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thema fährlich. Zum Beispiel in der Neunten von Mahler: Da stirbt man ja jedes Mal auch ein bisschen. Früher hatte ich sogar bei der Ersten von Brahms Angst, nicht jedes Mal noch etwas weiter, tiefer gehen zu können, noch etwas mehr zu sagen. Mit der Zeit aber stellt sich auch Vertrautheit ein: Wir haben diese Reise schon einmal gemacht. Ich kann einen
Jonathan Nott: Ich hoffe, nicht zu fett. Die Sänger sollen durchkommen. Sie sollen auch keine Angst haben, denn ein Orchester im Rücken kann schon bedrohlicher wirken, als wenn es im Graben sitzt. Ich möchte einen deutschen Orchesterklang mit Tiefe und innerem Feuer, nicht zu brillant, auch kräftig, aber nicht einfach laut, sondern gefüllt.
«Wagner war sehr begabt und hatte Mut.» Eimer eintauchen in diesen See aus Ideen und Emotionen und kann vertrauen, dass ich doch auch wieder Wesentliches darin finden kann. Einfach wieder finden, was schon da ist. Nicht immer neu schöpfen müssen. So ändern sich die Perspektiven im Leben.
M&T: Was ist eigentlich so schwierig am Wagner-Gesang? Die Sprache? Jonathan Nott: Es gibt einen Inhalt, wir müssen ihn textlich, farblich, musikdramatisch verkaufen. Wagners Stabreime sind nicht ganz einfach für die Sänger, man hat es in anderen Werken bestimmt leichter. Aber sie geben auch Form und Klang, eine Kraft, die mir auch wieder gefällt. Vielleicht, weil ich selber versucht habe zu singen, bin ich sensibel gegenüber dem Text. M&T: Wagner verlangt sechs Harfen im «Rheingold». Machen Sie das mit? Jonathan Nott: Es sind sogar sieben, eine im Off. Ja, das machen wir. Wo wir nicht ganz mithalten, sind die 24 Ambosse. Aber wir haben immerhin zwölf. Ich will, dass man diesen Effekt sehen kann, dass man das visuelle Element des Musikmachens auch hat, dass man sieht, wie viel menschliche Muskelkraft es braucht, dieses Stück auf die Bühne zu bringen.
Bild: Priska Ketterer
M&T: Wie wird Ihr Luzerner «Ring» klanglich werden?
Es gibt Aussagekraft durch Klang, die nicht kommt, wenn man strahlt und prahlt. In unseren Wagner-Konzerten hatten wir bisher keine grossen Probleme mit der Balance, aber es hängt auch immer davon ab, wie die Sänger sich gerade fühlen und ihre Rollen gestalten. Der singende Mensch hat eine beeindruckende Urkraft, und wenn es keine Kostüme und keine Regie gibt, hinter
der sich ein Sänger verstecken kann, dann kann er eine eigene Welt erschaffen wie im Liedgesang.
Skizze zu «Siegfried» im Wagner-Museum Tribschen
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