supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 1
SUPPLEMENT No. 1 zu ISBN 978-3-00-063109-2 OTTO GLOCKEN · Gerhard Reinhold · Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto
Neues: Personalia der Familien Otto | Seite 6
No .1
(OTTO-)Glocken: Maß, Gewicht, Ton und Schwingungszahl | Seite 8
en t
OTTO-Glocken in der Basilika St. Ludgerus, Essen-Werden | Seite 24
Su
Rezensionen | Seite 33
pp lem
St. Blasius, Düsseldorf-Hamm und Hl. Dreikönige, Neuss | Seite 26
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 2
O TTO -G LOCKEN
Inhaltsverzeichnis
Vorwort Impressum | Seite 3 Kreuz und Glocke | Seite 4 Personalia der Familien Otto | Seite 6 (OTTO-)Glocken, deren Maß, Gewicht und Ton nebst Schwingungszahl (Emanuel Kretschmer) | Seite 8 Zu den schriftlichen Notizen von Emanuel Kretschmer (Bruder Michael Reuter) Historie der rekonstruierten OTTO-Rippe (Bruder Michael Reuter) | Seite 12 Die vornehmste Aufgabe der Glocken | Seite 13 Rekonstruktion von OTTO-Rippen | Seite 14 Konstruktionsanleitung (Bruder Michael Reuter) Schwere OTTO-Rippe 1951 nach Bruder Michael Reuter (2007) | Seite 15 Mittelschwere OTTO-Rippe nach Christoph Schmitt (2019) Die Glocken von St. Anna in Freigericht Somborn | Seite 16 Die Glocken der Herz-Jesu-Kirche, Lübeck | Seite 18 Die Glocken von St. Gertrud, Düsseldorf-Eller | Seite 22 1909: OTTO-Glocken in der Basilika St. Ludgerus, Essen-Werden | Seite 24 1913: St. Adolfus, Düsseldorf-Pempelfort | Seite 25 1911: St. Blasius, Düsseldorf-Hamm und Hl. Dreikönige, Neuss | Seite 26 1939: Die vergrabene OTTO-Glocke | Seite 28 1953: Saarlouiser Glockengießerei - Glockenguss und Glockenweihe St. Ludwig und Maria Himmelfahrt, Saarlouis | Seite 29 1962: Die dritte „Brema“ | Seite 29 Werkverzeichnis der Glockengießerei F. Otto in Hemelingen Ergänzungen und Korrekturen | Seite 30 Quellen- und Literaturverzeichnis | Ergänzungen | Seite 32 Buchbesprechungen Dr. Claus Peter, Hamm | Seite 33 Prof. Dr. Dr. Reimund Haas, Köln | Seite 33 Prof. Dr. Dr. Thomas Gergen, Luxemburg | Seite 35
2
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 3
S UPPLEMENT
Vorwort OTTO-Glocken. Gerhard Reinhold: Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto Essen 2019
Design: Michael Körner. Mit 640 Abbildungen, historischen Postkarten, 120 Tabellen und Grafiken, wertvollen Dokumenten und Bildern aus Archiven.
Diesen Nachtrag zum großen Otto-Glockenbuch widme ich wieder meinen Kindern und den Enkeln Jakob, Luisa, Marlene, Katharina, Theo, Fritz, Marie sowie - im Juli 2021 geboren dem kleinen Karl.
Impressum Supplement No. 1 zu ISBN 978-3-00-063109-2 Essen 2021 Herausgeber: Dr. Gerhard Reinhold Überruhrstr. 442 · 45277 Essen Tel 0201-26 48 23 info@ottoglockenbuch.de Design, Realisation: artkonzeptkörner Michael Körner, Dipl. Designer In Tetelrath 93 · 41844 Wegberg Tel 0 24 34-92 62 07 info@artkonzeptkoerner.de Nachdruck, Aufnahme in Online-Dienste und Internet und Vervielfältigung auf elektronische Datenträger nur nach vorheriger Rücksprache mit dem Herausgeber
E
ine erste Ergänzung zum großen OTTO-Glockenbuch, gut zwei Jahre nach seinem Erscheinen, ist sinnvoll geworden, weil neues, historisches Material bekanntgeworden ist, weil Ergänzungen und Korrekturen zur Verfügung stehen und weil hier Glocken in den Blick genommen werden, die zwar nicht von den Ottos aus Hemelingen stammen, die aber gleichwohl in einer OTTORippe gegossen wurden, also ein Stück Rezeptionsgeschichte der Otto-Rippe darstellen. Dabei ist dieses Supplement vom Umfang und Inhalt bewusst knappgehalten, damit aus einem Beiheft nicht ein zweiter umfangreicher Buchband wird. Allen, die durch Material, Texte und Abbildungen zu diesem Supplement beitragen haben, gilt mein besonderer Dank.
Gerhard Reinhold
3
limitierte Auflage 250 Exemplare Großformat 29,7 x 31,5 cm Hardcover-Einband rotes Leseband Fadenheftung rot Kapitalband rot Leseband rot 600 Seiten Vierfarbdruck 640 Fotos und Bilder aus Archiven 120 Tabellen und Grafiken 23 historische Postkarten 52 wertvolle Dokumente
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 4
O TTO -G LOCKEN
2019
Kreuz und Glocke
1
F
ür uns heute gehören ein Kreuz und eine Glocke einfach zu einer christlichen Kirche. Aber das war nicht von Anfang an so. Die frühen Christen kannten die Glocke; sie wurde in der Antike im öffentlichen Leben und bei heidnischen Kulten genutzt. Sie wurden als Schmuck oder als Amulett getragen. Da sie aus Metall gefertigt war, schrieb man ihr zauberbrechende und glückbringende Eigenschaften zu. Die Glocke war aber kein Zeichen für die christliche Liebe, weshalb Paulus sie als „dröhnendes Erz“ (1. Kor. 13,1) bezeichnete.
dung durch Helena wurde das Kreuz in der christlichen Kunst ein immer bedeutenderes Thema, ob als Gemälde, Mosaik oder Skulptur.
Ich läute Leid, ich läute Freud, ich läute Zeit und Ewigkeit. Der Tod Jesu am Kreuz und seine Auferstehung sind das Fundament des christlichen Glaubens. Ohne sie ist christlicher Glaube nutzlos. (1. Kor 15, 17). Trotzdem war das Kreuz nicht das ursprüngliche Symbol der frühen Christen. Die Akzeptanz des Kreuzes und die Wertschätzung von Glocken änderten sich erst zu Beginn des 4. Jahrhunderts, als Christen nicht mehr unterdrückt und verfolgt wurden. Die Veränderung begann im Jahr 312 n.Chr.. Kaiser Konstantin siegte in einer Schlacht, weil er der Vision eines Lichtkreuzes folgte, welche ihm verhieß: in hoc signo vinces, in diesem Zeichen wirst du siegen. Acht Jahre später verbot Konstantin Kreuzigungen und im Jahr 326 fand die Kaiserinmutter Helena bei Ausgrabungen in Jerusalem das Kreuz Jesu. Die weitere Entwicklung führte dazu, dass Ende des 4. Jahrhunderts das Christentum durch Kaiser Theodosius zur Staatsreligion erhoben wurde. Seit der Kreuzauffin-
In der neuen, christenfreundlichen Umwelt gaben die Christen auch ihre ablehnende Haltung den Glocken gegenüber auf, trug doch schon der Hohepriester im Jerusalemer Tempel an seinem Gewand kleine Glöckchen. Diese standen für die 12 Stämme Israels, wie die 12 Apostel auch, die Jesus berufen hatte. Die 12 Apostel verkündigten das Evangelium. Die Glocken sollten nun mit ihrem Klang auf diese neue, frohe Botschaft aufmerksam machen. Auch kamen im Jerusalemer Tempel Glocken als Tonabgeber für den Psalmengesang zum Einsatz.
So wurden sie durch die Christen zunehmend in ihren Dienst genommen, in den frühen Klöstern zur Unterscheidung von ora et labora, von den Wandermönchen auf ihren Missionsreisen und schon in den ersten Kirchen riefen sie zu Gebet und Gottesdienst. Glocken wurden das akustische Medium der Christianisierung. Gegen den magisch-heidnischen Aberglauben von der apotropäischen, d.h. schadenabwehrenden Wirkung der Glocke setzten die Christen die Glockenweihe. Durch sie wurde die Glocke zur „vox domini“. Durch die Kraft Gottes sollte die Glocke, besser ihr Klang, Menschen schützen und Schaden von ihnen abwehren. Deshalb schrieb Wilhelm Durandus im Jahr 1291 in seiner Schrift „Rationale divinorum officiorum“:
Ich läute Leid, ich läute Freud, ich läute Zeit und Ewigkeit. Albert Junker
1
4
2
Wenn die Glocke läutet, dann sollen alle, die sie hören „zum Schoß der heiligen Kirche vor
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 5
S UPPLEMENT
das Banner des heiligen Kreuzes flüchten“. Kreuz und Kirche, Kirche und Glocke stehen zueinander in einer ganz engen Beziehung. In den vergangenen 1400 Jahren haben sich über 2500 Gießer dem Guss von Glocken gewidmet und hunderttausende Glocken als Kommunikations- und Musikinstrument für die Kirchen im sogenannten christlichen Abendland gegossen, von der einfachen Nussschalenglocke über die Bienenkorb- und Zuckerhutglocke, die gotischen Glocken des Spätmittelalters, z. B. eines Ghert van Wou, bis zu den modernen Dreiklangglocken des 19./20. Jh. und unserer Tage. Campanologische, glockenkundliche Themen können auf der Metaebene behandelt werden, sie können aber auch auf der Ebene der Protagonisten, der Kirchengemeinden und der Glockengießer, betrachtet werden. Dieses Beziehungsgeflecht mit den Kirchen auf der einen und den Glockengießern auf der anderen Seite ist in dem systemo-historischen Diagramm auf der Seite 152 des OTTO-Glockenbuches dargestellt. Es wird durch zwei Diagramme auf den S. 153 und 429 inhaltlich erweitert. Bei der vertikalen Betrachtungsweise geht in diesem systemo-historischen Diagramm der Blick von den Kirchen auf die Glocken einer oder mehrerer Kirchen, auf ihre Verwendung unter liturgiegeschichtlichen, musikwissenschaftlichen, kunsthistorischen und religiösvolkskundlichen Aspekten. Es geht um die Geschichte der Kirchen, den Gebrauch ihrer Glocken, die Läuteordnungen, die Glockeninschriften und die geographische Verbreitung von Glocken allgemein bzw. die eines bestimmten Gießers. Bei dieser Betrachtung stehen die Glockengießer nicht im Fokus, oft werden sie gar nicht oder nur mit ihrem Namen erwähnt. Obwohl sie essenziell sind für die Geschichte der Kirchenglocken ist ihre Geschichte bisher nicht gut erforscht. Anders ist es bei der horizontalen Blickrichtung; hier richtet sich der Blick von den Gießern auf die Kirchen und ihre Glocken. Hier
1 Aus: Vortrag bei der Öffentlichen Verteidigung der Dissertation am 1. Juli 2019 in der Aula der Radboud Universiteit Nijmegen
geht es um familien- und handwerksgeschichtliche Aspekte der Gießer und weiter um all die Determinanten, die für klangvolle Glocken und Geläute auf der Seite der Gießer von Bedeutung sind, aber auch um solche auf der Seite der Kirchengemeinden im sogenannten „Geläuterahmen“, d. h. der „Sachkultur in Turm und Glockenstube“.3 Im Schnittpunkt des Diagramms steht die Glocke und ihr sakralliturgischer aber auch profaner Gebrauch. „In jeder Glocke steckt eine ganze Welt“, ihr gerecht zu werden, erfordert ganzheitliches Denken.
Kreuz und Glocke Das Kreuz, das Kruzifix mit dem Glauben an die Auferstehung, ist seit dem 4. Jh. das sichtbare Zeichen des Glaubens, das „signum fidei cristianae“. Die Glocke ist seit dem 6. Jahrhundert das akustische Zeichen der Kirche, das „signum ecclesiae“. Grafik: G. Reinhold
Die Glockengießer Otto sind Teil der deutschen Glockengeschichte des 19./20. Jahrhunderts und damit Teil der 1400jährigen Glockengeschichte der Christenheit und des christlichen Kulturerbes. Vom Abendland aus wurde die schwingend geläutete Kirchenglocke in alle Kontinente verbreitet und ist damit christliches Weltkulturerbe, wenn sie auch noch nicht in der UNESCO-Weltkulturerbeliste eingetragen ist. Allerdings wird dieses Kulturerbe durch die vielen Kirchenschließungen stark zurückgedrängt. Damit geht auch eine Anfrage an den Denkmalschutz einher, wenn davon nämlich auch denkmalwürdige Glocken betroffen sind. Gerhard Reinhold
2 Mit diesen Worten beschrieb Albert Junker die Aufgabe der Glocken. Quelle: Griesbacher, 1927, S. 266.
5
3 Gerhard Best, 1989/90, S. 25
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 6
O TTO -G LOCKEN
Oben: Ernst Karl (II) Otto mit Ehefrau und Kindern, in der Mitte hinten Tochter Regina. Foto: Privatarchiv Monika Plath, Bremen. Unten: Friedrich Otto 1956 in Saarlouis-Roden.
Personalia der Familien Otto
4 Gerhard Reinhold, OTTO Glocken, Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto, Selbstverlag, Essen 2019, ISBN 978-3-00-063109-2, hier S. 66 ff.
D
as OTTO-Glockenbuch präsentiert auf den Seiten 18 und 19 den Familienstammbaum der Glockengießer Otto aus dem Eichsfeld. In der dritten und vierten Generation sind Personen aufgeführt, die etwas mit der Entstehung dieses Nachtrags zum großen Glockenbuch zu tun haben.
5 Das Werkverzeichnis im OTTO-Glockenbuch dokumentiert die 535 in Saarlouis gegossenen Glocken, eine Vielzahl weiterer Aufträge für Kirchengemeinden sowie den Guss des Marienbrunnens
6
und des Bronzelöwen in Saarlouis. G. Reinhold, 2019, S. 87–95, 367, 374 f., 382 f. 564–571.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 7
S UPPLEMENT
Johannes Otto (sechste Person von rechts, auf dem Balken stehend) im Jahr 1951 vor dem Aufziehen der Christus-und-Helena-Glocke des Trierer Domgeläutes.6 Foto: Privatarchiv Joachim Otto, Neustadt/Holstein
Regina Otto war die älteste Tochter des Glockengießers Ernst Karl (II) Otto. Sie heiratete den Bremer Musikdirektor Emanuel Kretschmer. Dieser arbeitete später auch für die Ottos und verfasste dazu handschriftliche Notizen, die hier wiedergeben und kommentiert werden. Der zweitjüngste Bruder von Regina war Friedrich Otto. Friedrich Otto arbeitete zusammen mit seinem Bruder Johannes Otto lange Jahre für die Hemelinger Glockengießer. Friedrich übernahm 1929 die Leitung der von den Ottos übernommenen Schlesischen Glockengießerei Geittner in Breslau4. Die Ottos konnten die erfolgreiche Geschichte der Breslauer Gießerei nicht lange erfolgreich fortführen. Nach Joachim Otto, dem Sohn von Friedrich Otto, musste die Gießerei „schon Mitte 1934 ... geschlossen werden“. Zwar waren die Auftragsbücher voll, die Arbeiten konnten aber mangels Rohstoffen, die zunehmend für die Rüstungsindustrie verwendet wurden, nicht ausgeführt werden. „Bis Ende 1940 arbeitete Friedrich Otto als Vertreter der Glockengießerei, des Läutemaschinenherstellers Bokel6 Zum Trierer Domgeläut siehe G. Reinhold, 2019, S. 352-365. Zur Person von Johannes Otto siehe dort auch S. 83, zweite Person von rechts.
mann & Kuhlo, der Turmuhrenfabrik Korfhage und für den Kirchenheizungsbau Gerlich.“ Nach dem Krieg war er ab 1946 wieder für die Hemelinger Gießerei tätig, die schon Ende der 40er Jahre ihre volle Gießkapazität wieder erreichte. Als im Jahr 1953 im Saarland die Saarlouiser Glockengießerei gegründet wurde, lag es nahe, Friedrich aufgrund seiner Breslauer Erfahrungen mit dem Aufbau und der Leitung des neuen Unternehmens in Saarlouis zu betrauen. Bis zur Schließung der Saarlouiser Glockengießerei war Friedrich Otto als Geschäftsführer kaufmännisch und organisatorisch für die Saarlouiser Gießerei verantwortlich.5
ternehmen und ab 1971 gemeinsam mit seinem Sohn Joachim Otto in der Firma OttoBuer GmbH (Melle, später Neustadt/Holstein) für die Instandhaltung, Erneuerung und Ergänzung von Glocken, Läutemaschinen und Turmuhrenanlagen. Friedrich Otto verstarb am 19. Januar 1978. Er wurde auf dem Friedhof des im Turmuhren- und Glockenspielbau traditionsreichen Ortes Buer bei Melle bestattet. In einer kurzen Grabrede würdigte Hans-Gerd Rincker von der Glockengießerei Rincker im hessischen Sinn die Verdienste von Friedrich Otto als eine Person, die ein Kapitel deutscher Glockengeschichte des 20. Jahrhunderts mitgestaltete.7
Zwei Abbildungen auf den Seiten 108 und 144 des OTTO-Glockenbuches zeigen fälschlicherweise nicht den Glockengießer Johannes Otto, sondern den Trierer Domkapitular Dr. Klassen. Auf dem obenstehenden Bild ist Johannes Otto zu sehen (sechste Person von rechts). In der Mitte des Bildes ist der 16jährige Dieter Otto zu sehen.
Joachim Otto führt die in Melle gegründete Firma in Neustadt/Holstein weiter. In Zusammenarbeit mit der niederländischen Glockengießerei Eijsbouts wurden im Jahr 2013 zwei neue Glocken für die Herz-Jesu-Kirche in Lübeck gegossen und zwar in einer rekonstruierten OTTO-Rippe. Wie weiter unten ausgeführt wird, wurden Glocken in rekonstruierter OTTO-Rippe aber auch durch Bruder Michael Reuter von Maria Laach und Christoph Schmitt aus Brockscheid gegossen.
Nach Schließung der Saarlouiser Gießerei arbeitete Friedrich Otto wieder für das Hemelinger Un7 F. Otto – Geschichte einer Glockengießerei, in: Turm und Uhr, Neustadt/Holstein, Nr. 11/1994.
7
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 8
O TTO -G LOCKEN
(OTTO-)Glocken, deren Maß, Gewicht und Ton nebst Schwingungszahl Von Emanuel Kretschmer
Vorbemerkung: Der nachfolgende Text gibt die knapp einhundert Jahre alten handschriftlichen Notizen des Bremers Musikdirektors Anton Johann Emanuel Kretschmer (1875 - 1965) wieder.8 Musikdirektor Kretschmer heiratete 1912 Regina Otto, die älteste Tochter des Glockengießers Ernst Karl (II) Otto. Kretschmer war später für die Glockengießer Otto tätig. Seine Aufzeichnungen stammen wohl aus den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, denn in der Firmenbroschüre aus dem Jahr 1926 unterscheiden die Ottos die Glockenrippen nach Rippe I und Rippe II.9 Die Rechenanweisungen von E. Kretschmer und die sich daran anschließenden Anmerkungen von Bruder Michael Reuter können verdeutlichen, weshalb bei den Ottos von einer „Reformgießerei“ gesprochen wurde.10 Inhalt: I a.
Berechnung des Durchmessers aus der Schwingungszahl I b. Berechnung der Schwingungszahl aus dem Durchmesser II a. Berechnung des Gewichts aus dem Durchmesser II b. Berechnung des Durchmessers aus dem Gewichte III a. Berechnung des Gewichts aus der Schwingungszahl III b. Berechnung der Schwingungszahl aus dem Gewichte
Handschriftliche Notizen von Musikdirektor Anton Johann Emanuel Kretschmer Bild: Monika Plath, Bremen
8 Die handschriftlichen Notizen wurden freundlicherweise von Monika Plath, Bremen, einer Nachfahrin von A. J. E. Kretschmer, zur Verfügung gestellt.
9 Siehe hierzu G. Reinhold, Essen 2019, S. 54–59, 164–169, u.a. Lehrbriefe 20 + 21 der Glockengießerschule von Albert Junker.
8
10 G. Reinhold, 2019, S. 45, 311, 430.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 9
S UPPLEMENT
N
ach Rippe I hat unsere Normalglocke (c) mit der Schwingungszahl 258,65 das Normalgewicht von 5430 Pfund (= 2715 kg) und wird nach angefertigter Schablone mit 162,1 cm Durchmesser vorgerichtet. Hieraus folgt:
I b.
Berechnung der Schwingungszahl aus dem Durchmesser.
($%) '
!"#$%&'(')$%*+,/"#$%&
5 Ziffern für Glocken von über 100 Zentner Gewicht
weil I a.
Berechnung des Durchmessers aus der Schwingungszahl.
.$%* )$%*
von dem Produkte je nach Bedürfnis die 5 oder 4 ... ersten, höchstwertigen Ziffern ab. Diese abgeschnittenen Ziffern geben das Gewicht in Pfunden an, nämlich:
'
!"#$%&'
4 Ziffern für Glocken von unter 100 Zentner Gewicht
/"#$%&
Naturgesetz:
!"#$%& '
!"#$%&'(')$%*+,.$%*+,-
NB. Die in dieser Formel mit großen Buchstaben geschriebenen Worte beziehen sich auf unsere Normalglocke c nach Rippe I; die klein geschriebenen Worte beziehen sich auf die verlangte Glocke, welche nach Rippe I veranlagt werden soll. Bei den weiter unten vorkommenden Formeln ist das ebenso gemeint.
Der Durchmesser der Normalglocke 162,1 cm mit ihrer Schwingungszahl 258,65 malgenommen ist 41927,165. Für jede beliebige Schwingungszahl finde ich also in cm ausgedrückt den Durchmesser der verlangten Glocke, nach Rippe I, wenn ich einfach die Zahl 41927,165 teile durch diese beliebige Schwingungszahl. Unser Verzeichnis der Durchmesser, Gewichte und Töne, genau in Pariser (internationaler) Stimmung, wo für a (mit einem Strich darüber) (richtiger a mit zwei Strichen darüber) 870 festgelegt ist, stimmt mit der oben beschriebenen Formel überein. Diese Berechnung ist aber auch für alle Schwebungen, für jede beliebige Schwingungszahl genau maßgebend und vollkommen richtig. Z.B.: es wird in Ergänzung eines alten Geläutes eine etwas hoch gestimmte A-Glocke verlangt, deren Schwingungszahl aber statt 217,50 nun 220 sein soll. Ich rechne: 41927,165 : 220 = 190,578; also der Durchmesser hierfür ist 190,578 cm oder 1905,8 mm. Dagegen ist für die A-Glocke mit 217,50 Schwingungen der Durchmesser 1927,7 mm.
Das Produkt aus Durchmesser und Schwingungszahl ist wieder 41927,165, also: Für jeden beliebigen Durchmesser nach Rippe I finde ich die Schwingungszahl, wenn ich 41927,165 teile durch jenen beliebigen Durchmesser, z. B. eine Glocke mit 130 cm Durchmesser bekommt den etwas tief gestimmten Ton e mit 322,52 Schwingungen, denn 41927,165 : 130 = 322,52, genau nach Pariser Stimmung 325,88 Schwingungen.
3 Ziffern für Glocken von unter 10 Zentner Gewicht
II a. Berechnung des Gewichts aus dem Durchmesser.
II b. Berechnung des Durchmessers aus dem Gewichte.
-0*'' 10*'
'
''/"#$%&! !"#$%&'!
Eine Glocke, welche auf 1 Meter Durchmesser vorgerichtet ist, berechnet sich nach den vorstehenden 2 Anweisungen auf 1275 Pfund, genau auf 1274,825 Pfund.
/"#$%& !"#$%&
oder
*+), '
2 Ziffern für Glocken von unter 1 Zentner Gewicht
'
!
4-0*' 410*
!
oder /"#$%&'!
('10*' !"#$%&!
oder
!"#$%& '
!
!"#$%&'(' 4-0*' ! 410*
oder 10*+$%3'
!"#$%& ,-, !.*+) ! 410*
*+) ' , !"#$%&2 ,-, !"#$%&!
!"#$%& '
Der Durchmesser der Normalglocke 162,1 cm in den Kubus erhoben = 4259406,061. Das Gewicht der Normalglocke 5430 : 4259406,061 = 0,001274825. Also: wenn man den Durchmesser in den Kubus erhebt und diesen Kubus mit 0,001274825 malnimmt, so ergibt das Produkt das Gewicht in Pfunden ausgedrückt.
Man findet also den Durchmesser einer verlangten Glocke aus ihrem Gewicht, wenn man den Durchmesser der Normalglocke durch die 3. Wurzel aus dem Gewicht der Normalglocke dividiert und dann den Quotienten multipliziert mit der 3. Wurzel aus dem Gewicht der verlangten Glocke.
Einfacher ist folgende Rechnung: Man erhebt den Durchmesser der verlangten Glocke in den Kubus, indem man dabei das Komma unbeachtet lässt, multipliziert diesen Kubus mit der Zahl 1274825 und schneidet
9
NB. Diese Berechnung ist also: die 3. Wurzel aus dem Gewicht der Normalglocke - 5430 - ist 17,57654.
Der Durchmesser der Normalglocke 162,1 : 17,57654 = 9,2225.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 10
O TTO -G LOCKEN
Für jede beliebige Glocke findet man den Durchmesser, wenn man die 3. Wurzel aus den vorgeschriebenen, in Pfund angegebenen Gewichte der verlangten Glocke mit der Zahl 9,2225 multipliziert. Z. B. es fragt sich, wie groß ist der Durchmesser für eine Glocke von 80 Zentnern (= 4000 kg), also 8000 Pfund.
log.162,1 = log.12500 = davon 1/3 =
Berechnung:
Der Logarithmus 2,33049 gilt für die Zahl 214,038; also muss eine Glocke von 125 Zentnern Gewicht = 214,038 cm oder 2140,33 mm Durchmesser haben.
!
/0111
log. 5400 = davon 1/3 =
2,20978 4,09691 1,36564 3,57542 3,73480 - 1,24493 2,33049
ist zu suchen durch die Gleichung !
23* /0111 ' ,
56-'7888 2
nach der Logarithmentabelle ist 56-'7888
,
2
',
29:828: 2
! !"#$%&'(' 4-0* ! 410*
III a. Berechnung des Gewichtes aus der Schwingungszahl. !
4-0* 410*
!
!
.*+) , ' ,
!
410*'(')$%* .$%*
kurzweg auch so geschehen, wie an folgendem Beispiel zu ersehen ist. Wie schwer wird eine Glocke nach Rippe I, wenn für ihren Ton die Schwingungszahl 182,90 gelten soll, also eine Fis-Glocke nach internationaler Stimmung: Berechnung:
-, '
>?28'('=>79<>! ' ;7=9:8!
-, = log x log 5430 + 3 log 258,65 - 3 log 182,90 ;
*+), ' =,
3,73480 7,23816 10,97296 - 6,78663 4,18663
Dieser Logarithmus = 4,18663 gilt nach der Tabelle für die Zahl 15358. Also sind 15358 Pfund das Gewicht für eine Fis-Glocke mit der Schwingungszahl 182,90.
!
410*'(')$%* 2 > .$%*
III b. Berechnung der Schwingungszahl aus dem Gewichte. !
;<=9;'(' 4;=>88 ', ! 4>?88
oder
*+), '
.$%*+,-
' )$%*+,-
')$%* !
10*'( .$%* !
also
!
410* 4-0*
!
oder
23*,χ ' ,23*,47854 9 2
!
oder
Berechnung
;
10*'(')$%* .$%* !
log 5430 log 258,65 = 2,41272 x 3 = = log 182,90 = 2,26221 x 3 =
)$%*+,-
' , .$%*+,-
oder Es fragt sich, wie groß muss nach Rippe I der Durchmesser (sein, wenn) für eine Glocke (ein Gewicht) von 125 Zentner verlangt wird.
χ,
*+), '
also
' 4561416,
Der Logarithmus 1,30103 gilt für die Zahl 20; also 20 ist die 3. Wurzel aus 8000, folglich ist 9,2225 x 20 = 184,45 der Durchmesser für eine Glocke von 80 Zentner. Die Berechnung kann aber mit Logarithmen nach der obigen Formel (erfolgen):
!"#$% ' ,
Auch findet man den Durchmesser, wenn man an das verlangte Gewicht derselben, in Pfund ausgedrückt, 9 Nullen anhängt, darauf diese Zahl durch 1274825 dividiert und dann aus dem Quotienten die 3. Wurzel zieht.
Die Berechnung kann aber mit Logarithmen nach der obigen Formel
;
23*,48:11,; 2 23*,:<61,
die 3. Wurzel aus 5430 = diese 17,57654 x 258,65 =
17,576540 4546,172071
Für jede beliebige Schwingungszahl finde ich daher das Gewicht der verlangten Glocke nach Rippe I, wenn ich diese 4546,172071 durch diese beliebige Schwingungszahl teile und dann den aus dieser Division gefundenen Quotienten in den Kubus erhebe.
10
($%)AB* '
!
410*'(')$%*+,! 4-0*
wie aus 3a zu ersehen ist, ist !
/C+),-,D$%) ' <:<754E81E4
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 11
S UPPLEMENT
Für jede beliebige Glocke nach Rippe I finde ich also die Schwingungszahl, wenn ich 4546,172071 teile durch die Kubikwurzel aus ihrem Gewichte. Die Berechnung kann auch so geschehen: Angenommen, eine Glocke wiegt 120 Zentner 40 Pfund (= 6020 kg), welche Schwingung hat ihr Ton? Berechnung:
χ'
!
4>?28'('=>79<> ! 4;=8?8
also log χ, = 1/3 log 5430 + log 258,65 - 1/3 log 1202,40 log 5430 1/3 davon log 258,65
= = =
3,73480
log 12040 1/3 davon
= =
4,08063
1,24493 +2,41272 3,65765 -1,36021 2,29744
2,29744 gilt für die Zahl 198,35 Folglich ist für eine Glocke von 120 Zentner 40 Pfund die Schwingungszahl 198,35 maßgebend, und folglich ist ihr Ton G ziemlich hoch gestimmt. Man kann auch folgende Berechnung machen: .$%*+,-! )$%*+,-!
10*
' -0*
oder
($%)AB*2 '
)$%*+,-! ('10* -0*
Die Schwingungszahl der Normalglocke ist 258,65. Diese Zahl in den Kubus erhoben, gibt: 17303639,089625 diese Zahl mit 5430 malgenommen: 93958760256,66375 Es muss dieses Produkt durch das in Pfunden ausgedrückte Gewicht der Glocke dividiert werden, deren Schwingungszahl man sucht, und aus dem Quotienten muss dann noch die 3. Wurzel gezogen werden, wie aus obiger Glei-
chung zu ersehen ist. Das Resultat ist die gesuchte Schwingungszahl. (Soweit die Wiedergabe der handschriftlichen Notizen von E. Kretschmer.)
11
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 12
O TTO -G LOCKEN
Die Historie der rekonstruierten OTTO-Rippe
Zu den schriftlichen Notizen von Emanuel Kretschmer Von Bruder Michael Reuter11
Z
ur Entwicklung einer Glockenrippe wird traditionell eine Probeglocke gegossen. Diese wird zunächst klanglich verbessert hin zur Oktavrippe. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, die in der Campanologie von Dr. André Lehr wissenschaftlich erfasst und beschrieben sind. Wenn die neue Rippe musikalisch stabil entwickelt ist, kann man die Probeglocke gemäß den Notizen von Musikdirektor Kretschmer hoch und runter gerechnet werden. Insofern sind Kretschmers Notizen „Glocken, deren Maß, Gewicht und Ton nebst Schwingungszahl“ grundsätzlich allgemeingültig. Allerdings ist zu beachten, dass Glocken aus Lehm geformt werden. Dieser wird über den Gießvorgang gebrannt. Dadurch ändert sich das Volumen der hohlen Gussform. Die Veränderungen sind bei einer großen Glocke stärker, bei einer kleinen Glocke weniger stark. Deshalb braucht man für die Berechnung einen Korrekturfaktor. Ein solcher ist in den Notizen von Musikdirektor Kretschmer nicht beschrieben. Er muss empirisch ermittelt werden.
Wenn man jetzt weiß, mit welcher Teilung der Durchmesser der Schablone zerlegt wird, hat man das Stichmaß, den Schlag. Würde es sich um eine OTTO-Glocke handeln, wäre der Durchmesser durch 14,25 zu teilen. Das gäbe folgendes Stichmaß: 929,2 mm / 14,25 = 65,21 mm Dieses Stichmaß multipliziert man mit der Frequenz der Glocke: 65,21mm x 435.0 Hz = 28365 Hz x mm Die Rechenformel stellt sich dann bei einer um eine Oktav kleineren Glocke so dar: =72<>'@A''B'CC 7D8'@A
' ,68571<,GG
Das entspricht einem Durchmesser der Schablone von 32,604 x 14,25 = 472,76 mm Bei anderen Gießern käme der Korrekturfaktor ins Spiel. Das sähe dann als Beispiel so aus: =72<>'@A''B'CC 7D8'@A
? 450 ' 61501,GG
entspricht 30,80 x 14,25 = 438,95 mm Aber nicht nur von der Glockengröße, sondern auch von der verwendeten Rippe hängt das Ausmaß der „Brennveränderung” der Gussform ab. Bei einigen Rippen verändert sich diese stark, bei anderen überhaupt nicht. Mein Eindruck ist, es hängt mit der Schräge der Flanke der Glocke zusammen. OTTO-Glocken sind geprägt von einer geraden Flanke und einem sehr großen Radius der Unterflanke. Die OTTO-Rippe ist eine der wenigen mir bekannten Rippen, die keinen Korrekturfaktor benötigen. Die Rippe ist dynamisch gleichförmig. Das Oktavverhältnis des Durchmessers ist also 1:2 und das Gewicht 1:8. Das ist eine Seltenheit. Insofern ist die von Kretschmer verwendete Rechenvorlage für OTTO-Glocken verwendbar aber nicht für andere Rippen. Hierzu ein mathematisches Beispiel: Angenommen, es würde eine Probeglocke mit Nominal = 435 Hz und D= 920 mm gegossen. Dann hätte die Schablone einen Durchmesser von 920 mm x 1,01= 929,2 mm. Das berücksichtigt die Schrumpfung der Bronze beim Erkalten.
11 Hervorhebungen und Fußnoten bei den Texten von M. Reuter wurden durch den Herausgeber eingefügt.
Das Gewicht ist dann über die Formel: D3 x Gewichtsfaktor zu errechnen. Der Gewichtsfaktor unserer Probeglocke mit angenommenen 480 kg wäre: D3 x X = 480 kg X= 0,6
Von Bruder Michael Reuter
D
ie erste Versuchsglocke zeigte, wie das Original, einen Hang zur vertieften Unteroktave. Deshalb habe ich die Rippe an entsprechender Stelle verbessert. In dieser Rippe habe ich im Jahr 2007 die große c‘-Glocke für St. Anna in Freigericht Somborn (Gewicht 3200 kg) gegossen. Wenn man diese Rippenzeichnung betrachtet, kann man erahnen, was Pfarrer Otto unter Einfachheit und Klarheit bei der Glocke verstanden hat. Soweit mir bekannt, gibt es nur wenige Rippen, die so einfach und klar in ihrer Konstruktion sind.12 Dass Pfarrer Otto das auch für die Glockenzier gelten lassen wollte, kann man nur unterstreichen.13 Die schwere OTTO-Rippe aus Brilon14 zeigt einen völlig anderen Aufbau; da wird Bernard Edelbrock kräftig mitgemischt haben. Die Briloner Rippen (alle drei) wurden in praxi von der Gießerei Granier in Hérépian15 verwendet. Die Graniers gossen ihre Glocken meist in leichter Rippe. Der Straßburger Domherr Jean Ringue wusste aber von einer schweren Rippe zu berichten, die ein sehr gutes Klangergebnis gebracht haben soll. Eines der wenigen größeren Geläute in dieser Rippe hängt in der Abtei En Calcat in Südfrankreich. Darüber hinaus besitzen alle französischen Gießer die Briloner Rippen, weil Albert Junker diese Rippen (wohl aus finanziellen Gründen) europäischen Glockengießern zum Kauf angeboten hat.
Daraus folgt: 472,763 x 0,6= 63 kg.
Fazit: Die Angaben von Musikdirektor Kretschmer sind aus angewandter Mathematik hergeleitet. Die Gussergebnisse Ottos haben das bestätigt und er konnte die mathematischen Verhältnisse anhand der Gussergebnisse nachvollziehen. Bei den meisten anderen deutschen Gießern sieht das anders aus. Insofern sind Kretschmers Notizen Ottospezifisch, wenn auch mit einem Touch Allgemeingültigkeit.
12 Auch Chr. Schmitt, Brockscheid, hebt die Einfachheit der OTTO-Rippe hervor. 13 G. Reinhold, 2019, S. 158–161: Die Gestaltung
12
Insgesamt kann gesagt werden, dass Pfarrer Otto für seine Rippe folgende Vorstellung verfolgte: In der Einfachheit liegt die Schönheit des Glockenklanges. In der Otto-Rippe Junkers oder der bei Petit & Geb. Edelbrock gelegentlich noch verwendeten Junker'schen Otto-Rippe findet man das nicht.
der Inschriften und Glockenzier auf OTTO-Glocken. 14 G. Reinhold, 2019, S. 164–169: Die Glockengießerschule Brilon und die OTTO-Rippe.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 13
S UPPLEMENT
Die vornehmste Aufgabe der Glocken
Arbeit der Glockengießer
FINXERUNT FORMARUNT CONFLARUNT FUDERUNT
D
ie Beziehung der Kirchengemeinden als diejenigen, die die Glocke in ihren Dienst stellen, und die Glockengießer, die den Kirchengemeinden dieses liturgische Musikinstrument zur Verfügung stellen, kann sehr schön an zwei Glockeninschriften auf OTTO-Glocken abgelesen werden. Die Inschriften vieler Glocken aus den vergangenen Jahrhunderten beschreiben die Aufgaben, die die Glocken im Dienst der Kirchen erfüllen mit den sogenannten „virtutes campanae“. Auf einer OTTO-Glocke aus dem Jahr 1903, welche für die Kirche St. Pankratius in Weilerswist-Lommersum gegossen wurde, fin-
15 In der südfranzösischen Gemeinde Hérépain/Okzitanien bestand über 400 Jahr die älteste Glockengießerei Frankreichs, die um 1600 gegründete
Glocke im Dienst der Kirchengemeinde
+ LAUDO DEUM VERUM, PLEBEM VOCO, CONGREGO CLERUM, DEFUNCTOS PLORO, NIMBUM FUGO, FESTA DECORO.
Hl. Familie in Kassel „finxerunt, formarunt, conflarunt, fuderunt“ (= gestaltet, geformt, geschmolzen, gegossen). So beschrieben die Inschriften der OTTOGlocken, die im Jahr 1899 für die Kirche Hl. Familie in Kassel gegossen wurden, die Arbeit der Glockengießer.16 Abb.: Rainer Schütte, Glockenmuseum Gescher
det sich diese Aufgabenbeschreibung der Glocken wie folgt: + LAUDO DEUM VERUM, PLEBEM VOCO, CONGREGO CLERUM, DEFUNCTOS PLORO, NIMBUM FUGO, FESTA DECORO.
( = Den wahren Gott lobe ich, das Volk rufe ich, den Klerus versammele ich, die Verstorbenen beweine ich, Wolken vertreibe ich, Feste schmücke ich.)
Diese Art von Glockeninschriften beginnt dabei immer mit dem Lob Gottes als vornehmster Aufgabe der Glocken.
Fonderie de Cloche Granier. Sie wurde im Jahr 2011 geschlossen. 16 G. Reinhold, 2019, S. 224 f., 408
13
Siegel mit Unterschrift unter Glockengießvertrag mit der Kirchengemeinde St Joseph und St. Augustinus, Hötensleben, 1890 Bild: Martin Langer, Zürich
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 14
O TTO -G LOCKEN
Konstruktionsanleitung von Bruder Michael Reuter 1. Zeichne die Schlaglinie und trage darauf 14 Striche ab. 2. Schlage einen Radius von 1 1⁄2 aus dem Punkt 0 auf die Schlaglinie. Trage darauf 1⁄8 und 1⁄2 + 1⁄32 ein. 3. Zeichne eine Senkrechte durch den Punkt 7 auf die Schlaglinie. Trage darauf 7⁄8 und 7⁄16 ein. 4. Zeichne eine Senkrechte durch den Punkt 12 3⁄4 auf die Schlaglinie. Trage darauf 13⁄16, 3⁄16 und 5⁄8 ein. 5. Durch den Punkt 1⁄2 + 1⁄32 schlage einen Kreis von 1 + 1⁄16 Durchmesser. 6. Zeichne aus dem Punkt 0 mit dem Radius 8 zwei Bögen, die innen und außen den Schlagring tangieren. 7. Zeichne aus dem Punkt 1 1⁄8 zum Punkt 7⁄8 einen Radius mit 10. 8. Schlage aus dem Punkt 7⁄16 tangierend an den Schlagring einen Radius mit 11,5. 9. Schlage aus dem Punkt 7⁄16 zur Schlaglinie 3 + 1⁄4 eine Gerade. 10. Schlage aus dem Punkt 7⁄8 zur Schlaglinie auf 11,5 eine Gerade. 11. Schlage aus dem Punkt 11,5 zum Punkt 3⁄16 einen Radius mit 4. 12. Schlage aus dem Punkt 10 + 3⁄4 auf den Punkt 5⁄8 einen Radius mit 4. 13. Zeichne durch die Punkte 12 + 1⁄2 und 3⁄16 eine Gerade bis zur Mittelachse. 14. Zeichne parallel dazu eine Gerade durch Punkt 12. 15. Der Radius am Messpunkt 0 beträgt 7,25 Stich. Der Radius am Messpunkt 11,5 beträgt 3,94 Stich. 16. Die Außenkante des Deckels wird durch eine Gerade parallel zur Schlaglinie durch den Punkt 13⁄16 gezeichnet.
Die Rekonstruktion von OTTO-Rippen
S
owohl Bruder Michael Reuter von den Kunstwerkstätten der Abtei MariaLaach wie auch Christoph Schmitt von der Gießerei Glocken- und Kunstguss Schmitt in Brockscheid und Joachim Otto von der Firma OttoBuer in Neustadt(Holstein) haben Glocken in OTTO-Rippe gegossen oder wie OttoBuer durch die Gießerei Eijsbouts/NL gießen lassen. Reuter und Schmitt haben vorhandene OTTO-Glocken vermessen, um anhand der gewonnenen Daten die OTTO-Rippe
17 G. Reinhold, 2019, S. 352 ff., insbes. S. 358 + 361.
14
zu rekonstruieren. Während Christoph Schmitt eine OTTO-Glocke aus dem Jahr 1960 rekonstruierte und ihre Rippe etwas verstärkte, hat Bruder Michael die OTTO-Rippe durch Abmessen der 1951 in Hemelingen für den Trierer Dom gegossenen h‘-Glocke17 rekonstruiert. Hier ist jeweils eine Rippenzeichnung von Bruder Michael Reuter und Christoph Schmitt abgebildet.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 15
S UPPLEMENT
linke Seite:
oben links:
oben rechts:
Schwere Rippe für Bronze=Glocken, sogenannte Otto’sche schwere Rippe.
Schwere OTTO-Rippe 1951
Mittelschwere OTTO-Rippe
nach Bruder Michael Reuter (2007) Rippenzeichnung: Bruder Michael Reuter
nach Christoph Schmitt (2019) Rippenzeichnung: Christoph Schmitt
Lehrbrief 20 der Glockengießerschule Brilon. Repro: Claus Peter, Hamm
15
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 16
O TTO -G LOCKEN
1912
Die Glocken von St. Anna in Freigericht Somborn
W
ie weiter oben erwähnt, hat Bruder Michael Reuter im Jahr 2007 für St. Anna in Freigericht Somborn die große c‘Glocke in der vorstehenden Rippe gegossen.
rockturm, während der Nordturm in den Jahren 1911-1912 errichtet wurde. Die acht Glocken sind auf die beiden Kirchtürme verteilt. Aus statischen Gründen läuten die Glocken in den beiden Türmen gegeneinander.
Freigericht Somborn liegt im Main-KinzigKreis im Süden Hessens an der Grenze zu Bayern. Die Anna-Kirche blickt beginnend mit dem 14. Jahrhundert auf eine Jahrhunderte lange Glockengeschichte zurück.18
Bei den Inschriften orientierte sich die Kirchengemeinde zum größten Teil an den Texten von Vorgängerglocken. Die Inschriften:
Im Jahr 1912 erhielt die Kirche fünf OTTO-Glocken gestimmt auf d‘ - g‘ - a‘ - h‘ - c‘‘. Für sie wurden drei mittelalterliche Glocken eingeschmolzen.19 Die Glocken von 1912 fielen alle der Glockenvernichtung des Ersten Weltkrieges zum Opfer. Im Jahr 1927 lieferte Otto zwei neue Läuteglocken, gestimmt auf h‘ (425 kg) und c‘‘ (358 kg). Bis 1933 wurden noch drei weitere OTTO-Glocken: d‘ (2080 kg), g‘ (680 kg) und a‘ (480 kg) für St. Anna gegossen. Von den Glocken aus der Zwischenkriegszeit ist nur die kleine Schutzengelglocke vorhanden. Sie ist heute die Glocke VI im Geläute. Bis 1936 wurden die Glocken noch von Hand geläutet. Für das Plenum wurden 10 Glöckner benötigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die Kirche vier Gussstahlglocken des Bochumer Vereins, die im ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts durch sechs neue Bronzeglocken ersetzt wurden.20 Diese wurden von Bruder Michael Reuter von den Kunstwerkstätten der Abtei Maria-Laach gegossen und zwar - wie weiter oben vorgestellt - in der von ihm rekonstruierten OTTO-Rippe. Die St.-Anna-Kirche hat zwei Kirchtürme. Bei dem Südturm handelt es sich um den alten Ba-
St. Anna, Freigericht Somborn mit ihren zwei Türmen Bild: alte Postkarte, Privatbesitz
Glocke I: GLORIA PATRI ET FILIO ET SPIRITUI SANCTO Stefan Fey 1987 - 1998 Katholische Kirchengemeinde Freigericht Somborn
Glocke II: REGI AMORES ET PACIS
( = Dem König der Liebe und des Friedens)
Glocke III: AVE REGINA CAELORUM
( = Sei gegrüßt, Königin des Himmels) Gestiftet: kfd Katholische Frauengemeinschaft Freigericht Somborn Meine Seele preist die Grösse des Herrn.
Glocke IV: ANNUNTIA VERUNT OPERA DEI
( = Sie verkünden die Großtaten Gottes.) Gestiftet von den Gläubigen der Pfarrgemeinde St. Anna zu Somborn.
Glocke V: SANCTA ANNA, ORA PRO NOBIS
Gestiftet: Katholische Arbeitnehmer Bewegung St. Josef - Somborn 2002 Gott segne die christliche Arbeit.
DATEN DER OTTO-GLOCKEN VON ST. ANNA IN FREIGERICHT SOMBORN. Glocke Name
I Gloria/ Dreifaltigkeit Gussjahr 2007 Metall Bronze Gießer Reuter Gewicht (kg) 3.220 Durchm (mm) 1.676 Schlagton c’ Turm Nordturm
II Christkönig
III Maria
1948 Stahl BGV 1.590 1.587 d’ Nordturm
2006 Bronze Reuter 1.000 1.150 f’ Nordturm
18 K. Noll, 1984, S. 140+141. M. Trageser, 2007, S. 4–9.
IV Peter u. Paul 2003 Bronze Reuter 731 1.047 g’ Südturm
V Anna 2003 Bronze Reuter 481 905 a’ Südturm
VI Schutzengel 1927 Bronze Otto 358 805 c’’ Südturm
19 Zum Einschmelzen oder Umgießen alter Glocken durch die Glockengießer Otto oder andere siehe im OTTO-Glockenbuch, insbesondere die Seiten S. 73 bis 75, 180.
16
VII Hl. Geist
VIII Joh. Bapt.
2002 Bronze Reuter 204 697 d’’ Südturm
2003 Bronze Reuter 145 610 f’’ Südturm
20 Die abgehängten alten Stahlglocken sind heute als Erinnerungsstücke innerhalb und außerhalb der Kirche aufgestellt.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 17
S UPPLEMENT
Glocke VI: ANGELO DEI QUI CUSTOS ES MEI ( = Ein Engel Gottes, mein Beschützer)
Glocke VII: VENI SANCTE SPIRITUS
( = Komm, heiliger Geist) In dankbarer Erinnerung an Aloys Korn AD 1971 - 2002 Pfarrer zu St. Anna Möge diese Glocke den heiligen Geist auf unsere Gemeinde herabrufen.
Glocke VIII: ECCE AGNUS DEI
( = Siehe das Lamm Gottes.) Dem Andenken von Kurt und Johanna Noll AD 1976 - 2000 Glöckner zu St. Anna In Dankbarkeit von ihren Kindern.
Nach den Glocken für Freigericht Somborn aus den Jahren 2002 bis 2007 goss Bruder Michael Reuter im Jahr 2010 vier Glocken für das Geläut von St. Donatus in Aachen-Brand und zwar in Ergänzung der vier vorhandenen OTTOGlocken aus den Jahren 1913 und 1927. Neben Bruder Michael Reuter hat auch die Fa. OttoBuer aus Neustadt/Holstein neue Glocken in der rekonstruierten OTTO-Rippe geliefert und zwar für die Kirche Herz Jesu in Lübeck. Da die Firma selbst über keine Gießkapazitäten verfügt, wurden die Glocken in Kooperation von der niederländischen Gießerei Eijsbouts gegossen.
St. Anna, Freigericht Somborn mit ihren zwei Türmen Bild: Entwurfszeichnung zum Umbau. Quelle: Pfarrarchiv
17
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 18
O TTO -G LOCKEN
1888
Die Glocken der Herz-Jesu-Kirche, Lübeck
rechts:
Kath. Kirche Herz Jesu und Pfarrhaus für Lübeck 1885 Entwurfszeichnung von Arnold Güldenpfennig, Bild: Wikipedia: http:// architekturmuseum.ub.tuberlin.de/index.php?p=79& Daten=97447
Der Kirchturm von Herz Jesu ist der mittlere der sieben Kirchtürme Bild: Scan G. Reinhold
N
ur 350 Meter vom Lübecker Dom entfernt wurde in den Jahren 1888 bis 1891, also 350 Jahre nach der Reformation, die erste Kirche für die Katholiken in Lübeck und Umgebung errichtet, eine Backstein-Basilika mit vorgelagertem Turm. Nach einem alten Abrechnungs- und Kassenbuch der Fa. F. Otto aus Hemelingen bei Bremen wurden für die Herz-Jesu-Kirche im Jahr 1898 drei Bronzeglocken mit der Tonfolge es‘ – f‘ – g‘ gegossen. Sie hatten folgende Durchmesser: 1350 mm, 1200 mm, 1030 mm und wogen: 1545 kg, 1070 kg, 766 kg. 21
Die Inschriften der alten OTTO-Glocken:22 Glocke I - Eduard-Glocke + VIDUA ED. PFEIFFER, CHARLOTTA MARIA BUESCHEL, ME ET FRATEM ET SOROREM FUNDI FECIT PER F. OTTO IN HEMELINGEN. A.D. 1898. + EGO EDUARDUS FESTA ANNUNTION. VENITE ADOREMUS ET PROCIDAMUS ANTE DEUM NOSTRUM!
( = Die Witwe von Eduard Pfeiffer, Charlotta Maria Büschel, hat mich und meinen Bruder ( = Everhardus-Glocke) und meine Schwester ( = Marienglocke) durch F. Otto in Hemelingen gießen lassen. Im Jahres des Herrn 1898. Ich, Eduard, kündige die Feste an. Kommt, lasset uns anbeten und vor unserem Gott niederfallen.)
Glocke II - Everhardus-Glocke + HONORO PATRONUM MEUM S. EVERHARDUM, DIEBUS DOMINICIS CLERUM ET PLEBEM CONVOCO. + LAETATUS SUM IN HIS, QUAE SUNT MIHI: IN DOMUM DOMINI IBIMUS. ( = Ich ehre meinen Schutzpatron, den Hl. Everhard, und rufe sonntags Kleriker und Gläubige. Ich freute mich, als man mir sagte: Zum Hause des Herrn wollen wir gehen.)
DATEN DER GLOCKEN DER HERZ-JESU-KIRCHE, LÜBECK. Glocke Name Gießer Gussjahr Gewicht (kg) Durchm. (mm) Schlagton
I II Christusglocke/ Märtyrerglocke Herz Jesu Royal Eijsbouts, Asten/NL 2013 1.580 1.140 1.378 1.230 d’ e’
21 G. Reinhold, 2019, S. 509. Nach Unterlagen von OttoBuer bzw. des Glockensachverständigen N. Drechsler soll die kleinste Glocke ein Gewicht von 675 kg haben.
III Marienglocke F. OTTO, Hemelingen 1898 766 1.030 g’
22 Hach, Theodor: Lübecker Glockenkunde, Bd. 2 der Veröffentlichungen zur Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck, Lübeck, 1913, S. 79+80. Übersetzung: G. Reinhold. Das OTTO-Glockenbuch
18
Glocke III - Marien-Glocke + ECCE EGO MARIA ANCILLA DOMINI. VOX MEA VOX VITAE, VOCO VOS AD SACRA VENITE! ( = Siehe, ich Maria, bin die Magd des Herrn. Meine Stimme ist Stimme des Lebens. Ich rufe euch zum Heiligtum, kommt.)
weist insgesamt 300 Inschriften auf OTTO-Glocken nach, 100 davon kommentiert im Kapitel: „Beladen mit Gottes Botschaft“, S. 392-415.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 19
S UPPLEMENT
bau der ersten Glocken betraut war, war „die Anpassung an die alte vorhandene g‘-Glocke ... kein Problem“. 23 Heute verfügt die HerzJesu-Kirche wie früher über ein dreistimmiges Geläut dessen Bronzeglocken in OTTO-Rippe geformt wurden.
Die beiden großen Glocken wurden im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen. Fast einhundert Jahre musste sich die Gemeinde mit der kleinen g‘-Glocke begnügen. Erst im Jahr 2013 konnten mittels großzügiger Spenden durch die Fa. OttoBuer (Neustadt/Holstein) in Zusammenarbeit mit der Glockengießerei Eijsbouts in Asten/NL zwei neue Bronzeglocken gegossen werden. Die Glockengießerei Königliche Eijsbouts in Asten/NL „hatte die Möglichkeit, die von unseren Vätern hinterlassenen Aufzeichnungen über die Gestalt der Otto-Rippe zu digitalisieren“. „Damit war es für uns wieder möglich, Glocken in Otto-Rippe gießen zu lassen.“ Nach Aussage von Joachim Otto, dessen Großvater Ernst Karl (II) Otto Ende des 19. Jahrhunderts mit der Fertigung und dem Ein-
Der Glockensachverständige Norbert Drechsler aus Lübeck beurteilte die Glocken wie folgt: „Die neuen Glocken sind klanglich und optisch sehr gut gelungen. Bei der akustischen Prüfung sprechen alle Teiltöne mit sehr guter Resonanz an. Die Glocken erfreuen durch ihren angenehmen und vollen Klang; das Ausklingen erfolgt ruhig und harmonisch. Die Nachhallzeiten gehen weit über die geforderten Werte hinaus. … Am 23. August habe ich die
23 Turm und Uhr, Nr. 30/2013. Die Glocke II wurde auf Wunsch des Glockensachverständigen Drechsler „klanglich geringfügig korrigiert“. Während die Ottos früher immer damit warben, dass die Gusshaut ihrer
Glocken unverändert bliebe und ein Nachstimmen der Glocken nicht notwendig wäre, ist spätestens seit P. Griesbacher: (Das) Glockenstimmen, Regensburg 1932, klar, dass ein Höher- oder Tieferstimmen
19
Intonation des nun im Turm der Kirche HerzJesu montierten Geläutes überprüft. Läuterhythmus und Anschlagstellen sind gut eingestellt. Die Klöppel schlagen gleichmäßig an und bringen alle Glocken gut zum Klingen. Hier auf dem Turm zeigt sich jetzt das große Klangvolumen der neuen Glocken. Besonders die große Glocke gibt mit ihrem grundtönigen Klang dem Geläut ein beeindruckendes Fundament. Die Abstimmung der neuen Glocken auf die vorhandene Glocke ist sehr gut gelungen.“24
von Glocken in begrenztem Rahmen vollkommen unbedenklich ist. 24 Bericht Glockenprüfung von Norbert Drechsler vom 21.6. und 23.8.2013.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 20
O TTO -G LOCKEN Die Glockeninschriften der Herz-Jesu-Kirche, Lübeck: Glocke I - Christus-/Herz Jesu-Glocke: an der Schulter EIJSBOUTS ET OTTO ME FECIT MMXIII
Gemeinsames Gießerzeichen Das Gießerzeichen auf der Rückseite der Glocke nennt beide Firmen, die Firma OttoBuer aus Neustadt/ Holstein und die Gießerei Eijsbouts in Asten/NL Bild aus: Turm und Uhr, Nr. 28/2011, S. 3.
rechte Seite:
Märtyrerglocke Foto: OttoBuer, Neustadt/Holstein
am Wolm SEI GEGRÜSST, HERR JESUS CHRISTUS * AM KREUZ ERHÖHT HAST DU DICH FÜR DIE MENSCHEN HINGEGEBEN AUS UNENDLICHER LIEBE UND ALLE AN DICH GEZOGEN * AUS DEINER GEÖFFNETEN SEITE STRÖMEN BLUT UND WASSER, AUS DEINEM DURCHBORHRTEN HERZEN ENTSPRINGEN DIE SAKRAMENTE DER KIRCHE * DEIN HERZ STEHT OFFEN FÜR ALLE, DAMIT DIE MENSCHEN FREUDIG SCHÖPFEN AUS DEN QUELLEN DES HEILES * Glocke II - Märtyrerglocke: an der Schulter EIJSBOUTS ET OTTO ME FECIT MMXIII an Flanke und Wolm der Glocke folgende Glockenzier und Inschrift: Ein Logo bestehend aus einem Kreuz und den vier Gesichtern der Märtyrer und danebenstehend: LÜBECKER MÄRTYRER HERMANN LANGE GEBOREN AM 16.4.1912 IN LEER HINGERICHTET AM 10.11.1943 IN HAMBURG JOHANNES PRASSEK GEBOREN AM 13.8.1911 IN HAMBURG HINGERICHTET AM 10.11.1943 IN HAMBURG
Der Gebetsspruch am Ende der Glockeninschrift „steht für die Todesnot, welche die an der Herz-Jesu-Kirche tätigen Kaplane in Gefangenschaft während des Zweiten Weltkrieges erleiden mussten“. Die drei katholischen und der evangelische Geistliche „gingen als Märtyrer in die Geschichte der Kirche ein“.25 Der Guss der neuen Glocken in Asten begann am 17. Mai 2013 mit der Märtyrer-Glocke. Die Glocken trafen am 21. Juni in Lübeck ein und wurden beim Kirchweihfest am 23. Juni geweiht. Die Klänge der Glocken von Herz Jesu sind mit denen des Lübecker Domes abgestimmt. Die NS-Märtyrer-Glocke der Lübecker HerzJesu-Kirche, aber auch die NS-Märtyrerglocke des hier folgenden Geläutes der St.-GertrudKirche in Düsseldorf sind wohltuende und notwendige Antipoden zu den zirka zwei Dutzenden Glocken mit NS-Symbolen und Inschriften, die in den letzten zehn Jahren in unseren Kirchen „entdeckt“ wurden.26 Hier ergibt sich auch ein Bezug zur „Führer”Glocke, die die Ottos für 1934 für die „Gottesburg St. Engelbert in Essen“ gegossen haben.27 Während die Glocke von Herz Jesu vier konkreten Opfern des Nationalsozialismus geweiht ist, erinnert die Glocke von St. Gertrud in Düsseldorf-Eller an alle Menschen, die unter der Diktatur der Nationalsozialisten gelitten haben bzw. gestorben sind. Auch diese Glocke wurde in einer rekonstruierten OTTO-Rippe gegossen. Gießer war im Jahr 2019 die Glockengießerei Schmitt aus Brockscheid in der Eifel. Die Glocke hängt neben OTTO-Glocken aus den Jahren 1911 und 1953 sowie einer Glocke von Reuter aus dem Jahr 2014.
EDUARD MÜLLER GEBOREN AM 20.8.1911 IN NEUMÜNSTTER - HINGERICHTET AM 10.11.1943 IN HAMBURG KARL FRIEDRICH STELLBRINK GEBOREN AM 28.10.1894 IN MÜNSTER HINGERICHTET AM 10.11.1943 IN HAMBURG HERR, HIER SIND MEINE HÄNDE * LEGE DARAUF, WAS DU WILLST * FÜHRE MICH, WOHIN DU WILLST * IN ALLEM GESCHEHE DEIN WILLE *
25 Lena Schüch: Herz Jesu hat endlich wieder Glocken. Lübeck Redaktionsnetzwerk Deutschland, 26.11.2013
26 Peter Maxwill: Dumpfes Läuten. NS-Relikte auf Kirchenglocken. SPIEGEL online, 21.4.2018. Glocken mit Inschriften und Symbolen aus der NS-
20
Zeit. Quelle: Glockeninventarisation EKM Süd (Stand: 01/2019) (https://www.kirchenkreis-arnstadt-ilmenau.de/asset/OizwGnZRTk6un1_5uZu-
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 21
S UPPLEMENT
eng/ns-glocken-ubersicht-stand-8-juli-2019.pdf) Kirchenglocken mit NS-Symbolen. Glockensachverständiger S. Wamsiedler: „Glocken sind zu erhalten“.
Deutschlandfunk Nova, 7.3.2019. Hanno Müller: Friedenssymbole für die Glocke von Rettgenstedt. Thüringer Allgemeine, 15.5.2021.
21
27 G. Reinhold, 2019, S. 420-425.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 22
O TTO -G LOCKEN
1911
Die Glocken von St. Gertrud, Düsseldorf-Eller
I
m Jahr 1911 gossen die Ottos in Hemelingen für die St.-Gertrud-Kirche vier Glocken.28 Die drei größten Glocken sind heute noch erhalten. Der Verbleib der kleinsten Glocke ist unklar. Zu den Glocken von 1911 erwähnt Jakob Schaeben, dass sie „wie die Kapitel- und die neue Ave-Glocke des Kölner Domes nicht nur in demselben Jahr gefertigt wurden, sondern womöglich mit diesen zusammengegossen worden sind, denn der Klangaufbau der Glocken von Eller ist denen der Domglocken ähnlich. Insofern besitzt die Kirchengemeinde ein Geläut von historischem Wert.“ St. Gertrud, Düsseldorf-Eller
gänzt. Beide stammen von verschiedenen Gießern, aber beide wurde in einer rekonstruierten mittelschweren OTTO-Rippe geformt. Die neue Glocke V, eine a‘-Glocke, wurde von Bruder Michael Reuter (Glockengießerei Maria Laach) aus Anlass der Heiligsprechung von Johannes Paul II. gegossen und auf seinen Namen geweiht. Die Glocke fügt sich sehr harmonisch in das Klangbild der ersten vier Glocken ein, was aber auch für Glocke VI, eine h‘-Glocke, gilt, die von Christoph Schmitt aus Brockscheid gegossen wurde und deren Weihe und Inschrift der Märtyrer des Nationalsozialismus gedenkt.
Anstelle der kleinsten Glocken von 1911 hielt die Kirche im Jahr 1953 eine neue OTTO-Glocke. Ihre musikalischen Daten sind so unzulänglich, dass die Glocke, wäre sie von einem Sachverständigen geprüft worden, zurückgewiesen worden wäre. Wie manch andere Glocke in der frühen Nachkriegszeit scheint die OTTO-Glocke von 1953 ohne Werk- und Turmprüfung aufgehängt worden zu sein.29 Das Geläut von Eller wurde nach der Jahrhundertwende durch zwei neue Bronzeglocken er-
Fotos: Otto Baum, Düsseldorf
Technische und musikalische Daten des Sechser-Geläutes.30 Quelle: Glockenmusik im Stadtdekanat Düsseldorf
DATEN DER OTTO-GLOCKEN VON ST. GERTRUD, DÜSSELDORF-ELLER Glocke Name/Patron Gussjahr Gießer
I Joseph 1911 Karl (I) OTTO
II Maria 1911 Karl (I)OTTO
III Petrus 1911 Karl (I) OTTO
IV Gertrudis 1953 Karl (III) OTTO
V Joh. Paul II 2014 Br. Mich. Reuter
Metall Rippe Gewicht (kg) Durchm. (mm) ∅/Schlagringstärke Nominal Unterton Prime Terz Quinte Oktave Nachklang U/T/P(~Sek) Abkl.-Verlauf
Bronze mittelschwer 1665 1380 1 : 13,8
Bronze mittelschwer 1168 1234 1 : 13,7
Bronze mittelschwer 815 1100 1 : 13,8
Bronze mittelschwer 685 1027 1 : 13,2
Bronze mittelschwer 535 935 1 : 14,4
VI NS-Märtyrer 2019 C. Schmitt, Brockscheid Bronze mittelschwer 406 853 1 : 13,5
d1-2 d0+1 d1-3 f1+2 a1+2 d2-2 92/41/22
e1-3 e0+1 e1-6 g1±0 h1±0 e2-3 59/31/16
fis1-2 fis0+2 fis1-5 a1+1 cis2-1 fis2-2 62/34/21
g1-5 fis0-1 g1-15 b1-7 d2-12 g2-5 81/37/19
a1-3 a0-4 a1±0 c2-3 e2+2 a2-3 90/22/19
h1-3 h0-1 h1+1 d2±0 fis2+8 h3-3 110/19/18
schwebend
schwebend
steht
steht
ruhig schw.
ruhig schw.
28 G. Reinhold, 2019, S. 52, 302, 514, 518, 549. 29 Zu dieser OTTO-Glocke und anderen aus den fünfziger/sechziger Jahren siehe G. Reinhold, 2019,
S. 46, Anm. 144 und S. 109, Anm. 470. 30 Zum Charakter der OTTO-Glocken von 1911 und 1953 vergleiche die Seite 430 bis 438 des OTTO-Glo-
22
ckenbuches sowie die Tabelle auf S. 439, die die Ausführungen zur Charakterisierung von OTTO-Glocken zusammenfasst.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 23
S UPPLEMENT
Die Inschriften der Glocken: Glocke I - Joseph: ST. J O S E P H, SUCCURE MORIBUNDIS
( = Eile den Sterbenden zur Hilfe!)
Glocke II - MARIA: MATER GRATIAE, MATER MISERICORDIAE, TU NOS AB HOSTE PROTEGE, IN HORA MORTIS SUSCIPE
( = Mutter der Gnade, Mutter der Barmherzigkeit, schütze Du uns vor dem Feind, in der Stunde des Todes nimm uns auf.)
Glocke III - PETRUS: SANCTUS PETRUS CONSERVET NOS IN VERA FIDE ( = Er bewahre uns im wahren Glauben.)
Glocke IV - GERTRUDIS: S A N C T A G E R T R U D I S, VIRGO, TUERE HANC PAROCHIAM. D. D. PIA FAMILIA ELLERENSIS ANNO 1911.
( = Jungfrau, beschütze diese Pfarrei. D. D. die fromme Familie in Eller. Im Jahr 1911.)
Glocke V - JOHANNES PAUL II.: Inschrift auf der Flanke / Vorderseite: IN GEDENKEN AN DIE HEILIGSPRECHUNG VON PAPST JOHANNES PAUL II.
NS-Märtyrer-Glocke Foto: Otto Baum, Düsseldorf
darunter: 85mm hohes Relief des Papstes darunter: 20 (Gießerzeichen Maria Laach) 14 Vorderseite: TOTUS TUUS Rückseite: „ICH BIN FROH - SEID IHR ES AUCH!”
Die Gießerzeichen der Glocken von St. Gertrud, Düsseldorf-Eller: altes Gießerzeichen F. Otto (bis Ende 1930); neues Gießerzeichen F. Otto (ab 1930); Gießerzeichen Maria Laach; Gießerzeichen Schmitt, Brockscheid Fotos/Scans: S. Wamsiedler, Salzgitter, G. Reinhold
Glocke VI - NS-Märtyrer-Glocke: Inschrift auf der Flanke / Vorderseite: IM GEDENKEN AN DIE MÄRTYRER DES NATIONAL-SOZIALISMUS 1933 - 1945 Inschrift auf der Flanke / Rückseite: ST. GERTRUD ELLER 2019 darunter: Gießerzeichen Glocken- & Kunstguss Schmitt, Brockscheid
23
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:21 Seite 24
O TTO -G LOCKEN
1909
OTTO-Glocken in der Basilika St. Ludgerus, Essen-Werden. Links die OTTO-Glocken von 1909 für die ehemalige Abteikirche in EssenWerden mit den montierten Glockentoren von Bierling. Mitte und rechts: Zeichnungen der Bierling Glockenjoche. Foto links: Privatbesitz Franz Josef Schmitt, Digitalisat durch den Geschichts- und Kulturverein Werden e.V. Abbildung rechts: Rainer Thümmel, Radebeul
OTTO-Glocken in der Basilika St. Ludgerus, Essen-Werden
D
ie ehemalige Werdener Abteikirche erhielt im Jahr 1909 sechs Glocken, von denen heute noch fünf vorhanden sind.31 Eine sechste Glocke wurde 1954 neu hinzugefügt. Die Glocken von 1909 sind auch deshalb interessant, weil sie anstelle der typischen OTTOGlockenkrone32 Tellerkronen tragen. „Die neuen Glocken wurden 1909 bei F. Otto in Hemelingen bei Bremen gegossen. Die Armatur stammt von der Firma C. A. Bierling in Dresden.“33 Ein kürzlich wieder entdecktes Foto zeigt die OTTO-Glocken für Werden mit den bereits montierten Glockenjochen der Fa. Bierling. Der Grund für die Tellerkronen der OTTO-Glocken in Essen-Werden liegt in den Glockenjochen der Firma Bierling aus Dresden. Es sind gekröpfte/gestelzte Joche. Ihre Form und Ausführung sind auf den vorstehenden Bildern gut zu erkennen. Die Firma Bierling war eine Kunst- und Glockengießerei, die 1848 in Dresden gegründet wurde und sich zuerst dem Rotguss und dem Guss von Bronzeplastiken widmete, dann von 1872 und bis 1923 auch Bronzeglocken goss.34 Darüber hinaus entwickelte Bierling das „System Bierling-Köppke“ bei dem freischwingende Glocken nicht an geraden Holz- oder Stahljochen aufgehängt wurden, sondern an gestelzten/gekröpften Glockenjochen oder sogenannten Glockentoren aus Gusseisen.35 Bierling goss seine eigenen Glocken mit Tellerkronen, passend zu den
31 G. Reinhold, 2019, S. 282 f. Ders.: OTTO-Glocken für Kirchen und Kapellen in der Stadt Essen, in: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen, 133. Band. 2020, S. 143–196, hier S. 164 - 172.
Ders.: Die Glocken der Basilika St. Ludgerus: „... vital und mit sattem Volumen“. Zur neueren Glockengeschichte der ehemaligen Abteikirche, in: Geschichten aus der Werdener Geschichte, Hrsg.
24
Glockentoren. Bei vorhandenen Glocken anderer Gießer wurden die Henkelkronen beseitigt.36 Die Fa. Otto goss ihre Glocken für diesen Auftrag extra mit Tellerkronen. Durch die Aufhängung an verkröpften Jochen wird der Drehpunkt der Glocke von der Krone nach unten Richtung Glockenhals oder -flanke verlagert. Die Glocke schwingt nicht mehr frei, sondern kippt eher hin und her, wie der Münchener Glockensachverständige Gerald Fischer sagt. Hierdurch wird der Dopplereffekt des Glockenklanges, der der Musik der Glocken eine besondere Lebendigkeit verleiht, verringert. 37 Gekröpfte oder gestelzte Joche, bei denen auch anstelle des fliegenden Klöppels solche mit Gegengewicht verwendet werden, sind aber aus musikalischen Gründen abzulehnen, weil dies „schwere (negative) Einbußen bei Resonanz und Klangentfaltung“ zur Folge hat.38 Die neuen Glocken von Otto wurden angeschafft, weil die alten Glocken klanglich nicht zufriedenstellend waren. Warum aber wurden die neuen Glocken dann an gekröpften Jochen aufgehängt, wenn doch bekannt war, dass darunter Klang und Singfreudigkeit der Glocken zu leiden haben? Zum Zeitpunkt der Anschaffung der neuen Glocken wurden Glocken noch per Seilzug von Hand geläutet. Für größere und schwere Geläute brauchte man mehrköpfige Läutemannschaften, die regelmäßig, zuverlässig und kompetent die Glocken zu läuten verstanden. Geschichts- und Kulturverein Essen-Werden, 19. Band, Essen-Werden 2021, S. 38-59. 32 G. Reinhold, 2019, S. 133 f. 33 Feldens, 1940, S. 100.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:22 Seite 25
S UPPLEMENT
1913
St. Adolfus, Düsseldorf-Pempelfort Diese Glöckner wurden entlohnt, was Kosten verursachte, wenn auch sicher nicht sonderlich hohe. Darüber hinaus war es in der Zeit der Industrialisierung immer schwerer, geeignete Personen zu finden. So beklagte sich der Glockenläuter des Bremer Domes, Johann Elfers, schon 1905 bei der Bremer Domverwaltung, dass er zum Läuten zu oft Hilfskräfte von der Straße holen müsse, „wo man sich mit geniert, in den Dom zu gehen“.39 Werden Glocken an gestelzten Jochen aufgehängt, bewegt sich ihr Drehpunkt Richtung Schwerpunkt der Glocke. Hierdurch sind die Glocken leichter zu läuten. Man brauchte folglich weniger Glöckner, was wiederum die Kosten senkte. Zu den vorgenannten Gründen zur Verwendung gestelzter Joche kam noch eine aggressive Verkaufspolitik seitens der Fa. Bierling hinzu. Das Problem der geeigneten Läutemannschaften und der damit einhergehenden Kosten löste sich Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Entwicklung von Läutemaschinen auf, die nach und nach technisch verbessert und flächendeckend eingesetzt wurden. Damit entfiel der Grund, gestelzte Joche einzusetzen. Diese werden heute nur als Notbehelf angesehen, wenn zum Beispiel in einem Turm nicht ausreichend Platz für freischwingende Glocken vorhanden ist oder Glocken aus statischen Gründen nicht derart stark schwingen sollen. Die Glocken in der Basilika in Werden hängen heute wieder freischwingend an geraden Jochen aus Stahl und werden von Läutemaschinen bewegt. Die Glocken der Basilika werden nicht nur schwingend geläutet, sondern gelegentlich auch gebeiert.
34 Rainer Thümmel: Glocken in Sachsen. Klang zwischen Himmel und Erde, 2. aktual. u. ergänzte Auflage, Leipzig 2015, hier: S. 65–67: Giesserfamilie Bierling. 35 Mit der Bezeichnung „System ...“ verschleierten Glockengießer wie Bierling, aber auch Schilling, dass es sich letztlich um verkröpfte Glockenjoche handelte. 36 Die Evangelisch-lutherische Kirche Sachsens verbot für ihren Zuständigkeitsbereich per Verordnung vom 19.1.1918 aus denkmalpflegerischen Gründen
I
n der Tabelle der technischen und musikalischen Daten des Geläutes von St. Adolfus im Stadtteil Pempelfort auf S. 302 des OTTO-Glockenbuches wurden die Zeilen der Gewichte und Durchmesser der Glocken falsch wiedergegeben und werden hiermit wie folgt korrigiert. Im Werkverzeichnis auf S. 519 sind die Gewichte und Durchmesser korrekt angegeben.
Adolfus-Kirche an der Kaiserswerther Straße in Düsseldorf von der Fischerstraße aus gesehen. Erbaut ist die Kirche 1914 vom Kgl. Baurat Kaspar Pickel, Düsseldorf. Quelle: wikipedia
TECHNISCHE UND MUSIKALISCHE DATEN DER OTTO-GLOCKEN IN ST. ADOLFUS, DÜSSELDORF-PEMPELFORT. Glocke Name Gussjahr Gießer Material Rippe Gewicht (kg) Durchm. (mm) Schlagring (mm) Schlagton Unterton Prime Terz Quinte Oktave Abklingdauer Sek. (UT/P/T) Abklingverlauf
I II III IV V Adolfus Georg Josef Maria Helena 1913 1913 1913 1913 1913 Karl (I) Otto, Fa. F. Otto, Hemelingen bei Bremen Bronze schwere Rippe 4.650 2.650 1.860 1.300 840 1.910 1.610 1.432 1.270 1.070 146 (145) 122 (113) 111 (109) 96 (90) 80 (75) a0 – 8 c’ - 6 d’ – 8 e’ – 5 g’ – 7 A–6 c0 - 10 d0 – 2 e0 + 1 g0 + 2 a0 – 6 c’ - 7 d’ – 10 e’ – 7 g’ – 7 c’ – 2 es’ - 4 f’ – 4 g’ – 1 b’ – 2 e’ – 2 g’ - 4 a’ – 2 h’ + 2 d’’ + 2 a’ – 8 c’’ - 6 d’’ - 8 e’’ - 5 g’’ – 7 97/45/23 85/42/20 78/35/19 67/33/17 57/30/11
650 960 73 (70) a’ - 2 a0 – 2 a’ – 6 c’’ + 1 e’’ + 4 a’’ - 2 52/27/9
schwebend unruhig
steht
steht
das Absägen von Glockenkronen. Thümmel, 2015, S. 230. 37 Wenn sich die schwingende Glocke auf den Hörer zubewegt, werden die Schallwellen gedrängt und der Ton wird höher; schwingt die Glocke dagegen vom Hörer weg, werden die Schallwellen gedehnt, der Ton wird tiefer. Jeder kennt den Dopplereffekt durch Einsatzfahrzeuge mit Martinshorn, die erst auf einen zu fahren, dann vorbeifahren und sich schließlich entfernen.
25
steht
steht
VI Elisabeth 1913
38 K. Kramer: Die Voraussetzungen für eine gute Klangentfaltung des Geläutes, in: Glocken in Gegenwart und Geschichte. Herausgegebenen vom Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen, Karlsruhe, Bd. 2, 1997, S. 174–180. Limburger Richtlinien, 1951, Abschnitt F. 39 Brief Johann Elfers vom 11.12.1905 (Bremer Domarchiv). Erika Thies: „Maria Gloriosa“ ist die Älteste im Turm. Zur Geschichte und Gegenwart des Domgeläutes, in: Weserkurier, 24.12.2004.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:22 Seite 26
O TTO -G LOCKEN
1911
St. Blasius, Düsseldorf-Hamm und Hl. Dreikönige, Neuss
I
m Jahr 1911 lieferte die Fa. Otto jeweils vier Glocken nach Neuss und nach DüsseldorfHamm. In Düsseldorf-Hamm wurde auf den Fundamenten einer Vorgängerkirche in den Jahren 1909 bis 1911 nach Plänen des rheinischen Kirchbauarchitekten Peter Josef Kleesattel die neue Blasius-Kirche errichtet und eingeweiht. Für die neue Kirche wünschte die Gemeinde sich ein neues vierstimmiges Glockengeläut. „Der Auftrag … wurde der weithin bekannten und altbewährten Gießerei Otto in Hemelingen bei Bremen übertragen, wo vor Zeiten ein katholischer Pfarrer, der Oheim des jetzigen Firmen-Inhabers, den ersten Glockenguß vorgenommen hat.“41 Die vier Bronzeglocken hatten ein Gesamtgewicht von 109 Zentnern und stimmten mit den Tönen c‘ - es‘ - f‘ - g‘ das Präfationsmotiv an. Die einzelnen Glocken hatten Durchmesser von 1540 mm, 1290 mm, 1130 mm und 1100 mm. Ihre Gewichte: 2360 kg, 1390 kg, 990 kg und 705 kg. Die größte der vier Otto-Glocken, die Salvatorglocke, wurde aus drei alten Glocken aus den Jahren 1511 und 1860 gegossen, woran die Glockeninschrift mit den Worten „ex tribut una revixi“ erinnerte.42 Die erste gottesdienstliche Handlung in der neuerrichteten St.-Blasius-Kirche war die Weihe der Glocken am Fest Peter und Paul des Jahres 1911. Die Glocken wurden auf die Namen Salvator, Maria, Blasius und Johannes geweiht.
St. Blasius, DüsseldorfHamm (links) Foto: Julius Söhn, Düsseldorf, aus: Rhein und Düssel, No. 36, 2. Sept. 1911.
Hl. Dreikönige, Neuss (rechts) Foto: G. Reinhold
40 Quellen: Glocken im Stadtdekanat Neuss und Düsseldorf
TECHNISCHE UND MUSIKALISCHE DATEN DER GLOCKEN II UND III DES GELÄUTES VON HL. DREIKÖNIGE, NEUSS.40 Glocke Name Gießer Gussjahr Metall Konstruktion Gewicht (kg) Durchm. (mm) Nominal Unterton Prime Terz Quinte Oktav Abkl.-Dauer (Sek.) UT/P/T Abklingverlauf
II III Maria Blasius Karl (I) Otto, Fa. Otto, Hemelingen 1911 1911 Bronze Mittelschwere Rippe 1390 990 1290 1130 es‘-2 f‘-3 es0-10 f0-7 es‘-5 f‘-6 ges‘-2 as‘-2 b‘-6 c‘‘-4 es‘‘-3 f‘‘-3 165/-/32 105/-/30 schwebend
41 Joh. Schmitz, Festschrift Kirchweihfest, 1911, S. 60–62. Der Hinweis zur Geschichte der Glocken von St. Blasius (Düsseldorf-Hamm) und Hl. Dreikö-
schwebend
In demselben Jahr goss Otto auch vier Glocken für die Kirche Hl. Dreikönige in Neuss, die in denselben Jahren wie St. Blasius erbaut worden war. Es war einfach die Zeit der Gründungen neuer Pfarreien und der Errichtung neuer Pfarrkirchen aufgrund der Zunahme der Bevölkerung an Rhein und Ruhr. Die Kirche Hl. Dreikönige wurde mit einer Reihe von Fenstern des holländischen Künstlers Jan Thorn Prikker ausgestattet, die vor den Zerstörungen des Bombenkrieges bewahrt werden konnten oder nach dem Krieg wiederhergestellt werden konnten.
nige (Neuss) stammt von Markus Mockel (Grevenbroich-Hemmerden) 42 Zum Thema Umgüsse siehe G. Reinhold, 2019,
26
Im Gegensatz zur neoromanischen St.-BlasiusKirche ist die Dreikönigskirche ein Kirchbau mit diversen Renaissancebauelementen. Beide Kirchen haben hohe Türme. Der Turm von St. Blasius hat ein Zelt- oder Pyramidendach; der Turm von Dreikönigen ist mit einer hohen Haube gekrönt. Unter ihr hingen im Turm vier OTTO-Glocken, Gussjahr 1911, mit fast der gleichen Disposition wie die Glocken von St. Blasius. Zusätzlich hat die Firma Otto eine kleine Mess-/Wandlungsglocke gegossen, die heute noch im Giebel des südlichen Querschiffes der Kirche hängt.43 Im Ersten Weltkrieg wurden die drei größeren Glocken der Dreikönigskirche beschlagnahmt und eingeschmolzen. Nur die kleinste Glocke blieb erhalten. Als die Kirchengemeinde im Jahr 1922 ein neues, vierstimmiges OTTO-Geläut mit einem Gesamtgewicht von 6487 kg und den Tönen c‘ - es‘ - f‘ - g‘ erhielt, wurde die kleine gGlocke von 1911 umgegossen. Die neuen Glocken wurden auf die Namen Dreikönige, Maria, Joseph und Cornelius geweiht. Folgende Personen sollen bei der Glockenweihe Paten gewesen sein: „Herr Posselt und Frau Marx bei der Dreikönigenglocke, die Lehrerin Ständer und Herr Fammler bei der Marienglocke, Herr Keuten und Herr Kreuter bei der Josephsglocke, Herr Huppertz und Frau Linden bei der Corneliusglocke.44 Im Zweiten Weltkrieg verlor die Pfarrei Hl. Dreikönige erneut fast das gesamt Geläut. Wieder blieb nur die kleine Cornelius-Glocke im Turm hängen. Im Gegensatz dazu haben zwei Glocken von St. Blasius aus dem Jahr 1911 den Zweiten Weltkrieg überstanden. Diese wurde zum Bronzeschrott-Preis an die Kirchengemeinde in Neuss verkauft, welche damit in den ersten Nachkriegsjahren über ein dreistimmiges OTTO-Geläut verfügte mit zwei Glocken aus 1911 und einer aus dem Jahr 1922. Dieses Geläut wurde 1958 durch eine neue c‘-Glocken von Petit & Gebr. Edelbrock ergänzt. Zwei Jahre später wurde die kleine gGlocke von Otto aus dem Jahr 1922, die in schwerer Rippe gegossen worden war, durch eine Glocke von P & E in mittelschwerer Rippe ersetzt. Neben den beiden Glocken aus Gescher verfügt die Gemeinde heute noch über zwei OTTO-Glocken aus dem Jahr der Kirchweihe und mit den gleichen Tönen: es und f. Die es-Glocke ist der Jungfrau Maria geweiht, die f-Glocke dem Hl. Blasius.
S. 73-75. Die Glocken von 1860 waren selbst schon Umgüsse ältere Glocken. 43 Nach Lange, 1969, S. 12, sollen die Glocken
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:22 Seite 27
Die Inschriften befinden sich oben an der Schulter der Glocken zwischen je zwei Zierstegen. Unten am Wolm sind fünf Zierstege angebracht. Die Inschriften sind in von der gotischen Schrift inspirierten, historisierenden Majuskeln gesetzt. Glocke II - Marienglocke an der Schulter: + 1911 + PIETAS ET GRATITVDO FUNDI ME IVSSIT. ME RESONANTE PIA LAVDETVR VIRGO MARIA.
Glocke III - Hl. Blasius an der Schulter: + ST. BLASIVS + DE SVECKE DES HALSES HEFFSTV MACHT MENNIGEN KRANKEN HEFFST MIT GNADEN BEDACHT DYNER ANDEREN GNADE YS KEIN TALL BEWAHRE VNS VOR ALLEM VNFALL. 1473 +
( = Fromme Dankbarkeit hat mich gießen lassen. So oft ich erklinge, möge die gütige Jungfrau Maria gepriesen werden.45)
( = St. Blasius, über die Schwäche des Halses hast du Macht, viele Kranke hast mit Gnaden bedacht, deiner anderen Gnads ist ohne Zahl, bewahre uns vor allem Unfall.)
Flanke; frontal: ovales Relief der Muttergottes
Flanke oben; frontal: 19 (Gießerzeichen) 11
Bei der Inschrift der Blasius-Glocke handelt es sich um ein Gebet an den Hl. Blasius. Der Text wurde einem Schriftstück aus dem Jahr 1473 entnommen ist.46 Die Übersetzung in Hochdeutsch stammt von Silvia Steinberg, Bottrop, und Prof. Dr. Helmut H. Spiekermann von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Die Inschrift der neuen Blasius-Glocke von Petit & Gebr. Edelbrock in der Kirche St. Blasius in Düsseldorf-Hamm aus dem Jahr 1971 ist mit der alten Inschrift nicht vergleichbar: B L A S I U S HEISS ICH STERBLICH FÜR CHRISTUS STARB ICH UNSTERBLICH DURCH CHRISTUS LEB ICH.
oben:
Marien-Glocke, Gussjahr und Giesserzeichen, Blasius-Glocke. Fotos: G. Reinhold
Dechant Johannes Schmitz zur Glockenweihe am Fest der Apostel Peter und Paul Quelle: Kirchweihfestschrift 1911, S. 62 47
gestimmt gewesen sein auf d, e, fis, g mit einem Gesamtgewicht von 5155 kg. Dieter Hoevels: Fast dreißig Jahre hinter Gittern, in: Festschrift zum 100jährigen Jubiläum von Hl. Drei-
könige Neuss, 2011, S. 28 ff. 44 Lange, 1969, S. 31. Vgl. zum Thema „Glockenpaten“ das große OTTO-Glockenbuch, 2019, S. 62 und Sartori, 1932, S. 14 f.
27
45+46 Quelle, Joh. Schmitz, 1911, S. 61. 47 Zur Glockenweihe nach altem Ritus siehe G. Reinhold 2019, S. 151
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:22 Seite 28
O TTO -G LOCKEN
1939
Die vergrabene OTTO-Glocke
Friedhofskapelle Bremen Oberneuland Rechts:
Friedhofsglocke Bremen-Oberneuland Foto: Firma Rincker
I
m Jahr 1939 lieferte die Firma Otto eine kleine Glocke an die Evangelische Kirchengemeinde St. Johannis in BremenOberneuland. Während 77 % aller OTTO-Glocken, die bis 1940 gegossenen worden waren, zerstört und eingeschmolzen wurden48, hat diese kleine Glocke die Glockenbeschlagnahme des Zweiten Weltkrieges nur deshalb überstanden, weil sie rechtzeitig im Garten des Küsters der Gemeinde vergraben wurde. Erst 55 Jahre später im Jahr 1997 stieß der derzeitige Küster Andreas Wokurka bei Gartenarbeiten auf die Glocke und grub sie wieder aus. Die Glocke hat einen Durchmesser von 350 mm und ein Gewicht von 30 kg. Außer dem damals noch neuen Gießerzeichen der Fa. Otto49 zeigt die Glocke das Jahr 1939, trägt aber keine Inschrift. Die Glocke wurde provisorisch in dem kleinen Glockentürmchen der Friedhofskapelle aufgehängt. Im Frühjahr des Jahres 2021 arbeitete die Firma Rincker die Glocke auf, versah sie mit einem neuen Holzjoch und einem Schlagwerk.
Am 29. April 2021 wurde die Glocke durch Pastor Thomas Ziaja eingesegnet und kurz darauf neu im Glockentürmchen der Kapelle installiert. Nun kann das Glöckchen, welches über
20 Jahre stumm über der Friedhofskapelle hing, künftig mit ihrem Klang Verstorbene auf ihrem letzten Gang begleiten.50
48 G. Reinhold, 2019, S. 156. 49 G. Reinhold, 2019, S. 130 + 158 f. 50 Susanne Wokurka: Die geheimnisvolle Glocke, in: Oberneuland-Magazin, Bremen Juni 2021, S. 40– 47. Von einer ähnlichen Aktion Jugendlicher in der NS-Zeit berichtet Thorsten Rienth, Grafing: Mutige
Burschen retten Grafinger Kirchenglocken. Südd. Zeitung 3.3.2017. Der Münchener Stadtpfarrer Rainer Maria Schießler weiß von weiteren Menschen zu berichten, die im Krieg ihre Glocken zu retten versuchten, weil ihnen der Klang so viel bedeutete und die Glocken nicht eingeschmolzen werden sollten.
„Und als die dann nach dem Krieg wieder läuteten, was das wie eine Befreiung für die Leute.“ Aus: Philipp Crone: Heiliger Bimbam. Südd. Zeitung 4./5.9.2021.
28
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:22 Seite 29
S UPPLEMENT
1953
Saarlouiser Glockengießerei Glockenguss und Glockenweihe St. Ludwig und Maria Himmelfahrt, Saarlouis
D
er erste Guss der neugegründeten Saarlouiser Glockengießerei im Jahr 1953 bestand aus den fünf Glocken für die Kirche St. Ludwig mit einem Gewicht von über 6 Tonnen. Die Kirche St. Ludwig liegt am Großen Markt von Saarlouis, auf dem auch der Marien-Brunnen mit den von den Ottos gegossenen Brunnenschalen und der Marienfigur steht. Im Jahr darauf wurde das sechsstimmige Geläut für Maria Himmelfahrt in Saarlouis-Roden gegos-
sen. Mit einem Gesamtgewicht von 12.640 kg ist es das größte Geläut des Saarlandes.51 Der Saarländer Karl Hans hat den Guss der beiden Geläute sowie die Weihe der Glocken von Maria Himmelfahrt im Ortsteil Roden auf 8mm-Schmalfilm festgehalten. Eine digitalisierte Fassung dieses halbstündigen historischen Filmdokumentes befindet sich heute in der Bibliothek des Deutschen Glockenmuseums.
St. Ludwig am Großen Markt in Saarlouis, davor der Marienbrunnen Foto: G. Reinhold
1962
Die dritte „Brema“
Z
um Gewicht der „Brema“ von 196252 bemerkt Hanns Martin Rincker (Sinn) in einer Mail vom 22.04.2021 an den Verfasser, dass es absolut unmöglich ist, dass die Glocke allein auch nur annähernd 7 Tonnen gewogen haben kann.
„Nach seinen eigenen Rippen (siehe S. 59 im OTTO-Buch; Anm. d. Verf.), kann diese Glocke allerhöchstens 6,5 to wiegen.“ Da Otto aber, um die Glocke tonlich hinzukriegen, innen viel hätte abschleifen müssen, schätzt Rincker das Gewicht der „Brema“ heute auf max. 6.300 kg.
Brema beim letzten Schliff 1962 (links) Foto: L. Kull
Klanganalyse: Andreas Philipp (unten) 10.2.2015
TECHNISCHE UND MUSIKALISCHE DATEN DES HEUTIGEN BREMER DOMGELÄUTES. Glocke Name Gussjahr Gießer Material Gewicht (kg) Durchm. (mm) Schlagton Unterton Prime Terz Quinte Oktave Turm
I Brema 1962 Dieter Otto 7.112 2.156 g0 + 2 G±0 g0 + 4 b0 + 2 d’+ 10 g’ + 2 Südturm
51 G. Reinhold, 2019, S. 367 f., 370–375. Gergen, 2012, S. 35–38. 52 G. Reinhold, 2019, S. 235.
29
II Maria Gloriosa 1433 Ghert Klinghe Bronze 3.440 1.700 h0 – 1 H – 15 a0 + 5 d’ - 4 e’- 3 h’ - 1 Nordturm
III Hansa 1951 Karl (III) Otto
IV Felicitas 1951 Karl (III) Otto
1.950 1.430 d’ + 3 d0 - 6 d’ + 1 f’ + 2 a’+ 5 d’’ + 3 Nordturm
1.375 1.270 e’ + 1 e0 - 7 e’- 1 g’ ± 0 h’ + 3 e’’ + 1 Nordturm
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:22 Seite 30
O TTO -G LOCKEN
Werkverzeichnis der Glockengießerei F. Otto, Hemelingen Ergänzungen und Korrekturen In rot die Änderungen. Zu den verwendeten Abkürzungen und Literaturangaben siehe OTTO-Glockenbuch, S. 498 + 499 und Literaturverzeichnis.
1880, Essen a. d. Ruhr, St. Gertrudis, 3 Glocken (nach Walter, 1913: 4 Glocken),1769 kg, 1249 kg, 915 kg, 642 kg, Töne: c - de - e - ? (e’ es’ - f’ - g’), drei Glocken im Ersten Weltkrieg vernichtet, Quellen: Otto Zeugnisse 1876-85. Walter 1902, 132 f + 1913, S. 832. Pfarrarchiv St. Gertrud, Essen, Pressemitteilung Essener Volkszeitung(?). 1881, Bethany/Australien, Luth. Herberge Christi, 1 Glocke, ∅: 670 mm, 170 kg, Ton: c, Glocke existiert heute noch. Quellen: Shield 2009. https://www.ohta.org.au/organs/organs/Bethany.html. 1883, St. Markus, Bredeney (heute in Christ König, Haarzopf), 1, Glocke, ∅: 515 (510) mm, 80 (70) kg, Ton: fis’’. Quellen: Klaes 1983, S. 2. glb-Essen. 1886, Staßfurt (Sachsen), St. Marien, Pfr. Krekeler, 1 Glocke, 77,5 kg, im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen. Quelle: Langer, 2020, S. 80–85. 1889, Eutin, Stadtkirche, 1 Glocke, ∅: 1520 mm, Umguss einer alten Glocke, Quellen: Hach, 1913, S. 148. Rauchheld 1925, S. 73. 1890/01, Hötensleben, St. Josef u. St. Augustinus, 2 Glocken, 853 kg, ? kg, f - as, eine Glocke im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen. Quellen: Glockengießvertrag 26.9./5.10.1891, AKB. Webseite Pfarrei Chronik. 1892, Aachen, Franziskanerkirche, 1 Glocke, ∅: 620 mm, 150 kg, d’’, Existenz unklar. Quelle: Glockenbücher Bistum Aachen. 1894, Twistringen b. Bremen, Pastor Gronheid, St. Anna, 3 Glocken, 1824 kg, 1076 kg, 769 kg, Töne: cis - e - fis. Zwei Glocken wurden im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen. Quellen: AKB. Walter 1902, S. 132 f + 1905, S. 33 + 1913, S. 608 + 832. HbO-583. Kratzsch 2017. 1895, Delitzsch, Pfarrer Bitter, St. Klara, 2 Glocken, 67 kg, 40 kg. Quelle: Glockengießvertrag vom 12.11.1894, AKB.
1897, Winsen a. d. Luhe, St. Marien, 4 Glocken, ∅: ?, ?, ?, 980 mm, 1957 kg, 1394 kg, 1006 kg,
581 kg, Töne: des - es - f - as. Nur noch die kleinste Glocke existent. Quellen: AKB. Walter 1913, S. 618/9. 1926. Broschüre St. MarienKirche Winsen a.d. Luhe 1999. Webseite Pfarrei. 1898, Bistum Trier, ??, 1 Glocke, ∅: 400 mm. Glocke noch vorhanden. Quellen: Brief GV Trier an Elisabeth-Kloster, Essen-Schuir vom 1. Okt. 1948. 1898, Herz Jesu, Lübeck, drei Glocken, ∅: 1350 mm, 1200 mm, 1030 mm, 1545 kg, 1070 kg, 766 kg (nach Unterlagen OttoBuer 675 kg), Töne: es‘ - f‘ - g‘. Nur die kleinste Glocke ist erhalten. Quellen: AKB. Hach, 1913, S. 79+80. Walter 1913, S. 602. Hb0-796. Turm + Uhr 30/2013, Webseite Pfarrei. Der Eintrag „1900, Dernbach/Westerwald, St. Laurentius“ ist zu streichen. Siehe dafür: 1900/01, Dernbach/Westerwald, St. Laurentius, Pfr. Wiegand/Pfr. Busch, 3 Glocken, 640 kg, 380 kg, 286 kg (494 kg, 290 kg, 214 kg), Töne: g’ - b’ - c’’. Die Glocken wurden im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen. Quellen: AKB. Walter 1905, S. 33 u. 1913, S. 167, 229, 321, 605, 867. Foersch, 1996, S. 108. Webseite Verein z. Förd. Pfarrkirche St. Laurentius, Dernbach. 1910, Esterwegen, kath. Kirche, 3 Glocken, Gesamtgewicht 2690 kg. Zwei Glocken fielen der Glockenbeschlagnahme des Zweiten Weltkrieges zum Opfer. Quelle: AO. 1911, Düsseldorf-Hamm, St. Blasius, 4 Glocken, 1540 mm, 1290 mm, 1130 mm, 1100 mm, 2360 kg, 1390 kg, 990 kg, 705 kg, Töne: c’ - es’ - f’ - g’. Zwei Glocken wurden im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen. Die beiden existenten Glocken hängen heute in Dreikönige, Neuss. Zur Geschichte dieser Glocken siehe S. 26+27. 1911, Hl. Dreikönige, Neuss, 1 kleine Glocke als Mess-/Wandlungsglocke. Existent. Quelle: D. Hoevels, 2011, S. 28 ff. ∅:
1911, Essen-Dellwig, St. Michael, 4 Glocken, ∅: 1720 mm, 1450 mm, 1290 mm, 1140 mm, 3330 kg, 2010 kg, 1410 kg, 990 kg. Töne: h0 d‘- e‘- fis‘. Alle vier Glocken wurden im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Quellen: Walter 1913, S. 620. 1926. glb-essen.
30
1911, Essen-Rüttenscheid, St. Andreas, 5 Glocken, ∅: 1610 mm, 1360 mm, 1200 mm, 1080 mm, 600 mm, 2783 kg, 1642 kg , 1138 kg, 815 kg, 130 kg, Töne: c’ - es’ - f’ - g’ - g’’. Die vier großen Glocken wurden im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Der Verbleib der kleinen Glocke ist unklar. Quellen: Wü. 1926. glb-essen. 1921, Hausen (Eichsfeld), St. Katharina, 1 Glocke, noch existent. Quelle: Kirchen im Eichsfeld, 2011, S. 134 f. 1925, Arenshausen b. Eichenberg, St. Matthäus, 3 Glocken, Gesamtgewicht 1490 kg, Töne: g - a - c. Eine Glocke noch existent, zwei Glocken im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Quellen: 1926. Schulzig 2006. Kirchen im Eichsfeld, 2011 S. 20 f. 1925, Bochum-Gerthe, Th. Hoogen, St. Elisabeth, 3 Glocken, ∅: ?, ?, 1060 mm, Gesamtgewicht 6770 kg, Töne: b’ - d’ - g’. Die beiden großen Glocken wurden im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen. Die kleinste Glocke ist existent. Quellen: 1926. glb-Essen/Bochum. Halekotte. 1925, Isenbruch/Selfkant, Heinsberg, Zur unbefleckten Empfängnis, 1 Glocke, ∅: 405 mm, 40 kg, Ton: h’’. Quelle: https://www.youtube. com/watch?v=JCKg2cIYOuw. 1925, Weisenau bei Mainz (nicht Weißenau). 1926, Estenfeld bei Würzburg, St. Mauritius, 5 Glocken, ∅: ?, ?, ?, ?, 900 mm, Gewichte: 6927 kg (?, ?, ?, ?, 500 kg), Töne: c - es - f - g - b. Vier Glocken wurden im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen; die kleinste blieb erhalten. Quellen: 1926/1930. ProspektAuszüge AO. Mail Pfr. J. Bayer, 13.5.2020. 1927, Freigericht Somborn, St. Anna, 783 kg (425 kg, 358 kg), h‘ - c‘‘. Die h-Glocke wurde im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Die kleine cGlocke ist heute Glocke VI vom Geläut von St. Anna. Quellen: 1926/1930. Trageser, 2007, S. 6. web youtube. 1928, St. Joseph, Steele-Horst, 2 Glocken. Im Jahr 1928 erhielt die Gemeinde Stahlglocken anstelle von zwei beschlagnahmten OTTO-Glocken aus dem Jahr 1900/01.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:22 Seite 31
S UPPLEMENT
1928, Heinsberg-Horst, St. Josef, 2 Glocken, ∅: 1073 mm, 804 mm, 805 kg, 345 kg, Töne: fis’h’. Beide Glocken im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Quellen: KN. 1926/1930. glbAachen/Heinsberg. Webseite Geschichte der Kirche Heinsberg Horst.
1938, Westerode, St. Johannes d.T., 2 Glocken, ∅: 1162 mm, 870 mm, Töne: f - b. Eine Glocke existent, eine Glocke im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Quellen: KN. www.westerode.de. Webseite Pfarrei. Kirchen im Eichsfeld, 2011, S. 310.
1928, Löderburg b. Staßfurt, Sachsen, St. Josef, 1 Glocke, Ton: a. Quelle: Martin Langer, Zürich, Mail vom 2.2.2020.
1939, Bremen-Oberneuland, Ev. St. Johannis, 1 Glocke, ∅: 350 mm, 30 kg, Ton: d’’’. Existent. Als Friedhofglocke am 29.4.2021 neu eingeweiht. Quellen: Brief Kl. Behrens-Talla, Bremen, 25.3.2021. Oberneuland-Magazin.
1930-32, Köln-Merheim, St. Gereon. Der Eintrag ist zu streichen. Es handelt sich um die 3 Glocken für Heilig Kreuz, Köln-Weidenpesch, früher Mehrheim lksrh. Der Eintrag 1931, Köln-Weidenpesch, Heilig Kreuz ist um folgende Quelle zu erweitern: GL30-32. 1932, Ratingen-Tiefenbroich, St. Marien, 3 Glocken mit folgenden Tönen: d‘‘ - e‘‘ - fis‘‘. Zwei Glocken im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen. Der Verbleib der größten Glocke unklar. Quellen: KN. GL30-32. glb-Köln/Ratingen. Bis 1933 lieferte Otto nach Freigericht Somborn, St. Anna, 3 Glocken, 2080 kg, 680 kg, 480 kg, Töne: d‘ - g‘ - a‘. Im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen. Quelle: Trageser, 2007, S. 6. 1934, Ratibor/Schlesien, 4 Glocken, ∅: 1201 mm, 1010 mm, 900 mm, 800 (770) mm, Gewichte: ?, ?, ?, 270 kg, Töne: ? - ? - ? - c’’. Nur die kleinste Glocke ist noch existent. Quellen: KN. Mail Claus Peter, Hamm, 11.5.2021. 1935, Eibingen/Rüdesheim, St. Johannes Baptist (alte Kirche), 4 Glocken, 1150 kg, 700 kg, 480 kg, 430 kg, Töne: e’ - g’ - a’ - h’. Alle Glocken im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen. Quelle: Limburg768. 1935, Hamburg-Harvestehude, St. Elisabeth (nicht Harvesterhude). 1936, Bremen-Leherheide, Ev.-Reformierte Kirche, 1 Glocke, Ton: e’’. Existent. Quelle: Dennis Wubs: www.youtube.com/watch?v=nXKOF 9VBwR8.
1946, Essen/Löningen, St. Bartholomäus, 2 Glocken, Töne: fis’ - gis’. Quellen: AO. Hdb Münster 1993, S. 826. Flyer St. Bartholomäus. 1949, Estenfeld b. Würzburg, St. Mauritius, 3 Glocken, ∅: 1340 mm, 1194 mm, 1064 mm, 1650 kg, 1150 kg, 800 kg. Töne: es’ - f - g’. Quellen: KN. AO. Mail Pfr. Joachim Bayer, 13.5.2020. 1949, Molbergen/Cloppenburg, St. Johannes d.T., 2 Glocken, ∅: 1200 mm, 940 mm, Töne: e - gis. Quellen: AO. Hdb Münster 1993, S. 725. Webseite Pfarrei. 1949, Pleystein, Kath. Pfarrkirche St. Sigismund, 2 Glocken, ∅: 1400 mm, 1049 mm, Töne: d - g. Quellen: KN. AO. www.oberpfalznetz.de. 1949, Pleystein, Kreuzbergkirche, 2 Glocken, ∅: 816 mm, 686 mm, 320 kg, ? kg, Töne: h - d. Quellen: KN. AO. www.oberpfalznetz.de 1950, Cadenberg, Ev. St. Nicolai-Kirche, Uhrglocke. Die Uhrglocke ist lt. Matthias Dichter nicht von Otto. 1950/51, Essen/Löningen, St. Bartholomäus, 1 Glocke, Ton: h0. Quellen: AO. Hdb Münster 1993, S. 826. Flyer St. Bartholomäus. 1952, Estenfeld-Mühlhausen, Kuratiekirche St. Georg, 2 Glocken. Quelle: Mail Pfr. Joachim Bayer, 13.5.2020. 1953, Bremen-Osterholz-Schermbeck, 1 Glocke, ∅: 956 mm, Ton: as’ (ais’). Quellen: KN. Youtube.
31
1953, Rotenburg, Niedersachsen, Ev. Stadtkirche, 2 Glocken. Lt. Matthias Dichter nicht von Otto. 1954, Oberscheinfeld, St. Gallus, 4 Glocken, Gesamtgewicht: 2850 kg, Töne: dis’ - fis’ - gis’h’. Quellen: AO. Mails Bernd Schröder (www.glockenzeit.de) vom 4.2.2021. 1961, Saarlouis-Roden, Friedhofsglocke, 1 Glocke, ∅: 450 mm, 65 kg, Ton: b. Quellen: KN. Th. Gergen, 1/2012, S. 35. 1963, Nikolausdorf/Garrel, Herz Jesu, 3 Glocken, ∅: 1105 mm, 984 mm, 828 mm, Gesamtgewicht: 1740 kg. Töne: fis - gis - h. Quellen: KN. AO. Hdb Münster 1993, S. 812. Neuguss fis-Glocke 1970. 1963/4, Bremen-Vahr, Heilig-Geist-Kirche, 4 Glocken, ∅: 1089 mm, 970 mm, 816 mm, 737 mm, 800 kg, 575 kg, 350 kg, ? kg, Töne: fis‘ gis‘ - h‘ - cis‘. Quellen: KN. Glockenbörse, Burgdorf, 2021. 1963/4, Estenfeld bei Würzburg, St. Mauritius, 1 Glocke, ∅: 1603 mm, 2295 kg, Ton: c’. Quelle: KN Mail Pfr. Joachim Bayer, 13.5.2020. 2005, Duisburg-Hamborn, Abtei St. Johann der Täufer, ∅: 1415 mm, 1737 kg, d’. Quellen: glbDuisburg. Eig. Begehung 2011. Gegossen von Bachert, nach Angaben der Pfarrei in OTTORippe. Eine diesbezügliche Anfrage bei der Fa. Bachert wurde leider nicht beantwortet.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:22 Seite 32
O TTO -G LOCKEN
Quellen- und Literaturverzeichnis Ergänzungen Balz, Klaus Voll 100. Die Geschichte St. Michaels in Bremen-Grohn. Hrsg. Kirchengemeinde St. Michael, Bremen-Grohn 2008
Hoevels, Dieter Fast dreißig Jahre hinter Gittern, in: Festschrift zum 100jährigen Jubiläum von Hl. Dreikönige Neuss 2011, S. 28 ff.
Best, Gerhard Glocken und Geläute in Westfalen. Dargestellt an den Kirchspielen und Kirchengemeinden des heutigen Dekanates Werl. (Diss. Theologische Fakultät Paderborn 1989/90), Barge 1994
Kath. Kirchengemeinde Hl. Dreikönige, Neuss, 75 Jahre Festschrift, 1986
Gergen, Thomas Die schwerste Glocke des Saarlandes: Die Michaels-Glocke in Roden und das dortige „Griesbachersche Idealsextett“, in: Unsere Heimat. Mitteilungsblatt des Landkreises Saarlouis für Kultur und Landschaft, 37. Jg., Heft 1/2012, S. 35–38 Griesbacher, Peter Über Stahl- und Bronzeglocken, in: Korrespondenz- und Offertenblatt für alle katholischen Geistlichen Deutschlands, für Anstalten, Krankenhäuser, Sanatorien und Klöster, 1925, Heft 6, S. 84+85
Ketzer, K.-H. (Hrsg.) Heilige Dreikönige Neuss, 2. A., Wiesbaden 1969 Kratzsch, Friedrich Aus der Geschichte der Kirchenglocken im Stadtgebiet Twistringen, Twistringen 2017 Kretschmer, Anton Joh. Emanuel Glocken, deren Maß, Gewicht und Ton nebst Schwingungszahl. Bremen, handschriftliche Aufzeichnungen, o. J. (um 1926) Lange, Joseph Aus der Geschichte der Pfarrgemeinde Hl. Dreikönige, in: Ketzer, K.-H. (Hrsg.): Heilige Dreikönige Neuss, 2. A., Wiesbaden 1969
Griesbacher, Peter Glockenmusik. Ein Buch für Glockenexperten und Glockenfreunde, Regensburg 1927
Langer, Martin Die katholische Pfarrkirche St. Marien Staßfurt, Regensburg 2020, Seiten 80–85: Die Glocken
Griesbacher, Peter Glockenmusik, in: Monatshefte für katholische Kirchenmusik, 1927, Heft 9, S. 258–279.
Linßen, Gottfried Chronik der Pfarrgemeinde Heilige Dreikönige, Kirchengeschichte vor Ort, in: Festschrift zum 100jährigen Jubiläum, Neuss 2011, S. 7–17.
Griesbacher, Peter Glockenstimmen, Regensburg, 1932 Hach, Theodor Lübecker Glockenkunde, Bd. 2 der Veröffentlichungen zur Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck, Hrsg. v. Staatsarchiv zu Lübeck, Lübeck 1913 Hans, Karl Doppel8-Film (8mm Schmalfilm) mit Aufnahmen vom Guss der Glocken für St. Ludwig (Saarlouis) und Maria Himmelfahrt (SaarlouisRoden) bei der Saarlouiser Glockengießerei in Fraulautern sowie der Glockenweihe in Roden, Saarlouis-Steinrausch 1953/54
Konrad, Noll Die Somborner Glocken und die Glöckner im Wandel der letzten 150 Jahre, in: 800 Jahre Pfarrei, 1984, S. 140+141 OttoBuer Neue Glocken für Herz Jesu, in: Turm und Uhr, Neustadt/Holstein, Nr. 30/2012 Reinhold, Gerhard OTTO-Glocken für die Kirchen und Kapellen in der Stadt Essen, in: Essener Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen, 133. Band, Essen 2020, S. 143–196
32
Reinhold, Gerhard Die Glocken der Basilika St. Ludgerus: „... vital und mit sattem Volumen“. Zur neueren Glockengeschichte der ehemaligen Abteikirche, in: Geschichten aus der Werdener Geschichte, Hrsg. Geschichts- und Kulturverein Essen-Werden, 19. Band, Essen-Werden 2021, S. 38–59 Schmahl, Heinrich Die Umarbeitung und Herstellung des Glockenspiels auf St. Petri Thurm in Hamburg, 1887 Schmidt, Dieter Friedrich Wilhelm Schilling. Leben und Werk, Nürnberg 1992 (OTTO-Glocken auf den Seiten 231, 248, 283, 284, 286, 287) Schmitz, Johannes Kunde von Hamm: Festschrift zur Einweihung der neuen Kirche. 1911 Trageser, Martin Die Glocken von St. Anna Somborn im Wandel der Zeit, in: Freigerichter Heimatblätter, Dezember 2007, S. 4–9 Wickert, Heinz Katholische Kirchengemeinde St. Martin Muffendorf, herausgegeben von der Gemeinde selbst, 1988 Will, Christian Estenfeld - Das Dorf im Kürnachtal und sein Ortsteil Mühlhausen. Hrsg.: Gemeinde Estenfeld im Eigenverlag 1982, Seiten 219–224: Von den Glocken der katholischen Kirchen in Estenfeld und Mühlhausen. Wokurka, Susanne Die geheimnisvolle Glocke, in: Oberneuland Magazin, Bremen, Juni 2021
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:22 Seite 33
S UPPLEMENT
Buchbesprechungen
Reinhold, Gerhard: Otto Glocken, Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto, Essen 2019, ISBN 978-3-00-063109-2
DR. CLAUS PETER, HAMM53 Unter den zahlreichen Monographien zu Künstlern und Kunsthandwerkern nehmen die über Glockengießer nur eine marginale Stellung ein. Das ist nicht nur der bis zum heutigen Tag meistenorts fehlenden Bestandserfassung der Glocken geschuldet, sondern auch in gegenseitiger Wechselwirkung der in Fachkreisen (Kunstwissenschaft) jahrzehntelang weit verbreiteten Geringschätzung des Gegenstands. Recherchen zu Leben und Werk von Glockengießern früherer Jahrhunderte waren oft mit schlechter Quellenlage konfrontiert und finden sich in verhältnismäßig geringer Zahl. Doch auch Glockengießer bzw. Glockengießereien des 20. Jahrhunderts wurden nur selten Gegenstand der Forschung. Erwähnt seien die Monographien zur Glockengießerei Schilling/Ulrich in Apolda und Friedrich Wilhelm Schilling als einem der bedeutendsten Glockengießer der Nachkriegszeit, denen noch die jüngst erschienene Publikation über die Briloner Glockengießer Humpert und Junker beizufügen ist.54 Desiderat indes ist bis heute ein umfassendes Porträt der Abteilung „Glockengießerei“ beim Bochumer Verein für Gußstahlfabrikation, die unerachtet immer wieder aufkommender „Kämpfe“ zwischen den Lagern „Bronzeglocken – Stahlglocken“ dringend zu wünschen ist, nachdem die Publikation des von Gertrud Fehn aus dem Nachlass ihres Mannes Theo Fehn zusammengestellten Quellenmaterials bereits eine enorm wichtige Vorarbeit geleistet hat.55 53 Cl. Peter: Kunsthistoriker, Glockensachverständiger des Landeskonservators NW sowie der Ev. Kirche von Westfalen und Lippe. 54 Margarethe Schilling: Kunst, Erz und Klang – Die Werke der Glockengießerfamilie Ulrich/Schilling, Berlin 1992; Dieter Schmidt: Friedrich Wilhelm
Nun ist mit der Monographie von Gerhard Reinhold über die Glockengießer Otto in Hemelingen mit Filialen in Breslau (heute: Wrocław) und Saarlouis ein Glockengießerporträt besonderer Art erschienen. Im Gegensatz zu allen vergleichbaren vorangegangenen Publikationen enthält es eine tabellarische Auflistung der Kerndaten aller seit Gründung des Betriebs bis zu seiner Schließung gegossenen Glocken einschließlich der aus den Zweigstellen in Breslau und Saarlouis hervorgegangenen - über 8600 Stück. Es ist kaum zu ermessen, welch enorme Quellenrecherche allein dieser Teil der Monographie erforderte. Allein das verleiht dieser Arbeit ein Alleinstellungsmerkmal. In mehreren Kapiteln behandelt der Verfasser die Familien- und Firmengeschichte, stellt detailliert die Entwicklung der Rippenkonstruktion der Otto-Glocken dar, untermauert durch eine vergleichende Zusammenstellung zahlreicher Klanganalysen, geht auf die äußere Gestaltung der Glocken ein und stellt den Inhalt der Inschriften in Bezug zur liturgischen Funktion der Glocken dar. Besonders hervorzuheben ist ein umfangreicher Abschnitt mit exemplarischen Darstellungen der Glockengeschichte bedeutender Kirchen, die Glocken der Fa. Otto erhalten haben. Sie belegen anschaulich, dass Glocken nicht einfach „vom Himmel gefallen“ sind, sondern untrennbar mit der Geschichte einer Kirche, der Gemeinde und des ganzen Orts verbunden sind. Kurzum: Kein Bereich der Glockenkunde bleibt unberücksichtigt.
PROF. DR. DR. REIMUND HAAS, KÖLN56 Nur wenige Glockengießer in der jahrhundertealten Kunst des Glockengusses haben so viele Glocken gegossen wie die Glockengießer Otto aus Hemelingen/Bremen und nur wenige Städte in unserem Land haben auch heute noch so viele OTTO-Glocken wie die Ruhrgebietskapitale Essen. Wer die Glockengießer Otto waren, darüber gab es bisher nur vereinzelte und verstreute Informationen; eine umfassende Familien- und Firmengeschichte war bis vor kurzem noch ein Desiderat. Selbst ein so renommierter und versierter Glockenexperte wie der Niederländer André Lehr, der auf seiner Webseite über 400 Glockengießer vorgestellt hat, konnte über Otto nicht mehr als zwei/drei Sätze schreiben. (http://www.beiaarden.nl/index.php/lijst-van-klokkengieters/o) Nun aber liegt erstmals eine solche Arbeit vor, mit der der Autor, Gerhard Reinhold, im Sommer 2019 an der Radboud Universiteit Nijmegen zum Doktor der Religionswissenschaften promovierte.
Alle Abschnitte der Monographie sind begleitet von zahlreichen, durchweg hervorragend reproduzierten Abbildungen, teils neu gefertigt, teils als Reproduktion zahlreicher historischer Vorlagen nicht mehr vorhandener Glocken. Das ist insofern bemerkenswert, als der Glockengestaltung seit dem 19. Jahrhundert bis zum Beginn des 2. Weltkriegs bisher noch keine fundierte kunsthistorische Bearbeitung zuteilwurde und hier zumindest für die Glocken der Gießerei Otto reichhaltiges Quellenmaterial verfügbar ist.
Wer das mit 4,8 Kilogramm sehr gewichtige und reich bebilderte Werk in die Hand nimmt, findet schon nach den sehr ansprechenden Umschlag- und Titelseiten die Liste der Sponsoren u. a. die katholischen (Erz-)Bistümer Hildesheim, Köln, Mainz und Paderborn sowie die Bremische Evangelische Kirche und den Ministerpräsidenten des Saarlandes, womit auch Regionen genannt werden, in denen OTTOGlocken insbesondere zu finden sind. Schon im Vorwort wird angekündigt, dass die 100 Jahre nach dem Tod des katholischen Priesters und Glockengießers Carl Otto (†1917) abgeschlossenen umfangreichen Forschungen, die in diesem außerordentlichen und gewichtigen Werk zusammengetragen wurden, „um den Schatz an OTTO-Glocken in den Kirchen unseres Landes“ erstmals zu dokumentieren. Dieses Anliegen des Buches wird auf der Umschlag-Rückseite in einem guten Resümee zusammengefasst.
Vor diesem Hintergrund war es nur konsequent, dass die Radboud Universität Nijmegen (Faculty of Philosophy, Theology and Religious Studies) dieses umfassende Kompendium der Glockenkunde im Jahre 2019 als Dissertation angenommen hat.
Die Glockengießer Otto stellten von 1874 bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts an die 9.000 Glocken her. Sie hatten Gießereien in Hemelingen/Bremen, Breslau und Saarlouis und gehörten zu den großen deutschen Bronzeglockengießern des 19. und 20.
Schilling, Leben und Werk, Nürnberg 1992. Winfried Humpert u. a.: Glocken aus Brilon (Geschichte aus Brilon Bd. 7), Brilon 2019. 55 Theo Fehn: Die Bochumer Gußstahlglocken und Theo Fehn (Der Glockenexperte Bd. III), Karlsruhe 1997.
56 R. Hass: katholischer Theologe und Kirchenhistoriker. Rezension aus: Essener Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen, 133. Band 2020, S. 587–589.
33
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:22 Seite 34
O TTO -G LOCKEN Jahrhunderts und ihre Familien- und Firmengeschichte wird hier erstmals vorgestellt. Sehr anschaulich, reich bebildert und fundiert sowie mit rot-weißen Jahreszahlen ausgestattet führt der Bearbeiter zunächst in die Familien- und Firmengeschichte der Glockengießer-Dynastie Otto bis zur Betriebsschließung 1971 ein (S. 12-123), wozu auch besondere Kapitel bzw. Exkurse gehören wie „Kirchenglocken ohne Kirchen“ (Weetzen, 2009, vormals St. Jakobus) oder „Carl Otto und ‘seine‘ Kaiserglocke für den Kölner Dom“ (S. 112-115). Am Anfang aber steht die Frage: Von wem erlernte der katholische Priester Carl Otto die Kunst des Glockengießens? Wie stieg die Firma zu einer anerkannten „Reformgießerei“ auf, deren glockentheoretisches und glockentechnisches Knowhow sich in Deutschland weiterverbreitete? Das zweite Hauptkapitel (S. 124-147) führt ebenso reich bebildert durch 90 Jahre komplexer Geschichte der Herstellung von Otto-Glocken. Die Firmen- und Produktionsgeschichte dieser „leistungsstarken Gießerei“ wird dann anschließend durch 14 Exkurse bereichert, die mit der „Schiller-Glocke von Schaffhausen“ (S. 148-150) beginnen und auch nicht verschweigen, dass „77 % aller gegossenen OTTOGlocken im Ersten und Zweiten Weltkrieg vernichtet wurden“. (S. 156 f.). Die Werkverzeichnisse (S. 498-570) weisen unter Angabe der Quellen über 8.600 OTTOGlocken aus der Zeit von 1874 bis 1973 nach. Die fast hundertjährige Glockenproduktion der Ottos wird durch Tabellen und Grafiken veranschaulicht. (S. 170-173) Mit der Auswertung von Hunderten von OTTO-Glocken wird der äußeren Gestaltung der OTTO-Glocken, ihren Inschriften und Verzierungen (S. 158 - 162), aber auch den klanglichen Charakteristika der OTTOGlocken auf den Grund gegangen (S. 428 439). OTTO-Glocken zeichnen sich aufgrund der von Carl Otto entwickelten „OTTO- Rippe“ durch eine außergewöhnliche Klangfarbe aus. Davon war auch der Glockengießer Albert Junker überzeugt, weshalb er die „Otto’sche schwere Rippe“ für die Lehrbriefe 20 und 21 seiner Glockengießerschule verwendet, die hier erstmals abgebildet werden. (S. 164-169) Der Klang der OTTO-Glocken fasziniert noch heute die Menschen. Und so heißt es über OTTO-Glocken sicher zu recht: „Es sind die schönsten Glockentöne im ganzen Ort.“
läute“ aus den Jahren 1876 bis 1961 vor von den Nordsee-Inseln bis München, von Aachen bis Görlitz und sogar Jerusalem. Sie geben einen Eindruck von der Geschichte und geografischen Verbreitung der Otto-Glocken und lassen erkennen, dass die Geschichte der Glockengießer Otto Teil der deutschen Glockengeschichte ist, eingebettet in die Geschichte Deutschlands von der Kaiserzeit bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Glocken tragen Inschriften, nach Bischof Albert Houssiau aus Lüttich sind sie deshalb „Beladen mit Gottes Botschaft“. In dem Buch werden über 300 Glockeninschriften von OTTO-Glocken wiedergegeben, in dem Kapitel über Inschriften auf OTTO-Glocken auf den Seiten 392 bis 425 rund einhundert davon und in sechzehn theologisch-thematischen Schwerpunkten gut analysiert und kommentiert. Die folgenden Kapitel behandeln OTTO-Glocken aus musikwissenschaftlicher Perspektive, denn, „eine Glocke muss vor allem klingen“. (S. 426-439) Die Untersuchung der Klangcharakteristika von OTTO-Glocken fußt auf den Tabellen der Klanganalysen von 1883-1971 (S. 440-451); „Anerkennungsschreiben“ und „Gutachten von Glockensachverständigen“ zu OTTO-Glocken bringen praktische Beispiele aus fast einhundert Jahren. (S. 452-471). Erfreulich ist, dass diese breite Studie im Kapitel „Dokumentation“ bisher weitgehend unbekannte Fachartikel - insbesondere von Carl Otto - präsentiert, von dem am weitesten zurückreichenden Artikel „Die ältesten Glocken des Eichsfeldes“ aus dem Jahr 1867 bis zu einer Auseinandersetzung zwischen Franz Otto und Heinrich Böckeler, Kirchenmusikdirektor am St.-Gregorius-Haus in Aachen, im Jahr 1888. (S. 472-493)
Ohne Anspruch an Vollständigkeit sollen abschließend und exemplarisch auch noch die erhaltenen, gefundenen und beschriebenen Glockenorte in Essen aufgeführt und eigens genannt werden. Neben den Glocken St. Mariä Geburt, Essen-Dilldorf (S. 212 f.) und St. Ludgerus, Essen-Werden (S. 282 f.), die schon von Franz Feldens in dem Satz „Die alten Glocken der Stadt Essen“ in „Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen, 1940, 59. Heft, genannt werden, sind dies u.a.: Marien-Glocke/Essen-Kray (S. 248 f.); vier Glocken im heutigen (evangelisch-freikirchlichen) „Leuchtturm“ (bis 2008 Mariä Geburt-Kirche, Essen Frohnhausen, S. 278 f.); fünf Glocken/Essen-St. Engelbert: „Führer“-Glocke in der „Gottesburg“ (S. 420-422); drei Glocken/St. Elisabeth/Essen-Frohnhausen, 1884 + 1891 (ältestes erhaltenes Otto-Geläut in der Stadt Essen, im Bistum Essen und deutschlandweit. (S. 186 f.) Damit hat Dr. Gerhard Reinhold aus EssenÜberruhr nicht nur eine fundierte und umfassende Familien- und Firmengeschichte der bedeutsamen „Glockengießerdynastie Otto“ sowie der vormals christlichen Kultur in Deutschland und auch im Ruhrgebiet erarbeitet und vorgelegt, sondern auch eine bedeutsame, exemplarische und hervorragende religionswissenschaftliche Studie, die in keiner wissenschaftlichen Bibliothek des 21. Jahrhunderts fehlen darf.
Nach den Werkverzeichnissen von Hemelingen (mit Breslau) und Saarlouis (S. 496-570) folgen noch die formalen Elemente eines bedeutsamen und großartigen Werkes: Quellen- und Literaturverzeichnis, ein Namen-Register sowie die Portraits des Autors und des Designers (S. 572-588).
Ein großes Kapitel des Werkes stellt unter der Überschrift „Habent sua fata campanae“ (S. 174-391) über sechzig „ausgewählte Ge-
Neben dem Namensregister hätte man sich ein Ortsregister gewünscht, welches aber mit über 2000 Ortsnennungen, mit der Änderung von Schreibweisen sowie Kommunalreformen sehr umfänglich ausgefallen wäre. Das Anliegen des Autors war es denn auch, mit der Werkverzeichnissen nachzuweisen, welche Glocken in den jeweiligen Betriebsjahren der Otto’schen Gießereien gegossen wurden.
57 Th. Gergen: Philologe (u.a. in Geschichte) und Rechtswissenschaflter (u.a. in Kirchengeschichte). Rezension für: Geschichte der Saargegend Bd. 69 (2021), herausgegeben vom Historischen Verein für die Saargegend.
58 Zur Vorgeschichte und Bedeutung der Glocken siehe: Thomas Gergen, Die schwerste Glocke des Saarlandes: Die Michaels-Glocke in Roden und das dortige "Griesbachersche Idealsextett", in: Unsere Heimat (Mitteilungsblatt des Landkreises Saarlouis
34
für Kultur und Landschaft) Jg. 37, Heft 1 (2012), S. 35-38; abgedruckt ist bei Reinhold das eindrucksvolle Foto vom Vorabend der Glockenweihe. Das Foto stammt aus dem Archiv von Karl Hans, Saarlouis-Steinrausch. Karl Hans hielt die Geschichte der
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:22 Seite 35
S UPPLEMENT der Pfarrkirche und Hüttenstadt Völklingen heraus, wozu sich die St. Ingberter Glocken gesellen, die alle aufeinander abgestimmt wurden. Überdies sind zu erwähnen die Glocken der Kirchen St. Ludwig in Saarlouis, Dreifaltigkeit in Fraulautern und die von Mariä Himmelfahrt in Roden mit dem schwersten Geläut des Saarlandes und der schwersten Glocke St. Michael; dort war der 28. März 1954 Tag der Glockenweihe.58
PROF. DR. DR. THOMAS GERGEN, LUXEMBURG57 Das „Glocken schwere“ Großwerk zur Firmenund Dynastiegeschichte von Otto-Glocken ist auf den ersten Blick für den Leser ohne SaarBezug, lag doch der Hauptsitz in Hemelingen bei Bremen. Doch verrät schon das Inhaltsverzeichnis, dass der Autor einen bedeutenden Textanteil der Produktionsstätte der Otto-Niederlassung in Saarlouis-Fraulautern gewidmet hat. Der Titel der zuerst als Dissertation an der Radboud Universiteit Nijmegen im Jahre 2019 erschienenen Studie namens „Kirchenglocken – christliches Weltkulturerbe, dargestellt am Beispiel der Glockengießer Otto, Hemelingen/Bremen“ bildet die sehr lang erwartete Familienund Unternehmensgeschichte ab, die sich neben Hemelingen und Saarlouis obendrein mit der Niederlassung in Schlesien befasst. Insgesamt 8600 Glocken wurden von 1874 bis in die 1970er Jahre gegossen; zahlreiche Glocken an der Saar von der Gründung im Jahre 1952 bis 1961.
Die Glocken des Benediktinerklosters St. Mauritius zu Tholey entstammen ebenfalls der Gießerei Otto in Saarlouis, nicht aber diejenigen des Redemptoristenklosters Bous. Die Edition der Chronik des Redemptoristenklosters hat gezeigt, dass das Kloster sein Vollgeläut erst 1960 bestellen und am 2. Oktober 1960 einweihen konnte, also zu einer Zeit, als der Betrieb in Saarlouis schon dem Ende entgegenging; die Bouser Patres bestellten aufgrund guter Kontakte schließlich bei Mabilon in Saarburg.59 Der hohe Marktanteil von Otto-Glocken im Saarland hatte mit der Präsenz der Glockengießerei Otto vor Ort zu tun. Otto war aber auch schon vor dem II. Weltkrieg im Saarland bekannt. Die ersten Otto-Geläute wurden 1910 nach Püttlingen und Saarbrücken geliefert. In der Zwischenkriegszeit seit 1918, als die nach der Glockenabnahme von 1917 verwaisten Türme wieder mit neuen Glocken versehen wurden und der Landkreis Saarlouis unter Völkerbundmandat stand und zum französischen Wirtschaftsgebiet gehörte, wurden (zwar) auch französische Gießereien wie Causard in Colmar und Paccard in Annecy berücksichtigt, die meisten Glocken aber wurden damals schon von Mabilon, Otto, Petit & Gebr. Edelbrock sowie von Schilling geliefert.
In seinem mit 640 Bildern versehenen Buch beschreibt Gerhard Reinhold den „Otto-spezifischen” Glockenguss, unterscheidet zwischen Glockenstühlen aus Holz und aus Stahl und bietet eine lesenswerte Charakterisierung von Otto-Glocken auf der Grundlage von mehr als 500 Klanganalysen. Ferner beschreibt und kommentiert er anschaulich über 300 Inschriften, um den Beitrag von Glockengeläut zur Geschichte der Kirchen und nicht zuletzt der Religion aufzuzeigen. Von wem hatte der katholische Priester Carl Otto die Gießerkunst erworben, lautet etwa eine Anfangsfrage, neben zahllosen anderen, die der interessierte Leser stellen und worauf er in Reinholds gründlich erforschtem Werk Antworten finden kann. An saarländischen Glocken ragen die Engelsglocken von St. Michael in Saarbrücken-St. Johann oder die Glocken für den Schutzpatron
Am 31.12.1960 musste die Saarlouiser Glockengießerei infolge eines Todesfalles innerhalb der Firma die Produktion in Saarlouis kurzfristig einstellen. Gemeint ist der Tod von Karl (III) Otto am 21. Juli 1960. Den Geschäftsanteil übernahm sein Sohn Dieter, der später auch den Anteil von Alois Riewer übernahm. Als sein Vater Karl (III) starb, war Dieter Otto 25 Jahre alt. Er übernahm in diesem Alter sowohl die Verantwortung für die Glockengießerei in Hemelingen wie auch in Saarlouis. Im Alter von 18 Jahren war er mit Johannes und Friedrich Otto nach Saarlouis gekommen, wo er in der neuen Gießerei seine Lehre und seine Ausbildung zum Glockengießermeister machte. Nur acht Jahre hat die Saarlouiser Glockengießerei aktiv gearbeitet und in dieser Zeit 535 Glocken mit einem Gesamtgewicht von knapp 400 Tonnen gegossen.
Rodener Glocken ausgehend vom Guss bei der Firma Otto in Fraulautern bis zum Tag der Glockenweihe als Doppel8-Film (8mm Schmalfilm) fest. Damit schuf er das hierzu wichtigste zeitgenössische Dokument. Der Film dauert etwas über eine halbe
Stunde. Die Glockenstühle wurden im Übrigen gefertigt von der Firma Konstroffer & Sohn (Peter und Werner) in Roden. Das Gesamtgewicht der Michaelsglocke wird von Reinhold mit 4840 kg angegeben.
35
Bei der auf dem Gelände der kriegszerstörten Gasanstalt errichteten Otto-Filiale in Saarlouis gibt es indes Anlass zur Klarstellung beim Thema der eigenen Rechtspersönlichkeit der „Saarlouiser Glockengießerei G.m.b.H.“ Zu jener Zeit galt im „Saarstaat“ zwar deutsches Recht mit französischem Sonderrecht hinsichtlich der Wirtschafts- und Währungsunion; doch bestand eine saarländische Besonderheit dergestalt, dass die Mehrheit der Kapitalträger in saarländischer Hand sein musste, was die herausragende Erwähnung des Unternehmers Riewer aus Völklingen erklärt. Die Behauptung, Friedrich Otto habe Saarlouis nicht (zumindest mit-)gegründet, ist in dieser schroffen Form zurückzuweisen. Zwar erscheint er im Handelsregister (HRS Saarlouis 103) nicht explizit als Gesellschafter/Mitgesellschafter, jedoch als Geschäftsführer und Glockengießer. Das Handelsregister, das nach § 15 Handelsgesetzbuch damals wie heute öffentlichen Glauben genießt und dessen Eintrag bis zum erschütternden Beweis als wahr gilt, weist Friedrich Otto somit als dritten Eingetragenen aus (positive Publizität). Zudem sind bei einer GmbH die Geschäftsführer zumeist auch Gesellschafter nach Gesellschafterliste (§§ 6, 40 GmbHG); daher kann er gesellschaftsrechtlich von Anfang an als zumindest einer der Mitbegründer der Zweiggießerei Saarlouis eingestuft werden. Die Saarlouiser Glockengießerei G.m.b.H. wurde mit Datum vom 15. Mai 1961 in die Firma F. Otto KG in Bremen-Hemelingen überführt. Aus heutiger Sicht ist nach Ansicht Reinholds diese radikale Entscheidung falsch gewesen. Wenn auch der Weiterbetrieb der Gießerei an der Saar auf Dauer wenig sinnvoll gewesen wäre – wegen der Tatsache, dass nahezu alle Kirchen des Saarlandes mit Glocken ausgestattet waren und wegen der Nähe zur Glockengießerei Mabilon in Saarburg –, so wäre es sicher gut gewesen, einen Wartungsbetrieb zur Pflege und Reparatur der vielen Otto-Geläute an der Saar aufrechtzuerhalten; hier kann man Gerhard Reinhold sicherlich zustimmen und ihm uneingeschränkt für die sorgfältige Herausarbeitung der Tätigkeit der Glockengießerei Otto an der Saar sowie im Allgemeinen danken. Denn das Buch bringt die Landesgeschichte gerade im Bereich Wirtschafts- und Kirchengeschichte merklich weiter und gehört gerade wegen der exakten Beleuchtung der Zweigniederlassung Saarlouis in die saarländische Landesbibliothek.
59 Thomas Gergen, Europa-Kloster Bous (19492009), in: Ders. (Hg.), 60 Jahre Redemptoristen-klöster Bous und Püttlingen, St. Ingbert 2020, S. 302-312.
supplement heftlayout mit text36s.qxp_Layout 1 13.10.21 20:22 Seite 36
U
nter den vielen Glockengießern gibt es nur wenige, die sowohl
durch den Klang ihrer Glocken sowie aufgrund der Anzahl der von ihnen gegossenen Glocken herausragen.
OTTO GLOCKEN Gerhard Reinhold
Hierzu gehören die Glockengießer Otto, die von 1874 bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts an die 9.000 Glocken produziert haben. Sie hatten Gießereien in Hemelingen/Bremen, Breslau und Saarlouis und gehörten zu den großen deutschen Bronzeglockengießern des 19. und 20. Jahrhunderts. Reich bebildert wird hier erstmals die Familien- und Firmengeschichte der Glockengießer Otto zusammengetragen. Am Anfang aber steht die Frage: Von wem erlernte der katholische Priester Carl
Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto
Otto die Kunst des Glockengießens? Wie stieg die Firma zu einer anerkannten „Reformgießerei“ auf, deren glockentheoretisches und glockentechnisches Knowhow sich in Deutschland weiterverbreitete? Über 8.600 OTTO-Glocken aus der Zeit von 1874 bis 1973 weisen die Werkverzeichnisse dieses Buches nach. Die fast hundertjährige Glockenproduktion der Ottos wird durch viele Grafiken veranschaulicht. Mit der Auswertung von Hunderten von OTTO-Glocken wird der äußeren Gestaltung der OTTO-Glocken, ihren Inschriften und Verzierungen, aber auch den klanglichen Charakteristika der OTTO-Glocken auf den Grund gegangen. Glocken sind „beladen mit Gottes Botschaft“. Deshalb werden über 300 Glockeninschriften von OTTO-Glocken wiedergegeben, viele davon kommentiert. Sechzig OTTO-Geläute werden vorgestellt. Sie geben einen Eindruck von der Geschichte und geografischen Verbreitung der Otto-Glocken. Die Geschichte der Glockengießer Otto ist Teil der deutschen Glockengeschichte. Sie ist eingebettet in die Geschichte Deutschlands von der Kaiserzeit bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts. OTTO-Glocken zeichnen sich aufgrund der von Carl Otto entwickelten „OTTO-Rippe“
a r t ko n ze pt k ö r n e r
durch eine außergewöhnliche Klangfarbe aus. Der Klang der OTTO-Glocken fasziniert noch heute die Menschen. Und so heißt es über OTTO-Glocken sicher zu recht:
ISBN 978-3-00-063109-2
„Es sind die schönsten Glockentöne im ganzen Ort.“