesie und
Popkultur; Kanon, Kinder und den Kampf um die Stadt. Im Zentrum steht die Teilhabe an der Demokratie: Wessen Stimme zählt?“ Ein Highlight mit indigener Künstlerbeteiligung ist die „Stadt-Galerie“. Leerstehende Geschäftslokale und Schaufenster (siehe Karte) werden mit Arbeiten zu den Themen Ökologie, Erinnerung und Demokratie bespielt. Den Output des Songwriting-Calls bekommt man wiederum im Zuge der musik. stp Songvernissage am 4. Oktober im Freiraum zu hören. www.tangente-st-poelten.at
SHERLOCK HOLMES TRIFFT VINZENZ PAULI
Seit
seinem ersten Auftritt vor 137 Jahren hat Sherlock Holmes praktisch Unsterblichkeit erlangt, obwohl – oder weil – er eine sehr ambivalente Gestalt ist: Man mag in ihm einerseits einen konservativen Verfechter englischer Tugenden sehen, andererseits ist er ein recht arroganter Bohemien, der Konventionen jederzeit ins Eck stellt, wenn sie ihm nicht passen. Seit 2016 ist St. Pölten die Hauptstadt der österreichischen Sherlockianer. Regelmäßig fanden hier die Sherlock-Holmes-Stammtische statt – jener am 7. November wird der 20. und ein spezieller! Der bisherige Organisator Thomas Fröh-
lich, Obmann des Österreich-Ablegers der Deutschen Sherlock-HolmesGesellschaft, übergibt seine Agenden an die Linzerin Sonja Birgmann. Schauspieler des Linzer Theaters in der Innenstadt werden eine Lesung abhalten, dazu gibt’s eine Tombola! Elementary, my dear Watson …
WAS GIBT‘S DA ZU LACHEN?
AUSSERIRDISCH GUT
Mag wie eine rhetorische Frage klingen … ist es auch! Denn wenn Toxische Pommes (27.09.) bereits zum zweiten Mal in der Bühne im Hof pointiert-satirisch die österreichische Gesellschaft aufblatteln lässt, werden Sie auch dieses Mal von „Ketchup, Mayo & Ayvar“ nicht genug bekommen können. Cornelius Obonya & Florian Scheuba (05.10.) spannen in der satirischen szenischen Lesung „Von der Presse- zur Erpresserfreiheit“ einen Bogen von Karl Kraus über Imre Bekessy bis hin zu Wolfgang Fellner und Thomas Schmid … denn Käuflichkeit im Journalismus kennt kein Verfallsdatum.
20 SEP 2024
A.I.M by Kyle Abraham Cassette Vol. 1
04/05 OKT 2024
Joana Tischkau
Bro
09 OKT 2024
10 OKT 2024
Mnozil Brass
30 Jahre - Mnozil Brass
Die Superstars von Coldplay haben sie gebeten, ihre vier ausverkauften Wien-Konzerte zu eröffnen! Nun ist die Songmagierin OSKA (10.10.) erstmals zu Gast in der Bühne im Hof und verzaubert mit einem Mix aus Indie, Pop und Folk!
Österreichs bester feministischer Podcast als Bühnenprogramm: Ö3-Moderatorin Mari Lang (11.10.) serviert einen Mix aus absurden Fakten, kuriosen Anekdoten und Live-PodcastGespräch. Das Zirkusfest (17.-20.10.) feiert auch in diesem Jahr (über-)menschliche Fähigkeiten und grandiose Akrobatik.
DAS IST NICHT NICHTS
Schon vor 7.000 Jahren fanden Menschen St. Pölten als interessanten und perfekten Ort zum Leben, der er ja auch heute noch immer ist. Das zeigen die wissenschaftlichen Ausgrabungen – nicht nur am Domplatz. Auch wenn viele Einheimische dieses Faktum weitgehend negieren, weiß es Stadtarchäologe Ronald Risy aufgrund seines intensiven Blickes in die Vergangenheit ein bisserl besser.
In der Ausstellung „Von Steinen und Beinen“ im Stadtmuseum, die uns die Stadthistorie, speziell am Domplatz, auf eine lebendige und spannende Art und Weise näherbringt, sind viele bemerkenswerte Fundobjekte zu sehen und die Erkenntnisse aus den wissenschaftlichen Arbeiten rund um die zehnjährigen Ausgrabungsarbeiten fundiert dokumentiert.
Seit 5.000 vor Christus ist das Gebiet von St. Pölten besiedelt. „Die Menschen hätten sich nicht nie-
dergelassen, wenn es hier nicht so schön wäre“, erzählt Ronald Risy enthusiastisch, „es sind immer gerne Leute hergekommen, das ist nicht nichts.“ Dieses freudvolle Engagement braucht es auch, wenn Risy seiner Aufgabe als Stadtarchäologe, der sich im Spannungsfeld zwischen Denkmalamt, Grabungsfirma und Bauherrn befindet, nachkommt. „Es gibt keine Schnittmenge zwischen diesen Positionen. Die Grabungsfirma möchte Geld verdienen, die Bauherren möglichst wenig Geld
und Zeit verlieren“, so Risy. Und dem Denkmalamt liegt eine minutiös wissenschaftlich dokumentierte Historienaufarbeitung am Herzen. „Für mich war und ist es eine Art Traumberuf, obwohl es immer belastender wird“, reüssiert der in die Vergangenheit Blickende. Deshalb ist er besonders angetan von der derzeit im St. Pöltner Stadtmuseum laufenden Ausstellung „Von Steinen und Beinen. Die wechselvolle Geschichte eines Platzes, der keiner war“. Sie dokumentiert und präsentiert die Ergebnisse und Erkenntnisse aus einer zehnährigen Grabungstätigkeit am Domplatz.
Im 3D-Modell ersteht die römische Stadt „Aufgrund des Kulturjahres und der Tangente haben wir mehr Geld zur Verfügung und zusätzlich auch die Möglichkeit, 3D-Modelle, etwa von der römischen Siedlung zu erstellen. Wir zeigen da sehr anschaulich, wie eine römische Stadt, deren Teile wir am Domplatz bei den Grabungen entdeckten, ausgesehen haben könnte“, freut sich Risy über die gelungene Ausstellung, „wir haben schon sehr gutes Feedback bekommen.“ Schon vor Beginn der Ausgrabungen hatte Risy das Gefühl, am Domplatz einiges zu finden. „Ich habe gespürt, dass da etwas drinsteckt.“ Deshalb ließ er sich auch 2010 von der Universität karenzieren und steckte seine ganze Kraft in die St. Pöltner Stadtarchäologie. „Einer meiner Höhepunkte während der Ausgrabungsarbeiten war dann die Entdeckung des römischen Verwaltungspalastes.“ Der Statthalterpalast aus der Spätantike weist auf die besondere Bedeutung von Aelium
UNTERWELT. Die Grabungen am Domplatz offenbarten die reichhaltige, versunkene Historie der Stadt.
Cetium als Provinzhauptstadt hin. Damit muss die Geschichte St. Pöltens in der Römerzeit neu geschrieben werden. „Auch die Entdeckung des mittelalterlichen Friedhofes, der zurzeit mit 22.424 Skeletten als größtes anthropologisches Bioarchiv gilt, war sensationell. So etwas hat niemand anderes.“
Das zeigt auch das große Interesse der internationalen Forschung an den St. Pöltner Domplatz-Ausgrabungen. An das berühmte MaxPlanck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig wurden 75 Proben, speziell Zähne und Teile von am Ohr liegenden Felsenbeinen aus den Sammelgräbern geschickt. „Dort arbeitet mit Prof. Dr. Johannes Krause ein absoluter Experte für evolutionäre Anthropologie. Der Archäo- und Paläogenetiker hat mit seinem Team in 25 unserer Proben den schwarzen Tod, den Pesterreger festgestellt. Krause war auch bei den Untersuchungen des Ötzi und der Lucy dabei. So ein großes Sample gab es noch nie“, weiß Risy um die Wichtigkeit der St. Pöltner Funde und deren wissenschaftliche Bearbeitung. Umso mehr freut es Risy, dass der Archäogenetiker weitere 500 Proben angefordert hat, deren naturwissenschaftliche Untersuchungen keine Kosten heraufbeschwören. Das spiegelt die enorme Bedeutung des Materials aus St. Pölten wider, anhand dessen die Forschergruppe aus Leipzig die Entwicklung der Pesterreger nachvollziehen können. So ergeben sich wertvolle Erkenntnisse über die Mutation von seuchenauslösenden Krankheitserregern, die ebenso für die aktuelle Forschung, wie bei-
ARCHÄOLOGISCHE UNTERSUCHUNG
Dauer
August 2010 – November 2019
Untersuchungsfläche
5.638,50 m²
• 900 Jahre Friedhof
• 975 Bananenkartons Fundmaterial (ohne menschliche Knochen)
• 2.985 Münzen
• 6.759 t händisch bewegtes Erdmaterial
• > 11.888 Kleinfunde
• 22.424 Skelette
• 33.849 Befunde
• ca. 300.000 Einzelfunde
• > 400.000 Fotos
• 1.060.000 Messpunkte
• 4.490.000 Megabyte Datenmenge (ohne RAW-Daten)
spielsweise beim Kampf gegen Covid, wesentlich sind. Zudem fand man auch den Beweis an den Knochen, dass die Geschlechtskrankheit Syphilis nicht aus der Neuen Welt kam, sondern bereits vor Columbus in Europa existierte. Tja, nicht alles aus der Geschichte hat einen positiven Hintergrund. Risy weiß natürlich, dass jede neue Erkenntnis aus der Beschäftigung mit der Vergangenheit auch neue Fragen aufwirft. „Unsere Schau im Stadtmuseum zeigt den jetzigen Wissensstand. Wir müssen weiterhin die Funde aufarbeiten. Dabei verändert sich das Bild ständig, es ist allein mit den Ausgrabungen nicht vorbei.“ Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist für ihn unabdingbar: „Wir könnten so viel aus der Geschichte lernen, etwaige Fehler nicht mehr machen.“
Die Menschen hätten sich nicht schon 5.000 vor Christus
ROLAND RISY
Es fehlt das Verständnis
Darum konnte er auch nicht viel Verständnis aufbringen, als zu Beginn der Grabungen am Domplatz Leute am Zaum standen und schimpften, Wörter wie „Grabschänder“ und „pietätlos“ noch die weniger unfreundlichen waren. „Das ist ein generelles Phänomen unserer Zeit. Ich habe etwa zu klassischer Musik keinen Bezug, aber ich würde nie darüber schimpfen“, wundert sich Risy über so manche Wissenschaftsfeindlichkeit. Bauchweh und schlaflose Nächte hat er ohnedies, wenn es wieder ans Ausgraben geht, weil er irgendwie versteht, „dass viele Bauherren keine Freude damit haben.“ Aber Risy hat sich trotzdem einen guten Ruf in der Stadt geschaffen, weil er alle gleich behandelt und keine Unterschiede zwischen den einzelnen Bauträgern macht. Betrachtet man die Ausstellung im Stadtmuseum wird einem sehr bald klar, wie fruchtbar eine historische Auseinandersetzung ist. Bei „Von Steinen und Beinen“ reist man durch Zeitportale, blickt auf die Idealrekonstruktion der römischen Stadt mit einem erstmals zu besichtigenden Geländemodell und erlebt das mittelalterliche Kirchenensemble am Domplatz mit Andreaskapelle und Leutkirche. Viele Mitmachstationen für Jung und Alt bereichern die spannende Schau. Im Labor bekommt man Einblicke in
naturwissenschaftliche Ergebnisse, die viel von den Lebensbedingungen der St. Pöltner Bevölkerung erzählen, und nicht zuletzt sind auch bedeutende Funde wie die sogenannte „Hexe“ zu sehen. „Die Hexe, wie wir sie genannt haben, ist ein tragbares Beleuchtungsgerät aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, zu der es keine Parallelen in der Literatur gibt. Sie wurde in der Latrine gefunden, hat einen dämonischen Charakter, da ein Auge rotgefärbt ist,
INFO
„Von Steinen und Beinen. Die wechselvolle Geschichte eines Platzes, der keiner war“ Stadtmuseum St. Pölten. Bis 2. November 2025. Mittwoch bis Sonntag 10–17 Uhr.
