2 minute read

Toni Amort: Verloren da draußen

Verloren da draußen

Oben:

Advertisement

Ein abgelegenes Gehöft im Landinnern von Minas Gerais (Brasilien). Wenn ich hier in Brasilien auf dem Land draußen von der Straße auf den Feldweg abbiege, beginnt die große Einsamkeit. Erst nach langer Fahrt taucht ein kleines Bauernhaus auf.

Hennen und Schweine flüchten. Kinder laufen neugierig herbei; denn ein Auto ist ein seltenes Ereignis. Voll aufrichtiger Freude laden die Leute mich zum Bleiben ein. Heute aber muss ich weiter zu einem gewissen Rogerio. Dort habe ich eine Messfeier vereinbart, weil der gute Mann schon lange gelähmt ist und dazu diese Woche seinen Geburtstag feiert. Bis zu seinem Haus führt noch ein sehr langer Weg, zuletzt so steil bergauf, dass ich zweifle, ob mein Auto das wohl schafft. Oben angekommen, wartet Rogerio schon voll Freude in seinem Rollstuhl auf mich. Ich begrüße und beglückwünsche ihn herzlich und nach ihm die ganze Familie und noch ein Dutzend Leute, die aus der Nachbarschaft zur Messe gekommen sind. Einige haben einen sehr langen Marsch hinter sich – und noch dazu bei fast 40 Grad Hitze! Aber weil Rogerio Geburtstag hat und vor allem, weil es das erste Mal in der Geschichte hier eine hl. Messe gibt!

Im Schatten eines improvisierten Daches steht ein Tisch mit dem besten Tischtuch des Hauses, zwei Kerzen, ein Tischkreuz und ein üppiger Blumenstrauß in einer Vase. Dazu noch alles, was zum Sitzen geeignet ist, ringsum. Die Menschen auf diesen verlorenen Höfen sind durchwegs sehr gläubig. Im Innern des Hauses gibt es immer mehrere Heiligenbilder; beim Aufwachen und vor dem Einschlafen verrichten (fast) alle

Hausbewohner vor den Bildern ein Gebet. An großen Festtagen, und besonders wenn Prozession ist, kommen sehr viele von ihnen den weiten Weg in die Pfarrkirche. Das ist für diese Menschen aus der großen Einsamkeit auch ein wertvolles Erlebnis, dass sie nämlich zu einer großen Gemeinschaft gehören.

Seit der großen Abwanderung in die Städte ist es im Innern Brasiliens sehr still geworden. Wer noch geblieben ist, braucht viel Hartnäckigkeit und vor allem den Beruf, Bauer zu sein. Das bedeutet, dass hier die Arbeitsstunden nicht gezählt und erst recht nicht mit Geld bezahlt werden. Wie doch überhaupt wenig Komfort auf so einem Bauernhof zu finden ist, besonders wo es keinen Strom gibt, also nicht einmal einen Fernseher, eine Waschmaschine oder einen Kühlschrank! Immer, wenn Monate lang der Regen ausbleibt, steht mit Sicherheit Hungersnot bevor. Es gibt dann beinahe nichts zu ernten, und die abgemagerten Kühe geben keine Milch mehr. Um im Supermarkt die fehlenden Lebensmittel zu kaufen, braucht man Bargeld, was gerade in diesen Häusern am meisten fehlt. „Was, nur sieben Kommunionen?“, fragt mich ein Mitbruder in der Stadt. „Da zahlt sich‘s doch nicht aus!“, meint er. „Ich bewundere dich, aber nachmachen kann ich das nicht!“ Hier in der Stadt sind immer wenigstens hundert Leute dabei, da ‚zahle‘ sich eine Messe erst richtig aus, meint er. Unser Herr, der Gute Hirt, hat aber einmal gesagt, dass er schon wegen eines einzigen Schafes bereit ist, die 99 allein zu lassen, um dem da weit draußen nach zu gehen …

Das erste Mal eine Messe bei ihnen. Welch ein Fest!

This article is from: