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Cover-Hommage: The Rolling Stones, Some Girls
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Liebe Schnäuze! Es liegt was in der Luft. Das Ausgehen macht plötzlich keinen Spass mehr, jedenfalls irgendwie nicht mehr so wie auch schon. Der Blick aufs Bankkonto lässt mich schaudern, noch mehr als die verhasste nasse Kälte da draussen. Good for you, weil ich mich dann am liebsten zuhause verkrieche und schreibe. Für euch und für mich und für eine vielleicht bessere Zukunft, wenn denn mal alles klappt. Dafür brauche ich Tonnen von Motivation und all eure gedrückten Daumen. Aber dazu ein anderes Mal mehr, wenn nicht mehr alles so unerträglich in der Schwebe ist. Was macht ihr so an kalten Wintertagen, wenn kein Geld in der Tasche zu finden ist und schon der Gedanke ans Rausgehen zu anstrengend ist? Bei mir läuft das folgendermassen ab: Ich mache Tee, viel Tee, fläze auf meinem Sofa herum und lese. Oder schaue einen Film. Oder dumme Youtube-Videos. Nichts Spezielles also, aber für mich nach einem stressigen Tag oder kurz nach (oder naja, oft auch kurz vor) einer Deadline der Himmel auf Erden. Meine Klassiker seht ihr unten!
Lisa Eldridges Youtube-Channel (Make-Up-Artist)
Philippe Djians Roman «Betty Blue»
Lisa, Lisa, Lisa – mit deiner sanften Stimme, dem schönsten
Mann. Habe schon lange, um nicht zu sagen noch
british english und deinen Make-Up-Skills hast du mir schon
nie ein so gutes Buch gelesen. Schon der erste Satz hat
manche verregnete Stunde gerettet. Und bisschen was lernen
mich gefangen, in die Tiefe gezogen, in die Luft gewir-
kann man ganz nebenbei auch.
belt, ich wollte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
youtube.com/user/lisaeldridgedotcom
Die knapp 400 Seiten habe ich in Rekordzeit verschlungen.
«Howl – Das Geheul»
angenehm gelassene, ehrliche Art die Geschichte eines Liebes-
Robert Epstein («The Times of Harvey Milk») hat sich tatsäch-
paars, das eigentlich den ganzen Tag raucht, Sex hat, Chilli isst,
ippe Philjian D e yBlu Bett
Djian erzählt auf wunderbar berührende und gleichzeitig
lich getraut, die Geschichte des wohl bedeutensten Gedichts
Bier trink, ein paar Klaviere verkauft und ab und zu ein bisschen
der Beat-Generation zu verfilmen: «Howl» von Allen Ginsberg.
arbeitet. Bis dann halt was passiert, was ich euch nicht erzählen
James Franco («Eat, Pray, Love» und allgemeines Eyecandy)
kann, weil ihr sonst keinen Spass mehr am Lesen hättet. Nur
spielt den Dichter in seinen jungen Jahren überzeugend, der
so viel: «Betty Blue» ist das erste Buch, das mich zum Weinen
Film ist gespickt mit Auszügen aus «Howl», visualisiert mit psy-
gebracht hat. Man will ausserdem sofort alles hinschmeissen,
chedelischen Animationen, die einen packen und mit in den
seinen Lover an der Hand nehmen, die letzten Münzen zu-
Beat (HAHA!) dieser Generation hineinziehen. Wer sich ein
sammenkratzen, all sein Hab und Gut in eine alte Schrottkarre
bisschen für diese Zeit interessiert, ein bisschen draus kommt
schmeissen und wegfahren. LEST!
und sich gerne mitreissen lässt, der sollte sich «Howl – Das Ge-
Diogenes Verlag, 19.90 Fr.
heul» ansehen. AL!VE AG, 85 Minuten, 24.90 Fr.
an · Rom
enes Diog
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Designmesse «Blickfang»
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Alfred Hackensberger über bewaffnete Milizen
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Royaler Palast für die Undergroundszene
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Mit Kirk Le Fab in Venedig
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I‘m a grown up now!
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Judiths Pflichtfilm-Tipp
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Japanische Filmtipps
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Rebel Girls and Riot Twirls
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Lieblingssachen of se Moment
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Horoskope
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Impressum
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Zum Brotkorb mit‌
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moustache | schnauziges
LIEBLINGSSACHEN
OF SE MOMENT
Diese Sachen haben mir die letzte Zeit versüsst und ein lachendes Herz gemacht. Vielleicht machen sie bei euch das Gleiche. (Text und Bilder: Vanja Kadic)
DER WINKEBÄR Tiervideos youtuben ist, glaube ich, eines meiner Lieblingshobbys. Ich mag besonders lustige Tiere. Was das anbetrifft hatte ich bisher meinen one and only Favorit: die Furzkatze. Das ist eine dicke Katze die gleichzeitig rülpst und furzt. Wahnsinn sag ich euch, was habe ich gelacht. Doch dann fand ich ihn: Den Winkebär. Das Video ist gerade mal sieben Sekunden lang, und man sieht einen Bären, der ganz nett winkt. Klingt simpel, aber Leute: Ich bin ge-stor-ben! Ich habe selten so einen freundlichwinkenden Bären gesehen wie den. Ein Youtube-Muss. Was muss ich beim Suchfeld eingeben? Für die Furzkatze: Cat Hiccups and Farts at the Same Time Für den König aller Winkebären: Polite Bear Waves
FRAU STRANGE Sie liebt die 80ies, steht auf Veggie Food, hat pink-orange Haare (die Farbe nennt sie liebevoll «Porange»), sie hat eine schielende Katze, mag Zigaretten und ist Erfinderin der unglaublichen «Jesus Fries» (die sind super an Hangoverdays): Leute. Solltet ihr Bonnie Strange und ihren wundervollen Blog «Strange Ambition» noch nicht kennen, googelt euch um Him-
mels Willen JETZT eure Finger wund und staunt. Bekannt wurde Bonnie, die eigentlich Jana heisst, als Fotografin, Freundin von Wilson Gonzales Ochsenknecht und Sängerin der Rio Girls (mit Germanysblabla-Model Marie Nasemann. Mit der ist sie inzwischen übrigens verkracht, ui ui ui...). Alte, wir lieben dich! www.strange-ambition.com
DIE TRENNUNG Heidi Klum und Seal verkündeten ihre Trennung. Ich traute meinen Ohren kaum – und freute mir den Arsch ab. Ich weiss, ich weiss: Das darf man ja eigentlich nicht. Sich den Arsch abfreuen wenn sich zwei trennen oder Pech haben oder wie auch immer. ABER. Wie oft grinsten mir die doofe Klum und (der eigentlich ganz okaye) Seal auf diversen von mir geliebten In Touches, Galas und Grazias entgegen, um mir in schwülstig getexteten Schlagzeilen mitzuteilen, wie verdammt glücklich sie miteinander sind? Kein Promipaar hat sich und die
gemeinsame Beziehung je so agressiv promotet wie die beiden. Und vor allem hat mich kein Promipaar je so genervt wie die beiden. Thank God it's over!
DIE RETTUNG Ich hasse es, mich einzucremen. Das ist klebrig und doof. Aber im Winter verdurstet meine arme Haut und ich seh ganz ganz schnell aus wie eine Mumie. Deshalb: Tadaaaa – die geilste Body Lotion Ever. «Burts Bees – Naturally Nourishing Body Lotion with Milk & Honey».. Riecht etwas seltsam, aber irgendwie mag ich den Duft inzwischen. Weiche Haut kriegt ihr davon aber bestimmt.
TRASH QUEEN Damit hab ich als Weihnachtsgeschenk wirklich nicht gerechnet: Snookis Buch «Confessions of a Guidette» hab ich erstmal lachend durchgeblättert. Ganz lustig, aber keine Weltliteratur, dachte ich. Klar, Weltliteratur ist es natürlich wirklich nicht – aber beim zweiten Leseanlauf bin ich ersthaft an Stellen hän-
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gengeblieben und konnte kaum aufhören zu lesen. Der «Jersey Shore»-Star schreibt über «GettingReady-For-The- ClubRituals», was es braucht damit ihr Bueb zu «Babydaddy material» wird und wie man richtig Party macht. Lustiges Buch für alle Jersey Shore Fans.
