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Konrad Willeit: Protest und Trennung

Protest und Trennung

„Der 24. Februar 1906 markiert ein bedeutendes Datum für die Katholische Mission in Britisch Nordborneo. Missionar August Wachter kommt an diesem Tag in Penampang an“, schreibt Schwester Cecilia Liew in einer Kurzbiographie über den Gründervater ihrer Ordensgemeinschaft, die „Blue Sisters“.

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Endlich ist er am Ort seiner Sehnsucht angekommen, endlich seine Berufung leben, die Botschaft verkünden, Menschen helfen, Seelen retten. Seine Ungeduld des Herzens verleitet ihn jedoch zu Unvorsichtigkeit. Zwar hat er in Kuching ein paar Brocken Malay gelernt, bevor er nach Nordborneo versetzt wird, aber jetzt ist er mit neuen Stammessprachen konfrontiert. Er möchte keine Zeit mit Sprachelernen verschwenden, sondern möglichst schnell in die Arbeit eintauchen, auch wenn Wortverwechslungen manchmal zu drolligen, ab und zu auch peinlichen Situationen führen.

Penampang liegt, wie die Missionsstationen Inobong und Limbahau, im Distrikt Papar. Ausgedörrt und von Wasserbüffeln zertreten, zeigen sich die Reisfelder, als Wachter in Penampang ankommt, um den „Posten als Gehilfe des Hochwürden Duxneuner“ anzutreten, wie er im Novemberboten von 1906 schreibt. Im Juni 1885 war Fr. Prenger erstmals nach Penampang gekommen, zog aber bald weiter nach Inobong, wo er 1886 die Missionsstation gründet, mit Penampang als Außenstelle. Inmitten fruchtbarer Reisfelder liegt ein kleiner Hügel, der in der Regenzeit, ebenso wie die Siedlungen der Einheimischen, aus dem Wasser ragt. Dieser Ort eignet sich bestens als Bauplatz für eine Kirche.

Prenger hatte im April 1888 sein Wohnhaus in Inobong bereits fertiggestellt und im selben Jahr von sechs

Oben:

Zwei Gedenksteine vor der Dreifaltigkeitskirche in Inobong; der eine erinnert an das Gründungsjahr 1894, der andere ans Jubiläum im Jahr 2014.

Auf dem St. Michaels-Hügel in Penampang, den Missionar Prenger 1888 um 110 Dollar gekauft hat, sieht man links einen Teil des Gebäudes der Missionsstation, die Duxneuner errichtet und die Holzkirche, die er 1897 gebaut und eingeweiht hat. Besitzern den heutigen St. Michaels Hügel in Penampang samt den darauf gepflanzten Obstbäumen um 110 Dollar erworben. Weil ein neuer die Mission in Penampang übernimmt, wird aus der anfänglichen Außenstelle 1889 die eigenständige Missionsstation St. Michael. Als der Mann tragischerweise am 15. Mai1891 im Fluss ertrinkt, folgt ihm 1893 Franz Xaver Duxneuner aus Kufstein nach. Am 8. Mai 1897 kann er die erste aus Holz errichtete Kirche samt den aufsehenerregenden Kreuzwegstationen einweihen. Dux, wie er genannt wird, intensiviert die Missionsarbeit in Penampang. 1905 wird die ursprüngliche Hauptstation Inobong zur Außenstelle von Penampang erklärt, während die Dusun, wie es in einem Report heißt, „sich weder für Himmel noch Hölle interessieren, sondern nur Futter und keine Krankheiten wünschen“. Wachter ist häufig auf langen Fußmärschen und anstrengenden Bootsfahrten durch den Dschungel unterwegs. Er will Menschen finden, die sich für seine Religion interessieren und den Familien anbieten, ihre Buben in die Schule nach Penampang zu schicken. Auch möchte er Plätze für die Gründung neuer Missionsstationen ausfindig machen. „Es ist eine mühevolle Arbeit, den Urwald der Tropen auszuroden“, schreibt er im März-Boten von 1907; „Mit Feuer und Schwert muss man sich dranmachen, um nur ein kleines Fleckchen Erde der widerspenstigen Natur abzuringen. Und ist die kleine Ernte eingeheimst, da schlagen links und rechts die alten Wurzeln wieder aus, Gesträuch und Dornen überwuchern den Boden, der von neuem Zufluchtsort hässlichen Gewürms aller Art wird.“ Damit beschreibt er nicht nur seine abenteuerlichen Erfahrungen in der fremden, neuen Welt, sondern auch sein mühevolles und von Frustration geprägtes missionarisches Arbeiten. „Die armen Heiden möchten am liebsten Christ und Heide zugleich sein“ sinniert er lakonisch. Er bringt aber auch Verständnis auf, denn „der neu getaufte Christ hat keinen Halt an christlichen Überlieferungen oder an einer glaubensstarken Umgebung, die ihn weiter auf dem Weg des Heils führt… Ist es da zu wundern, wenn man Beispiele von Rückfälligkeit zu verzeichnen hat und langsamer mit der Aufnahme in die

Wasserreis braucht in der Zeit des Pflanzens viel Wasser. Deshalb werden die Felder vor ihrer Bepflanzung geflutet, damit die empfindlichen Pflänzchen gut anwachsen können.

