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„COVID-Erreger ‚auf kleiner Flamme‘ halten“

Prof. Dr. Stephan Ludwig | Virologe am Institut für Virologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

Im Interview erläutert der Virologe, wie es mit der Pandemie weitergehen kann, welche erfreulichen Fortschritte seine Forschung an der Entwicklung eines COVID-19-Medikaments gemacht haben und weshalb sich auch jüngere Menschen mit einer Impfung gegen das Long COVID-Syndrom schützen sollten.

Die Corona-Lage hat sich im Vergleich zum letzten Interview, das wir im Sommer 2020 geführt haben, glücklicherweise zum Positiven gewendet. Welchem Umstand haben wir diese erfreuliche Entwicklung hauptsächlich zu verdanken?

„Diese erfreuliche Entwicklung hat wohl viele Gründe und ist nicht auf eine einzige Sache zurückzuführen. Hierzu gehören natürlich die umfangreichen Teststrategien und auch die zunehmende Durchimpfung. Auch haben sich wohl die Bürger bis auf einige Ausnahmen doch bis zum Schluss sehr akkurat an die strikten Auflagen gehalten. Ein weiterer Faktor ist aber wahrscheinlich auch der Sommer mit wärmeren Temperaturen und höherer Sonneneinstrahlung, was dazu führt, dass wir uns seltener mit anderen Personen in geschlossenen Räumen aufhalten.“

Wie, denken Sie, wird es weitergehen mit der Pandemie – in Deutschland und weltweit?

„Die beschleunigende Wirkung des Herbsts und die Entspannung im Frühjahr zeigen, dass das Virus eine hohe Saisonalität hat. Die Aktivität ist also im Herbst und Winter größer. Daher ist zu erwarten, dass wir in der kühleren Jahreszeit ab Herbst wieder zunehmende Infektionszahlen bekommen. Wie stark eine solche Welle ausfällt, hängt von

sehr vielen Faktoren ab, insbesondere der Durchimpfung der Bevölkerung und des Auftretens neuer Varianten, die weniger sensitiv gegen die Impfstoffe sind. Wir werden also noch eine ganze Zeit mit diesem Erreger zu tun haben, hoffentlich aber nur ,auf kleiner Flamme‘.“

Werden wir die Krankheitserreger jemals ganz ausrotten können?

Ich gehe davon aus, dass „Diese gerade in den fünfziger Jahren wir in diesem und im des letzten Jahrhunderts propagierte Hoffnung, dass man alle Krankheitsernächsten Jahr noch ein reger ausrotten kann, müssen wir leibis zwei Nachimpfungen der nach allem was wir heute wissen, zerstören. Vielleicht funktioniert das haben werden. für manche Erreger wie Pocken- oder Polio-Viren, aber bei weitem nicht für alle Pathogene. Zwei Drittel aller viralen Erreger kommen aus der Tierwelt und springen von dort auf Menschen über. Dort ist also ein riesiger ,Nachschub‘ vorhanden, den wir unmöglich komplett eliminieren können.“

Glauben Sie, dass eine Maskenpflicht, das Abstandhalten und Hygienemaßnahmen wie Händedesinfektion vor dem Besuch eines Geschäftes, einer Praxis usw. dauerhaft von Vorteil wären?

„Es wäre gut, wenn wir einige dieser Maßnahmen auch in der Nach-Corona Zeit beibehalten könnten, da sich ja auch

ein erfreulich positiver Effekt auf andere Infektionskrankheiten gezeigt hat. Grippe- und Norovirus-Infektionen oder auch ganz normale Erkältungskrankheiten waren während der Hygienemaßnahmen fast nicht mehr nachweisbar. Dies sollte doch ein Ansporn für alle sein, auf freiwilliger Basis auch nach COVID-19 diese Hygienemaßnahmen beizubehalten. Dann wird man seltener krank.“

Welchen Einfluss haben die letzten Monate auf Ihre Forschungen gehabt? Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?

„Das letzte Jahr war extrem turbulent und arbeitsreich, aber auch sehr erfolgreich. Wir konnten unsere Forschungen tatsächlich so weit vorantreiben, dass wir einen Wirkstoff-Kandidaten gegen SARS-CoV-2 identifiziert haben, der sich auch schon in klinischen Studien in hospitalisierten COVID-19 Patienten befindet. Wenn alles positiv verläuft, könnten wir bereits Anfang des nächsten Jahres ein Medikament haben, das man bei Patienten einsetzen kann. Das wäre dann insgesamt eine Entwicklung mit Turboantrieb gewesen.“ der Impfung bei weitem überwiegt. Hinsichtlich Spätfolgen würde ich mir viel mehr über Spätfolgen einer Infektion Sorgen machen und mich gerade deshalb impfen lassen.“

Können Sie den Begriff ‚Long COVID‘ erklären und darstellen, wie relevant dieses Phänomen für uns alle – von Jung bis Alt – ist?

„Das als ,Long COVID‘ zusammengefasste Krankheitsbild ist ein noch sehr unklares und wenig untersuchtes Phänomen, das allerdings besorgniserregend ist. Es geht insbesondere mit einem lang andauernden Schwächegefühl einher und kann Atemwege, das Herz-Kreislauf-System, Muskelapparat, Nervensystem und auch den Stoffwechsel betreffen. Der Körper spielt also regelrecht verrückt, auch lange nach der Infektion. Das Mysteriöse ist, dass es auch Personen betreffen kann, die nicht schwer erkrankt waren. Das Phänomen ist sehr häufig und tritt in verschiedensten Ausprägungen bei 10 bis 20 Prozent aller Infizierten auf. Aus diesem Grunde sollte man unbedingt vermeiden, sich zu infizieren und deshalb ist die Impfung so wichtig.“

Bei „Long COVID“ spielt der Körper regelrecht verrückt – auch bei Personen, die nicht schwer erkrankt waren.

Das ist sehr erfreulich! Wird uns darüber hinaus ein regelmäßiges Impfen erhalten bleiben?

„Dies kommt insbesondere darauf an, wie schnell sich neue Varianten verbreiten, die weniger sensitiv gegen den Impfstoff sind. Ich gehe davon aus, dass wir in diesem und im nächsten Jahr noch ein bis zwei Nachimpfungen haben werden. Eventuell wird uns die SARS-CoV-2 Impfung auch, ähnlich wie die Grippeimpfung, auf Dauer erhalten bleiben.“

Rechnen Sie persönlich mit Nebenwirkungen, Spätfolgen, auch noch so geringen, durch die Impfungen?

„Impfungen sind immer ein medizinischer Eingriff mit gewissen Risiken. Alle Untersuchungen bis jetzt haben aber gezeigt, dass die zurzeit verwendeten Impfstoffe sehr sicher sind. Die aufgetretenen Nebenwirkungen sind bisher extrem selten und aufgrund dieser Ergebnisse ist eigentlich auch nicht mit Spätfolgen zu rechnen. Der Schutzeffekt für den Einzelnen, durch Impfung gegen eine schwere Erkrankung geschützt zu sein, ist als sehr viel höher und wichtiger einzuschätzen, sodass dies die minimalen Risiken

Prof. Dr. Stephan Ludwig

ist Leiter des Instituts für Virologie der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster und des Universitätsklinikums Münster. Er und sein Team erforschen, wie Viren in eine Zelle gelangen, sich vermehren und dadurch ganze Organismen krankmachen. Sein Wunsch ist es, dass sich aus seinen grundlegenden Ergebnissen neue Therapien gegen Viruserkrankungen wie die Influenza oder das COVID-19-Virus entwickeln lassen.

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