KNIPS KNIPS Mit der «La Sardina» Lomokamera mache ich herrlich überbelichtete, lustige Schnappschüsse von meinen Freunden. Die Kamera sieht aus wie eine alte Sardinenbüchse. Me gusta!
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ACHTUNG BLICKFANG! Die Designmesse «blickfang» findet dieses Jahr zum dritten Mal vom 23. bis 25. März in Basel statt. Im Rampenlicht stehen Designer aus den Bereichen Möbel, Leuchten, Wohnaccessoires, Kleider und Schmuck. Astrid Paulus zieht als Projektassistenz hinter den Kulissen die Fäden. Wir haben mit ihr über die Aussteller, das vorangehende Auswahlverfahren und ihren Arbeitsalltag geredet. (Text: Franziska Monnerat, Bilder: PR)
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Ein Interview mit Astrid Paulus Projektassistenz bei blickfang
Was erwartet die Besucher bei der dritten Ausgabe der blickfang Basel?
Viele Neuheiten und Überraschungen! Knapp die Hälfte der nationalen und internationalen Aussteller wird sich zum ersten Mal an der blickfang Basel präsentieren und am Messestand die Designprodukte verkaufen.
Welche zum Beispiel?
klotzholz und Changemaker aus Zürich, die sich der regionalen Produktion und der Nachhaltigkeit verschrieben
haben. Die Möbel aus Weisstanne, Fichte und Rhyholz von klotzholz sind schlicht gehalten und erzählen durch ihre Ursprünglichkeit eine eigene Geschichte. Der Slogan des Shops Changemaker lautet «Ethik küsst Ästhetik», was sich auf die Auswahl der Marken, die sie führen, niederschlägt. Bei Changemaker sind Designprodukte von Mode über Schmuck bis hin zu Wohnaccessoires erhältlich. Schmucklabels sind auch einige vertreten, zum Beispiel lucieblanche aus Paris mit ihren ausgefallenen viereckigen Ringen.
Wie fördert die blickfang den Design-Nachwuchs?
Auch in diesem Jahr ermöglichen wir Studenten der renommierten «Ecole cantonale d‘art de Lausanne écal» die kostenlose Teilnahme. Ausserdem werden sich vier neue, von internationalen Kuratoren ausgewählte blickfang selected Designer präsentieren: Thomas Lommée, Jaim, Telias, Jaeuk Jung und Marc Ferrand. Diese vier Jungtalente
arbeiten als Interiorgestalter, sind erst seit Kurzem auf dem Markt, aber mit dem, was sie machen, äusserst vielversprechend. All diese Designer haben sich bis jetzt zumeist auf Fachmessen, wie dem Salone Satellite in Mailand, präsentiert. An der blickfang bietet sich ihnen die Gelegenheit, zum ersten Mal für die Endverbraucher in Erscheinung zu treten.
Wagen wir einen Blick hinter die Kulissen der blickfang. Was sind Ihre Aufgaben als Projektassistenz?
Zunächst bin ich Hauptansprechpartner für alle Bewerber, Aussteller, Medienpartner und unseren Messebauer. Ich versorge alle mit den nötigen Informationen und stehe für Fragen vor, während und nach der Messe zur Verfügung. Was Werbe- und Anzeigenpläne angeht, behalte ich die Fristen im Auge, so dass alle Anzeigen rechtzeitig bei unseren Medienpartnern eintreffen, Plakate hängen und Flyer in der jeweiligen Stadt und bei den Ausstellern ausliegen.
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Dann gilt es, für die Messe selbst einen Team-Einsatzplan vorzubereiten und vieles mehr an organisatorischen Dingen. Es macht mir grossen Spass, mit so vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt zu sein. Es wird nie langweilig und ich sitze direkt an der Quelle wunderschöner und spannender Produkte. Dafür liebe ich meinen Job!
Wie laufen die Vorbereitungen der blickfang Kopenhagen, die zum ersten Mal im November 2012 stattfinden wird? Welchen herausforderungen begegnen Sie?
Erst letzte Woche war ich zusammen mit Jennifer Reaves, Projektleitung Kopenhagen, zwei Tage in Kopenhagen. Wir stossen auf viel positive Energie, enthusiastische Mitstreiter und Wegbereiter, die unsere Vorfreude auf die blickfang Kopenhagen nur steigern, auch wenn es noch viel zu tun gibt. Wie an den anderen Standorten wollen, ja müssen wir sogar, den regionalen Aspekt im Fokus behalten. Unser Credo: Die blickfang soll aus dem jeweiligen Standort heraus wachsen und funktionieren. Meine ganz persönliche Herausforderung ist ausserdem noch das Dänisch, das ich nun seit einigen Monaten lerne.
blickfang Basel Vom 23. bis 25. März 2012 treffen sich in der Kleinbasler E-Halle zahlreiche kreative Köpfe aus den Bereichen Möbel, Leuchten, Wohnaccessoires, Mode und Schmuck zur Designmesse. Zu sehen sein werden Sonderschauen wie die «blickfang selected» und die «écal Lausanne» mit Nachwuchsdesignern. Die kreativsten Ideen, innovativsten Konzepte oder aussergewöhnlichsten Umsetzungen der teilnehmenden 110 Aussteller werden im Rahmen des «blickfang Designpreises» am Eröffnungsabend durch eine Fachjury prämiert. Neben Basel findet die blickfang in Stuttgart, Zürich, Wien und bald auch in Hamburg und Kopenhagen statt. Weitere Infos unter www.blickfang.com
oben: Schmuck von lucieblanche unten: Möbel von klotzholz
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Das Moustache-Team sucht DICH! Schreibst du gerne und viel? Deine Interessen sind Musik, Filme und Bücher oder Kunst? Dann bist du bei uns an der richtigen Stelle. Wir würden uns über ein wenig Unterstützung freuen. Sende uns doch einfach einen kleinen Text, den du verfasst hast, an redaktion@moustache-magazin.ch und wir melden uns! Ein paar kleine Anforderungen haben wir jedoch trotzdem: - deine Texte sollten gut verständlich geschrieben sein - du bist zuverlässig und flexibel - und auch kreativ - du hast auch eigene Ideen, die du miteinbringen kannst Die Deadline für alle Artikel (inklusive Bilder, falls es welche gibt) ist immer der 10. im Monat. Dann haben unsere lieben Layouter noch genug Zeit, etwas Schönes zu gestalten. Wir freuen uns über deine E-Mail in unserem Postfach!
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DIE BEWAFFNETEN MILIZEN HABEN NOCH DAS SAGEN Der Journalist und Schriftsteller Alfred Hackensberger über den Umbruch in der arabischen Welt und anderes. (Text und Bild: Pablo Haller)
Letztes Jahr waren sie an heissen Punkten der sogenannten «arabischen Revolution». Mitte Januar in Tunis, später in Tripolis. Eben waren sie in einem Sicherheitstraining vor Kriegsjournalisten nahe Liverpool. Wo erwischen wir sie heute? Ich bin zur Zeit auf Lanzarote. Ich pendle zwischen den Kanaren und Marokko.
Wie schätzen Sie die momentanen Entwicklungen in der arabischen Welt ein?
Eine schwierige Frage, da man den Ausgang nicht kennt. In Tunesien fanden die ersten freien Wahlen statt, die die Islamisten von Ennhada gewannen. Nun wird es eine neue Verfassung geben und dann Neuwahlen. In Ägypten fanden auch Wahlen statt, aber niemand weiss, wie die Militärregierung sich weiter verhält. Und in Libyen ist es zur Zeit noch unklarer. Es gibt dort zwar eine neue Übergangsregierung, aber Entwicklungen finden nur sehr schleppend statt. Die bewaffneten Milizen haben noch das Sagen.
Sie lebten lange Zeit in Tanger, Marokko. Weshalb kam es da nicht zu nennenswerten Aufständen?
Dort gab es keinen verhassten Diktator, wie das in Tunesien oder in Ägypten der Fall war. König Mohammed VI versuchte die Diktatur seines Vaters,
der 1999 starb, zu demontieren. Er entliess politische Häftlinge, setzte den langjährigen Innenminister ab und eine Wahrheitskommission ein, die die Verbrechen unter dem Regime seines Vaters Hassan II. untersuchte. Die Sitzungen wurden live im TV übertragen. Ab 2000 begann ein Modernisierungsprozess: Die Infrastruktur wurde verbessert und neue Industrien angesiedelt. Im Zuge der Proteste liess Mohammed VI. die Verfassung ändern und bei den Neuwahlen siegten zum ersten Mal die Islamisten. Das sind Punkte, die deeskalierend wirken. Selbst wenn der König und seine Berater die mächtigsten Männer in Marokko bleiben, die sozialen Unterschiede immer noch immens sind und Korruption weit verbreitet ist. Ob es in Marokko weiter ruhig bleibt, hängt von der ökonomischen Entwicklung ab. Schafft man genügend Arbeitsplätze, erhöht sich das Lohnniveau und wächst die Mittelschicht.
Was zog Sie damals nach Tanger?
Es ist eine interessante Stadt mit bunter Vergangenheit, nahe an Europa dran. Ich kannte Tanger bereits zehn Jahre, hatte dort Bekannte und Freunde. Damals lebte noch Mohammed Choukri, den ich sehr schätzte und immer wieder traf. Damals gab es dort auch noch Künstler und Schriftsteller, die aus dem teuren Europa geflüchtet waren. In
Zur Person: Alfred Hackensberger, geboren 1959 in München, pendelt zwischen Tanger, Marokko und Lanzarote. Veröffentlichte unter anderem eine Biographie des BeatÜbervaters Herbert Huncke («I am Beat»), den Gedichtband «Arabien Remixed» und ein Lexikon der Islam-Irrtumer. Seit vielen Jahren berichtet er aus der arabischen Welt für Die Zeit, SZ, NZZ, Standard und taz. Außerdem arbeitet er für den Nachrichtensender Sky News. Am Mittwoch 1. Februar 2012 Moderiert er in der Roten Fabrik die Veranstaltung «Arabesken der Revolution» mit Salwa Bakr (Schriftstellerin, Kairo), Lassaad Dkhili (Filmemacher, Tunis) und Roland Merk (Schriftsteller und Herausgeber, Basel und Paris).
Tanger konnten sie ohne grossen ökonomischen Druck arbeiten.
Zuvor lebten Sie in New York im umfeld von ur-Beat herbert huncke, über den Sie eine Biografie verfassten. Wie war das da? Na ja, eine ganz andere Welt. Huncke wohnte in einem Teil der Lower Eastside, was damals noch eine unsiche-
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re Gegend war. Manch ein Taxifahrer wollte mich nicht oder nur ungern dort hinfahren, besonders abends oder nachts. Viele schräge Typen, Underdogs, Kriminelle und Künstler oder die, die sich dafür hielten. Eine eigenwillige Atmosphäre.
kommt das dann wieder zusammen, in eine besondere Form. Dann kann man sagen: Das Individuum kann vor der Geschichte, den politischen Umständen nicht davon laufen. Als direkt Betroffener sieht das natürlich anders aus.
Neben dem – sehr empfehlenswerten – Gedichtband «Arabien Remixed», wo Sie unkonventionell und alltagsnah ihre Eindrücke aus Tanger und Beirut zu Lyrik verdichteten, kam von Ihnen im Jahr 2008 das «Lexikon der Islam-Irrtümer» heraus, das kontrovers aufgenommen wurde. Was haben Sie – in wenigen Sätzen – heute zum Islam zu sagen?
Am 2. Februar moderieren sie in der Roten Fabrik den Anlass «Arabeske der Revolution» mit Salwa Bakr, Lassaad Dkhili und Roland Merk. Wer sind diese Leute?
Dass es eine Religion von vielen ist, die man – ebenso wenig wie jede andere – verteufeln sollte. Problematisch wird es nur, wenn sie als ein alles bestimmendes System einer Gesellschaft gesetzt wird. Gewöhnlich schwindet dann Toleranz und Dissenz ist nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt möglich. Wie immer sich die Religion oder auch eine politische Ideologie nennen mag, eine derartige Entwicklung ist nicht zu akzeptieren.
Momentan arbeiten Sie in Lanzarote an einem Romanprojekt unter dem Titel «Letzte Tage in Beirut», das mit der Frage einsteigt: «Wer am Valentinstag jemanden mit 1000 Kilo-
Frau Bakr ist eine der führenden Autorinnen Ägyptens und Herr Dkhili ist tunesischer Filmemacher. Sie erzählen von ihren Erlebnissen während der Revolutionen und über die Bedeutung digitaler Medien. Roland Merk ist der Herausgeber des Buches «Arabesken der Revolution» und ein erfahrener Kenner der Materie.
gramm Sprengstoff in die Luft jagt, soll man den einen Spassvogel oder einen Zyniker nennen?» Ihre Frau fiel in Beirut beinahe einem Sprengstoffattentat zum Opfer. Inwiefern hat das Ihre Sicht auf diese Problematik verändert?
Im ersten Augenblick bringt es einem die Problematik näher und später wieder weiter weg. Beim Schreiben
Gibt es zeitgenössische Schriftsteller, die Sie schätzen und unseren Lesern nahelegen möchten?
Einzelne Autoren möchte ich nicht empfehlen. Wer etwas besonderes lesen will, sollte sich «Nejma», eine mehrsprachige Literaturzeitschrift aus Tanger besorgen, die bei www.librairiedes-colonnes.com zu haben ist. Kürzlich bekam ich auch den «Drecksack» aus Berlin zu Gesicht, der ebenfalls zu empfehlen ist.
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ROYALER PALAST FÜR DIE UNDERGROUNDSZENE (Text: Carla Peca, Bilder: Regina Mailänder, Carla Peca)
Vor fast zwei Jahren sollte das damals nur noch selten genutzte Kino Royal abgerissen werden, um neuen Parkplätzen zu weichen. Ausgerechnet das Kino Royal, ein Studiokino, welches eine Plattform für unbekannte und nicht kommerziell produzierte Filme bot, ein Gebäude, welches unter Heimatschutz stand. Damals formte sich die IG Royal, die gegen dieses Bauvorhaben vorgehen wollte. Aus einer anfänglichen Protesthaltung entstanden ambitionierte Ideen. Das Team entwarf eine Petition und ein Konzept für eine Zwischennutzung. Innerhalb von 3 Wochen sammelten sie in Baden 4000 Unterschriften. Diese immense Zahl verdanken sie nicht zuletzt ihrem kreativen Engagement. In der bitteren Kälte des Dezembers 2010 verbrachten sie alle ihre freie Zeit draussen, kostümiert als berühmte Filmikonen, in Baden. Zur Übergabe der Unterschriften organisierten sie ein fulminantes Strassenfest vor dem Rathaus. Konfetti, Schminke und Kostüme so weit das Auge reichte. Baden willigte erstaunlich schnell ein und ihr Konzept wurde genehmigt. Für 3 Jahre dürfen sie das ehemalige Kino Royal nutzen, danach wird es wohl doch abgerissen. Ein wenig überrascht von ihrem Erfolg, begannen sie sogleich mit dem Umbau des Kinos. Während dem Umbau schlossen sich nach und nach mehr Leute der Gruppe an. Die Sessel
Frenzy, Tine, Michèle, Jessi & Andi Royal
des Kinos wurden rausgerissen, dafür gab es nun eine Bar, gemütliche Lounge Sessel, alte aufeinandergestapelte Fernseher, ein DJ Pult für Parties. Die Bühne und die Leinwand blieben bestehen. Dies bewerkstelligten sie alles aus eigener Kraft. Von der Stadt Baden erhielten sie einen kleinen finanziellen Zustupf, von welchem sie jedoch so wenig wie möglich benutzen wollten. Die Einrichtung und die Möbel bekamen sie billiger von Sponsoren oder besorgten sie vom Sperrmüll. Die IG Royal ist eine NonProfit-Organisation. Sie bevorzugten es in einem kleinen Rahmen anzufangen,
um so die allgemeinen Ausgaben klein zu halten und das Geld in gute Events investieren zu können. Nicht alle Mitglieder der IG Royal hatten gleich viel Erfahrung im Bereich Marketing und Partymanagement. Dies war für sie jedoch kein Hindernis, sonder verstärkte ihr Engagement. Extra für das neue Projekt im Kino Royal erwarb sich eine von ihnen im Rekordtempo das Wirtepatent. Sie haben bewiesen, dass man mit wenig Geld und viel Kreativität Unglaubliches erreichen kann. Diese Haltung passt auch besser zu dem Filmgenre, welches ausgestrahlt wird.