Kirche vorgehen muss, als es dem Missionär selber lieb ist?“

Keineswegs ist Wachter negativ eingestellt, ganz im Gegenteil. Er sieht sogar einen „großen Teil der Arbeit schon getan“ und er hat berechtigte Hoffnung. Denn „mein Prinzipal, Hochw. Duxneuner aus Kufstein, der schon 13 Jahre in dieser Gegend gearbeitet hat, trug nicht wenig dazu bei …“, äußert er sich anerkennend über seinen Pfarrer, der Sitten und Gebräuche der Dusun bestens kennt und das Vertrauen der Leute genießt, sosehr sogar, dass sie den Missionaren ihre Kinder bereitwillig zur Erziehung überlassen. „60 junge, frische Burschen beleben unser Haus. Sie sind unsere Freude, unsere Hoffnung und auch unsere Sorge“, schreibt Wachter. Da er „wegen mangelhafter Kenntnisse der Sprache“, wie er selber zugibt, sich noch wenig mit anderen Angelegenheiten befassen kann, muss er als „Hüter der Buben seines Amtes walten“. Doch die Arbeit erfüllt ihn mit Begeisterung. Er sieht in Schulbildung und Evangelisierung ein untrennbares Zwillingspaar, um junge Menschen ganzheitlich zu erziehen und zu fördern. Deswegen macht er Nägel mit Köpfen! 1907 gab es lediglich sieben Schüler in Penampang. Wachter lässt Eltern und Schüler unterschreiben, mindestens drei Jahre an der Schule zu bleiben, falls sie aufgenommen werden. Für ihn sind die „frischen Burschen die neue Saat, auf deren Reife die Mission mit Sehnsucht wartet. Gebe Gott, dass ebenso viele christliche Familienväter in ihrem späteren Leben eine Stütze christlicher Gemeinschaften werden“.

Schon 1907 beschäftigt sich Wachter mit der Frage, wie man Mädchen in die Schule bringen könnte. Denn „der Priester kann wohl den Buben bilden, das Mädchen wird ihm aber immer scheu und fernbleiben, wird so stets eine nur mangelhafte Kenntnis der Religion haben.“ Was ihn umtreibt, sind quälende Erfahrungen, dass christliche junge Männer kaum eine ebensolche Frau finden und nach der Heirat wiederum in alte heidnische Bräuche zurückfallen. Schwestern wären dabei von unschätzbarem Wert. Erst Jahre später finden seine Pläne Verwirklichung. Als Schulmann scheint er trotzdem ein gutes Händchen gehabt zu haben, denn die Schülerzahl steigt stetig. Im August 1909 überträgt Msgr. Dunn August Wachter aus nicht bekannten Gründen die alleinige Verantwortung

Eucharistiefeier im Freien auf einer Tour. Ein paar Pfähle mit einem Brett darüber bildet den Altar.

Missionar Wachter mit seinen Schülern, die sich reichlich mit Fisch aus dem Fluss eingedeckt haben.

Die ersten drei Mill Hill Schwestern in Inobong und August Wachter im Kreis einer Gruppe von Firmlingen. über die Schule. Darüber kommt es zum Streit zwischen Wachter und Duxneuner, der „sich auf keinen Fall mehr in den Schulbetrieb einmischen soll. Nicht einmal Religionsunterricht erteilen darf er.“ Wachter droht sogar, „die ganze Schule nach Inobong zu verlegen, wenn sich der Rektor nochmals einmischt“.

Verständlich, dass Duxneuner vehement protestiert. Nach Jahren der Arbeit im tropischen Klima lässt seine Gesundheit allmählich nach. Wachter hingegen strotzt von Energie und Unternehmungsgeist. Im Bemühen, Druck aus der Situation zu nehmen, wird Wachter von seinem Oberen, Msgr. Dunn, im Februar 1910 beauftragt, den Schulbetrieb in Penampang herunterzufahren und die mittlerweile dahindümpelnde Missionsstation Inobong wieder aufzubauen. Damit ist auch die Hoffnung verbunden, er würde sich stärker auf Seelsorge konzentrieren und dabei weniger Schulden anhäufen. Doch weit gefehlt. Noch im selben Jahr baut er in der Nachbarstation Limbanak eine kleine Schule. Damit nicht genug. Drei Jahre später (1913) errichtet er in Inobong eine große Schule, denn er bringt es nicht übers Herz, anfragende Kinder abzuweisen. Wie Schwester Liew schreibt, waren dort zeitweise 300 Buben untergebracht. Für den Unterricht und die Betreuung gelingt es Wachter, noch im selben Jahr die ersten Mill Hill Schwestern von Kuching nach Inobong zu holen.

Erst 1917 kommt Wachter wieder nach Penampang zurück, um die Stelle des nach England zurückkehrenden Franz Xaver Duxneuner zu übernehmen. Im September 1921 transferiert er die Schule von Inobong mitsamt den Schwestern nach Penampang. Unter Wachters Leitung etabliert sich der Ort neben Valentin Webers Schule in Jesselton als ebenbürtiges Zentrum der Bildung. Schwester Rose, eine seiner Lehrerinnen, sagte einmal: „Ich kann Wachters Reisen von 1920 bis 1922 bezeugen. Er war immer unterwegs bis in die entferntesten Dörfer. All den kleinen, armen Buben gab er kostenlos Unterricht, fütterte sie und geriet dabei selbst in schreckliche Schulden… Aber, mein Gott, die alte Kirche von Penampang war immer gerammelt voll, wenn

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