Musik & Theater Special LAC Lugano 2016

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SPE C IA L E D IT IO N L AC L u g a n o Ar te e C u l tu r a

SEPTEmbEr 2016

thema Michel Gagnon: LAC als Vision

architektur Luganos kultureller Kraftakt

musik Julia Fischer, Artist in Residence Charles Dutoit dirigiert Strawinsky OSI: Aufbruch zu neuen Zielen

theater&tanz Carmelo Rifici, Vulkan voller Ideen

kunst «…einen lustvollen Diskurs zu entwickeln»


Welche Farbe hat Engagement?

Staunend im Museum stehen – diese Momente erweitern den Blick. Deshalb pflegen wir seit Jahren enge Partnerschaften mit Kunstinstitutionen in der ganzen Schweiz. Die Credit Suisse unterstßtzt das MASILugano und auch das Kulturzentrum LAC Lugano Arte e Cultura als Hauptpartner.

credit-suisse.com/sponsoring


editorial

Liebe Leserin, lieber Leser Kunst ist wunderbar, ein spektakuläres Kulturzentrum ebenfalls. Doch was bedeuten eine noch so spektakuläre Architektur, ein Konzertsaal mit einer noch so filigran durchhörbaren Akustik oder grandiose Ausstellungsräume ohne Publikum, zumal ohne ein waches und aufgeschlossenes Publikum? Egal, ob in einer Grossstadt oder fernab der metropolen. Auch Lugano hatte sich dieser Frage mit seinem neuen Kulturzentrum LAC zu stellen. Erwartungen wie Ambitionen waren von allem Anfang an hoch gesteckt, und dem Projekt flog im Vorfeld seiner realisierung beileibe nicht nur begeisterung zu. Doch das ganze Leitungsteam, unter michel Gagnon mit den Direktoren der einzelnen Kunstsparten, setzte alles auf einen erfolgreichen Auftakt, auf eine Eröffnung für alle. Denn allen soll dieses neue Kulturzentrum offenstehen, nicht bloss einem engen Zirkel elitärer Habitués. Und das Vorhaben gelang, rund 55 000 besucherinnen und besucher strömten zu den verschiedenen Veranstaltungen der Eröffnungswochen herbei. Lugano und der Tessin hiessen ihren neuen kulturellen Hotspot willkommen. Ein Jahr später startet das LAC mit gestärktem Selbstbewusstsein und viel Elan in seine zweite Spielzeit. Ich freue mich, Ihnen mit dieser Special Edition von «musik & Theater» etwas von diesem kulturellen Aufbruch zu vermitteln, der diese auch architektonisch offenen und transparenten räume durchweht. Könnte es einen schöneren Anreiz als das neue LAC geben, wieder einmal den Süden der Schweiz zu besuchen? Sei es für eine grosse Ausstellung wie über den Farbkünstler Signac, sei es für einen poetischen Abend der Compagnia Finzi Pasca, oder für ein Konzert, in welchem Julia Fischer als Geigerin und als Pianistin auftritt? Das Angebot steht. Ebenso wie die Gastfreundschaft sowie der überall erlebbare Enthusiasmus aller LAC-beteiligten. Herzlich, Ihr

Andrea meuli

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LAC Lugano: Spotlight auf die neue Saison Slow Dancing eine Videoinstallation von David Michalek 20. September – 9. Oktober 2016 luganolac.ch


inhalt

Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

thema michel Gagnon: LAC als Vision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Vermittlung als Anliegen – LAC edu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

architektur LAC-Direktor Michel Gagnon erläutert, weshalb er das Kulturzentrum nicht nur als ein kulturelles, sondern auch als ein gesellschaftliches Projekt sieht.

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Luganos kultureller Kraftakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

musik Etienne reymond: «Ich bin zuversichtlich…» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Kunst soll uns auf individuelle Erfahrungsreisen mitnehmen: Marco Franciolli bespielt die neuen Museumsräume mit neuen Ideen und Projekten.

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Julia Fischer: «…sagt doch alles, oder?» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Charles Dutoit: «Lärmig ist immer zu viel» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Aufbruch zu neuen Zielen – das OSI im LAC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Denise Fedeli: «…unser eigenständiges Profil zu schärfen» . . . . . . . . . . . 26 markus Poschner: «Vieles kann man jetzt neu erfinden» . . . . . . . . . . . . . . 29

theater&tanz Carmelo rifici – ein Vulkan voller Ideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Etienne Reymond über neue Perspektiven für das Musikleben Luganos mit dem neuen Konzertsaal.

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Die deutsche Geigerin Julia Fischer ist Artist in Residence der Saison 2016/17. Und tritt dabei auch als Pianistin auf. Das Gespräch.

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kunst «…einen lustvollen Diskurs zu entwickeln». . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Carmelo Rifici sucht am LAC eine eigenständige Tessiner Theaterund Tanzszene zu etablieren.

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Titelfoto: Priska Ketterer

Das Kulturzentrum LAC als neue Attraktion zwischen Stadtzentrum und See.

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Markus Poschner und das Orchestra della Svizzera italiana haben den neuen Saal erprobt und verleihen ihm als Residenzensemble ein Gesicht.

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thema Michel Gagnon über seine Idee eines ebenso spektakulären wie offenen Kulturzentrums

LAC als Vision Der Kanadier Michel Gagnon ist ein vielseitiger Kulturmanager. In Montreal setzte er in der Oper wie in den Grands Ballets Canadiens oder als Programming Director der Place des Arts kreative Akzente. Nun ist er gefordert, mit LAC Lugano Arte e Cultura ein ambitiöses Kulturzentrum zu etablieren. Zur Eröffnung kamen 55 000 Besucher, und die erste Saison bestätigte diesen Erfolg. Andrea Meuli (Text) & Priska Ketterer (Bilder) Michel Gagnon: «Ich denke, der Erfolg des LAC hat vor allem zwei Gründe. Erstens ist die Qualität unserer Programme und Ausstellungen sehr hoch. Ebenso wichtig scheint mir, dass wir mit dem LAC ein kulturelles Zentrum für die Bevölkerung des Tessins bekommen haben». M&T: Sie blicken auf eine Spielzeit am neuen LAC zurück. Ist diese so gelaufen, wie Sie es sich gewünscht haben? Michel Gagnon: Es ist so gelaufen, wie ich es erwartet hatte. Ich denke, der Er­ folg des LAC hat vor allem zwei Gründe. Erstens ist die Qualität unserer Program­ me und Ausstellungen sehr hoch. Eben­ so wichtig scheint mir, dass wir mit dem LAC ein kulturelles Zentrum für die Bevölkerung des Tessins bekommen ha­ ben, das aber auch nördlich der Alpen und in Italien auf Interesse stösst. Wir hatten die Eröffnung als ein klares Sig­ nal für die Zukunft programmiert. Und weil wir mit der dreiwöchigen Eröffnung so erfolgreich waren, konnte die gan­ ze Saison darauf aufbauen. Wir bieten unserem Publikum ein hochstehendes Programm von internationalem Rang und wollen gleichzeitig auch den Künst­ lern der Region Raum geben. Die Com­ pagnia Finzi Pasca unterstreicht diesen Anspruch: Sie ist eng mit der Region verbunden, da ihre Begründer Tessiner sind, Daniele Finzi Pasca kommt aus Lu­ gano selber, doch bekannt sind sie in der ganzen Welt. M&T: Ist das auch der Weg, auf dem Sie programmatisch weiterzugehen beabsichtigen?

Michel Gagnon: Ich glaube an ein künst­ lerisches Zentrum, das enge Bezüge zu seinem Ort und seiner Umgebung aufnimmt und pflegt. Um diese Vision anzugehen und sie umzusetzen bin ich hergekommen. M&T: Hatten Sie in Montreal vergleichbare Aufbauarbeit zu leisten? Michel Gagnon: In Montreal war es umgekehrt. Dort war ich verantwort­ lich für eine Ballettkompagnie oder für ein Opernhaus. Die Place des Arts ist ein grosses Kulturzentrum, wo jede einzelne Sparte einen grossartigen Job macht. Al­ les funktionierte bestens, die Oper, das Orchester, das Theater. M&T: Aber jede Sparte nur auf sich selbst bezogen… Michel Gagnon: Genau. Dass das in Luga­ no anders laufen soll, hat mich am Pro­ jekt LAC interessiert. Alle Abteilungen müssen ihr eigenes Gesicht entwickeln, dennoch ist das Projekt ein gemeinsames! Deshalb treffen wir uns alle drei Wochen zu einem künstlerischen Meeting, um zu verstehen, was eine Programmierung für dieses spartenübergreifende Zentrum leisten kann und soll. Gelingt dies nicht, wären wir nur ein etwas attraktiverer Palazzo dei Congressi. Das ist mir sehr wichtig.

M&T: Wie schwierig ist es, diese Ziele, diese Gemeinsamkeiten den spezialisierten Leitern der einzelnen Institute oder Abteilungen zu vermitteln? Michel Gagnon: Wir alle glauben daran, dass wir nur gemeinsam das Projekt LAC entwickeln können. Und dass wir nur so gut sein können, wie das Zentrum für jede einzelne Sparte ist. Nehmen wir das als Ausgangslage, müssen wir uns daran machen, ganz spezifische, für diesen Ort und dieses Zentrum stimmige künstle­ rische Projekte zu entwickeln. Nur so können wir nach innen wie nach aussen erfolgreich sein. M&T: Können Sie uns ein Beispiel geben? Michel Gagnon: Jeden Sonntagmor­ gen um elf Uhr veranstalten wir in der Halle ein Event, umsonst. Wir präsen­ tieren beispielsweise Studenten des Conservatorio della Svizzera italiana. Einige Stühle, Kissen auf dem Boden, alle sind eingeladen, Familien, Studen­ ten. Man kann zuhören, tanzen – kein Problem. Die Idee ist sehr gut aufge­ nommen worden, alle sind glücklich mit dieser freien Form. Man trifft da­ bei junge Künstler, und gleichzeitig wird diesen eine Auftrittsmöglichkeit geboten, bei der sie ein waches, neu­ gieriges Publikum erreichen. Diese


thema lockeren Begegnungen von fünfzig Minuten in der grossen Halle des LAC funktionieren.

M&T: Ist Kulturvermittlung hier in der Schweiz schwieriger als in Kanada? Michel Gagnon: Ich denke nicht.

M&T: Für viele Besucher wird dies ihre erste Begegnung mit dem neuen Zentrum sein, die Lust auf mehr wecken kann… Michel Gagnon: Genau das beabsichti­ gen wir, dass jemand so erstmals zu uns kommt, sich dann vielleicht im Book­ shop verliert oder das Museum entdeckt. Diese Neugier versuchen wir zu wecken, und unsere Projekte danach auszurich­ ten. LAC ist neu und bietet so viele ver­ schiedene Räume – inhaltlich wie archi­ tektonisch.

M&T: Beziehen Sie als selbst produzierende Institution auch Artists in Residence in Ihre Programmation ein? Michel Gagnon: Ja, wir möchten nicht nur als Spielort wahrgenommen werden, sondern uns auch als Produzenten pro­ filieren. Wir haben diesen Sommer mit der Compagnia Finzi Pasca, die weltweit bekannt ist, begonnen. Dieses Ensemble stammt einerseits aus Lugano – und aus Montreal, woher ich sie kenne. Da lag es nahe sie einzuladen, bei uns im LAC

«LAC ist nicht nur ein kulturelles, sondern auch ein gesellschaftliches Projekt» M&T: Sind Sie zufrieden nach dem ersten Jahr? Michel Gagnon: Als ich die Aufgabe hier vor zwei Jahren annahm, gab es viele Diskussionen darüber, ob wir von einem breiten Publikum akzeptiert würden, ob es uns gelingen würde, mit unseren Ideen genügend Leute zu begeistern. Wir hatten ja durchaus auch Gegner! Es war eine grosse Herausforderung! Mei­ ne Haltung war immer, zunächst die Er­ öffnung zu planen – und danach weiter zu sehen. Die Eröffnung kam, und wir luden alle ein, mit uns zu feiern. Und als wir die Tore erstmals öffneten, strömten die Leute in Scharen herbei. Wir hatten 55 000 Besucher – in Lugano! Ich bin überzeugt davon, das die Leute in Luga­ no und im Tessin spätestens mit der Er­ öffnung vermittelt bekamen, dass LAC ihr Ort sei. Das war der Beginn einer Er­ folgsgeschichte. M&T: Was war die wichtigste Voraussetzung dafür, dass dies auf Anhieb gelingen konnte? Michel Gagnon: Abgesehen von der ausserordentlichen Qualität der künst­ lerischen Darbietungen ist es uns gelun­ gen, das Gefühl zu vermitteln, für alle da zu sein. Von allem Anfang an wollten wir einladend sein, kein abgeschottetes Zentrum für eine kleine Schicht. Es gibt die grossen Konzerte, die grossen Aus­ stellungen, wichtige Tanz Companies treten auf – aber LAC ist mehr. Es ist nicht nur ein kulturelles, sondern auch ein gesellschaftliches Projekt. Daher steckten wir auch sehr viel Energie in LAC edu, ein Projekt der Kunstvermitt­ liung, nicht nur für die Schulen. Son­ dern ebenso für Erwachsene und ganze Familien.

während acht Wochen eine neue Show einzustudieren, die dann hier im Herbst Premiere hat, bevor sie in die Welt hin­ aus zieht. M&T: In welche künstlerische Richtung geht die Arbeit dieser Truppe? Michel Gagnon: Es ist ein poetischer, theatralischer Zirkus. M&T: Wie wollen Sie den Erfolg des LAC über die Attraktivität des Neuen hinaus wach halten? Michel Gagnon: Alle unsere Vorstellun­ gen sind ganz oder annährend ausver­ kauft, auch das Museum hat eine sehr erfreuliche Resonanz gefunden. Natür­ lich müssen wir nun an einem eigenstän­ digen Profil und Marketing arbeiten, um das Interesse am LAC wachzuhalten. Dazu gehört, dass jede der einzelnen Sparten ein attraktives Programm be­ reithält; ebenso wollen wir jede Saison mit einem grossen gemeinsamen Event beginnen.

Symbol verstanden werden. Daher hel­ fen die offenen, transparenten Räume ein Kunstverständnis zu vermitteln, dass Kunst für jedermann zugänglich ist. Vor allem gilt das für die öffentlichen Berei­ che des LAC, in denen alle Aktivitäten möglich sind. So werde ich im Herbst darin ein DJ­Setting mit elektronischer Musik veranstalten, um auch die Jungen zu uns zu bringen. M&T: Sie denken spartenübergreifend. Ist auch das eine programmatische Philosophie des neuen Zentrums? Michel Gagnon: Wenn Sie die zeitge­ nössische Kunstszene betrachten, fällt Ihnen auf, dass sich die einzelnen Dis­ ziplinen mehr und mehr vermischen. Tanz ist auch visuelle Kunst, Zirkus ist Theater – und so weiter. Wir haben mit dem LAC wunderbare Voraussetzungen dafür, dies zu leben: Wir haben das Mu­ seum mit seinen offenen Strukturen, wir haben den Konzertsaal, der gleich­ zeitig für Musik, Tanz und Theater offen steht. Das ist die Vision dieses Kultur­ zentrums. Und das war meine Motivati­ on hierher zu kommen! M&T: Dafür kann auch Ihr Projekt zur Eröffnung der neuen Saison stehen: «Slow Dancing». Michel Gagnon: Der amerikanische Künst­ ler David Michalek hat fünfzig Tänzerin­ nen und Tänzer – die besten der Welt, von Pina Bausch oder Trisha Brown bis Wu Hsing­Kuo – gefilmt. Auf eine ganz besondere Weise, mit einer Kamera, die eine Bewegung von drei Sekunden auf fünf Minuten ausdehnt. Diese ganz unterschiedlichen Bewegungen werden simultan auf drei nebeneinander plat­ zierte Grossleinwände an die Museums­ fassade projiziert. Nicht nur Unterschiede zwischen Tanzsprachen, sondern zwi­ schen den verschiedenen Kulturen wer­ den so in immer neuen Konstellationen und in höchster Auflösung sichtbar. Das bringt die Idee LAC zum Sprechen: Das ist Kino, das ist visuelle Kunst, das ist Tanz. ■

M&T: Die permanente Eröffnung sozusagen… Michel Gagnon: (Lachend) …ja, das klingt gut! Während dreier Wochen sind wir draussen präsent, alles ohne Eintrittskar­ te, und alle sind willkommen. Ein Kultur­ zentrum als autonome Insel wird heute in keiner Metropole der Welt funktio­ nieren. Und so wollen auch wir ein Ort sein, an den man gerne kommt, und sei es nur, um einen Kaffee zu trinken. M&T: Hilft Ihnen die Architektur des LAC, dies zu erreichen? Michel Gagnon: Auf jeden Fall. Nehmen Sie nur die grosse Halle – alles ist trans­ parent, alles lädt ein. Das muss als ein

Michel Gagnon im Gespräch mit Daniele Finzi Pasca.

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architektur

LAC Lugano Arte e Cultura – ein Kulturzentrum als neue Attraktion Luganos zwischen Altstadt und See

Luganos kultureller Kraftakt Nach einer jahrzehntelangen Planungs- und Baugeschichte öffnete im letzten Jahr das Kulturzentrum LAC in Lugano seine Türen. Der Neubau von Ivano Gianola ist städtebaulich gelungen, wenn er auch im Detail zuweilen etwas überinstrumentiert erscheinen mag – als ob uns der Architekt zu viele Geschichten erzählen wollte. Werner Huber (Text) & Priska Ketterer (Bilder)


architektur men mit dem Altbau auf drei Seiten die neue Piazza fasst. Das einstige Grand­Hôtel «Palace», der Ausgangspunkt der ganzen Planung, hat mit den kulturellen Aktivitäten des LAC eigentlich nichts mehr zu tun. 2004 hatte die Stadt die «Palace»­Ruine für 20 Millionen Franken an einen privaten Investor verkauft, der die beiden Fassa­ den renovierte und mit einem Neubau mit dreissig Luxuswohnungen sowie ein paar Geschäften hinterfüllte. Nun sehen die beiden historischen Fassaden aus wie das Gesicht einer gelifteten, zu stark geschminkten älteren Dame. Immerhin sind dank Gianolas Konzept die beiden Höfe gelungen, und die einstigen Klos­ tergebäude wurden von dritten Archi­ tekten sorgfältig saniert.

Die Halle als Herz

Das Kulturzentrum LAC Lugano Arte e Cultura steht an einer städtebaulichen Schlüsselstelle am Endpunkt des alten Lugano. Vorne liegt der See mit dem Monte Brè, links ragt die Fassade des einstigen Hotels Palace empor, und rechts lädt unter einem mächtigen Ge­ bäudeflügel eine offene Bar zu einem Drink im Freien. Welch ein Wandel! Bis vor Kurzem endete Luganos edle Ein­ kaufsstrasse Via Nassa nämlich unvermit­ telt an der jahrzehntealten «Palace»­Ru­ ine und mündete in die stark befahrene Uferstrasse. Die Hotelruine war gleicher­ massen ein Zeuge des einstigen Glanzes der Tourismusdestination wie ein Sym­ bol für die Verwerfungen auf dem Im­ mobilienmarkt und die Verstrickungen der Tessiner Politik. Jetzt ist aus dem einstigen Schandfleck ein Ort entstan­

den, der zu einem weiteren Salone der Luganesi werden könnte. Im Jahr 2000 hatte die Stadt einen Architekturwettbewerb ausgeschrieben, zwei Jahre später stand fest, dass Archi­ tekt Ivano Gianola seinen Entwurf reali­ sieren soll. In den Grundzügen hat seine Komposition aus drei L­förmigen Bau­ teilen die Zeiten unbeschadet überstan­ den. Ausgangspunkt sind die mit einem Neubau hinterfüllten «Palace»­Fassaden. Die historische Kirche Santa Maria degli Angioli und ein ehemaliges Klosterge­ bäude bilden ein weiteres L, das in den Hof des einstigen Hotels greift und den früheren Klosterhof umschliesst. An die­ ses in seiner Struktur bereits vorhande­ ne Ensemble legte Gianola den grossen, ebenfalls L­förmigen Neubau mit dem Theater und dem Museum, der zusam­

Der zentrale Platz des LAC ist von der Uferstrasse durch ein paar Stufen ab­ gesetzt. An seiner Rückseite bildet die mehrgeschossige gläserne Eingangs­ front eine Membrane, die den Platz ins Innere des Gebäudes leitet. Eine 390 Quadratmeter grosse Halle empfängt die Besucher und erschliesst als Dreh­ und Angelpunkt die einzelnen Teile des Kulturzentrums. Im Erdgeschoss liegen der Empfang und die Garderobe, und von hier aus gelangen die Besucherin­ nen und Besucher auch in das Foyer des Kunstmuseums. Den Weg durch die grosse Halle hat Ivano Gianola als Pro­ menade architecturale inszeniert. Auf einer flach geneigten Treppe schreitet man nach oben und lässt dabei den Blick in die Halle und auf den See schweifen. Im Zwischengeschoss liegt eine der drei Bars, ein Stock höher die als Theaterfo­ yer dienende «Agorà», die sich an der Rückseite zum Park öffnet. Von dieser Ebene aus ist das Parkett des Theater­ und Konzertsaals erschlossen. Eine wei­ tere, etwas steilere und zurückhalten­ der inszenierte Treppe führt ins zweite Obergeschoss zu den Balkonplätzen.

Der Saal ist ein Schrein

Der Theater­ und Konzertsaal ist voll­ ständig mit Birnbaumholz ausgekleidet und setzt so einen Kontrast zu den har­ ten Materialien der Halle. Um sowohl für Konzerte als auch für Oper­, Tanz­ und Theateraufführungen gute Bedin­ gungen zu schaffen, lässt sich der Saal anpassen: Bei Konzerten schliesst eine mehrteilige Akustikmuschel die Bühne ab, bei Opernaufführungen weichen die ersten vier Sitzreihen einem Orchester­ graben. Der trapezförmige, hinten etwas breitere Grundriss des Saals überspielt die perspektivische Wahrnehmung und lässt das Publikum scheinbar näher an die Akteure rücken.

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architektur Ebenso wichtig wie die Beziehung vom Publikum zur Bühne waren dem Architekten die Querbezüge im Thea­ tersaal. Dafür spannte er zwischen den seitlichen Zugangstüren breite Gänge auf, damit sich die eher schmalen Er­

die 1990er­Jahre zurückversetzt, als die Lust zu vielfältigen Formen und Mate­ rialien aufblühte, bevor sie von der ein­ fachen «Schweizer Kiste» verdrängt wur­ de. Manchmal gibt es aber auf dem Weg vom Groben ins Detail und zurück auch

«Eine breite Palette virtuos kombinierter Materialien und Farben sind typisch für Gianolas Bauten» schliessungskorridore auf beiden Sei­ ten des Saals mit dem Innern zu einem räumlichen Kontinuum verbinden, das wiederum zum Wandeln, zum Sehen und Gesehenwerden einlädt. Die 1000 Sitzpolster liess Ivano Gi­ naola mit einem schwarzen Stoff bezie­ hen. Damit machte er eine Reminiszenz an die einst übliche rote Sitzbespannung – jedoch mit umgekehrtem Vorzeichen: Früher sei das Theater­ und Konzertpu­ blikum meist schwarz gekleidet gewesen, wodurch im besetzten Saal der dunkle Stoff vorherrschte. Heute sei das um­ gekehrt, die Mode sei selbst beim The­ aterbesuch farbiger geworden, und so zeige eben der leere Saal den schwarzen Zustand, wie der Architekt augenzwin­ kernd erläutert.

Präzise Gestaltung

Der 72­jährige Ivano Gianola ist ein präzise denkender Architekt, der sei­ ne Bauten sorgfältig bis ins letzte De­ tail gestaltet. Er arbeitet auf mehreren Massstabsebenen gleichzeitig und sucht für jede Stelle eines Projekts eine mass­ geschneiderte Lösung. Vom Groben ins Detail – und zurück. Eine breite Palette virtuos kombinierter Materialien und Farben sind deshalb typisch für Gianolas Bauten. Dies zeigt sich beim LAC an der sorgfältig austarierten Komposition aus Kulturzentrum und «Palace»­Block, die einen grossen öffentlichen Raum und – zusammen mit Kirche und Kreuzgang – intimere Höfe bilden. Es zeigt sich aber auch in der präzisen Gestaltung der De­ tails am Theater­ und Konzertsaal. Die­ ser ist nicht nur eine Hülle für die Dar­ bietungen, er ist auch eine Bühne für das Publikum, das hier unmittelbar mit der Architektur in Berührung kommt. Entsprechend elaboriert sind die Details wie Türgriffe oder Handläufe gestaltet. Damit fühlt man sich bei einem Rundgang durch das LAC manchmal in

Lücken, und man hat den Eindruck, dass uns der Architekt vielleicht zu viele Geschichten erzählen wollte.

Eine Hülle mit spektakulärem Ausblick

Das MASI Lugano, das Museo d‘arte del­ la Svizzera italiana, in dem das Museo Cantonale d’Arte und das Museo d’Arte della Città di Lugano vereinigt sind, hat Gianola zurückhaltender gestaltet. Das Museum funktioniert unabhängig vom

Theater­ und Konzertsaal, ist über die grosse Halle dennoch mit ihm verbun­ den. Es umfasst im Untergeschoss und in zwei Obergeschossen drei Ausstellungs­ säle, die den Kuratorinnen und Kurato­ ren geradezu paradiesische Verhältnisse bieten, sind es doch die ersten Säle Luga­ nos, die für diesen Zweck gebaut wurden. Die beiden oberirdischen Säle hat der Architekt als neutrale weisse Hülle gestaltet, die sich mit Zwischenwänden frei unterteilen lassen. An den Stirnsei­ ten stellen breite Fensterfronten den Bezug zur Umgebung her: Aus dem un­ teren Saal blickt man zum Monte Brè, aus dem oberen Saal geht der Blick nach Süden zum Monte San Salvatore. Dieser Raum erhält durch quadratische Ober­ lichter reichlich Tageslicht. Um das LAC nach dem ersten An­ sturm dauerhaft in der Kulturwelt zu etablieren, sind beträchtliche Anstren­ gungen nötig. Gelingt dies, dann hat Lugano mit dem LAC die Chance, sich zwischen Nord und Süd, zwischen Zü­ rich (oder Luzern) und Mailand als kul­ tureller Brennpunkt zu etablieren. ■ Werner Huber ist Redaktor der Architekturzeitschrift «Hochparterre»

Von der Renaissance bis ins 21. Jahrhundert 1499–1515: 1529: 1848: 1852–1855: 1903: 1903–1937: 1905: 1913: 1969: 1980:

1986: 1990: 1993: 1993: 1994: 2000: 2000: 2001: 2002: 2004: 2004:

Bau der Kirche Santa Maria degli Angioli. Da-Vinci-Schüler Bernardino Luini gestaltet das Fresko in der Kirche. Das Franziskanerkloster wird geschlossen. Bau des Hotels «du Parc». Aufstockung des Hotels um zwei Geschosse, Neueröffnung als «Grand Hôtel Palace». Prozess der Kirche gegen die Besitzer des «Palace» wegen Bauschäden im Zusammenhang mit der Hotelerweiterung. Bau der Treppe Gradinata degli Angioli nördlich der Kirche. Betriebsaufnahme des Funicolare degli Angioli. Aufgabe des Hotelbetriebs, da sich die Erben nicht über die Zukunft des Hauses einigen konnten. Der schillernde Unternehmer Giorgio Gianola ersteigert das «Palace» für 12,6 Millionen Franken, geht jedoch bald Konkurs. Die Immobiliengesellschaft des Neuenburgers Patric Wavre übernimmt die Liegenschaft. Betriebseinstellung des Funicolare degli Angioli. Das «Palace» geht vom konkursiten Wavre an den Financier Mario Pec. Insgesamt dreimal bricht im Hotel Feuer aus, wobei der 2. Brand vom 30. Januar grosse Schäden anrichtet. Die Schweizerische Kreditanstalt übernimmt den Hotelkomplex in einem Konkursverfahren für 54 Mio. Franken. Die Stadt Lugano kauft die Liegenschaft für 30 Mio. Franken. Sie will ein Fünf-Sterne-Hotel und ein Grand-Jeux-Casino bauen. In einer Volksabstimmung votieren die Luganesi für den Erhalt der «Palace»-Fassaden. Wettbewerbsausschreibung für ein Kultur- und Wohnzentrum mit insgesamt 122 eingereichten Projekte; Juryvorsitz: Mario Botta. Vier Tessiner Büros (Tito Carloni, Ivano Gianola, Michele Arnaboldi und Sebastiano Gibilisco) können ihr Projekt weiterbearbeiten. Ivano Gianola steht als Wettbewerbsgewinner fest, die Stadt vergibt den Auftrag. Die Stadt Lugano verkauft die «Palace»-Ruine für 20 Mio. Franken an die Brüder Mantegazza. Für den Bau des Kulturzentrums bewilligt die Stadt den grössten Kredit ihrer Geschichte: 210 Mio. Franken.


architektur

Das Museum mit der Palace-Fassade

Die Piazza zwischen Zentrum und See

Die Halle von aussen

Der ehemalige Kreuzgang

Innenhof-Ansicht

Der Blick nach aussen

Bühnentechnik im grossen Saal

Der Saal in Birnbaumholz

Das LAC-Logo als Leuchtschrift

Vielfach gebrochene Innenansicht

Museumsräume mit Ausblick

Expressive Treppenläufe

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LuganoMusica

Etienne Reymond über die Perspektiven von LuganoMusica mit dem neuen Konzertsaal

«Ich bin zuversichtlich…» Der Westschweizer Etienne Reymond leitete das künstlerische Betriebsbüro des Tonhalle-Orchesters in Zürich. Damit war er erfolgreich und auch zufrieden. Doch die Möglichkeit, in Lugano mit dem neuen, exquisiten Konzertsaal des LAC etwas Neues aufzubauen und das Tessiner Musikleben wesentlich zu prägen, war zu verlockend. Reymond nahm das Angebot als «Direttore Artistico» con LuganoMusica an und blickt nun, nach einer erfolgreichen Auftaktsaison, voller Tatendrang in die Zukunft. Andrea Meuli (Text) & Priska Ketterer (Bilder)

M&T: Wie ist Ihre Stimmung nach einer Saison? Etienne Reymond: Ausgezeichnet! Ich denke, dass ganz grossartige Künstler bei uns aufgetreten sind. Dass alle meine Einladung angenommen haben, ohne den Saal zu kennen, erfüllt mich mit etwas Stolz, und natürlich bin ich sehr dankbar über dieses Vertrauen.

M&T: Und das Publikum, ist die Euphorie übergesprungen? Etienne Reymond: Das Publikum kam ebenfalls in Scharen, wir waren mehr­ mals ausverkauft. Lugano hat ein gebil­ detes Publikum, das auch schwierigere Programme sehr offen aufgenommen hat.

M&T: Das heisst, der neue Konzertsaal des LAC hat die hohen Erwartungen erfüllt? Etienne Reymond: Ich war schon vor­ her überzeugt, dass es gut werden wür­ de: Die Form des Saals ist gut, er wurde mit erstklassigen Materialien gebaut. Und die Akustik wurde von einem der renommiertesten Teams betreut – das


LuganoMusica alles überzeugte mich und weckte viel Vorfreude bei mir. Die hohen Erwar­ tungen wurden total erfüllt. Und ich bin – wie viele Künstler übrigens auch – überzeugt, dass wir hier ganz hervorra­ gend Schallplattenaufnahmen machen könnten. M&T: Für welche Besetzungen? Etienne Reymond: Vor allem Klavier­ rezitale und Kammermusik, und wahr­ scheinlich auch für Kammerorchester. Sehr gut vorstellen kann ich mir, Kon­ zerte hier live aufzuzeichnen. M&T: Wie charakterisieren Sie die Akustik des Saales? Etienne Reymond: Es ist ein klanglich heller Saal, und man hat eine wunder­ bare Balance zwischen Details und dem allgemeinen Klangbild – was in vielen Sälen nicht optimal ist. Man kann wirk­ lich beides hören, die feinsten Details wie den Gesamtklang; der Ton ist warm, und durch die Architektur hat man fast den Eindruck, in einem Wohnzimmer zu sein. An diesem Saal liebe ich seine Intimität. M&T: Er hat also keinen unerbittlichen, fast schon überanalytischen Klang, wie ihn der eine oder andere der neuen Säle kennzeichnet? Etienne Reymond: Nein. Wir haben auch nach der Eröffnung während der ganzen Saison mit dem Akustikinge­ nieur Jürgen Reinhold der Firma Mül­ ler­BBM weiter an der Akustikmuschel gearbeitet und konnten dabei einige Schwachpunkte noch verbessern, vor allem, was die Lautstärke betrifft. Durch Veränderungen der Panels an den Wän­ den kann man jetzt auch die extremsten Fortissimostellen in grossen Orchester­ besetzungen wahrnehmen. M&T: Wie reagieren die Künstler auf den neuen Saal? Etienne Reymond: Auch sehr erfreut und gut. Als bester Beweis dafür kann gelten, dass alle nach Lugano zurück­ kommen möchten, was mir ermöglich­ te, mit vielen von ihnen schon Termine für die nächsten Spielzeiten zu fixieren. Es hat sich in der Szene sehr schnell herumgesprochen, dass die Akustik im neuen LAC gut ist. Die Künstler fühlen sich sehr wohl, weil sie sich gegenseitig gut hören, und – ebenfalls wichtig – was sie selber hören ist derselbe Klang, der auch das Publikum erreicht. Man kann bis zum leisesten Pianissimo spielen, ohne dass die Spannung abbricht. Man weiss, dass es bis in die letzte Reihe wun­ derbar trägt. M&T: Ist es damit einfacher geworden, international gefragte Musikerinnen und Musiker für Lugano zu begeistern und zu engagieren?

Etienne Reymond: Das mag sein. Aber man muss beifügen, dass meine Vorgän­ ger immer sehr gute Künstler engagie­ ren konnten. Aber es stimmt, dass die in Bezug auf die Akustik anspruchsvollsten Künstler nun leichter zu gewinnen sind. Entweder sind sie schon aufgetreten wie zum Beispiel Bernard Haitink oder sie haben von der Qualität des Saales gehört und werden daher zu uns kom­ men. M&T: Ihr Anliegen ist es, erstklassige internationale Orchester mit einem exquisiten Saal nach Lugano zu bringen. Bedeutet diese Konkurrenz eine Gefahr für das einheimische Orchestra della Svizzera italiana (OSI)? Etienne Reymond: Sicherlich nicht. Das OSI hat sein treues Stammpublikum, das haben wir bereits in der ersten Sai­ son gesehen. Sowohl der Brahms­ wie der Beethovenzyklus konnten vor einem vollen Saal gespielt werden. Jetzt hört

M&T: Reichen die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel um Ihre Programmideen zu realisieren? Etienne Reymond: Die Stadt Lugano hat sich mit ihrer Subvention sehr bemüht, LuganoMusica eine gute Basis zu legen und ein hochklassiges Programm in der ersten Saison zu ermöglichen. Natürlich möchte ich unser Angebot vergrössern und weitere Projekte lancieren, zum Beispiel Sommerkonzerte. Die Stadt wünscht sich das auch. Dazu sind aller­ dings zusätzliche Mittel notwendig. Ich bin daher auf der Suche nach zusätzli­ chen Sponsoren, was im Tessin nicht ganz einfach ist. Einen neuen Sponsor konnte ich mit der Privatbank Cramer für die neue Saison bereits gewinnen, auch die Ernst­Göhner­Stiftung unter­ stützt uns neu. Ich versuche auch neue Ideen zu entwickeln, welche unsere Ins­ titution für Sponsoren attraktiv machen, zum Beispiel Firmen­Abonnemente.

«An diesem Saal liebe ich seine Intimität» das Publikum sein Orchester endlich mal richtig gut, ebenso wie sich die Mu­ siker auf dem Podium gegenseitig rich­ tig gut hören. Es ist wie in jeder Stadt: Man schätzt das heimische Orchester, man begegnet ihm regelmässig, man kennt die Musiker – das ergibt eine ganz andere Identifikation. Und auch wenn Lugano mit seinen 70 000 Einwohnern im Vergleich eine ziemlich kleine Stadt ist, haben wir zwei verschiedene Publi­ ka. M&T: Ist das tatsächlich so? Etienne Reymond: Es gibt natürlich Überschneidungen. Klar besuchen Mu­ sikfreunde die Konzerte von Lugano­ Musica und jene des OSI, aber es gibt auch viele Leute, die ausschliesslich die Konzerte des OSI besuchen – und umge­ kehrt. Daraus schliesse ich, dass wir auf ein grosses Publikumspotenzial in der Region bauen können. M&T: Lässt sich das allenfalls geografisch differenzieren? Etienne Reymond: Wir haben erste Sta­ tistiken erhalten, gut 75 Prozent kom­ men aus Stadt und Region Lugano. Die restlichen 25 Prozent verteilen sich ziemlich gleichmässig auf den übrigen Kanton Tessin, Norditalien und die Deutschschweiz.

M&T: Wir haben über den erfolgreichen Start von LuganoMusica sowie über Aktivitäten und neue Projektideen gesprochen. Ein Leuchtturm des Musiklebens in Lugano und im Tessin fällt künftig weg: Das «Progetto Martha Argerich» stirbt nach fünfzehn Folgen. Was sind die Auswirkungen für LuganoMusica? Etienne Reymond: Das Projekt war im­ mer einzigartig, und es sollte auch so sein. Ich bin aber schon mit Martha Argerich im Gespräch, um eine andere Form ihrer Präsenz in Lugano zu gestal­ ten. Ich werde künftig andere program­ matische Wege für die Monate Juni und Juli verfolgen, auch auf Bitte der Stadt. Nachdem LAC so erfolgreich gestartet ist, können wir das ganze Zentrum künf­ tig nicht während der ganzen Sommer­ monate schliessen, dies in einer Zeit, da Lugano auch sehr viele Besucher von aussen hat. Zwar arbeitet die Compag­ nia Finzi Pasca in dieser Zeit im Rahmen ihrer Residenz hier am LAC, aber das Programm von LuganoMusica und Lu­ ganoInScena beginnt erst wieder im Sep­ tember. Ich werde künftig ganz andere Wege gehen und möchte auch die Stadt als Spielort einbeziehen, um den Weg vom Stadtzentrum zum LAC zu zeigen – und umgekehrt. Ein Sommerprojekt darf auf keinen Fall eine blasse Kopie unserer regulären Saison sein, sondern muss ganz andere Farben bieten.

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LuganoMusica M&T: Wie geht es mit der Zusammenarbeit mit dem OSI weiter? Ist Sie allenfalls gefährdet durch die Probleme, welche durch den schrittweisen Rückzug der SRG für das Orchester entstehen? Etienne Reymond: Unsere Zusammenar­ beit ist ausgezeichnet. Ich lade das OSI zweimal während unserer Saison ein, wie das übrigens auch zuvor bei Lugano Festival war. Darüber bin ich sehr froh und glücklich, auch über die künstleri­ schen Gespräche mit Markus Poschner. Er macht eine wirklich tolle Arbeit. Für mich ist es ganz klar: Das Orchester muss weiter bestehen. Es ist viel mehr als ein Orchester, das hier bloss seine Konzert­ reihe spielt. Die Orchestermusiker füh­ ren auch Kammermusik an verschiede­ nen Orten im Kanton und in der Stadt auf, sie unterrichten am Konservatorium oder in der Musikschule. Ein Orchester wie das OSI belebt das lokale und regi­ onale Musikleben auf ganz unterschied­ lichen Ebenen. Ich wünsche mir daher wirklich, dass das OSI Möglichkeiten fin­ det, um erfolgreich weiter zu existieren. M&T: Ein einheimisches Orchester kann dem neuen Saal wohl auch zu einer anderen Identität verhelfen als eine Reihe noch so hochkarätiger Gastkonzerte. Etienne Reymond: Ganz genau. Die Leu­ te identifizieren sich stark mit dem Or­ chester, und das Orchester mit dem Saal. M&T: Ihre Liebe und Ihr Interesse gilt nicht nur der kulinarischen Klassik. Sie haben sich immer

wieder auch für intimere kammermusikalische Formen sowie für zeitgenössische Musik interessiert. Wie funktioniert das hier in Lugano? Etienne Reymond: In meiner ersten Sai­ son habe ich einiges an Kammermusik im kleinen Saal angeboten, der ebenfalls aus­ gezeichnet klingt. In Zukunft möchte ih die Ideen vermehrt thematisch bündeln, so wie wir hier bereits ein Streichquartett­ Wochenende hatten. Kommende Saison konzentriere ich mich etwas mehr auf die zeitgenössische Musik, indem wir mit Henri Dutilleux und György Kurtág zwei der bedeutendsten Komponisten unserer Zeit je einen Programmtag widmen. M&T: Was sind die Schwerpunkte der neuen Saison? Etienne Reymond: Es wird eine ziemlich lateinische Saison… Zunächst, weil ganz grosse italienische Musiker zu uns kom­ men: Maurizio Pollini, il Giardino Ar­ monico, das Teatro Regio di Torino mit einer konzertanten «Bohème» von Puc­ cini, und Luca Pianca führt Monteverdi auf. Ausserdem veranstalten wir am LAC einen Tag um Torquato Tasso und «Geru­ salemme liberata» herum. Das Orchester der Accademia di Santa Cecilia kommt unter Antonio Pappano und spielt unter anderem «Fontane di Roma» sowie «Pini di Roma» von Respighi, als Solistin tritt in diesem Konzert die junge gefeierte Pia­ nistin Beatrice Rana auf. Die französische Seite dieser lateinischen Saison vertreten Charles Dutoit, Bertrand Chamayou, Ren­ aud Capuçon und Alexandre Tharaud.

M&T: Gibt es auch Kontakte zur Filarmonica della Scala, was an sich nahe liegt – nicht nur geografisch. Etienne Reymond: Auf jeden Fall. Es steht schon fest, dass das Orchester mit Riccar­ do Chailly in der Saison 2017/18 bei uns spielen wird. In den ersten beiden Sai­ sons fanden sich leider keine möglichen Termine. Aber das Orchester gastierte ja bereits früher regelmässig in Lugano. M&T: Im Programm der Saison 2016/17 fällt ein Auftritt von Claudio Abbados Orchestra Mozart auf. Wurde das Ensemble wieder belebt? Etienne Reymond: Das von Claudio Abbado gegründete und geleitete Or­ chestra Mozart wurde nach seinem Tod ja aufgelöst. Im letzten Frühjahr haben sich die Musiker entschlossen wieder zusammenzufinden und gemeinsam aufzutreten. Das Orchester suchte nach einem Ort für ein zweites Konzert neben der Revival­Premiere in Bologna, und Bernard Haitink hat Lugano vorgeschla­ gen. Und es wird – mit Isabelle Faust, die das Beethovenkonzert spielt – der einzi­ ge internationale Auftritt sein. M&T: Gibt es noch offene Wünsche? Etienne Reymond: Ich hoffe, dass wir bald auch szenische Oper aufführen können. Dazu bräuchten wir allerdings zusätzliche finanzielle Mittel, was natür­ lich eine grosse Herausforderung be­ deutet. Aber der Saal wurde ja auch als Theatersaal konzipiert und gebaut. Ich bin zuversichtlich… ■

Etienne Reymond: «Der Saal hat eine wunderbare Balance zwischen Details und dem allgemeinen Klangbild».


LuganoMusica

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bild: Felix broede

Julia Fischer: «Ich habe mir nie die Frage gestellt, ob ich Geigerin oder Pianistin werde».

Die Geigerin und Pianistin Julia Fischer und der Cellist Daniel Müller-Schott setzen Akzente im LAC

«…sagt doch alles, oder?» Vor rund zehn Jahren gastierte sie erstmals bei Lugano Festival. Diese Saison präsentiert sich Julia Fischer als «Artist-in-Residence», um ein vielfältiges Programm zu bestreiten – vom Konzertgenre bis zur Kammermusik. Und es wird sehr persönlich, denn nach Lugano reist Julia Fischer auch mit zwei Musikern, die sie seit vielen Jahren kennt – die Pianistin Milana Chernyavska und den Cellisten Daniel Müller-Schott. Noch dazu präsentiert sich die Ausnahme-Musikerin nicht nur mit der Geige, sondern auch am Klavier. Marco Frei


bild: Christine Schneider

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LuganoMusica M&T: Julia Fischer, was verbinden Sie mit Lugano? Julia Fischer: Nur Schönes! Ich war schon frühzeitig dort, um zu konzer­ tieren. In der Zwischenzeit wirkt nun Etienne Reymond als künstlerischer Leiter bei LuganoMusica. Wir kennen uns schon eine Ewigkeit. Seit 1999 wirk­ te er an der Tonhalle Zürich, wo wir uns 2001 erstmals begegneten – bei meinem dortigen Debüt. Wir arbeiten sehr gern miteinander. Und die Tatsache, dass ich in Lugano ein neu einstudiertes Werk präsentiere, sagt doch alles, oder? M&T: Sie meinen Benjamin Brittens Violinkonzert op. 15 von 1939, das Sie mit dem BBC Philharmonic Orchestra präsentieren? Julia Fischer: Richtig, ich spiele Britten zum ersten Mal. Kürzlich habe ich da­ mit begonnen, mir dieses Werk intensiv zu erarbeiten. Britten ist generell ein unglaublich interessanter Komponist, weil er einer ganz eigenen harmoni­ schen Struktur folgt und eine eigene Klanglichkeit besitzt. Vieles speist sich im Grunde aus der Alten Musik, aus der Welt zumal von Henry Purcell. M&T: Überdies gastieren Sie in Lugano mit zwei Musikern, die Sie ebenfalls schon eine gefühlte Ewigkeit kennen. Julia Fischer: Ja, und das ist wirklich eine besonders persönliche Erfahrung – auch für das Publikum. Als ich Milana Chernyavska 1997 kennenlernte, war ich Teenagerin. Ein Jahr später haben wir erstmals miteinander konzertiert. Mit Daniel Müller­Schott habe ich erst 2002 gespielt, aber ich kenne ihn schon län­ ger als Milana – seit genau 20 Jahren. M&T: Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit ihm? Julia Fischer: Klar, das war im Juni 1996. Ich war gerade 13 Jahre alt geworden und hatte den Wettbewerb «Eurovision Young Musicians» gewonnen. Im Rund­ funk gab es eine Diskussion zum Thema «Hochbegabt – was dann?». Auch Daniel war dabei. Wir beide waren sozusagen die Beispiele für «Hochbegabt im Mo­ ment». Lorin Maazel stand wiederum für «Hochbegabt und was daraus gewor­ den ist». Und es war keineswegs so, dass Daniel und ich sofort allerbeste Freunde

Zahlreiche gemeinsame Auftritte – nun auch im LAC: Julia Fischer und der Cellist Daniel Müller-Schott.


LuganoMusica waren. Es folgte ein gemeinsamer Weg, der dadurch erleichtert wurde, dass wir beide aus München kommen: Man sieht sich in Konzerten oder bei Kursen. Aller­ dings spielte die Schweiz für unser musi­ kalisches Zusammenwachsen eine nicht unerhebliche Rolle. M&T: Nämlich? Julia Fischer: Wir waren unter anderem beim Festival in Verbier zusammen. Daniel Müller-Schott: Und dort haben wir 1998 sogar einem Dirigenten vorgespielt. Julia Fischer: Haben wir nicht auch Mi­ nigolf gespielt? Daniel Müller-Schott: Ja, das auch, aber der Dirigent war Kurt Masur. Julia Fischer: Daniel durfte dann auch irgendwann später mit ihm spielen, ich aber nicht. M&T: Was haben Sie denn angestellt? Julia Fischer: Nichts, aber offenbar hat Kurt Masur das Vorspiel nicht gefallen. Obwohl ich meiner Meinung nach gut gespielt habe. Daniel Müller-Schott: Das war wirklich komisch, weil er uns eigentlich genau dieselben Fragen gestellt hatte. Wie stel­ len Sie sich Ihre Zukunft vor? Wie soll es weitergehen? Ich habe damals Julias Vor­ spiel gehört, weil ich vor der Tür warten musste. «Toll gespielt!», dachte ich mir noch. Ich glaube, er war damals einfach in schlechter Stimmung. Auch mich hat­ te er zunächst auseinander genommen, um mich zwei Jahre später noch einmal zu einem Vorspiel zu bitten. Julia Fischer: Diese Chance hatte ich nicht. Er sagte mir, ich möge doch bes­ ser ins Orchester gehen. Daniel Müller-Schott: Das hat er auch mir gesagt. Julia Fischer: Aber etwas hat mein Vor­ spiel dennoch gebracht: Ich habe im Grunde Daniel vorgespielt. Insofern war es doch ein Erfolg, weil wir daraufhin mu­ sikalisch immer mehr zusammenkamen! M&T: Welches Werk haben Sie zuerst gemeinsam einstudiert? Daniel Müller-Schott: Das Doppelkon­ zert von Johannes Brahms. Was uns bei­ de aber vor allem eint, ist die Liebe zur Kammermusik. Julia Fischer: Wir haben wohl über 100 Konzerte miteinander gespielt, um schliesslich auch das spannende Duo­ Repertoire für Geige und Cello zu er­ schliessen. Unsere aktuelle CD ist das Resultat dieser Arbeit, und einen Teil daraus präsentieren wir jetzt in Lugano. M&T: Konkret spielen Sie aus der CD in Lugano das Duo op. 7 von Zoltán Kodály und die Sonate für Violine und Cello von Maurice Ravel. Was eint und verbindet diese Werke?