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Royale Undergroundmovies und Tanznächte Kommerzielle Filme sind ihnen, wegen des Konkurrenzverbotes zum Schutz der anderen Kinos in Baden, verwehrt. Es werden Filme oder Filmprojekte von Künstlern aus der Umgebung gezeigt oder Filme, auf welche noch keine Rechte gehandelt werden. Oft gibt es Anlässe mit einer offenen Leinwand, dort kann jeder seine Filme zeigen. Überhaupt ist die Kinoleinwand eine Bühne für Experimente und bietet eine Plattform für die Film Undergroundszene. Während an Filmfestivals die Filmemacher mit ihren besten Werken versuchen zu beeindrucken, dürfen sie im Royal ihren ersten Filmversuch präsentieren und mit dem Publikum Tipps und Tricks des Filmschaffens diskutieren. Weiter gab es experimentelle Anlässe Richtung Filmimprovisation. Gemeinsam mit dem Elektroduo Pixelpunks organisierten sie einen Anlass, an welchem die Filmemacher vor Ort ihre Laptops aufbauten und zu einem CD-Cover, welches auf die Leinwand projizierte wurde, Filme improvisierten – das ganze wurde von einem DJ musikalisch untermalt. Von Science Fiction, Schwarz-Weiss-Klassiker, Laterna Magicas bis Splätterlitheater findet man im Royal alles. Viele Anlässe verbinden die Medien Film und Musik. Die royale Bühne wird nicht nur für cineastische Darbietungen genutzt sondern auch für Konzerte. Regelmässig
treten fesche Indiebands auf und heizen dem Publikum ein. Jeden Donnerstag findet die Viedeojukebar statt. Wie bei einer Jukebox kann man sein Kleingeld in einen Automaten werfen. Anstelle von Musik wählt man Filme aus, welche dann in 16 altmodischen Fernseher ausgestrahlt werden. Es sind Filme des Archivs des Kino Royals. Auch am Sonntag gibt es einen regelmässigen Stammtisch, an welchem die Bar geöffnet hat. Sonst öffnet das ehemalige Kino Royal seine Tore am Wochenende. Geht und seht selbst was die Undergroundszene des Films zu bieten hat!
Schickt eure Filme! Die IG Royal sammelt Filme für die Videojukebar am Donnerstag. Schickt eure Filme ein und bewundert sie auf den alten Fernseher im Royal. www.royalbaden.ch Bahnhofstrasse 39 5400 Baden royal@royalbaden.ch
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MIT KIRK LE FAB UM DIE WELT Kirk Le Fab wurde als Säugling von einer Müllhalde gerettet. Er wuchs inmitten von Schreibtischlampen und Orchideen auf. Er ist charmant. Die Frauen liegen ihm zu Füssen – oder besser Pfoten? Und er ist ein Weltenbummler. Ich treffe ihn in einem Café. Er ist bereits da, als ich eintrete, vor ihm eine Tasse Tee mit Honig gesüsst. So wie ihn seinesgleichen wohl trinken. (Text und Bilder: Selin Fabel)
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VE
G I D NE
Moustache Magazin: hallo Kirk, schön dich zu sehen. Geht es dir gut?
Kirk Le Fab: Hallo, ja danke der Nachfrage. Ich bin nur noch etwas müde von meiner letzten Reise.
Du warst in Venedig, oder? Genau, für sechs Tage.
Na, wie wars?
Oh, wundervoll. Ich liebe diese Stadt. Eine einzigartige Atmosphäre. All diese Kanäle, Brücken, versteckten Gässchen. Stundenlang bin ich durch dieses Labyrinth gewandert. Und kein Fleck sieht gleich aus. Venedig ist meine absolute Lieblingsstadt.
Was ist denn der allerschönste Ort in Venedig?
Also zuerst einmal ist es grossartig am Morgen von der Sonne geweckt zu werden und zu wissen, dass vor der Haustür ein Paradies liegt, das nur darauf wartet, von dir entdeckt zu werden. Aber mein Lieblingsplatz? Hmm, ich glaube, das ist der Campo San Polo. Mitten im Herzen der Stadt, einer der grössten Plätze, aber nicht von Touristen übersät. Dort gibt es übrigens auch ein hübsches Restaurant mit köstlichem Essen.
Ah, das Essen. War es diesmal besser als in England?
Um Welten! Ich mag zwar nicht so gerne Meeresfrüchte, und das ist eine Spe-
zialität Venedigs, aber die typisch italienische Küche ist unvergleichlich.
Gelati?
Jede Menge. Am liebsten in einer Tasse Kaffee. Das nennt sich dann Caffè affogato, aber Vorsicht bei der Bestellung: Ein Kellner wollte mir den Kaffe mit Kanalwasser servieren (lacht).
Wieso denn das?
Naja, affogato bedeutet ertrunken, oder ertränkt und in Venedig ist dieser Kaffee nicht bekannt. Man muss den Kellnern erst erklären, was es ist. Trotzdem sehr empfehlenswert.
Meine Lieblingsfrage: Wie sieht es mit Shoppen aus?
Kommt drauf an. Es hat im Rialtogebiet eine längere Shoppingmeile mit den typischen Ladenketten, die es bei uns in der Schweiz auch gibt. In den Seitengassen gibt es hingegen mehr zu entdecken. Kleinere, speziellere Shops. Sehr zu empfehlen sind Lederwaren. Ich habe mir eine tolle Tasche gekauft, für einen Spottpreis verglichen mit den Preisen hierzulande.
Wirklich?
Ja, genau. Grundsätzlich gilt aber auch noch das Gesetz: Je weiter weg vom Rialto und der Haupt-Touristenmeile, desto günstiger sind die Waren. Und wenn wir gerade bei den Tipps sind: Du soll-
test unbedingt einmal um fünf Uhr morgens aufstehen und rausgehen, um die Stadt zu erkunden. Um diese Zeit gehört Venedig noch den Einheimischen. Alle Häuser sind noch ruhig, der Markusplatz ist leergefegt – im wahrsten Sinne des Wortes übrigens. Ein paar Putzmänner waren gerade dabei, all den Dreck zu beseitigen, den die Touristen liegen gelassen haben. Eine sehr spezielle Stimmung.
Das schlafende Venedig.
Nein, Venedig schläft wohl nie, aber immerhin liegt es dösend unter einer Bettdecke aus leichtem Bodennebel. (Er trinkt seinen Tee aus.) So, ich muss langsam los.
Noch eine letzte Frage: Wo geht deine nächste Reise hin?
Da bin ich noch nicht ganz sicher. Im Juli auf jeden Fall nach Paris. Eventuell fahre ich im Februar nach Rom. Ich lasse von mir hören.
eite: chsten S ä n r e d ! Auf te Tipps s e b s k r Ki
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KIRKS BESTE TIPPS Burano: Burano ist eine Insel, ca. 40 Bootsminuten von Venedig entfernt und eine Miniaturausgabe meiner Lieblingsstadt. Nur farbiger. Jedes Haus hat eine andere Farbe; man sieht Kombinationen wie giftgrün zwischen orange und pink. Prächtig. Bei einer Erkundungstour unbedingt schon zu Beginn von der Hauptgasse in die Seitengassen abtauchen. San Michele, die Friedhofsinsel: Etwas makaber, aber durchaus sehenswert. Den letzten Vaporetto nicht verpassen! Castello: Zauberhafte Fischeratmosphäre. Niedrige Häuser, als im Rest der Stadt, oft sind sie auch besser erhalten. Ghetto: Das am wenigsten bekannte Viertel Venedigs bietet hübsche Plätze, die zum verweilen einladen. Am Abend herrscht reger Betrieb. Casa Contarini del Bovolo - Das Schneckenhaus: Der Palazzo hat ein lustiges Treppenhaus. Er liegt in der Nähe der Accademia und San Marco.
Häuser in Burano
San Giorgio di Maggiore
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WIR UND DER
SCHMIERENPETERSONNTAG Eine Anleitung, wie man auch den schlimmsten Sonntag übersteht. (Text und Bild: Tim Hunziker)
Wenn einem der Sonntag ins Gesicht gafft und dabei Würgegeräusche hervorbringt, dann heisst das, man sitzt vor dem Computer und schaut sich den schlechtesten Film seit langem an. Mitkriegen tut man davon trotzdem nicht viel, nein, stattdessen fliegen Bilder des Wochenendes im noch ausgetrockneten Steuerorgan Hirn herum und krachen mit lauten und unangenehm glasähnlichen Geklingel an die Schädelwand. War das achte Bier zu viel, hat mich der Bärtige an der Bar tatsächlich versucht anzumachen, wollte Veronika doch nur geschlechtlichen Verkehr mit Manuel oder hat sie sich tatsächlich in die tiefen Strudel des Verliebtseins geworfen und kommt nicht mehr raus, wer hat mir so viele Zigaretten geschnorrt und wohin sind all die süssen kleinen Batzen verschwunden, die jetzt irgendwo in schlechten Händen sind und mir nachweinen? Falls man also diesem üblen Schicksal entgehen will, hier die zehn besten Ideen, den Sonntag ohne Selbstmordgedanken zu überstehen.
1. Etwa s für de n Körper Geflügel tun, wie oder Tira joggen, misu. 2. Sich Geschenk e für jed Feiert ag d e n G e bu es Jahres rt st ag un ausdenke d 3 . N ac h n. Meteorite n a m sich bei E Himmel rfo suchen u nd forschung lg beim Bundesam t für Welt über ihre a N lla m e n informie 4. In de ren. r Starbuc k ss chla u nd d a b e i jedem d nge ein Rad schla gen en hart e fee aus d rkä en zit tern den Händ mpften Kaf5 . Den en reissen N ac h b a . dern erzä rn mit den kreisc h e nd e n K hlen, ihre in A b e nd K Bängel h ling ätten letz ten und dann elstreiche im Qua rtier getä v tig t ma ssnahm ergnüg t ein paar Bestrafun en vorsch gsla g e n. 6 . Sich einen mö g lichen Tu «Blue» v rneraben on Eif fel dtanz 65 ausde Mitbewo n ke n u nd z u hnern be ibringen. de n 7. Sich Schnäuze an jeglic Körpers m he Stelle alen. n des 8 . Mit Mehl un d Vollroh die Haup rzucker tstrasse st reuen und Figuren auf ganzen V deswegen erkehr üb er Rütlisb de n 9. An d ü h l umlenke ie Schule n. o d e r Arbeit d zen beko e n ke n , d a mme n , d s Kotie Koffer nen La st p a c ke n u Minute-F nd eilug nach erwische Transsylv n. anien 10. Nach drei Pac kungen F elenden Ü o nd u e belkeit gle ich wiede und einer h e n u nd in den M r ins Bett ontag du gerchschlafe n.
Und falls nichts davon helfen sollte, kannst du dir beim Wachsen deines eigenen Schnauzes zusehen. Das hilft immer.
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JUDITHS PFLICHTFILMTIPP-ARCHIV
Kennst du den? Den arroganten Schleimscheisser von der Arbeit, der ständig von Filmen spricht und so tut als wüsste nur er was läuft? Oder den süssen Typen, der dich ins Kino eingeladen hat, du aber keine Ahnung hast was er sich mit dir ansehen will? Oder den Kassierer an der Kinokasse, der dich verwirrt und abschätzig zugleich ansieht, während du ihm mit wirren Worten zu erklären versuchst, für welchen Film du ein Ticket möchtest? Falls dir eine oder mehrere dieser Situationen bekannt vorkommt, oder du dir einfach nur mal wieder einen guten Tipp für den nächsten Filmabend suchst, heisse ich dich herzlich Willkommen in meinem Pflichtfilmtipp-Archiv. Du bist hier goldrichtig!
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DIESES MAL: ONE FLEW OVER THE CUCKOO'S NEST EINER FLOG ÜBER DAS KUCKUCKSNEST (1975)
Liebe Leser, heute ein Filmerlebnis, das unter die Haut geht. Aber so richtig. (Bild: www.thatfilmguy.co.uk)
Dieser Film hat damals bei den Oscarverleihungen fünf Oscars abgestaubt (Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch nach literarischer Vorlage, Bester Hauptdarsteller und Beste Hauptdarstellerin) und hat Jack Nicholsons (ja, das ist dieser schräge Typ mit dem Teufelsgrinsen) Stand in der Riege der Super-Schauspieler Hollywoods gefestigt. Nur schon darum hat der Film das Prädikat «Muss-man-dringendstgesehen-haben» verdient. Er basiert übrigens auf einem Roman mit gleichnamigem Titel. «Cuckoo» bedeutet in amerikanischer Umgangssprache «verrückt», daher auch das Wortspiel mit «Cuckoo‘s Nest». So, und jetzt wisst ihr schon das Wichtigste über den neusten Pflichtfilmtipp und einer ordentlichen Prahlerei mit eurem Wahnsinns-Filmwissen steht nichts mehr im Wege.
Inhalt
Randall Patrick McMurphy wurde wegen Verführung einer Minderjährigen verurteilt. Um einer Haftstrafe zu entgehen, lässt er sich in eine psychiatrische Antstalt einliefern. Was in seinen Augen eine angenehme Alternative zum harten Gefängnisalltag sein soll, entpuppt sich jedoch recht schnell als das noch schlimmere Übel: Die machtbesessene und kaltherzige Oberschwester Ratched stellt ihre Patienten radikal mit Medikamenten und Elektroschocks ruhig und unterbindet damit jede freie Gefühlsregung. McMurphy, dem dieses menschenverachtende System überhaupt nicht passt, beginnt mit einer ganz eigenen Rebellion gegen die strenge Herrschaft der Oberschwester. Damit macht er sich zwar Freunde bei den Mitpatienten, doch für Ratched wird er immer
mehr zum Problem das mit allen Mitteln ruhig gestellt werden muss.
Darsteller
Jack Nicholson (Randall Patrick McMurphy), Louise Fletcher (Mildred Ratched), Danny DeVito (Martini, Mitinsasse), Christopher Lloyd (Taber, Mitinsasse) (das ist der verrückte Doc der «Zurück-indie-Zukunft-Film-Reihe», Will Sampson (Hauptling Chief Bromden, Mitinsasse).
Regisseur
Milos Forman
Drehbuch
Bo Goldman, Lawrence Hauben
Mein Kommentar
Die perfekte Mischung zwischen lachen, weinen und geschockt-sein. Jack Nicholson spielt in diesem Drama seine Rolle mit solcher Perfektion, dass sie unter die Haut geht und der Film – noch lange nachdem der Fernseher ausgeschaltet wurde – nachhallt.
Dazu passt
Schokolade, Beruhigungstee oder Schnaps (je nachdem was die Nerven am besten beruhigt).
McMurphy‘s mehr oder weniger verrückte Mitinsassen
Humor: Anspruch: Action: Erotik:
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FILMTIPPS: JAPAN'S FANTASIEVOGEL VON SION SONO (Text und Bilder: Selin Aktekin)
Dass die Japaner nicht ganz alle Tassen im Schrank haben, wissen wir seit die Splatterfilme vom fernen Inselstaat hierzulande zum wahren Kult heranwuchsen. Aber es müssen nicht gleich Blut und Kettensägen mitspielen, um einen zu fesseln. Können aber. Über Regisseur Sion Sono wird nicht wenig diskutiert. Die derben Handlungen und
blutigen Bilder mal beiseite gelassen überraschen die Geschichten mit der hübsch und surreal verpackten Darstellung der archetypischen Intrigen der menschlichen Natur. Eine Eigenart bei Sono ist, dass bei aller Ernsthaftigkeit des Schicksals der Figuren der Humor als wesentlicher Bestandteil bestehen bleibt. Seine Filme sind verspielt,
obwohl die Geschichten wegen der Kompromisslosigkeit und der Brutalität schockieren. Überall schwingt ein leicht sarkastischer Unterton mit. Von seinen Fans ehrenvoll mit dem japanischem Kultregisseur Takashi Miike verglichen, ist Sion Sono ein Name, den man sich merken sollte. Folgende Filme empfehle ich euch.
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«Love Exposure»
Man nehme einen Pfarrerssohn, gebe ihm eine Kamera in die Hand und bringe ihm die «hohe Kunst der Perversen» bei. Ein skurriler Film, in dem Pfarrerssohn Yu immer schlimmere Sünden begeht, um bei seinem Vater täglich Beichten zu können. Doch seine Absichten sind alles andere als böse. Die Sünden begeht er, weil sein depressiver Vater ihn jeden Tag zum Beichten zwingt. Damit er ihn nicht mehr mit erfundenen Sünden anlügen muss, wird er schliesslich zum meisterhaften Voyeur. Mit einer Kamera bewaffnet und akrobatischen Einlagen zielt er unter die Röcke von japanischen Schulmädchen. Trotzdem interessiert er sich eigentlich nur für ein Mädchen allein: seine Maria. Bis er die gefunden hat, bekommt der 17 Jährige Yu nämlich keine Erektion. Doch stellt es sich als schwierig heraus, als er ihr eines Tages begegnet: Er ist nämlich gerade als Frau verkleidet, weil er die Wette um das beste Höschenfoto verlor und sie wird von Anhängern der Zero Sekte angegriffen, die jedem in der Ortschaft eine Hirnwäsche unterzieht, damit sie ihr beitreten. Wahre Liebe, Gottesfurcht, Ehre, Sekten, Porno, Explosionen, Geisteskrankheit, dieser Film hat einfach alles. Tipp: Stellt reichlich Proviant bereit und geht vorher aufs Klo. Der Film geht über 4 Stunden und ihr werdet keine Lust haben, auf Pause zu drücken.
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«hair Extensions»
Im Hafen von Tokyo machen ein paar Nachtaufseher einen eigenartigen Fund: Eine Schar Container, die bis zum Rand gefüllt sind mit menschlichem Haar, zusammen mit einer Leiche eines Mädchens mit rasiertem Haupt. Kurz darauf liegt sie auf dem Obduktionstisch. Schnell wird klar,
dass sie ein Opfer von illegalen Organhändlern war. Der Nachtwächter Yamazaki bemerkt eine Eigenart: Ihr wachsen noch immer Haare und zwar im Sekundentakt und aus allen Narben und Körperöffnungen. Yamazaki, selber ein Haarfetischist ist angetan vom festen und seidigen Haar und nimmt sie mit nach Hause.
Hair Extensions sind der letzte Schrei in Japan. Als der inzwischen völlig abgedrehte, schrill bekleidete Yamazaki ihr hochwertiges Haar als Extentions an die Coiffeursalons verkauft, nimmt niemand an, dass sie von einer Toten stammen und welches Verhängnis denen lauert, die diese Extensions tragen werden. Abgedrehter, haariger Horrorstreifen.
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«Strange Circus»
Ein Zirkus, ein Dröhnen, ein Alptraum oder doch die Realität? Die Grundschülerin Mitsuko weiss, dass sie geboren wurde, um zu sterben. Immer wieder steckte sie ihr Vater, der Schuldirektion Ozawa Gozo, in einen Cellokoffer, indem sie durch Gucklöcher ihren Eltern beim Sex zusehen musste. Als ihr Vater sie zum ersten Mal vergewaltigt, ist für sie dieser Moment der Anfang vom Ende. Die Mutter ertappt ihn dabei und bricht zusammen. Doch anstatt ihre Tochter zu beschützen wird sie eifersüchtig und misshandelt das Mädchen. Mitsuko flüchtet dabei immer in ihre Welt, dem Strange Circus und versucht sich einzureden eine harmonische Beziehung zur Mutter zu haben. Eines Tages fällt Sayuri, als sie einmal wieder Mitsuko misshandeln will, von der Treppe. Es scheint, als wäre Mitsuko gestorben. Das kleine Mädchen nimmt den Platz der Mutter ein. Mitsuko wird zu Sayuri, die Frau an Ozawa's Seite. Der Film entpuppt sich plötzlich als ein Roman von Taeko, einer Schriftstellerin im Rollstuhl, die erfolgreiche Erotikromane schreibt. Eines Tages, als sie einen neuen, schüchternen Assistenten erhält, macht es dieser sich zur Aufgabe mehr über die mysteriöse Taeko herauszufinden und lüftet schlussendlich das Geheimnis das sie beide verbindet.
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«Suicide Club»
Suicide Club besteht aus 2 Filmen: dem eigentlichem «Suicide Club» und «Noriko's Dinner Table», also nicht verwirren lassen. Die Filme sind beide auf Laserzone.ch zu finden, oder auf dem Videoportal Stagevu.com im Originalton und englischen Untertiteln (einfach den Namen des Films mit Stagevu auf Google suchen). 54 Schüler werfen sich in Tokyo Hand in Hand vor die U-Bahn. Darauf folgen viele andere Suizide in ganz Japan, die scheinbar keinen Zusammenhang haben. Die japanische Polizei sieht dem Treiben hilflos zu und versucht sich eine Erklärung für die vielen Selbstmorde zusammenzureimen. Jedoch finden sie nur einen Anhaltspunkt: Jedes Mal wird eine weisse Sporttasche zurückgelassen, in der sich eine Rolle aus identisch grossen, sauber geschnittenen und zusammengenähten Hautfetzen besteht. Drei Detektive nehmen den Fall an und bekommen kurz darauf einen Anruf von einer Hackerin mit dem Decknamen «The Bat«. Diese vermutet eine Verbindung zu den Selbstmorden mit einer Website, die nichts anderes als rote und weisse Punkte zeigt. Diese passen zu der Anzahl Frauen und Männer, die sich umbrachten. Der Film verliess einen bleibenden Eindruck auf vielen Filmfes-
tivals rund um die Welt und wuchs zum regelrechten Kult an.
«Noriko's Dinner Table»
Wenn man nach «Suicide Club» gar nicht wirklich verstanden hat, um was es wirklich geht ist das ganz normal. Hier die Fortsetzung und der Blick hinter die Kulissen vom «Suicide Circle». Noriko lebt mit ihrer stillen Familie in der idyllischen Kleinstadt Toyokawa. Ihr Vater, ein Journalist der örtlichen Zeitung, auch die Mutter oder die kleine Schwester nehmen nicht wahr, wie Noriko sich immer fremder fühlt. Sie findet Zuflucht im Internet und loggt sich regelmässig in ein Forum ein,wo sie sich mit anderen Mädchen austauscht. Eines Tages, während einem Stromausfall entschliesst sie sich nach Tokyo davonzulaufen. Als sie ankommt, loggt sie sich ein und kontaktiert die Leaderin der Website, Ueno54. Sie treffen sich bei der Ueno Station beim Schliessfach Nummer 54. Es stellt sich heraus, dass sich hinter dem Namen eine junge Frau namens Kumiko verbirgt. Kumiko stellt sie ihrer Familie vor. Noriko merkt den extremen Unterschied zwischen ihrer und Kumikos Familie. Diese ist nämlich ist so fröhlich und lebendig, dass sie auch am liebsten ein Teil dieser Familie wäre. Später führt Kumiko sie in ihre Arbeit ein. In Wahrheit war ihre Familie auch
bloss ein Auftrag ihrer Organisation, bei der einsame Personen ein Szenario nach ihrem Wunsch bestellen dürfen. Ob eine glückliche Familie, rebellierende Töchter oder eine verhasste Geliebte. Sie schlüpfen in ihre Rollen und stellen die Kunden zufrieden, bis die Zeit um ist. Kumiko nimmt Noriko mit zur Bahnstation als die 54 Mädchen sich vor die U-Bahn werfen. Sie erklärt, dass sie glücklich in ihrer Rolle sterben. Als Yuko, Noriko's kleine Schwester vom Vorfall mit den 54 Suiziden erfährt rennt sie auch davon und reist nach Tokyo, in der Annahme, dass ihre Schwester darin verwickelt sein könnte. Die verzweifelte Mutter der beiden begeht Selbstmord. Ihr Vater gibt darauf seine Arbeit auf und macht sich daran, das Rätsel des Suicide Clubs und des Verschwinden seiner beiden Töchter zu lösen. Als er sie findet, haben sie aber alles von ihrer Vergangenheit vergessen. Ein komplizierter und atemberaubender Thriller.
