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Albert Rottensteiner
Bruder Albert Rottensteiner †
Einem Unermüdlichen zum Gedenken
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Er war soeben aus dem Garten gekommen und ohne jegliche Vorahnung an unserem Tisch gesessen, als der Herr ihn zu sich rief. So schnell hat unser guter Bruder Albert sich wohl sicher nie in seinem Leben zur Ruhe gelegt wie an diesem 29. April 2020. Er stand schon im 87. Lebensjahr, betrieb aber unseren recht großen Obst- und Gemüsegarten im Herberthaus mit erstaunlichem Eifer und viel Kompetenz seit fast 20 Jahren, die eigentlich sein Ruhestand hätten sein sollen. Ein unermüdlicher Diener Gottes und der Menschen!
Er stammte vom Huckensteinerhof in Oberleitach, jener gesegneten Weingegend zwischen Rentsch und Unterinn, oberhalb von Bozen. Mit sieben Brüdern und einer Schwester ist er dort aufgewachsen. Wie er auf den Gedanken kam, Missionar zu werden, blieb ein Geheimnis zwischen Gott und ihm. Mit 17 Jahren stellte er sich im Josefs-Missionshaus in Brixen vor; er wollte Missionsbruder werden, ganz entschieden! In unseren Häusern in Holland und England hat er dreizehn Jahre lang seinen Beruf zur Reifung gebracht und eine gediegene Ausbildung erlangt: als Elektroinstallateur und Baumeister, beides mit Diplom. Im März 1959, vor 61 Jahren also, weihte er sich endgültig seiner Berufung durch den Ewigen Missionseid. 1963 endlich erfüllte sich sein Traum: er durfte in die Mission auf der Insel Borneo, heute Ostmalaysia. Dort, am großen Baram-Fluss, der damals noch durch dichten Urwald floss, vollbrachte Bruder Albert dann ganze 38 Jahre lang sein Lebenswerk; und das vor allem in der Mission Long San am Oberlauf des Flusses, das damals nur auf Motorbooten in dreitägiger Reise von der Küste aus erreichbar war. Gerade zu jener Zeit drangen internationale Holzfirmen mit Motorsägen und Sattelschleppern unaufhaltsam durch den Urwald voran. Gewaltsam brach die Moderne auf das naturverbundene, völlig unvorbereitete Volk der Kenyahs herein. Zu spät bemerkten diese Menschen, dass mit den Bäumen auch sie selbst entwurzelt wurden.
Wie konnte man vermeiden, dass wegen des Hungers nach Bargeld die überkommene Lebensform geopfert wurde? Immer mehr entdeckte Bruder Albert, dass da eine ganz eigentliche Sendung, ein Missionsauftrag, für ihn gekommen war. Die jungen Kenyahs sollen nicht den Lockungen der Stadt verfallen, sondern in ihrer
angestammten Heimat zu etwas mehr Wohlstand kommen. Obwohl er kein Fachmann war, interessierte er sich nun intensiv mit dem Anbau auf Feldern und in Gärten. Er bewog ausgeschulte Buben, bei ihm zu lernen, wie man im eigenen Garten und auf dem Paddy, so hießen ihre Felder, viel mehr und besser produzieren konnte. Die jungen Leute ließen sich geradezu begeistern, und Bruder Albert reiste in der Folge weit umher, um seine Schüler auf ihren Feldern zu besuchen, zu ermutigen und zu beraten. Für die Bevölkerung des Langhauses von Long San baute er eine Trinkwasserleitung mit gesundem Quellwasser aus den Bergen ins Dorf. Auch betrieb er eine Tischlerwerkstätte und sogar ein Sägewerk, wo das Volk sich seine Bretter und Balken besorgen konnte. Selbst ein „Gemischtwarengeschäft“ richtete er ein, um den Leuten einen leichteren und billigeren Zugang zu notwendigen und nützlichen Waren zu ermöglichen: „Von Zahnbürste bis Dieselgenerator gab’s hier alles“, erzählte er einmal mit Stolz. Sein größtes Denkmal wurde dann ein richtiges Wasserkraftwerk. Wie er es schaffte, die Turbine und das riesige Schwungrad von Absam bis Long San zu liefern, war eine für unmöglich gehaltene Leistung. Damit verdiente er sich wohl den Nicknamen „Zauberer von Long San“. Sein holländischer Pfarrer schrieb über ihn: „Ohne Bruder Albert wäre die Mission von Long San nicht das, was sie ist. Und die Menschen am ganzen Oberen Baram sagen ihm von Herzen ein überwältigendes Dankeschön.“
Mit 68 Jahren, davon die größere Hälfte auf Borneo, kehrte Albert im Jahre 2001 in die Heimat zurück. Von Ruhestand freilich wollte er nichts wissen. In unserem Herberthaus oberhalb von Brixen übernahm er mit Freude den recht großen Obst- und Gemüsegarten. Beinahe 20 Jahre lang widmete er sich mit Leib und Seele dieser Aufgabe und versorgte seine Mitbrüder im Ruhestand mit reichlich Gemüse und Obst. Dabei blieb er ein froher, ganz einfacher Mann, tiefgläubig und eben auch unermüdlich – bis in sein 87. Lebensjahr, bis wenige Minuten vor seinem plötzlichen Tod. Er ruhe nun in der Geborgenheit Gottes aus! Toni Amort
Albert Rottensteiner, hier im Bild in jungen Jahren, bis ins Alter unternehmungslustig und innovativ, wusste mit seinem Wissen die Jugend zu begeistern, dass sie nicht in die Städte abwanderte.