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artists Martin Grubinger ist «Artiste étoile» beim Lucerne Festival
Grenzen überwinden Der Salzburger Schlagzeuger Martin Grubinger hat sich in die vordersten Ränge seiner Gilde getrommelt, geprasselt, gerattert, gewispert, geschwirrt. Schwierig, das geeignete Verb für das Spiel des gerade mal dreissig Jahre jungen Musikers zu finden. Geschweige denn die Namen aller Instrumente aufzuzählen, die er mit stupender Virtuosität zum Klingen bringt. Bruno Rauch (Text) und Priska Ketterer (Bilder) M&T: In unserem letzten Interview outeten Sie sich als Fussballfan und – bei einem Menschen mit ausgesprochenem Rhythmusgefühl doch einigermassen erstaunlich – als Nichttänzer. Hat sich daran etwas geändert? Martin Grubinger: Fussball ist geblieben – FC Bayern München! In unserem neuen Haus habe ich sogar ein kleines Fussballfeld mit Kunstrasen, wo wir schon mal gegen die Hagens oder den Rachlin kicken – die Streicher sind durchaus ernst zu nehmende Gegner…! Und ach, das Tanzen hab ich redlich versucht, bin sogar in die Tanzschule gegangen, aber weit davon entfernt zu sagen, ich könne es tatsächlich. Andere Sportarten – wie Rad, Ski, Langlauf – pflege ich jedoch leidenschaftlich. M&T: Sie sind inzwischen verheiratet mit der Pianistin Ferzan Önder und haben auch ein Kind … Martin Grubinger: So ist es – a Bua, den zweieinhalbjährigen Noah Can. Er hat schon seine eigenen Schlegel und trommelt leidenschaftlich. Wir hoffen, dass er sich auch mal fürs Klavier begeistern wird, aber zurzeit hat bei ihm das Schlagzeug absolute Priorität! M&T: Da wird er bei Papas Instrumentensammlung ja auch nicht lange suchen müssen. Wie viele Schlaginstrumente haben Sie denn – sind sie noch zählen? Martin Grubinger: Gute Frage – ich kann nur schätzen. Es dürften so zwischen fünfhundert und sechshundert sein. Sie stammen aus den unterschiedlichsten Kulturen – von der brasilianischen Surdo über die afrikanische Batá bis zur japanischen Taiko Drum. Dazu Vibrafone, Marimbafone, Xylofone, Pauken, Gongs und, und, und … Dennoch be-
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gegne ich immer wieder Instrumenten, die ich zuvor noch nicht gekannt habe. Unlängst ist mir das im Baskenland mit einer Txalaparta passiert (ein Satz von Klanghölzern, die über einem Baumstamm gespannt sind, die Red.) Man hat speziell zwei Jungs geholt, um mir das vorzuführen, worauf ich es natürlich unbedingt selber ausprobieren musste. Das Faszinierende am Schlagwerk ist: Es gibt immer wieder Neues zu entdecken! M&T: Lassen Sie mitunter auch Instrumente bauen, die es noch gar nicht gibt, um eine bestimmte Klangvorstellung zu realisieren? Martin Grubinger: Das geschieht sogar recht oft. Ich habe mir beispielsweise Trommeln unterschiedlicher Grösse in
ren. Das wiederholt man Hunderte Male und beschleunigt stetig, bis man das vom Komponisten gewünschte Tempo erreicht… M&T: … das durch eine Metronom-Angabe vorgegeben ist? Martin Grubinger: In der Regel, mitunter ganz präzis, ja. Manche Komponisten lassen jedoch etwas mehr Spielraum. Wir Perkussionisten haben kaum eine Unterstützung durch die Melodik oder die Harmonie. Deshalb muss der Rhythmus intellektuell, aber auch motorisch eingespeichert werden. M&T: Friedrich Cerha hat 2009 ein Konzert für Sie geschrieben hat, das es in sich hat.
«Der Rhythmus muss intellektuell, aber auch motorisch eingespeichert werden.» sogenannter Fassbauweise bauen lassen. Ich bin überzeugt, dass der Klang differenzierter und sauberer ist als auf Trommelkörpern, die durch Erhitzung geformt wurden. Meine Spezialanfertigungen weichen bezüglich Bauart oder Dimension oft vom Standard ab. M&T: Wie übt man eigentlich ein Stück für Schlagzeug, mit oft sehr komplexen Rhythmen, ein? Muss man das langsam angehen, um dann das Tempo zu steigern? Martin Grubinger: Genau so ! Man nimmt sich zwei, drei Takte vor, beginnt in Slowmotion die Bewegung zu trainie-
Martin Grubinger: Das kann man mit Fug und Recht sagen. Ich habe gut und gern zwei Jahre daran gearbeitet und kam mehrmals an den Punkt, wo ich dachte, das wird nichts. Aber dann stachelt einen doch der Ehrgeiz an. Zudem ist Cerha für mich ein Teil der österreichischen Musikgeschichte – von ihm ein Konzert gewidmet zu bekommen, ist Ehre und Auftrag zugleich. Im 3. Satz beispielsweise, einem eruptiven Scherzando, gibt es eine Stelle, die ist das Schwierigste, was ich je gespielt habe: Minutenlange rasante Quintolen-Läufe am Xylofon, die nicht nur technisch
17.07.13 15:08