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REBEL GIRLS AND RIOT TWIRLS Anfang der Neunziger verschafft sich im Osten der USA eine Gruppe lauter Mädchen Zugang zur Männerdomäne Punk. Sie stürmen die Bühnen, rufen auf zur Girl Revolution, sind obszön, lärmig, unrasiert. Und provozieren einen der wichtigsten Kickstarts in der Geschichte des amerikanischen Feminismus: weg von den Universitäten, rein in den Moshpit. (Text und Bilder: Naomi Gregoris)
«Eat my used tampon, fuckers!»
1992 fliegt an einem Musikfestival in England ein benutzter Tampon durch die Luft, zielsicher in die verdutzte Menge. Donita Sparks hat gesprochen. Riot Grrrl has arrived. Es ist die Zeit des Punks in Amerika. Lärmende Jungs stolpern auf Bühnen herum und vertonen die Depressionen der Generation X. Mädchen sind in der Szene so gut wie gar nicht vorhanden. Mit gutem Grund: Anstelle der «Second Wave», einer amerikanischen Bewegung die ab den späten Sechzigern bis in die frühen Neunziger für eine Gleichstellung von Mann und Frau vor dem amerikanischen Gesetz gekämpft hatte, ist ein Postfeminismus getreten, der die Wichtigkeit feministischer Anliegen nach «getaner Arbeit» negiert. Das «verjährte Frauenideal», sprich Achselhaare, Promiskuität, Schlagzeugspielen und all das andere Kampflesbenzeug der Siebzigerjahre, ist vorbei, erlebt und erreicht. Was jetzt kommt ist die Selbstentfaltung der Frau: Familie und Karriere im Sekretariat. Im beschaulichen Städtchen Olympia in Washington sieht die Welt jedoch anders aus: Unbeeindruckt von den leeren Parolen ihrer männlichen Punkvertreter und langweiligen Leben der Vorstadthausfrauen fangen immer mehr Mädchen an, sich aktiv mit einer feministischen Ausrichtung der Pun
Das Riot Grrrl Manifest von Kathleen Hanna war Inspiration für unzählige weitere Pamphlete. Hier eines von Molly Neuman und Allison Wolfe aus dem Zine Riot Grrrl.
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kideologie auseinanderzusetzen und dem Männerdiktat der Punkszene den Kampf anzusagen. Die Bands heissen Bratmobile und Bikini Kill, die Bewegung Riot Grrrl, der Schlachtruf Revolution Girl Style Now!
In her talk I hear the revolutions
Bikini Kill ist die Band der Stunde. Kathleen Hanna und ihre Mädels zeigen «wie man Jahrhunderte weisser Vorherrschaft auslöscht, Songs schreibt über den Zusammenhang zwischen Klasse und Geschlecht, und Songs über Sex, die mich nicht gleich wie ein Mädel in engem ZZ-Top-Dress aussehen
lassen.» Zur gleichen Zeit stürmen Molly Neuman und Allison Wolfe alias Bratmobile in Oregon von Party zu Party wo sie den anwesenden Hippies Salt'n'Pepa Lieder vorschreien und mit Bierdosen um sich werfen. In ihrer freien Zeit verteilen sie auf Konzerten und Parties selbst gebastelte Fanzines, die sie im Büro von Mollys Vater zusammenkleben und fotokopieren. Hier entsteht auch der Name Riot Grrrl, als phonetischer Witz eigentlich, aber dann doch zu cool um fallengelassen zu werden. Bei einem ihrer regelmässigen Ausflüge ins nahe gelegene Punkmekka Olympia treffen Bratmobile auf Bikini Kill, es werden Konzerte und Frauentreffen organisiert und das erste Riot Grrrl Manifest geschrieben. Das ist der Startschuss für die Bewegung, hunderte von Mädchen schliessen sich an, sind dabei bei einer Neuschreibung von Punkmusik und einem feministischen Aktivismus, der auf kultureller Ebene agiert und weit über die üblichen Demonstrationsformen hinausgeht.
«BECAuSE I believe with my wholeheartmindbody that girls constitute a revolutionary soul force that can, and will change the world for real.» Die Undergroundbewegung bleibt nicht lange unbemerkt. 1992 berichtet mit LA Weekly erstmals die Mainstream-Presse über das Phänomen Riot Grrrl. Die Medienberichtserstattung
Bikini Kill wächst von da an zunehmend und mit jedem Artikel wird Riot Grrrl mehr zu einer Mode trivialisiert und als Männerhasskultur und schlechtes Musikgenre verschrien. Weil die meisten Vertreterinnen der Bewegung nicht am Kontakt mit der Presse interessiert sind, schreibt diese sensationalistische Berichte, die von wütenden Emanzen ohne Musikgehör handeln. Was zur Folge hat, dass sich die Bewegung immer mehr verbreitet aber die ursprünglich Beteiligten sich vom Begriff «Riot Grrrl» distanzieren, da dieser nicht mehr für die gleiche Sache steht. Ende Neunziger ist Riot-Grrrl-Geschichte. Was öffentlich übrig bleibt in Sachen Emanzipation im Musikbusiness ist das kommerzialisierte «Girl Power!» der Spice Girls welches Mädchen das Selbstbewusstsein gegeben hat, ihr Geld für Popschrott auszugeben.
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Klar, das Klischee der weissen Mittelschicht-Emanze, die in dröge produzierter Kunst ihre Klitoris glorifiziert, bietet sich an. Und stimmt auch irgendwie. Die Musik ist nicht wahnsinnig gut, die Texte fast schon pubertär, die Musikerinnen gelangweilte Studienabbrecherinnen aus weissen Vorstädten. Aber Kurt Cobain konnte auch nicht singen. Und Riot Grrrl ist nicht in erster Linie da um Musikgeschichte zu schreiben. Es geht darum, jungen Mädchen ein Selbstbewusstsein zu geben, ihnen zu zeigen, dass man als Frau nicht den postfeministischen Weg gehen muss.
You're cool and I hardly wanna say «not» because I'm so bored
Die Aussichten für Riot Grrrls sehen nicht schlecht aus: Die Neunziger sind hoch im Kurs, Tavi Gevinson baut in ihrem Mädchenblog Virgin Suicides Schreine, es werden karierte Flanellhemde und Doc Martens getragen. Wie damals. Nur sind die Docs jetzt aus Lack und kosten 120 Franken das Paar. Und Tavi trägt Lanvin, kombiniert mit Schuhen der Grossmutter. Im musikalischen Bereich passiert Ähnliches. Die selbsternannten Feministinnen haben den Popolymp und die Boulevardpresse erreicht. Beth Ditto modelt für Karl Lagerfeld und Lady Gaga bezeichnet ihre Kleidung als feministisches Statement. Riot Grrrl scheint
im Mainstream angekommen zu sein 20 Jahre nach der lauten Welle sind die Ideale der Bewegung in der Kleiderabteilung angelangt, auf dem Wühltisch konsumfreudiger Grossstadtgirlies. Bleiben die, die auch ohne Fummel den Riot-Grrrl-Spirit ausleben. Frauen wie Kathleen Hanna (jetzt bei Le Tigre), Tracey Emin oder Miranda July (die damals in Washington mit blondiertem Afro rumhing und Kurzfilme drehte) verzichten auf geschwätziges Mediengetue und vertreten einen Feminismus, der weiter geht als bis zum nächsten
Paparazzi. Und sind dabei erst noch gut angezogen. Nicht auszulassen Michèle Roten, deren neues Buch übrigens unbedingt von allen sofort gelesen werden muss. Es hat sich viel verändert. Den Tampon braucht niemand mehr zu werfen. Wütend muss auch nicht mehr sein. Aber Riot Grrrl lebt weiter, als feministische Überzeugung, Philosophie und Ansporn für junge Mädchen, sich eine eigene Sprache zu verschaffen. Mit oder ohne Achselhaare.