Julia Fischer: Wenn man die zwei Wer­ ke vergleicht, stellt man fest, dass je­ der der beiden Komponisten für sich eine eigene Sprache gefunden hat. Das finde ich spannend, weil die Wer­ ke dicht beieinander entstanden sind. Zugleich wird damit deutlich, in welch unterschiedliche Richtungen die Kom­ ponisten der frühen Moderne des 20. Jahrhunderts gegangen sind. Bei Ra­ vel gibt es beispielsweise rhapsodische Elemente sowie impressionistische Ein­ flüsse. Jeder hat einen anderen Weg ge­ funden, mit Geige und Cello etwas zu kreieren. M&T: Gleichzeitig gibt es aber auch Verbindungen zwischen den Komponisten jener Zeit. Auch in der Solosonate für Geige op. 27/4 von Eugène Ysaÿe, die Sie, Julia Fischer, in Lugano aufführen, finden sich impressionistische Färbungen. Noch dazu sind folkloristische Elemente mehr oder weniger präsent. Julia Fischer: Das stimmt. Es spricht ja auch für sich, dass Claude Debussy sein Streichquartett seinerzeit Ysaÿe gewid­ met hat. Daniel Müller-Schott: Andererseits gibt es auch rhythmisch bemerkenswerte Überschneidungen. In seiner Sonate findet Ravel offenbar Freude daran, die Synkopen den Instrumenten gegenüber­ zustellen. Das lässt sich auch bei Kodály oder im «Zingarese» des zweiten Satzes aus dem Duo von Erwin Schulhoff hö­ ren, das wir für die aktuelle CD ebenfalls eingespielt haben. Die Zuhörer werden gerne auf die Probe gestellt: Wo ist die eins, wo ist der Off­Beat? Da gibt es viel zu entdecken. M&T: Was eint Sie in Ihrer Haltung als Musiker? Worin ergänzen Sie sich reibungsvoll? Müller-Schott: Natürlich hat jeder Mensch seine eigene Prägung und sei­ nen eigenen Charakter. In unserem Musizieren gibt es aber Aspekte, die sich decken und über die wir uns nicht gross austauschen müssen – weil das als Basis einfach da ist. Als Interpreten haben wir absoluten Respekt vor der Musik. Fischer: Wir könnten es uns beide nicht verzeihen, etwas zu lax genommen zu haben. Als Interpreten tragen wir für je­ den Komponisten eine Verantwortung. Müller-Schott: Im Spiel befindet sich na­ türlich jeder in einer bestimmten Phase seines Lebens und seiner Entwicklung, sieht bestimmte Dinge ganz individuell. An diesem Punkt können wir uns gegen­ seitig inspirieren. Fischer: Objektiv betrachtet haben wir uns in den fünfzehn Jahren unserer Zusammenarbeit tatsächlich bereichert – gerade auch im Sinn einer gegensei­ tigen Veränderung. Bestimmte Leitmoti­

ve bleiben jedoch stets gleich, und das berührt übrigens auch Johann Sebastian Bach. M&T: Von dem Sie, Julia Fischer, in Lugano auch die Sonate für Solo-Violine Nr. 1 BWV 1001 spielen. Julia Fischer: Genau. Hier gibt es zwi­ schen Daniel und mir eine schöne Paral­ lele. Im Jahr 2000 hatte Daniel eine Ge­ samteinspielung der sechs Solo­Suiten von Bach herausgebracht, meine Bach­ CD folgte später. Aber im selben Jahr spielten wir beim Festival Mecklenburg­ Vorpommern jeweils Bach, er alle Suiten und ich alle Partiten und Sonaten. Daniel Müller-Schott: Ich erinnere mich noch ganz genau, wie Julia in der Hoch­ schule auf mich zugestürmt kam und sagte: «Ich habe gesehen, dass auch du alles von Bach machst». Sie war damals erst 16 Jahre alt. Das hatte ich noch nie von jemandem in ihrem Alter erlebt, aber Bach war eben ihre Basis und be­ gleitet sie durch ihr Leben. Auch darin ähneln wir uns.

Julia Fischer Artist in Residence 3.2.2017, LAC Lugano, 20.30 Uhr Sonaten von Beethoven (op. 30/1), Szymanowski (op. 9) und Grieg (op. 13), Solo-Sonate für Violine op. 27/4 von Ysaÿe. Julia Fischer (Violine), Milana Chernyavska (Klavier) 28.3.2017, LAC Lugano, 20.30 Uhr Britten Violinkonzert op. 15 Ouvertüre zu «Euryanthe» von Weber, Tschaikowsky Sinfonie Nr. 4. Julia Fischer (Violine), BBC Philharmonic Orchestra, Juanjo Mena (Leitung) 29.3.2017, LAC Lugano, 20.30 Uhr Duo-Werke für Violine und Cello von Ravel und Kodály Bach: Solo-Sonate Nr. 1 für Violine BWV 1001 Schubert: «Arpeggione-Sonate» für Cello und Klavier D. 821 Julia Fischer (Violine und Klavier), Daniel Müller-Schott (Cello)

Die aktuelle CD Ravel: Sonate für Violine und Cello, Kodály und Schulhoff: Duos für Violine und Cello, Johan Halvorsen: «Passacaglia». Julia Fischer (Violine), Daniel Müller-Schott (Cello) Orfeo 902161.

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LuganoMusica Fischer: Wenngleich ich glaube, dass Da­ niel eine innigere Beziehung zu seinem Instrument hat. M&T: Wie meinen Sie das? Julia Fischer: Ich bin auf zwei Instru­ menten gross geworden, Geige und Klavier. Als Pianist hat man zwar zum Instrument auch eine enge Beziehung, aber die wird im Grunde immer wieder zerstört – weil man in der Regel nicht auf seinem eigenen Klavier konzertie­ ren kann. Ich habe mir nie die Frage gestellt, ob ich Geigerin oder Pianistin werde. Das war für mich nicht entschei­ dend. Aber ich schaue auch nicht jeden Tag, wie es meiner Geige geht. Daniel tut das bei seinem Cello schon. Das Kla­ vier ist im Grunde, wie soll ich es formu­ lieren… M&T: … Ihre eigentliche Liebe? Julia Fischer: Vielleicht ist das tatsäch­ lich so. Ich liebe die Geige genauso, aber wenn ich für mich selbst spiele, greife ich ins Klavier. Immer. Das hat womöglich primär damit zu tun, dass mir das Klavier mehr Möglichkeiten bietet in der Mehrstimmigkeit. Ich brauche die Polyfonie, bin ein «poly­ foner Mensch». Bei der Geige bin ich immer davon abhängig, dass jemand mitspielt. M&T: Kann es für Pianisten schwierig werden, mit Ihnen zu musizieren, weil Sie umso kritischer sind? Julia Fischer: Ich mische mich immer ein. Beim Klavier manchmal etwas zu viel, aber meine Partnerin Milana, mit der ich in Lugano Sonaten von Beetho­ ven, Grieg und Karol Szymanowski spie­ le, kann damit sehr gut umgehen. Sie hält das aus (lacht). M&T: Vor sieben Jahren standen Sie erstmals offiziell als Pianistin auf dem Konzertpodium. In Lugano begleiten Sie Daniel Müller-Schott in Schuberts «Arpeggione-Sonate» D. 821 am Klavier. Erleben Sie, Daniel Müller-Schott, Julia Fischer am Klavier anders? Daniel Müller-Schott: Julia ist Julia, egal ob sie Klavier spielt oder Geige. Ich höre sie immer heraus. Von Anfang an hat mich ihre Reife und Klarheit im Musizieren tief beeindruckt. Wie mit einem Laserblick scannt sie Partitu­ ren, hat klare Vorstellungen von einem Werk und wie sie diese ausdrücken möchte. Gleichzeitig ist sie aber sehr spontan: Wenn in einem Moment etwas Anderes, Neues passiert, reagiert sie so­ fort darauf. ■

«Lärmig ist immer zu viel» Charles Dutoit mit dem Royal Philharmonic Orchestra im LAC Sie gehören zu den ersten, welche den neuen Konzertsaal im LAC bespielten. Wie haben sie ihn mit «Ihrem» Orchester, dem Royal Philharmonic, erlebt? Charles Dutoit: Ich habe bisher erst ein Konzert in diesem neuen Konzertsaal des LAC dirigiert, meine Erfahrung beschränkt sich daher auf diesen einen Auftritt. Doch wir kommen diese und die nächste Saison wieder. Zunächst einmal ist es für Lugano und den ganzen Tessin wichtig, dass die Stadt einen guten Konzertsaal bekommen hat. Vorher war die Situation eher schwierig. Und der neue Saal klingt wirklich sehr gut. Er ist nicht zu gross und ganz in Holz gehalten. mit dem Angebot des neuen Konzertsaales bieten sich natürlich auch für Etienne reymond, der für Luganomusica verantwortlich ist, ganz andere Voraussetzungen. Er kann nun Konzertreihen über die ganze Saison planen. In Ihrem Auftritt im September steht Strawinskys «Sacre du printemps» auf dem Programm, also ein sehr gross besetztes Werk. Eignet sich der Saal für so grosse Orchesterbesetzungen? Charles Dutoit: Das müssten Sie mich nach «Sacre du printemps» fragen. Doch wir haben in unserem ersten Konzert im LAC vergangene Saison «Petruschka» gespielt – auch nicht gerade ein klein besetztes Werk. Dabei haben wir die Originalfassung aufgeführt, mit vier Hörnern, vier Trompeten und so weiter. Und ich denke, es war nicht lärmig. Es ist klar, «Sacre du printemps» ist in vielen Konzertsälen problematisch, denken Sie an die Tonhalle in Zürich. Auch dies ist ein wunderbarer Saal, der enorm klingt. Doch bei Stücken wie Holsts «Die Planeten» oder «Sacre du printemps» kann dieser Klangreichtum leicht ins Lärmige kippen. Sie sind ein Spezialist dafür, auch die grössten Klangballungen nie in lärmige Banalität ausarten zu lassen. Wie bekommt man das als Dirigent hin?