Workshops und Vermittlungsangebote: www.stadtmuseum-stp.at
Zeitreise am Domplatz – Virtual Reality-Erlebnis: www.stpoeltentourismus.at
Dokumentarfilm „Nekropolis. Das Geheimnis der größten Knochensammlung der Welt“ von Alexander Millecker. Ostfilm – im Frühstückskino am 29. September um 11 Uhr im Cinema Paradiso.
VORFAHREN. Auf dem Friedhof unter dem Platz wurden 22.424 Skelette freigelegt. Vielleicht das größte Bioarchiv der Welt.
hat weibliche wie sowohl tierische Züge – ein ganz besonderes Stück. Das gibt es derzeit nur in St. Pölten zu sehen“, ist der Stadtarchäologe stolz auf die Ausgrabungsarbeiten und die Konzeption und das Bemühen des Ausstellungsteams.
Ein Teil der Schau widmet sich auch der früheren Wiederverwendung von Baumaterial. Der letzte Raum des ersten Abschnittes über „die Steine“ zeigt das umfangreiche Fundmaterial aus einem freigelegten Klostertrakt, das ein Blitzlicht auf das Leben im mittelalterlichen Kloster wirft.
Mixed Reality lässt Gotteshäuser wiederauferstehen Als zusätzliches Highlight kann ein virtuelles Erlebnis im Rahmen einer Zeitreise am Domplatz gebucht werden. Ausgestattet mit MixedReality-Brille betritt man am Domplatz die virtuell wiederaufgebaute Andreaskapelle, die Leutkirche und hat die spätromanische Fassade der Klosterkirche vor Augen. „Wenn man da so auf die Balustrade, die Empore raufgeht, glaubt man, dass man auch runterfallen kann“, erzählt Ronald Risy über seine Erfahrung mit der virtuellen Realität am Domplatz. Dabei war zu Anfang noch nicht sicher, wie das umzusetzen war: „Als Kulturamtsleiter Alfred Kellner die Idee, etwas zu machen, was es noch nicht gibt, hatte, waren die VR-Brillen sehr teuer und die genaue Umsetzung technisch noch nicht machbar, aber die Zeit hat es gerichtet und 7_reasons haben mit Hilfe von uns und von Bauforschern das wunderbar digital in die 3. Dimension umgesetzt. Wenn man sich bewegt, tritt die reale Welt in den Vordergrund, steht man, nimmt die virtuelle Welt den Raum ein.“ So taucht man in die spätmittelalterliche Welt am Domplatz ein, erlebt längst verfallene Bauwerke in ihrem Inneren.
Auch ein Film wurde über die sensationellen Funde, die unter dem Domplatz hervorkamen, gedreht. „Nekropolis. Das Geheimnis der größten Knochensammlung der Welt“ von Alexander Millecker widmet sich den erstaunlichen Ergebnissen aus den Ausgrabungen, aber auch den vielen Fragen, die sich dadurch der Wissenschaft stellen: Wurden Rituale hier vollzogen, die auf Okkultismus und Aberglauben fundieren? Haben die Archäologen am Domplatz eine Priesterin ausgegraben?
Wie formuliert es der Regisseur treffend: „Es heißt ja, wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die
Gegenwart nicht verstehen. Unser Film erzählt die Geschichte von Menschen, die ihr Leben dem Ziel gewidmet haben: die Vergangenheit besser kennenzulernen und zu verstehen. Mein Respekt vor diesen WissenschaftlerInnen könnte nicht größer sein. Denn in Zeiten zunehmender Faktenresistenz und in einem Land, in dem die Wissenschaftsfeindlichkeit vergleichsweise hoch ist, ist ihre Arbeit wichtiger denn je.“
Ja, am Domplatz war über die Jahrhunderte einiges los, aber eine Art Platz war er erst im 19. Jahrhundert. „Der Friedhof wurde 1779 aufgehoben, 1784 dann die Andre-
Warum Geschichte?
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askapelle abgetragen. 1830 bis 1860 wurde er erstmals eingeebnet – es gab eine oberflächliche Bewässerung – in den 20er-, 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde er betoniert, ab den 70ern fungierte er als Parkplatz. Seit 2023 ist er autofrei“, gibt Risy einen kurzen Überblick über das Werden des Domplatzes. Denn davor war er dicht verbaut.
Aber der Stadtarchäologe, der lieber in der Römerzeit als im Mittelalter gelebt hätte, schaut auch gerne in die Zukunft, wo ihm zwei Visionen vorschweben. Die Idee, mithilfe moderner Architektur das römische Badehaus am Domplatz und damit einen Teil der Ausgrabungen sichtbar zu machen, wird sich nicht mehr ausgehen, aber vielleicht die Vision eines modernen Beinhauses in Form eines Buches am Stadtfriedhof. Dort könnte man der vielen DomplatzToten mit einem Andachtsraum, Laborraum und einem Vermittlungsraum gedenken.
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KULTURGENUSS IM HERBST
Von Zeitreisen in die Stadtgeschichte über vielfältige Musikveranstaltungen bis zu atemberaubenden Kunsterlebnissen und der Eröffnung einer neuen Kultur-Institution hat die Stadt auch in der kühleren Jahreszeit einiges zu bieten.
Interessierte können nun mithilfe modernster Mixed-RealityBrillen die früheren Gotteshäuser der Leutkirche und Andreaskapelle am Domplatz virtuell erleben. Über zehn Jahre lang wurde an diesem Ort gegraben, wobei Mauerfundamente der beiden Kirchen entdeckt wurden. Dank der XR-Technologie kann man die Gebäude an ihrem ursprünglichen Standort in der heutigen Stadtlandschaft sehen und sogar virtuell betreten. Die Tour kann über die Tourismusinfo gebucht werden.
GEGENWARTSKUNST IM NÖDOK
BIS 29. SEPTEMBER
Das Dokumentationszentrum für moderne Kunst im Stadtmuseum präsentiert mit der Ausstellung „ZEHN“ eine Vielfalt von Kunstformen. In einem dialogischen Parcours über zehn Räume vereint sie mit unerwarteten Interpretationen Malerei, Grafik, Bildhauerei, Fotografie und konzeptuelle Kunst. Die Ausstellung stellt keine einheitlichen Themen, sondern beleuchtet subjektive künstlerische Positionen und sensibilisiert die Besucher:innen für verschiedene Blickrichtungen.
HÖFEFEST FEIERT 25 JAHRE
Einen Blick in ansonsten verschlossene, urige Winkel der Stadt ermöglicht das Höfefest seit nunmehr 25 Jahren. Auch in der Jubiläumsausgabe warten die lauschigen Plätzchen wieder mit jeder Menge Musik und Kunst bei freiem Eintritt auf die Besucher:innen. Das Programm ist gewohnt vielseitig und hochkarätig. Mit dabei sind die Divinerinnen, Alpha Trianguli, Gschu, Kmet, Stiller und viele mehr. Sie alle sorgen vor besonderer Kulisse bei jedem Wetter für Unterhaltung.
21. SEPTEMBER
TANGENTE MIT SCHWERPUNKT DEMOKRATIE
12. SEPTEMBER BIS 6. OKTOBER
Der dritte Schwerpunkt des Festivals für Gegenwartskultur – Tangente – widmet sich mit einem wahren Veranstaltungs-Feuerwerk dem Schwerpunkt Demokratie. Mit Highlights wie zum Beispiel der Wrestling-Show „Kampf um die Stadt“, einem Festival der Arbeiter:innen-Kultur oder Performances wie etwa „Der Garten der Lüste“ oder „Superfarm“, die beide in St. Pölten ihre österreichische Erstaufführung feiern, greift die Tangente aktuelle Debatten rund um Demokratie und Teilhabe auf.