RIOT GRRL KULTURKONSERVE BANDS DAMALS
Bikini Kill Rebel Girl Bratmobile Make me Miss America Voodoo Queens Supermodels Superficial Heavens to Betsy White Girl Growing Up Skipper Abby Sister George Janey’s Block Sleater-Kinney Turn it On
BANDS hEuTE
Le Tigre Chicks on Speed Vivian Girls
FILME
Don't need you: The Herstory of Riot Grrrl (2006) Ladies and Gentlemen, the Fabulous Stains (1982) Ghostworld (2001)
BüChER
«Riot Grrrl Revisited: Geschichte und Gegenwart einer feministischen Bewegung» (von Katja Peglow/Jonas Engelmann, Herausgeber) «Indestructible» (von Cristy C. Road) «Pussy, King of the Pirates» (von Kathy Acker) «Godspeed» (von Lynn Breedlove)
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Wassermann
Steinbock 22.12.– 20.01.
21.01.–19.02.
Nicht immer Trübsal blasen, schlechte Gedanken sind schlecht für den Teint. Also einen Apfel essen und fröhlich pfeifen – hebt die Laune.
Ist zur Zeit am Baden im Gefühlsmeer. Also lass die Schwimmflügeli liegen und tauch’ unter, es lohnt sich.
Fische
Widder
20.02.– 20.03.
21.03.– 20.04.
Der Widder fühlt sich zur Zeit vielleicht ein wenig müde, und hat das Gefühl, dass alle nur Streit suchen. Die Devise lautet: sich zurückziehen und ein gutes Essen geniessen.
Die Geburtskinder des Monates habens zur Zeit nicht ganz einfach, aber was mag so ein Fischlein schon aus der Ruhe bringen. Also hinlegen und Träumen!
Zwilling
Stier
21.04.– 20.05.
21.05.– 21.06.
Immer wieder mal was neues ausprobieren, sei es bei Essen, bei der Mode, aber nicht übertreiben und damit das Budget nicht zu sehr strapazieren.
Zur Zeit lacht das Glück im Spiel, allerdings weniger in der Liebe… Vielleicht mal ins Kasino gehen?
Löwe
Krebs
22.06.– 22.07.
23.07.– 23.08.
Bitte nicht zu viele Osterhasen (die es nun leider schon überall zu kaufen gibt..) essen oder Bier trinken, Genuss ist gut, aber nur mit Mass.
Gesundheitlich geht es nun wieder bergauf, und auch im Gefühlsleben scheint der Frühling zu winken.
Waage
Jungfrau 24.08.– 23.09.
24.09.– 23.10
Die Jungfrau strotzt vor Energie, was ihre Mitmenschen nicht immer richtig verstehen. Also einen Gang runter schalten, sonst kanns schon mal Streit geben.
Ist zur Zeit dauernd auf Futtersuche, also Vorsicht, sonst passen dann die Badeklamotten nicht mehr, wenn der Sommer kommt.
Skorpion
Schütze
24.10.– 22.11.
23.11.– 21.12.
Immer mit erhobenem Zeigefinger die anderen massregeln kommt nicht gut an. Besser Hilfe anbieten, wo sie auch gebraucht wird.
Zeit für eine Märchenstunde? Schöne alte Erinnerungen locken erzählt zu werden, oder vielleicht gar ein Buch schreiben?
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IMPRESSUM REDAKTION Chefredakteurin: Miriam Suter Vanja Kadic LAYOUT Sara Suter Corinne Leuthard, Jasmine Varadi FOTOGRAFIE & WEBSEITE Oliver Fabel, Sara Suter DRUCK Heller Media AG, Muri
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FREIE MITARBEITER Judith Erdin, Julian Stäuble, Marlen Meier
EIN GROSSES DANKE DIESMAL AN Selin Aktekin, Carla Peca, Selin Fabel, Franziska Monnerat, Pablo Haller, Naomi Gregoris
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COME FLY WITH ME!
mit Julian Stäuble
zum Brotkorb
Herzlich willkommen an Board. Seit September bin ich als Trolley Dolly quer durch Europa unterwegs und sammle dabei allerhand Eindrücke, die ich nicht für mich behalten möchte. Von nun an werde ich an dieser Stelle von meinen Erlebnissen auf 12 000 Metern über Meer und andere Anekdoten aus dem Leben einer Saftschubse erzählen.
Für viele ist es kaum vorstellbar, was in diesen Kabinen alles vorfallen kann, welche unsichtbaren Aufgaben dieser Beruf beinhaltet oder wie so ein Arbeitstag vom Aufstehen bis zum Einschlafen verläuft. Menschen aller Kulturen, jeden Alters und jeder sozialen Klasse sind für einige Stunden eingepfercht auf engstem Raum, bei 5% Luftfeuchtigkeit, irgendwo zwischen A und B – ein Flugzeug wird zum Krankenhaus, zur Moschee, zum Spielplatz, oder auch mal zum Konzertsaal, und somit wird ein Flight Attendant zum Polizist, Psychologe, Dolmetscher oder zur Krankenschwester. Jeder Flug bekommt seinen ganz eigenen Charakter, geprägt von der Destination, der Tageszeit, der Stimmung in der Besatzung, dem Passagierprofil und dem Flugverlauf. Blickt man zum Beispiel früh morgens beim Boarding in einen Flieger nach Hannover oder Frankfurt, sieht man 200 von Laptopbildschirmen erleuchtete, in Anzügen gekleidete Männer. Ist dieser Flug verspätet, werden diese 200 Gesichter rot und grimmig und jeder Mensch in Uniform lebt gefährlich beim Gang durch die Kabine. Beim Boarding am Samstagabend in Palma de Mallorca ist der Geruch von Strohhüten und Bier unverkennbar. Ist dieser Flug verspätet, wird gesungen und halt noch ein Bier getrunken. Wiederum hat man auf einem Nachmittagsflug von Nizza hauptsächlich Taschenhündchen und Boutique-Taschen an Board, deren
mit Botox vollgepumpten Besitzerinnen sich hinter Sonnenbrillen verstecken. Ein Passagier auf einem Flug nach Pristina fragt gerne mal, wo seine Frau scheissen könne, wohingegen die feine Dame, die in Wien einsteigt, nach jedem Schluck Champagner den Lippenstift nachzieht. Den Verlauf eines jeden dieser Flüge kann man als Besatzung jedoch immer ein grosses Stück beeinflussen, was bei solch festgefahrenen Stereotypen überraschen mag. Und nein, es ist nicht das Dauerlächeln. Aber mehr davon ein andermal. Deutsche bestellen immer zwei Getränke, die Russen betrinken sich masslos, Inder fragen auch bei Croissants, ob diese vegetarisch sind, Chinesen haben alle ihren eigenen Tee dabei und Italiener sprechen italienisch, egal welche Sprache ihr Gegenüber spricht. Alles Klischees? Alle zu meinem Erstaunen bereits mehrfach bestätigt, teils in amüsanten Situationen. Und auch zu den Klischees über Cabin und Cockpit Crew hab ich einiges zu sagen. Ich freue mich also, von diesem faszinierenden Beruf, bei dem man mehr in Hotelbetten als im eigenen Bett schläft, mal um 03.00 Uhr, mal um 14.00 Uhr aufsteht oder schlafen geht, keine Wochentage und Feiertage kennt und doch jeden Tag die Sonne sieht, erzählen zu dürfen. In diesem Sinne: Please fasten your seat belt, we're ready for take-off!
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ner be in ei a g s u A uns! hsten der n채c en. Wir freuen b a s n e rig cht wird 체b Ausfl체gen beri n a i l u J r inen iebe Unser l olumne von se K eigenen