Charles Dutoit: Ein Fortissimo kann sehr laut sein, aber lärmig ist immer zu viel! Wie man es schafft, dies zu vermeiden? Das ist schlicht und einfach die Arbeit mit dem Orchester. Wenn man genügend Zeit hat, kann man in den Proben den ganzen Klang ausbalancieren und an den gefährdeten Stellen korrigieren. Kommt man hingegen als Gast irgendwo hin und hat vielleicht nur eine kurze Anspielprobe am Tag des Konzerts, ist es natürlich viel schwieriger, mit den akustischen Gegebenheiten eines Saales zurechtzukommen, sich auf die besonderheiten dieses raumes einzustellen. Aber es bedeutet auch eine musikalische Einstellung, eine bestimmte Schule – und Lärm zu produzieren ist nicht meine Schule. Worauf achten Sie, wenn Sie erstmals in einem neuen Saal arbeiten? Charles Dutoit: Die Akustik ist eine ganz andere, wenn wir ohne Publikum proben. Am Abend, mit tausend Leuten im Saal, klingt dann vieles etwas anders. Darauf müssen wir uns einstellen. Wissen Sie, das alles hat auch mit Erfahrung zu tun. Aber bei «Sacre du printemps» dürfen wir auch nicht vergessen, dass das Stück wirklich als eine brachiale revolution geschrieben wurde, als ein harter bruch mit den Konventionen – auch der Lautstärke und des Klangs. (Lachend) Kommen Sie zu «Sacre» nach Lugano und danach unterhalten wir uns darüber…

Interview: Andrea Meuli 22.9.2016. LAC Lugano, 20.30 Royal Philharmonic Orchestra, Charles Dutoit (Leitung) Bertrand Chamayou (Klavier) Werke von Mendelssohn, Saint-Saëns, Strawinsky Karten und Informationen: www.luganomusica.ch bild: Verbier Festival/Nicolas brodard

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Charles Dutoit: «Lärm zu produzieren ist nicht meine Schule».


LuganoInScena Carmelo Rifici und seine Vision einer eigenständigen Tessiner Theaterszene

Carmelo Rifici: «Wir versuchen gemeinsam Projekte zu entwickeln, wie sie an einem Einspartenhaus nicht möglich wären».

Ein Vulkan voller Ideen Carmelo Rifici ist ein quirliger Theatermann. Einer mit reichen Erfahrungen als Schauspieler, Regisseur und Produktionsleiter, während vieler Jahre auch am renommierten Piccolo Teatro di Milano. Nun versucht er mit seinem ganzen Temperament

bild: Priska Ketterer

eine lebendige Theater- und Tanzszene am neuen LAC zu etablieren. Ambitioniert und vielfarbig. Im Gespräch erläutert der Direttore Artistico von LuganoInScena seine Ideen. Andrea Meuli M&T: Welche Theater-Tradition hat Lugano? Carmelo Rifici: Lugano hatte immer eine klassische Sprechtheater­Tradition gehabt. Eine regelmässig selbst produ­ zierende Institution gab es ausserhalb der Freien Szene allerdings nie. Nach­ dem das Teatro Apollo abgerissen und dem Neubau des Casinos geopfert wur­ de, fehlte in Lugano sogar eine Bühne für Gastspiele, vor allem aus Italien, die sich ja aus der sprachlichen und geogra­ fischen Nähe immer angeboten hatten. Mit dem LAC wollten wir das durchbre­ chen. Wir füllen damit im Tessin eine Lücke, was es uns in Zukunft auch er­ möglicht, mit anderen Bühnen Kopro­ duktionen einzugehen. M&T: Welche neuen Perspektiven eröffnen sich mit dem LAC? Carmelo Rifici: Wir sind ein selbst pro­ duzierender Theaterbetrieb geworden, ohne deshalb auf Gastspiele, nach wie vor vorwiegend aus dem italienischen Sprachgebiet, zu verzichten. Als neue künstlerische Ebene ist die internatio­ nale Tanzszene hinzugekommen, die zuvor überhaupt nicht existiert hatte, ganz einfach, weil eine Bühne dafür

fehlte. Im LAC konnten wir nun bereits in der ersten Spielzeit ein hochkarätiges Tanzprogramm mit bedeutenden inter­ nationalen Companies anbieten, darun­ ter Les Ballets de Monte­Carlo, die Syd­ ney Dance Company oder die Candoco Dance Company. Selber haben wir auch eine wichtige Tanzvorstellung heraus­ gebracht, «Le sacre du printemps» von Strawinsky sowie «La mer» von Debussy, choreografiert von Virgilio Sieni, dem Direktor der Tanzbiennale von Venedig, und mit dem Orchestra della Svizzera italiana. Das war ein grosser Erfolg bei Kritik und Publikum. M&T: Gibt es ein Publikum für zeitgenössischen Tanz im Tessin? Carmelo Rifici: Absolut, ja. Es bedeutete jedoch zunächst ein gewisses Risiko. Ei­ nerseits öffnete sich uns ein freier Raum, da ein solches Angebot zuvor nicht exis­ tiert hatte. Wir wussten jedoch nicht, ob es ein Publikum gibt, das uns folgen würde. Nach einem Jahr stelle ich fest, dass unsere programmatische Linie gut angekommen ist. Sogar die schwierige­ ren Produktionen wie jene von Constan­ za Macras, also einer oft kontrovers und

als provokativ aufgenommenen Choreo­ grafin. Mit unserem Tanzprogramm er­ reichen wir ein Publikum, das aus der ganzen Region des Tessins und aus dem benachbarten Italien anreist. Für beson­ dere Produktionen gilt das auch für Gäs­ te von der anderen Seite des Gotthards. M&T: Auch die Schweizer Szene ist in Ihrer zweiten Saison prominent vertreten… Carmelo Rifici: Ja, ich richte bewusst den Fokus auf die Schweiz. Deshalb tre­ ten die drei wichtigsten Tanzkompagni­ en bei uns auf, jene aus Zürich und Genf sowie das Béjart Ballet Lausanne. Wir möchten damit zeigen, dass auch aus unserem Land grosse Meister kommen. M&T: Beschränken Sie sich im Schauspiel auf italienischsprachige Produktionen? Carmelo Rifici: Nein, vergangene Sai­ son gastierte bei uns eine Produktion von Peter Brook in Englisch, und in der neuen Saison zeigen wir zwei deutsch­ sprachige Aufführungen, darunter eine unseres Schweizer Regiestars Christoph Marthaler, aber auch eine französische «Hedda Gabler» aus Paris. Natürlich ist unsere Programmierung in erster Linie

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LuganoInScena

«La Mer» von Claude Debussy, choreografiert von Virgilio Sieni und mit dem Orchestra della Svizzera italiana – eine Eigenproduktion des LAC.

mit einer vielschichtigen internationa­ len Karriere. Mit ihm und seiner Compa­ gnia im LAC feste Residenzen zu planen ist ein Glücksfall für uns.

eine italienische, das liegt nahe und ist auch richtig. Wir pflegen jedoch einen offenen, internationalen Geist, denn wir wollen auch für ein internationales Pu­ blikum attraktiv sein. Ich möchte nicht sagen, dass wir touristisch denken, aber Lugano ist sehr geprägt durch ein inter­ nationales Ambiente.

Direktor bewegen konnte. Hier in Luga­ no ist das ganz anders. Die polykulturel­ le Ausrichtung des LAC ermöglicht eine enge Zusammenarbeit unter den ver­ schiedenen Direktoren. Wir versuchen gemeinsam Projekte zu entwickeln, wie sie an einem Einspartenhaus nicht mög­ lich wären.

M&T: Planen Sie auch Aufführungen ausserhalb der Theatersäle des LAC, etwa auf dem Platz vor dem Zentrum? Carmelo Rifici: Zurzeit nicht. Wir haben hier gerade erst begonnen und müssen zunächst die verschiedenen Möglichkei­ ten ausprobieren, um uns auch an neue Formen heranzutasten. Das geschieht im Kleinen, etwa in Form eines Labo­ ratoriums gemeinsam mit den Schulen – da beziehen wir auch die äusseren Räu­ me mit ein.