BLÄTTERWIRBEL LÄUTET HERBST EIN
GRILLPARZER CAMPUS
2. BIS 31. OKTOBER
Die Herbstzeit steht im Zeichen der Literatur. Am 2. Oktober startet der Blätterwirbel-Reigen mit einer Spezial-Ausgabe im Festivalzentrum der Tangente, bei dem die Autorinnen Olga Grjasnowa und Jessica Lind zu Gast sind. Das Gespräch moderiert Katja Gasser. Am 6. Oktober wiederum findet dann die erste Matinee im Stadtmuseum statt. Dort präsentiert Theaterregisseurin Beate Thalberg ihr Debüt-Werk „Die Doppelte Frau und das Rätsel Betty Steinhart“.
Zum Start in das neue Schuljahr eröffnet St. Pölten mit dem Grillparzer Campus ein besonderes Bauwerk und festigt damit seinen Ruf als Kultur- und Bildungsstadt. Dieses Projekt verbindet die Grillparzer Volksschule sowie die Musik- und Kunstschule mit einem Campus-Konzept und hebt die Bildungsinfrastruktur auf ein völlig neues Level. Der Campus bietet Kindern modernste Ausstattung und ist in dieser Form einzigartig.
VERANSTALTUNGSTIPPS
Landestheater
13. September „Maria Stuart“ Premiere
20. September
„Der kleine Eisbär“ Premiere
Festspielhaus
10. Oktober Mnozil Brass Jubelei
18. November Tonkünstler Mozart/Bruckner
Europaballett
ab 18. Oktober „Herbstgala“
ab 9. November „Moonwalk“
AB SOFORT
Weitere Veranstaltungen finden Sie unter events.st-poelten.at
10. November Operettenkonzert „Im Rausch der Musik“ Stadtsaal/ Cityhotel D&C 23./24. Oktober Theaterstück „Der Siegelring“ Ehemalige Synagoge
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DER SIEGELRING
Isma Forghanis Stück „Der Siegelring“ gastierte schon in Klagenfurt, in Graz oder in Baden. Nun wird das Drama in der Inszenierung von Nicole Fendesack am 23. und 24. Oktober endlich auch in ihrer Heimat –Forghani lebt in Pyhra bei St. Pölten – in der ehemaligen Synagoge aufgeführt. Wir trafen die Autorin.
Wenngleich reiner Zufall, so scheint es durchaus passend, dass wir an einem sonnigen Augusttag im Café Schubert just neben der Mariensäule am Herrenplatz, also quasi zu Füßen einer der großen ikonischen Frauenfiguren der Welt(literatur), Platz finden. Denn um drei starke Frauen geht es auch in „Der Siegelring“: die berühmte französische Schauspielerin Sarah Bernhardt; die österreichische Frauenrechtlerin Marianne Hainisch; und die persische Dichterin und erste Apostolin des Bahá‘í Religionsgründers Bab, Tahereh. Letztere ist im Stück sodenn auch so etwas wie die einigende Klammer, ja Synthese in einem auf uns zukommenden Dialog zwischen Bernhardt und Hainisch im Wien des Jahres 1899.
„Alle drei Frauen teilen das Schicksal der Unterdrückung – Hainisch, die sich gegen männliche Geringschätzung und Arroganz behaupten muss, für höhere Bildung der Mädchen oder etwa auch das Frauenwahlrecht eintritt und allen Widerständen zum Trotz MädchenSchulen und Frauenvereine gründet. Bernhardt, die größte Schauspielerin ihrer Zeit, glamourös, exzentrisch, selbstbestimmt, die neben Sexismus zudem mit übelstem Antisemitismus konfrontiert wird und in zeitgenössischen Karikaturen Anfeindungen erfährt, die heute unvorstellbar wären. Schließlich Tahereh, die für ihren Kampf um Alphabetisierung, Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit in Persien hingerichtet wird und kraft ihres unumstößlichen Mutes
den westlichen Frauen zum Vorbild wird.“ Wie überhaupt das Schicksal der Bahá‘í nach der Veröffentlichung eines Briefes des k.u.k. Offiziers Alfred von Goumoens in der „Neuen Freien Presse“ 1852, „in dem er die Verfolgung in Persien in all ihrer Brutalität ungeschminkt schildert“ in den bürgerlichen Salons des Fin de siècle zum Thema wird. „Das heroische Verhalten der Verfolgten faszinierte das europäische Bürgertum im 19. Jahrhundert“, so Forghani. Auch sie selbst wurde durch Goumoens Text inspiriert, die drei Frauenschicksale miteinander zu verquicken, zumal sie sich bereits zuvor intensiv mit dem Schicksal von Tahereh, „die mir mein Vater nähergebracht hat“, auseinandergesetzt hatte. Obwohl im Stück Glaube als eine Art
unterschwelliges Hintergrundrauschen eine Rolle spielt, möchte die Autorin, selbst bekennende Bahá‘í, den „Siegelring“ keinesfalls aufs Religiöse reduziert wissen. „Wenn, dann geht es eher um Spiritualität, um Glauben in einem universellen Sinne, denn alle drei Frauen werden ja vom gleichen Ideal, dem Willen zur Freiheit, zur Selbstbestimmung, zur Selbstverwirklichung angetrieben – und dafür kämpfen sie. So betrachtet ist mein Stück vor allem eine Hommage an alle Verfolgten auf dieser Welt, egal welchen Geschlechts sie sind und gegen welche Widerstände sie auftreten“, erläutert die Autorin. Religion wird im Stück sodenn auch eher als toxisch männliche, ja pervertierte (Fehl)Interpretation des Glaubens spürbar, die als bewusstes Kalkül männlicher Machtausübung in den Irrweg der Unterdrückung von Frauen mündet – und zwar egal, um welche Konfession es sich handelt. „Die drei Pro-
Mein Stück ist eine Hommage an alle Verfolgten auf dieser Welt!
ISMA FORGHANI
MARIA STUART
tagonistinnen kommen ja aus völlig unterschiedlichen – auch religiösen – Milieus. Sarah Bernardt ist eine zum Christentum konvertierte Jüdin, Hainisch Christin, und Tahereh gebürtige Muslima, die zur ersten Apostolin des Bab, des Religionsgründers der Bahá‘í wird.“ Sie ist es auch, die – im Persien des 19. Jahrhunderts ein absoluter Tabubruch – als Erste öffentlich den Schleier als bewussten Akt der Emanzipation und als Ausdruck des Protests gegen überholte, frauenfeindliche Doktrinen ablegt, wobei Forghani dieses „Ent-Schleiern“ durchaus auch auf einer höheren, universalsymbolischen Ebene verortet. „Es geht – für jeden Menschen – um das Ablegen, ja Zerreißen von Schleiern: des Schleiers des Unwissens, des Schleiers der Ignoranz, des Schleiers der Angst, des Schleiers der Vorurteile.“ Symbolik strahlt in diesem Kontext auch der Aufführungsort in St. Pölten aus: die ehemalige Sy-
nagoge. „Es ist natürlich eine große Ehre für mich, dass der Siegelring gerade hier zur Aufführung kommt. Das ist ein Ort des Gebets, der Versöhnung und leider, wir alle kennen die Geschichte, ein Ort der Zerstörung und der Erinnerung an das Schlimmste: 321 Menschen wurden hier während der Shoah ermordet! Es ist daher wichtig, diesen schönen Ort zu besuchen, gerade wenn wir wissen, dass der Antisemitismus wieder auf dem Vormarsch ist. Und auch die Islamophobie“, so Forghani, die nachdenklich hinzufügt: „Beide haben dieselbe Ursache: Unwissenheit!“ Vielleicht liegt gerade darin eine ihrer größten Motivationen zum Schreiben: Gegen diese Unwissenheit anzukämpfen, im besten Sinne aufzuklären, Schleier zu lüften. Forghani schreibt dabei sowohl in ihrer Muttersprache Französisch – die Autorin wuchs in Paris auf – als auch auf Deutsch. Neben zahlreichen Artikeln „ich war etwa während der Studienzeit als Hobby Chefredakteurin eines Magazins“ verfasst sie auch Gedichte, Prosa, und auch an einem neuen Stück, so deutet sie an, arbeitet sie gerade wieder. „Es geht um zehn Frauen, die in den 80er-Jahren im Iran hingerichtet wurden.“ Bei näherer Recherche handelt es sich um jene Bahá‘í Frauen, die in der Nacht des 18. Juni 1983 im iranischen Shiraz gehenkt wurden, nachdem sie ihren Glauben nicht widerriefen. Wenn
„DER SIEGELRING“
23./24. Oktober
Ehem. Synagoge St. Pölten
Regie: Nicole Fendesack
Mit: Else Schwaiger, Nena Eigner, Patrick Kaiblinger, Martina Daxböck (Gesang)
man so möchte, Nachfahrinnen von Tahereh, die ihren Einsatz für Religionsfreiheit, Gleichberechtigung und gesellschaftliche Teilhabe mit dem Leben bezahlten. Ihre Leichen wurden im Anschluss heimlich verscharrt, ihre Angehörigen in Unwissenheit über ihr Schicksal gelassen, alles, was an sie erinnerte,
getilgt – so wie man es mit dem Andenken an Tahereh versucht. „Es ist sehr merkwürdig, dass Tahereh, eine Frau, die ihresgleichen sucht, nach dem Zweiten Weltkrieg im Iran und im Westen plötzlich in Vergessenheit geraten ist, obwohl es im Iran viele Frauen gibt, die sich von ihr inspirieren ließen. Ihnen ist das Stück gewidmet.“
Und wenngleich „Der Siegelring“ universell ist, so reflektiert man natürlich auf die aktuelle Situation im Iran, wo Frauen vielfach wieder brutal aus dem öffentlichen Leben gedrängt werden, Bekleidungsvorschriften als offensichtliches Mittel der Unterdrückung und Demütigung zum Einsatz kommen, männliche Sittenwächter Angst und Schrecken verbreiten – ganz zu schweigen von einem Terror-Regime, gerade auch in einem geschlechtlichen Sinne, wie jenem der Taliban in Afghanistan, wo Frauen zuletzt sogar das Singen in der Öffentlichkeit verboten wurde. „Als ich das Stück 2018 geschrieben habe, hatten die Mädchen in Afghanistan zwar nicht so viele Rechte, aber sie durften wenigstens zur Schule gehen! Das ist heute leider nicht mehr so... Und im Iran wurden Minderheiten immer verfolgt, wie die Bahá‘í. Heute sind die Gefängnisse voll mit Frauen, egal welcher Religion, die nichts anderes getan haben, als Gleichberechtigung zu wollen. Deshalb freue ich mich, Tahereh in St. Pölten ins Rampenlicht zu stellen, als Symbol für alle iranischen Frauen, die heute leider das gleiche Schicksal teilen. Denn ihre Geschichte ist dieselbe.“ Und sie müssen sich, wie auch die drei Protagonistinnen im Stück, mit einer, oftmals durch die äußeren Umstände aufoktroyierten Grundsatzfrage auseinandersetzen: „Wie weit bist du bereit, für deine Ideale zu gehen?“ Und wie weit sind wir es im Westen, uns für die Unterdrückten dieser Welt einzusetzen?
2024 ein starker Auftritt!
NÖ KULTURFORUM
Das NÖ Kulturforum hat heuer schon zahlreiche Projekte umgesetzt, im Juli etwa ein Internationales Malersymposium in Krems.
Als Obmann des NÖ Kulturforums darf ich einmal ein klein wenig Stolz hervorkehren: Stolz auf das, was im Rahmen unseres Jahresprogramms bislang an Projekten umgesetzt werden konnte – und im Herbst in unserem Jubiläumsjahr des 50-jährigen Bestandes noch weiter umgesetzt wird!
Ich denke etwa an das Internationale Malersymposium, das wir Anfang Juli mit der Künstlerin Dalia Blauensteiner als Kuratorin in deren Galerie Daliko in Krems-Egelsee durchgeführt haben. Eine Woche lang arbeiteten Künstlerinnen und Künstler aus Tschechien, Litauen, Italien, Georgien und Österreich im Rahmen dieses Symposiums zusammen und präsentierten ihre geschaffenen Werke in einer eindrucksvollen Ausstellung.
In der Stadtgalerie Wr. Neustadt hat Prof. Gotthard Fellerer als Kurator und Organisator im ersten Halbjahr 2024 eine Reihe von Ausstellungen zusammengestellt, die in der Herzog-Leopold-Straße inmitten der Fußgängerzone im wahrsten Sinne des Wortes „Kunst vor der Haustür“ bieten. Zuletzt im Juni wurde z. B. der in Wr. Neustadt lebende Maler Rainer Stern mit seinen Werken präsentiert.
Prof. Fellerer begeht im Herbst seinen 80. Geburtstag – ein Anlass, der Anfang November zu mehrtägigen kulturellen Aktivitäten in den Kasematten in seiner Heimatstadt Wr. Neustadt führen wird.
Am gegenüberliegenden „Kulturpol“ Niederösterreichs, in Krems – und danach in Gmünd – wurde dem im Waldviertel beheimateten und 2019 verstorbenen Maler und Bildhauer Paul Seidl mit großem Erfolg die „Retrospektive Paul Seidl“ anlässlich seines fünften Todestages gewidmet. Einen Meilenstein in den fünf Jahrzehnten der Aktivitäten des Kulturforums in NÖ stellte das Theaterprojekt „Maria Emhart“ dar, das die Lebensgeschichte dieser politisch engagierten Frau zum Inhalt hat. Maria Emhart hatte ihre Wurzeln in Pyhra, war in der Zwischenkriegszeit in St. Pölten als Betriebsrätin und Gemeinderätin aktiv und hat sich hier als Widerstandskämpferin gegen die Diktatur einen nachhaltigen Ruf erworben. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie als jahrelange Vizebürgermeisterin von Bischofshofen und als erste Frau im Salzburger Landtag und danach im Nationalrat tätig. Die Schauspielerin Anita Zieher hat diese
Frauenpersönlichkeit in dem vom NÖ Kulturforum in Auftrag gegebenen Stück großartig dargestellt. Mehrere Aufführungen des Stücks erfolgten in St. Pölten, Bischofshofen und anderen Orten.
In dieser Ausgabe des mfg finden Sie, werte kulturinteressierte Leserinnen und Leser, auch unseren Beitrag über das Sommer-Kunstprojekt „just like you imagined“, das dank des Engagements unseres Vorstandsmitgliedes, der Kunstpädagogin Marianne Plaimer, mit Erfolg Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu kreativem Tun motiviert hat.
Ich danke allen Kultur- und Kunstinteressierten, die unsere Projekte, Ausstellungen und Publikationen immer wieder mitverfolgen und besuchen.
DAS PARTIZIPATIVE KUNSTPROJEKT VON MARIANNE PLAIMER & NÖ KULTURFORUM IM SOMMER 2024
just like you imagined – Sounds entstehen
Nach zwei erfolgreichen Kreativprojekten mit jungen Menschen –„aufbrechen“ (2021) und „zugänge“ (2022) – war Marianne Plaimer mit dem NÖ Kulturforum in diesem Sommer 2024 neuerlich voll engagiert: „just like you imagined“, ein partizipatives Kunstprojekt im Traisen- und Pielachtal ist erfolgreich über die Runden gegangen. Eine fünfminütige animierte Bild- und Soundcollage ist das Ergebnis dieses heurigen Sommer-Kunstprojektes. Dieses Unternehmen war die Fortsetzung einer Serie von Projekten, die seit zwanzig Jahren im Bezirk Lilienfeld und seit einigen Jahren auch im Pielachtal entstehen. Immer sind sie so angelegt, dass viele miteinbezogen werden. Die
Motivation, die hinter diesen Aktivitäten steckt, liegt auf der Hand: „Als ausgebildete Künstlerin und Kunstpädagogin sehe ich es als unbedingte Verpflichtung, Menschen die Auseinandersetzung mit Kunst zu ermöglichen“, begründet Marianne Plaimer ihre Aktivitäten. „Die Beschäftigung mit Kunst, das Betrachten von Kunstwerken, das Beobachten von künstlerischen Prozessen und das Kunstproduzieren – all das erfordert Bereitschaft, sich darauf einzulassen, wirft Fragen auf, stößt vielleicht auch auf Ablehnung und führt im besten Fall zur Diskussion“, zeigt sich Plaimer überzeugt von der Wichtigkeit ihres Einsatzes.
Sie beweist, wie wichtig es ist, die Beschäftigung mit Kunst zu fördern, denn sie bietet Chancen, Verständnis zu entwickeln und Sensibilität zu schulen. Und Plaimer weiter: „Eine konkrete Erwartungshaltung darf bei derartig angelegten Projekten nicht im Vordergrund stehen. Vielmehr geht es darum, ein motiviertes Angebot zu schaffen und sich auf das, was passiert und entsteht, einzulassen. Letztlich geht es immer um diesen spannenden und schönen Prozess, bei dem viele Spaß daran haben, sich auszudrücken, und bei dem eine große gemeinsame Sache entsteht.“
URSPRUNG IN MARKTL-LILIENFELD
Angefangen hat diese „Kunstintervention“ laut Marianne Plaimer mit einem Projekt in Kooperation mit der Firma Neuman Aluminium in Marktl-Lilienfeld 2004. Und diesmal kam es wieder einmal zu einer Zusammenarbeit mit der Streetwork Traisen und Pielachtal des Vereins Jugend und Lebenswelt und Comedor del Arte, dem Be-
just like you imagined-Team rund um Projektinitiatorin und Organisatorin Marianne Plaimer (4. von rechts), die eine leidenschaftliche „Überzeugungstäterin“ ist: „Als ausgebildete Künstlerin und Kunstpädagogin sehe ich es als unbedingte Verpflichtung, Menschen die Auseinandersetzung mit Kunst zu ermöglichen!“
gegnungsraum in Hainfeld. In dem als „Wanderwerkstatt“ in Traisen und verschiedenen Gemeinden des Pielachtals angelegten Projekt entstanden – nach Aufforderung „just like you imagined“ – die Bildmotive und Sounds als Elemente der Animation. Kinder, Jugendliche und Erwachsene zeichneten, malten, sprühten Stencils, schrieben, stickten und strickten. Der St. Pöltner Musikproduzent, Klangkünstler und Sound-Designer Thomas Nagl arbeitete spielerisch-experimentell mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern und motivierte diese zum Erzeugen von Klängen und Geräuschen und zum sensiblen Wahrnehmen der akustischen Umgebung.
ZAHLREICHER GROSSARTIGER OUTPUT
Das NÖ Kulturforum als Träger und Förderer dieses einzigartigen Projektes im Rahmen seines Jahresprogramms 2024 kann sich über das Entstandene freuen, das aufgezeichnet wurde, eine Vielzahl an Einzelfotos für analoge Stop-Motion-Abläufe wurden gemacht und in verschiedenster Weise erzeugte Klänge, Töne und bewusst Gehörtes wurden aufgenommen. Und jetzt – mit der entstandenen Sound- und Bildcollage – ist eine recht experimentell wirkende, animierte Dokumentation in traum- und albtraumhaften Sequenzen von den Empfindungen aller am Projekt Beteiligten entstanden.
Dank für die gelungene Kooperation gilt Marianne Plaimer, Kunstpädagogin, für Konzeption und Durchführung; Thomas Nagl, dem Musikproduzenten, Klangkünstler und Sound-Designer für die elektronische Musik; Barbara Rieder und ihrem Team der Streetwork Traisen & Pielachtal – Jugend und Lebenswelt sowie Alexandra EichenauerKnoll und Renate Höfler mit den Leuten des Comedor del Arte – Gestaltungs- und Begegnungsraum Hainfeld.
VON BLONDEN ENGELN BIS ZU BLAUEN NOTEN
Die Tischlerei Melk Kulturwerkstatt, das „Wohnzimmer der Melker:innen“, wartet im Herbst wieder mit allerlei Kultur-Gustostückerl auf – von Kabarett über Musikgenuss bis hin zu Rätselspaß und Kinderprogramm.
Ganz „Allein“ startet Robert Palfrader mit seinem gleichnamigen Soloprogramm am 27. September den Kabarettherbst in Melk. Nach Herzenslust getauscht wird am 28. September bei der 2. Kleidertauschparty. Dabei erhalten nicht mehr getragene Kleidungsstücke ein neues Leben.
Mit „Immer wieder Österreich“ lassen die Comedy Hirten die großen Söhne und Töchter des Landes am 4. Oktober hochleben. Sein schwieriges Verhältnis zu Hilfszeitwörtern stellt Gunkl am 5. Oktober mit seinem Programm „Nicht nur, sondern nur auch“ zur Schau.
Bingo und Blasmusik
Neu im Tischlerei Programm ist die Mischung von Spiel und Blasmusik. Während am 6. Oktober gemeinsam beim Bingo Spielen um Freigetränke und Überraschungspreise ge-
zockt wird, unterhält das Brass Ensemble 5/8 Blech mit stimmungsvoller Blasmusik. Bereits ein fixer Programmpunkt im TischlereiKalender ist das beliebte „Tischlerei-Quiz“. Der ehemalige TV-Kommissar Gregor Seberg stellt dem Publikum am 17. Oktober Fragen aus Musik, Sport, Politik und vielem mehr. Dauernd ist irgendwas! Das findet zumindest Maria Muhar und widmet sich am 19. Oktober Fragen wie: Wie geht Elternschaft in der Apokalypse? Ist Red Bull ein linkes Getränk? Himmlisch wird es am 1. November, wenn der Blonde Engel zur Gitarre greift und „Lieder, die lustig sind und manchmal ein bisserl traurig“ anstimmt. Und das ist okay!
Gleich zwei beeindruckende Stimmen gibt es am 8. November beim Konzert von Nnoa & Pippa zu hören. Mit den Songs ihres DebütAlbums verarbeitet Nnoa ihre Faszination für
das Leben und die Liebe. Pippa beweist im Album „Blick“ ein Händchen für die Mischung tanzbarer Melodien und tiefgründiger Lyrik.
Kontakt und Karten: +43 2752 540 60 office@wachaukulturmelk.at tischlereimelk.at
KOLUMNE THOMAS WINKELMÜLLER
INS MÖGEN GEMOBBT
Haben Sie schon „Kinds of Kindness“, den neuen Film von Yorgos Lanthimos gesehen? Wenn nicht, dann vielleicht „Poor Things“, dessen Vorgänger. Die mutmaßlich feministische Version Frankensteins hat den griechischen Ausnahmeregisseur zu bleibender Bekanntheit verholfen. Spätestens seitdem kennt fast jeder Lanthimos, oder zumindest seine Filme.
Mit „Kinds of Kindness“ hat der Regisseur nun verfestigt, was mich schon an dessen Vorgängerfilm so störte. Beide Filme sehen unfassbar gut aus, sind mit herausragenden Schauspielern besetzt, die in ihren Rollen aufgehen und der Humor bewegt sich irgendwo zwischen dunkel und absurd. Und trotzdem verließ ich beide Male unbefriedigt das Kino. Ich glaube jetzt zu wissen, warum. „Poor Things“ wie auch „Kinds of Kindness“ sehen so gut aus, kommen auch auf inhaltlicher Ebene so intelligent daher, dass man sie mögen muss. Sie haben es aber nicht verdient. Vielmehr mobben sie einen mit ihrem Auftreten dazu, sie als gut zu erachten: „Schau mich an, ich bin alles, was du in einem guten Film suchst, mag mich!“
Leider sind die Filme aber, sobald man beginnt über sie nachzudenken, nicht viel mehr als eine Geisterbahnfahrt. Steigt man ein, ist zwar klar, dass man sich einige Male erschrecken wird, aber ab dem Ticketkauf weiß man eigentlich auch, dass einen dieses Erlebnis nicht herausfordern oder verändern wird. Vielmehr muss man das Hirn ausschalten, um sich der Illusion einer Gefahr – oder eines guten Filmes – hingeben zu können. Und das ist doppelt schade, weil Lanthimos einmal richtig gut war.
NOT CK – C&K!
Weil heutzutage ja alles so schnell vorbeiläuft und gleich wieder in Vergessenheit gerät, drücken wir jetzt kurz die Stopp-Taste und spulen retour zum Frequency Festival, 17. August. Dort fand aus lokalpatriotischer Sicht nämlich Historisches statt: Die Drum’n‘Bass-Heroen Camo & Krooked schlossen als letzter Headliner die Mainstage des Festivals, damit also jene zwei Herren, die einander Silvester 2006 im Ware-
house kennenlernten und beschlossen, gemeinsam D‘n‘B-Mucke zu machen. Knapp zwei Jahrzehnte später zählen sie weltweit zu den Großen des Genres! Dass sie über ihrem Erfolg nie ihre Wurzeln vergessen haben und gern in der Hood abhängen, beweisen sie mit ihrem Auftritt am 9. November im Warehouse. Dort werden sie im 20er-Jubiläumsjahr des Clubs Headliner im Rahmen von 10 Jahre „Fasten your Seatbelts“ sein.
FIESTA FOREVER
Wer erinnert sich noch an die legendären Seniorenfloor Clubbings im Autohaus Hofbauer und bei Mercedes Wiesenthal?“, fragt SF-Mastermind Richard Zuser und verkündet sodenn, wenn man so will, für 28. September ein „AutoComeback“. Denn der nächste Seniorenfloor findet unter dem Motto „La Fiesta“ erstmals bei PORSCHE St. Pölten statt. Mit allem drum und dran, was zum Seniorenfloor dazugehört, also „großem Discofloor, Cottageclub-Housefloor mit Urgestein Tom Snow, coolen Themenbars“ und der einen oder anderen Überraschung. Die PORSCHE-Crew fiebert
ebenfalls bereits dem Ereignis entgegen. „Wir hatten ja ehemals schon Bälle bei uns im Haus – aber der Seniorenfloor ist ein ganz neues Format und eine völlig neue Zielgruppe für uns – das wird spannend!“ Und, um es frei nach Johann K. zu formulieren, sicher „LEGENDÄR!“
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GIVE PEACE
You may say I’m a dreamer, but I’m not the only one. (John Lennon)
Wann hört ihr endlich auf Krieg zu spielen? (marty [PI])
Ob er daran glaube, dass ein Lied die Welt ändern könne. „Nein“, meint marty [PI] ohne viel nachzudenken. „Aber wir hoffen es alle“, von Folklegende Woody Guthrie angefangen. „Aber die, die’s hören sollten, hören’s eh nicht.“
Der Musiker und Sänger Martin P. Burscha alias marty [PI] gibt sich da gar keinen Illusionen hin. Aber die Hoffnung völlig aufzugeben ist halt auch nicht seins. Klar: Man kann über derlei Friedenslieder, ob sie nun von John Lennon, Joan Baez, Woodstock-Legende Country Joe McDonald oder eben von marty [PI] stammen, geteilter Meinung sein. Sie sind ja mittlerweile auch ein wenig aus der Mode gekommen. Und nicht zuletzt aufgrund dieser Tatsache war es marty ein Anliegen, wieder eins unter die Leute zu bringen, auch wenn man dies schon als Akt der Verzweiflung betrachten kann. „Komponiert hab‘ ich das ja schon vor beinahe 40 Jahren, gemeinsam mit Gerhard Vondruska getextet – aktuell ist’s ja leider immer noch.“ Der Anti-Kriegs-Song ist auch auf dem Album „Mein Lied für … eine lebenswerte Zukunft“ mit den Beiträgen der 13 Finali-
„Roter Mond“ ist ein rockiges Ausrufezeichen für den Frieden. Mit dem Song landete der St. Pöltner Musiker marty [PI] im vorjährigen Finale des Liedermacher-Wettbewerbs der Kultur.Region.Niederösterreich. Nun ist das Lied als Single erschienen und auf den gängigen digitalen Plattformen zu hören.
A CHANCE!
stinnen und Finalisten des vorjährigen Liedermacherinnen- und Liedermacher-Wettbewerbs der Kultur. Region.Niederösterreich zu hören. Letztere hat die Single-Auskopplung ermöglicht und unterstützt „Roter Mond“ besonders: „Das Lied ist auch ein Beitrag zur Auseinandersetzung mit dieser Situation, weil die Kriegsgeschehnisse mittlerweile fast schon aus den Medien verbannt wurden“, betont Martin Lammerhuber, Geschäftsführer der Kultur. Region.Niederösterreich.
Das Lied selbst, mittlerweile in neuem Gewand, ist eine knackige Old School-Rock-Nummer, produziert von Markus Weiß (Edmund, Revolverheld, Folkshilfe usw.) im Tonstudio „Lords of the Sounds“.
Mit Mozart gefüttert
Der gebürtige Wiener marty [PI] fand schon früh zur Musik: „Das hat mit meiner Erziehung begonnen. Meine Mutter hat mich mit Mozart gefüttert, um mich auf Beethoven vorzubereiten.“ Er lacht. „Und mir – da war ich fünf – ein Mikrophon aus Matador gebastelt.“ Dann kam die Melodica, danach wagte er sich an die Orgel. „Mit fünfzehn hatte ich meine erste Gitarre und meine erste Band. Mit siebzehn hab‘ ich dann auch die Leadstimme übernommen.“ Um 1982 war der angehende Rocksänger als Straßenmusiker auf der Kärntner Straße in Wien unterwegs. Und tat damals einen Schwur: Irgendwann würde er mit dem Ausnahme-Shouter Roger Chapman auf derselben Bühne stehen. Drei Jahre später war’s dann soweit: Im Alter von einundzwanzig landete er im Popodrom-Finale und sang unter anderem vor besagter Rock-Legende. Live zog es ihn danach auf zahlreiche Bühnen im Osten Österreichs. Gesungen wurde „erst deutsch, dann im Dia-
lekt und jetzt wieder hochdeutsch“. Als Kopf der „feZZntandler“ trat er 2012 auf der Gloriette beim Schloss Schönbrunn vor etwa 10.000 Zuhörern auf. Der Name der Band kam nicht von ungefähr. Rock’n’RollHistorikern unter den MFG-Lesern wird möglicherweise der Musiker Peter Schleicher noch etwas sagen. Besagter Schleicher nahm in den 1970ern ziemlich geniale Coverversions der Rolling Stones auf – und zwar auf Wienerisch, und das mitunter recht deftig. Aus „Jumping Jack Flash“ etwa wurde so „Der letzte Fetzntandler von Wien“ –voilà! Da marty [PI] mit Schleicher befreundet war und er dessen Musik mochte, war auch der Bandname bald gefunden.
Bissl Stadt und viel Land Neben der Musik nahm auch das Motorradfahren einen hohen Stellenwert in marty [PI]s Leben ein, was sogar zu einer Biker-Hochzeit mit dessen erster Frau führte. 2016 erlebte marty allerdings seinen ganz persönlichen tragischen Easy-RiderMoment: Nach einem schweren Motorradunfall verlor er ein Bein. „Drei Monate Spital, sechs Monate Reha“ waren die Folgen. Was ihn allerdings nicht vom Musizieren abhielt. Nach seiner Übersiedlung von Wien nach St. Pölten im Jahre 2019 ist er nicht nur als „feZZntandler“ sondern auch als Solokünstler marty [PI] aktiv und steht aktuell auch als Sänger der Gruppe „Leeb“ auf der Bühne.
Warum eigentlich nach St. Pölten? „Der Liebe wegen. Meine Frau Manuela lebt hier.“ Bereut hat er den Umzug nie, nicht nur wegen Manuela. Das einzige, was ihm gelegentlich wirklich abgehe, sei eine ganz bestimmte Eisdiele in Meidling. Ansonsten: „Ich genieße es, in der Nähe der Traisen zu wohnen
St. Pölten – das ist halt ein bissl Stadt und viel Land.
MARTY [PI]
und mit meinem dreirädrigen Liegerad den Radweg rauf und runter zu fahren.“ Und auch mit dem St. Pöltner BarRock-Betreiber Ste, wie dieser von seinen Stammgästen liebevoll genannt wird, verbindet ihn eine musikalisch-freundschaftliche Beziehung. „St. Pölten – das ist halt ein bissl Stadt und viel Land“, meint er. Doch das störe ihn nicht.
Derzeit überlegt er schon seinen Beitrag zum nächsten „Mein Lied für …“-Sampler. Diesmal geht’s um die Liebe. „Wird aber eher was Untypisches“, gibt er sich einstweilen noch etwas kryptisch. Da die Radiosender bis jetzt nicht so richtig auf den „Roten Mond“ aufgesprungen sind (inhaltlich sind da ein paar recht starke Bilder und eine ziemlich düstere Passage drin, die wohl nicht so ganz zur Berieselung im Formatradio passen), meint marty [PI] abschließend: „Wünscht euch einfach mein Lied bei eurem Lieblingssender!“
Na dann …!
KLETTERN AM GLANZSTOFFAREAL
Seit August hat St. Pölten eine neue Boulderhalle am Areal der ehemaligen Glanzstofffabrik. MFG hat sich vor Ort angesehen, wie das Angebot aufgenommen wird.
Die Klettersportart Bouldern liegt bereits seit längerem im Trend. Spätestens mit den heurigen olympischen Spielen, bei denen Bouldern Teil der Kletterbewerbe war, ist sie auch einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Im Gegensatz zum klassischen Klettern wird beim Bouldern ohne Seil in Absprunghöhe geklettert. Die Wände
sind dabei bis zu 4,5 Meter hoch, darunter sorgen weiche Matten für eine sichere Landung – geplant oder ungeplant. Der Wiener Anbieter „boulderbar“ betreibt in Österreich mehrere Boulderhallen in Wien, Salzburg und Linz und hat im August nun auch in der niederösterreichischen Hauptstadt einen Standort am Gelände der ehemaligen Glanzstofffabrik eröffnet. Auf 1.000 m² können dort Anfänger und Fortgeschrittene dem Klettersport nachgehen. Ein eigens ausgewiesener Kinderbereich sowie eine Bar komplettieren das Angebot.
Alleinstellungsmerkmal der neuen Boulderhalle ist sicher ihr Standort. „Die Lage in der ehemaligen Glanzstoff-Fabrik bringt schon alleine sehr viel Charme mit. Und dann natürlich im Kontrast die moderne Ausstattung: Die Kletterwände wurden so konzipiert, dass möglichst viel Kletterfläche entsteht, während sich die
ROUTEN. Am Beginn jeder Route ist der jeweilige Schwierigkeitsgrad ausgewiesen. Das erleichtert auch Anfängern den Einstieg!
Halle immer noch großzügig bzw. nicht einengend anfühlt“, so Standortleiter Gregor Stein. Bei der Eröffnung konnten mehrere hundert Leute begrüßt werden, auch sonst werde das Angebot schon jetzt gut angenommen, so Stein. Im Vergleich zu anderen Sportarten benötigt man beim Bouldern so gut wie keine Ausrüstung. Sportkleidung sowie spezielle Schuhe, die auf Wunsch ausgeliehen werden können – mehr ist nicht notwendig.
Die jeweiligen Routen an den Wänden sind mit einer BuchstabenZahlenkombination ausgewiesen und zeigen den Schwierigkeitsgrad an. Auch für Abwechslung ist gesorgt: „Ab September wird jeden Montag ein Teil der Boulderfläche vom Routenbau-Team umgeschraubt, um wöchentlich Abwechslung in die Halle zu bringen und Personen zu motivieren, wieder zu kommen und neue ‚Probleme‘ zu lö-
ABWECHSLUNG. Auch oftmalige Besucher der Boulderhalle bekommen durch regelmäßige Veränderungen der Routen Abwechslung.
sen.“ Besonders freue ihn, so Stein weiter, dass das Angebot bisher von sehr unterschiedlichen Altersgruppen angenommen werde.
Wie zufrieden ist man mit der aktuellen Auslastung am neuen Standort in St. Pölten? „Aufgrund der Ferienzeiten vermerken wir aktuell vermehrt Leute am Nachmittag und hoffen, dass sich die Verteilung noch auf den Vormittag und Abend ausweitet. Unser großes Ziel ist natürlich, Leute so zu begeistern, dass sie
WIR MACHT’S MÖGLICH.
uns immer wieder besuchen und so die Frequenz noch gesteigert wird“, antwortet Stein. Wobei das Interesse für Indoorbouldern naturgemäß im Herbst und Winter steige, wenn Outdoor-Aktivitäten nicht mehr möglich sind. Die neue Halle ist jedenfalls ein gelungenes Beispiel dafür, wie historische Bausubstanz ansprechend einem neuen Zweck zugeführt werden kann.
www.boulderbar.net/st-poelten
MIT NEUEN LEITWÖLFEN ZU NEUEN HÖHENFLÜGEN
Zwei griechische „Evergreens“ auf der Trainerbank, ein routinierter US-Spielmacher, ansonsten jede Menge „Jungwölfe“. So will sich der SKN St. Pölten in der Basketball-Superliga vorne festbeißen.
Basketball boomt in Österreich wie nie zuvor. 4.000 Fans waren auf der Kaiserwiese im Wiener Prater neulich live dabei, als der St. Pöltner (und ehemalige UBCSpieler) Nico Kaltenbrunner Österreich zum EM-Titel im 3x3 führte. Den Pokal für den „Most Valuable Player“ (MVP) heimste der 24-Jährige auch noch ein. Mit acht Jahren
hat er begonnen, auf Körbe zu werfen und in seiner Jugend verbrachte er zahlreiche Stunden am Court beim Ratzersdorfer See, der heute weit mehr frequentiert wird, als noch zu seiner Zeit. Der Sportliche Leiter des SKN St. Pölten, Andi Worenz, hatte Kaltenbrunner einst als Trainer beim UBC unter seinen Fittichen. Er weiß: „3x3-Basketball ist
eine andere Sportart und wurde als Event in Wien gut aufgezogen. Wir müssen jede Woche kämpfen, um möglichst viele Leute in die Halle zu locken. Aber! Der Zuspruch bei den Kindern ist enorm.“ 101 Teams sind für die Nachwuchs-„Superligen“ in Österreich insgesamt genannt worden – so viele, wie nie zuvor. St. Pöltens „Wölfe“ bauen aktuell auf elf Nachwuchs-Teams. Die U19, U16, U14, U12 und U10 sind doppelt besetzt und die „Mini-Knaben“ werden auch immer mehr.
Upgrade
Die U19-Auswahlen des SKN holten letzte Saison parallel den österreichischen Staatsmeistertitel und niederösterreichischen Landesmeistertitel. Mit Simon Schlögl, Nate Kress und Oliver Wurth nahm Head-Coach John Tsiorgiannis drei von den Meister-Youngsters in der SKN-Kampfmannschaft auf –Marco Schnabl ließ er dort schon letzte Saison reinschnuppern. Tsiorgiannis (60) gilt überhaupt als großer Entwickler, betreute neben einigen europäischen Kampfmannschaften auch diverse U-Teams beim Spitzenklub PAOK Thessaloniki. „Er braucht niemandem mehr etwas beweisen. Das ist vielleicht sein größter Vorteil“, sagt Worenz. Ähnliches gilt für Assistant-Coach Vlasis Vlaikidis (59). Die beiden Griechen frequentieren auch immer wieder die Trainingseinheiten der SKNNachwuchsteams.
Connections
Am Feld haben die St. Pöltner mit US-Boy Richie Williams (37) dann aber nur mehr einen neuen „Ol-
ERFAHRUNG 1. Trainer John Tsiorgiannis gilt als großer Entwickler.
die“. Williams ist der Partner der ehemaligen WNBA-Spielerin Inga Orechova, die als Teenagerin für UKJ St. Pölten und UBBC Herzogenburg auf Korbjagd ging und mit den SKN-Basketballerinnen letztes Jahr in der Premierensaison das „Double“ holte. Der Pointguard spielte nach seiner US-College-Karriere in Deutschland, Island, Finnland und Mexiko und wagt nach längerer verletzungsbedingter Pause nun hier sein Comeback. „Er ist wieder voll fit und zeigt Führungsqualitäten“, freut sich Worenz. Große Hoffnungen setzen die St. Pöltner aber auch in dessen Landsmann Andrew Sims. Der 1,98m große Forward spielte 2023/24 erstmals in Europa, scorte für BK Amager (DÄN) mit
durchschnittlich 25,9 Punkten und 9,4 Rebounds pro Spiel wie am Fließband. In Korbnähe sollen vor allem die weiteren Neuen Vladimir Vondra (2,07m), Duje Putnik (2,04m) und Magnus Madsen (2,02m) die St. Pöltner Lufthoheit sichern. Madsen (20) war zuletzt für die Bakken Bears im Einsatz (11,3 Punkte und 7,1 Rebounds pro Spiel) und wurde in Dänemark zum „Youngster of the Year“ gekürt. Am Ende des Grunddurchgangs der heuer elf Klubs umfassenden Superliga wollen die St. Pöltner unter den Top 6 der „Platzierungsrunde“ stehen. „Dann sehen wir weiter. Unser Fokus liegt auf der Entwicklung“, so Worenz. Das erste Heimspiel steigt am 6. Oktober gegen Gmunden.
John Tsiorgiannis braucht niemandem mehr etwas beweisen. Das ist vielleicht sein größter
Vorteil.
ANDI WORENZ, SPORTLICHER LEITER
Niemand weiß, was er kann, bevor er es versucht!
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NXP Bowling bietet eine sichere Ganzjahresstelle in Vollzeit und Teilzeit sowie als Nebenjob , beispielsweise für Studierende (m/w/d).
Du magst die Gastronomie und fühlst dich wohl bei uns? Dann möchten wir dich unbedingt kennnenlernen!
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JOB Neben Strike up your life!
ZUM HÖREN
Manshee | mikeSnare | Thomas Fröhlich | Thomas Winkelmüller | Rob.STP | Maximilian Reichl (von links nach rechts)
SOPHISTICATED SAD SONGS
LEONIDEN
Mit ihrem neuen Album transformieren Leoniden kollektives Unbehagen in Sekunden in gemeinschaftliches Glücksgefühl. Zwischen einem Schleier voller Euphorie transportieren sie als Kontrast auf einer lyrischen Ebene fast immer negative, weltverschmerzte Gedanken, die nur darauf warten, im kollektiven Tanzrausch ertränkt zu werden. Für mich Anwärter auf die Platte des Jahres!
EURODANCE REVOLUTIE
GLADDE PALING
Laurens van Dijk aka Gladde Paling entspricht optisch mehr dem durchschnittlichen MinecraftStreamer als einem DJ. Trotzdem füllt der Niederländer mit seiner Mischung aus DnB, Gabba und Eurodance weltweit Hallen. Die Musik fühlt sich an, als würde man auf Drogen durch TikTok swipen. Alle zehn Sekunden passiert etwas Neues – und selten kann es unser Hirn auch ganz verarbeiten.
ZUM SCHAUEN
Manshee | C. Schumacher
LONGLEGS
OZ PERKINS
FBI-Agentin Lee Harker ist eine begabte neue Rekrutin, die mit dem ungelösten Fall eines schwer fassbaren Serienmörders betraut wird. Als der Fall komplexe Wendungen nimmt und Beweise für Verbindungen zu okkulten Praktiken ans Licht kommen, entdeckt Harker eine persönliche Verbindung zu dem Killer und muss gegen die Zeit ankämpfen ...
JOKER 2: FOLIE À DEUX
TODD PHILLIPS
Die heißerwartete Fortsetzung von Joker ist zur Überraschung einiger Comic-Fans ein Musical geworden. Joaquin Phoenix schlüpft wieder in die ikonische Rolle des Arthur Fleck, neu an seiner Seite Lady Gaga als Harley Quinn, die dem kranken Clown Hals über Kopf verfällt. Der Film ist in seiner Art wie ein ganz großer Gag des Jokers geworden.
HALFWAY SOMEWHERE
GALLIANO
Fast 30 Jahre nach der Trennung feiert Galliano, britische Spezialeinheit für tanzbare Sozialkritik der 90er, mit einem neuen Album fröhliche Urstände. Truppenkommandant und Raspelstimme Rob Gallagher hat die alte Crew um ein paar Gastmusiker*innen erweitert und setzt dort an, wo er 1997 aufgehört hat. Wer universelle Tanzmusik mit Hirn und Herz mag, für den ist die Stunde Musik auf „Halfway Somewhere“ pures Glück.
SATISFACTION (NETSKY REMIX)
BENNY BENASSI
Benny Benassis „Satisfaction“ aus dem Jahre 2003 hat die House-Szene jener Zeit ordentlich aufgewirbelt und den Weg für alle möglichen Varianten der Vier-Viertel-Takt Mucke wie Fidget-House, ElectroHouse oder schlimmstenfalls EDM geebnet. Nun ist eine Remix-EP des Tracks erschienen. Der gute und mittlerweile alte Netsky hat es tatsächlich hinbekommen: Satisfaction im Drum&Bass Format. Chapeau!
ZUM SPIELEN
Christoph Schipp
BLACK MYTH: WUKONG GAME SCIENCE
Ein solides Action-RPG mit atemberaubenden, spannenden Bosskämpfen und wunderschön gerenderten Schauplätzen, die die chinesische Mythologie wie nie zuvor zum Leben erwecken. Es bietet ein umfangreiches Kampfsystem mit zahlreichen Build-Optionen. Allerdings schwächelt es durch ein langweiliges Leveldesign und eine enttäuschende Gegnervielfalt.
WARHAMMER 40K: SPACE MARINE 2
SABER INTERACTIVE
„Space Marine 2“ ist ein würdiger Nachfolger, der die Stärken des Originals aufgreift und weiter ausbaut: eine mit viel Liebe zum Detail gestaltete Welt und Story, gutes Gunplay und brachiale Action. Ein Muss für Fans von Warhammer und actiongeladenen Koop-Third-Person-Shootern. Leider geht im Kampf gegen die Tyraniden schnell die Abwechslung verloren.
TOTENINSEL ALLERSEELEN
Der Sommer neigt sein ermattetes Haupt, um dem melancholietrunkenen Herbst Platz zu machen. Den passenden Soundtrack dazu liefert das Ritual/Neo Folk/Electronic-Projekt Allerseelen, mit stimmgewaltiger Unterstützung der italienischen Sängerin, Musikerin und Fotografin AimA. Textlich zu Tränen rührend: „Der Tod als Geschenk“, gewidmet der verstorbenen Mutter von Gerhard Hallstatt. Nichts fürs Nebenbeihören.
Das neue Album „Vultures 2“ von Kanye West & Ty Dolla Sign zeigt vor allem den Innovationsgeist der Rapper. Das Album kombiniert experimentelle Beats mit interessanten Melodien und kann so schnell zum Ohrwurm werden. Auch wenn die Produktion etwas roh und unleidenschaftlich wirkt, wofür es auch immer mehr kritisiert wird, sorgt das Album trotzdem für ein einzigartiges Hörerlebnis.
ZUM LESEN
H. Fahrngruber | M. Müllner
DIE VIERZIG TAGE DES MUSA DAGH
FRANZ WERFEL
Um dem türkischen Völkermord mittels Deportation in die Wüste zu entkommen, flüchten im 1. Weltkrieg etwa 5.000 Armenier unter der Führung Gabriel Bagradians, eines armenisch-stämmigen Franzosen, auf den Berg Musa Dagh. 40 Tage harren sie, den sicheren Hungertod vor Augen, aus, ehe sie völlig entkräftet durch ein französisches Kriegsschiff geborgen werden.
ÜBER LEBEN UND TOD
FLORIAN
KLENK
In der Gerichtsmedizin. Falter-Chefredakteur Florian Klenk entführt uns mit Gerichtsmediziner Christian Reiter in die Welt der Toten, damit wir etwas übers Leben lernen. Inspiriert vom erfolgreichen Podcast „Klenk + Reiter“ verbindet das Buch die spannenden Familiengeschichten des Arztes mit seinen faszinierendsten Fällen.
HIGHLIGHT
VAZ St. Pölten
PETER CORNELIUS & BAND
22. NOVEMBER Seit über fünf Jahrzehnten zählt Peter Cornelius zu den erfolgreichsten Singer-Songwritern im deutschsprachigen Raum. Viele seiner Songs sind längst Allgemeingut geworden – sind Klassiker, wie ‚Reif für die Insel‘, ‚Segel im Wind‘ und natürlich ‚Du entschuldige i kenn di‘. 2024 geht der AusnahmeMusiker nun wieder auf Tour. Endlich! Vier Mann. Allen voran: Cornelius, der Frontmann, der Sänger und stets mit der dem Song entsprechenden Gitarre spielend. Auf der Setlist – selbstredend – viele der großen Hits aber auch Songperlen, welche abseits des Scheinwerferlichts schimmern.
ANALYSE DER TYRANNIS
25. SEPTEMBER Manès Sperbers Schrift „Zur Analyse der Tyrannis“ erschien im Jänner 1939 im Pariser Exil und beschreibt jene Mechanismen, die zum Untergang der europäischen Demokratien und zu neuen Formen totalitärer Herrschaft geführt haben. Aus diesem Werk lesen und diskutieren Wolfgang Müller-Funk, Christian Rapp und Martha Keil.
MUSEUM NÖ | GESPRÄCH
BROFACTION
12. OKTOBER Nicht mehr als ihre zwei Stimmen benötigt das Duo Brofaction, um ihr Publikum mit einzigartigen Harmonien und ihrem zweistimmigen Gesang mitzureißen. Die Brüder performen mit Unterstützung ihrer Liveband zwölf brandneue Songs ihres zweiten Studioalbums „Stories to Tell“, sowie einige ihrer bereits bekannten Hits.
WAREHOUSE | KONZERT
ANDREAS FERNER
18. OKTOBER Seit über 20 Jahren sammelt „Österreichs lustigster Lehrer“ vor rotzlöffelnden Jugendlichen auf harten Klassenbrettern amüsante Anekdoten des „Schulqualtags“. Jetzt ist die Zeit reif für ein „Best of 20 Jahre Bildungskabarett“. In seiner aktuellen „Stundenwiederholung“ zündet er wieder ein kabarettistisches Bildungsfeuerwerk.
VAZ ST. PÖLTEN | KABARETT
IOWA
27. SEPTEMBER Die österreichische Bohème-Autorin Stefanie Sargnagel reist von der Berliner Kult-Sängerin Christiane Rösinger begleitet in den mittleren Westen Amerikas, um das Nichts zu erkunden. Ihr witziges, ironisches bis melancholisches Road-Movie „Iowa“ bringt die junge Regisseurin Mira Stadler nun mit viel Musik auf die Bühne.
LANDESTHEATER | THEATER
MNOZIL BRASS
10. OKTOBER 30 Jahre und kein Rost in Sicht! Mnozil Brass zelebrieren drei Dekaden glänzende Blasmusik. Thomas Gansch und seine sechs Kollegen verwischten dabei schon in zahlreichen Shows die Grenzen zwischen musikalischer Hochglanzpolitur und luftig-leichter Unterhaltung. Schlager, Rock, Oper und Klassik − kein Genre ist vor ihnen sicher.
FESTSPIELHAUS | KONZERT
ROACHFORD
26. NOVEMBER Der britische Soulmusiker und Singer-Songwriter Andrew Roachford kündigt mit seinem neuen Album „Then And Now“ seine Rückkehr nach Österreich an und wird im Rahmen seiner Tour Station im WUK machen und die größten Hits seiner Karriere spielen, dazu einige Soulklassiker und neue Songs seines Albums.
WUK WIEN | KONZERT
TOXISCHE POMMES
27. SEPTEMBER Begonnen hat alles mit dem Ende ihrer toxischen Beziehung und ein paar TikTok-Videos im Lockdown. 100.000 Follower später ist Toxische Pommes viel mehr als ein Social-Media-Star. In ihrem Soloprogramm blattelt sie darin – wie in ihren Kurzvideos – die österreichische Gesellschaft auf und übt mit schwarzem Humor Sozialkritik, wo es nötig ist.
BÜHNE IM HOF | KABARETT
27. + 28. SEPTEMBER Das österreichweit bekannte Metal-Festival geht in die nächste Runde und holt die Bands Asagraum, Fleshless, Kuenring, Schwarzkristall, Nordblut, Lowbau, Plague Preacher, Rusty Railgun uvm. live nach St. Pölten. Die Moderation übernimmt MetalKabarettist Richard Metfan. Special Late Night Act am Freitag: Seii Taishogun.
FREIRAUM |
VAZ ST. PÖLTEN
KONZERTE | EVENTS | MESSEN | KONGRESSE
SA 28.09.24 // 20:00 ALEXANDER EDER & BAND
SO 13.10.24 // 20:00 THE CHIPPENDALES
FR 18.10.24 // 19:30 ANDREAS FERNER
FR 22.11.24 // 19:30 PETER CORNELIUS & BAND
Tickets im VAZ St. Pölten, ticket@nxp.at, www.vaz.at, 02742/71 400 in allen Raiffeisenbanken, Geschäftsstellen von www.oeticket.com und unter www.noen.at/ticketshop
AUSSENSICHT
BODENVERSIEGELUNG –EIN ST. PÖLTNER PROBLEM?
GEORG RENNER
Der Wilhelmsburger ist freier Journalist bei der Wiener Zeitung und DATUM.
Vergessen wir die Bausünden der Vergangenheit – es gibt genügend aktuelle.
Vergessen wir einmal die WWF-Studie, derzufolge St. Pölten die am stärksten versiegelte der 15 größten Städte Österreichs ist. Die hat tatsächlich methodische Schwächen, und außerdem scheint es mir sinnlos, die aktuelle Politik dafür verantwortlich zu machen, wie längst vergangene Gemeinderäte Flächen gewidmet und was frühere Bürgermeister genehmigt haben. Und lassen wir auch die Debatte um das neue Rewe-Verteilerzentrum beiseite: Das muss schließlich irgendwo stehen, wenn es vernünftige Auflagen gibt, kann man das schon machen. Aber überlegen wir doch kurz einmal, was in unserer Stadt so die letzten Jahre alles genehmigt und gebaut worden ist – entgegen allen Versicherungen aus der Politik, dass Geschäfte auf der grünen Wiese doch längst der Vergangenheit angehören sollten.
Denken wir z. B. an das Areal der ehemaligen KopalKaserne. Nicht nur, dass dort der x-te Baumarkt St. Pöltens entstanden ist – ok, es ist ein freier Markt –, sondern einer, der mit dem gefühlt größten Parkplatz der Galaxie samt „Drive-In“ und sonstigen Annehmlichkeiten für motorisierte Kunden wirbt. Oder das „Fachmarktzentrum“ rund um den Metro-Neubau an der S33-Zufahrt. Oder die Geschäfte rund um den erneuerten Billa/Media Markt-Komplex. Oder das Gewerbegebiet zwischen St. Georgen und Spratzern, wo sich Business-Schachtelbau an Business-Schachtelbau reiht, jeder mit eigenem Parkplatz und ohne jede Überlegung, ob man da nicht irgendwo einen zweiten Stock hätte bauen können. Usw. Langsam, sehr langsam, setzt sich in Österreich die Erkenntnis durch, dass Platz nicht unendlich ist – und dass Verdichtung sowohl in Wohn- als auch in Geschäftsgebieten mit Blick auf unsere Ressourcen das Gebot der Stunde ist. Und dass Gemeinden, besonders regionale Zentren, durchaus die Möglichkeit haben, hier mit Flächenwidmung und Bauauflagen zu steuern. Dass just die Landeshauptstadt da nicht mit gutem Beispiel vorangeht, die City stärkt und außerhalb auf die Bremse drückt, sondern weiter Supersize-Parkplätze mit angeschlossenen Markthallen zulässt, enttäuscht.
JAKOB WINTER
Aufgewachsen in St. Pölten, emigriert nach Wien, Redakteur beim „profil“.
Debatte überflüssig?
So einfach wollen wir es uns hier nicht machen.
Man könnte es sich einfach machen, und die Diskussion um den Flächenfraß in St. Pölten für sinnlos erklären. Schließlich wuchs im Vorjahr keine andere Stadt in Österreich schneller. Die Zuzügler müssen irgendwo leben, befördern also den Bau von mehr Wohnungen, Kindergärten, Supermärkten und Straßen. Debatte überflüssig? So einfach wollen wir es uns hier nicht machen.
Gerade eine Stadt, die so schnell wächst, sollte besonders achtsam mit ihrem Grund umgehen, damit sie eines Tages nicht im Beton untergeht.
Wie das geht? Durch die Nachnutzung bereits versiegelter Flächen zum Beispiel, wie es am Areal der alten Glanzstoff-Fabrik passiert. Dort war zunächst eine Universität untergebracht, nun dient die Fläche als Boulderbar und Veranstaltungslocation.
Das Problem: Die Nachnutzung ist meist teurer als Neubauten, die Förderungen für Revitalisierungen oft zu niedrig. Aber es tut sich was.
Zielführend ist auch, im innerstädtischen Bereich zu verdichten, anstatt am Stadtrand immer neue Siedlungsflächen zu genehmigen. St. Pölten macht beides.
Immerhin: Während andere Kommunen ihre Bewohner zu Super-Einkaufszentren in die Peripherie lotsen und damit das Sterben der Innenstädte in Kauf nahmen, ist die St. Pöltner City unter den vier Städten mit der geringsten Leerstandsquote. Noch besser schneiden laut der Analyse des Handelsverbandes Feldkirch, Mödling und die Favoritnerstraße in Wien ab. Was freilich nicht heißt, dass nicht auch am St. Pöltner Stadtrand neue Gewerbeflächen entstehen, über die man streiten kann.
Jedenfalls aber sollten wir bei der Debatte um die Flächenversiegelung nicht nur auf die Städte schielen. Denn wie der Klimaökonom Gernot Wagner in seinem Buch „Stadt. Land. Klima“ nachzeichnet, leben Städter von Haus aus klimaeffizienter als die Landbevölkerung. Grund dafür sind vor allem lange Fahrtwege und überdurchschnittlich viel Wohnfläche pro Person am Land.
Bewohner von mehrstöckigen Mehrparteienhäusern leben statistisch gesehen am bodenschonendsten.
SpezialEinsatz in St. Pölten!
IS THERE LIFE ON EARTH? Da ist die Erde um Haaresbreite an einer möglichen Katastrophe vorbeigeschrammt. Auf ihrem Raubzug durchs All landeten Aliens zum Glück just in der menschenleeren Linzerstraße in St. Pölten und zogen, weil sie den Planeten für ausgestorben hielten, wieder von dannen. Puh – das war ganz schön knapp!