«So sollte allmählich eine eigenständige Szene heranwachsen»

M&T: Wie erleben Sie die Leitungsstrukturen dieses Kulturzentrums? Carmelo Rifici: LAC ist ein komplexer Mechanismus. Nicht zuletzt durch die Herausforderung unterschiedlicher kul­ tureller Sparten. Vor Lugano arbeitete ich 25 Jahre an italienischen Theatern – darunter zehn Jahre am Piccolo Teatro di Milano. Daher bin ich es gewohnt, dass sich ein Haus nur unter einem Inten­ danten und mit einem künstlerischen

M&T: Haben Sie es aufgegeben, selber Regie zu führen? Carmelo Rifici: Nicht völlig. Aber als ich meine Aufgabe beim LAC übernommen habe, war es sofort mein Ziel, mit meiner ganzen Regieerfahrung eine Poetik für diesen Ort zu entwickeln. Wir haben mit der Compagnia Finzi Pasca eine wichtige Truppe hier, mit der zusammen wir eine besondere Form des Theaters voller Ma­ gie und Poesie zeigen können, das sich eher an den heutigen Zirkus anlehnt. Daniele Finzi Pasca kommt aus Lugano, ist eine Legende, ein grosser Regisseur

M&T: Begegnet man dennoch in der Saison 2016/17 auch dem Regisseur Carmelo Rifici? Carmelo Rifici: Ja, ich werde zwei Pro­

duktionen inszenieren. Die eine be­ trifft ein Stück des bedeutenden, zeit­ genössischen argentinischen Autors Ariel Dorfman, «Purgatorio», das wir zusammen mit dem Emilia Romagna Teatro einstudieren. In diesem Zweiperso­ nenstück, einem Dialog zwischen Mann und Frau, nimmt der Autor den anti­ ken Medeamythos sowie Elemente der klassischen Tragödie auf und schreibt einen starken Text über Gewalt und Grausamkeit, der um die offene Frage kreist, wer das Opfer und wer der Täter ist. Um das Thema Gewalt dreht sich


«Die Möwe» von Anton Tschechow, bearbeitet und inszeniert von Carmelo Rifici – eine Koproduktion des LAC mit mehreren Bühnen.

auch meine zweite Produktion, später in der Saison, die wir gemeinsam mit dem Piccolo Teatro di Milano herausbrin­ gen und die sich in ganz verschiedenen Texten um den antiken Mythos des At­ ridenstoffes dreht, um das Opfer Iphi­ genies. M&T: Wie sieht es mit Koproduktionen aus? Welche Möglichkeiten bieten sich? Carmelo Rifici: Meine Idee ist es, jede Saison zwei grosse internationale Ko­ produktionen hier in Lugano zeigen zu können, daneben mit nationalen Büh­ nen zusammenzuarbeiten und natürlich auch die lokalen Kontakte nicht zu ver­ nachlässigen. Die neue Saison steht un­ ter der thematischen Klammer «Lógos». Wir beschäftigen uns mit verschiedenen Mythen, damit, was gegenwärtig um uns herum geschieht. Der Mythos bietet ei­ nem immer einen Filter des Erzählens, die Gegenwart vor der Folie der Vergan­ genheit zu lesen. Deshalb konzentriert sich diese Saison auf die griechische Tragödie und ihre Rezeption in unserer Zeit. M&T: Gibt es weitere programmatische Schwerpunkte? Carmelo Rifici: Ein zweiter Fokus nimmt Bezug auf den runden Geburts­ tag von Shakespeare. Und als drittes

wollte ich, zumal mit einem Künstler wie Daniele Finzi Pasca im Haus, eine programmatische Reihe mit internati­ onal bedeutenden Künstlern präsen­ tieren, die sich mit dem Thema des Nuovo Circo und vor allem auch mit dem Physical Theatre auseinandersetzt. Ich denke, gerade dieses Theater mit seiner poetischen Vision kann hier be­ sonders gut ankommen. Dazu gehört natürlich in erster Linie die Residenz eigene Finzi Pascas mit seiner Compa­ gnia, die wir vorerst für drei Jahre ver­ einbart haben.

ter für irgend etwas ist, sondern mit sei­ nem künstlerischen Profil eine Haltung vertritt. Dieses Bewusstsein gilt es mit den Jahren zu entwickeln, aufzubauen. Wir müssen dahin kommen, dass wir – wie die Bühnen in Zürich, Basel oder Genf – unser eigenes Repertoire vertre­ ten, ein Repertoire selbstverständlich in italienischer Sprache. Es sollte möglich sein, Autoren – vor allem auch junge – für uns schreiben zu lassen. Dahin möchte ich kommen, dass dies verwirk­ licht ist, wenn ich das Haus einmal ver­ lassen werde.

M&T: Sie suchen offensichtlich nach inhaltlichen Bezügen zwischen den Produktionen… Carmelo Rifici: Nur einige Produkti­ onen möglichst erfolgreich aneinan­ derzureihen interessiert mich nicht. Vielmehr betrachte ich es als Heraus­ forderung, eine Saison voller gegen­ seitiger Bezüge zu programmieren. Ich komme aus dem Piccolo Teatro, also von einem künstlerisch ausgerichteten Haus – und das möchte ich auch hier verwirklichen. Mit einer künstlerischen Leitung, welche diesen Namen ver­ dient. Mit Themen, über die nachzu­ denken sich lohnt, mit programmati­ schen Vorgaben, über die gesprochen wird. Ich will dem Publikum vermitteln, dass ein Theater nicht bloss ein Behäl­

M&T: Gibt es Tessiner Regisseure, die dem Haus eine eigene Handschrift verleihen könnten. Carmelo Rifici: Wenige, aber es gibt sie. Zum Beispiel Andrea Novikov, der für uns in der kommenden Saison Hof­ mannsthals «Elektra» inszeniert. Er hat die letzten 30 Jahre in Genf gelebt, ich habe ihn angesprochen und er wird nun diese Produktion für uns realisieren. Vor allem möchte ich etwas entwickeln und künftig jungen Regisseuren aus der Ge­ gend eine Plattform bieten. Beginnen kann das mit kleinen Produktionen, je nachdem auch mit einer Assistenz in einer grösseren Produktion. So sollte allmählich eine eigenständige Szene he­ ranwachsen. ■

bilder: LAC Lugano Arte e Cultura 2016

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bild: Priska Ketterer

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Marco Franciolli, der Direktor des Museo d’arte della Svizzera italiana (MASI Lugano) über die neuen Möglichkeuten in neuen Räumen

«…einen lustvollen Diskurs zu entwickeln»


arte Marco Franciollis Kunstverständnis schliesst nicht nur Bilder und Skulpturen, sondern auch Klang und Bewegung ein – damit trifft er das bewusst weite Ausdrucksspektrum des Kulturzentrums LAC und lebt mit dem neuen Museo d’arte della Svizzera italiana (MASI Lugano) diese spartenübergreifende Vision des LAC exemplarisch vor, mit Projekten, in denen sich die Künste vermischen. Kunst soll berühren, soll emotional packen, soll uns auf individuelle Erfahrungsreisen mitnehmen. Andrea Meuli

über veranstaltete das Museo d’Arte della Città di Lugano vor allem Ausstellungen, die sich an das grosse Publikum wand­ ten. Dabei gab es gewisse Kontakte zwi­ schen den beiden Institutionen, aber eine wirkliche Vision, wie eine Zusam­ menarbeit gestaltet werden könnte, kam erst mit dem Projekt des neuen Kultur­ zentrums auf. Erst damit wurde der Im­ puls aufgenommen, wie ein Kunstmuse­ um der italienischen Schweiz aussehen könnte.

Marco Franciolli in Tony Craggs vielschichtiger Turmlandschaft «Minster» von 1992, Teil der aktuellen Sammlungspräsentation.

M&T: Marco Franciolli, mit den neuen Räumen im LAC wurde die Museumslandschaft in Lugano und im Tessin auf eine völlig neue Ebene gehievt. Sie leiteten schon zuvor das Museo Cantonale d’Arte… Marco Franciolli: … ich übernahm die Direktion des Museo Cantonale d’Arte im Jahr 2000, zuvor hatte ich dort als Kon­ servator gearbeitet. 2011 fragte man mich an, gleichzeitig das Museo d’Arte della Città di Lugano zu übernehmen. M&T: Das waren bis dahin zwei unabhängige Museen? Marco Franciolli: Ja. Das Museo Cantonale d’Arte eröffnete 1987 und wurde sofort Teil des schweizerischen Museumsnet­ zes. Unsere Strategie richtete sich sehr auf die wissenschaftliche Erarbeitung der einzelnen Projekte aus. Demgegen­

M&T: Weshalb gab es diese Gedanken nicht schon früher? Marco Franciolli: Wohl nicht zuletzt, weil die beiden Institutionen in prächti­ gen alten Villen beheimatet waren, die in Museen umgebaut wurden, mit allen Einschränkungen und Problemen, die das mit sich bringt. Daher liessen sich viele Projekte, die ich mit dem Museo Cantonale anstiess, nicht bis zuletzt ver­ folgen. Einmal scheiterten sie am Bud­ get, einmal an den Bedingungen. Mit dem Entschluss der Stadt Lugano, ein Kulturzentrum mit einem Museumsbau zu errichten, begann die Idee, beide Museen zu einem einzigen zusammen­ zuführen, an Boden zu gewinnen. Des­ halb übernahm ich auch die Leitung über beide Museen. Es war mein grosser Wunsch, aus diesen beiden Museen ein Kunstmuseum der italienischen Schweiz mit mehr Gewicht zu schaffen. Die Ent­ wicklung erwies sich für beide Institutio­ nen als sinnvoll, denn beide stiessen an ihre Grenzen und konnten unmöglich mehr wachsen. M&T: Die Projektierung eines neuen Museums hat sich ja nicht nur um logistische Betriebsabläufe, sondern genauso um inhaltliche Konzepte zu kümmern. Marco Franciolli: Gerade deshalb ist es für ein Museum wie unseres, das sich vor allem mit dem 20. Jahrhundert und der Gegenwart beschäftigt, unabdingbar mit anderen Disziplinen zusammenzu­ arbeiten. Zum Beispiel befindet sich in

unserer Sammlung der ganze Zyklus «Les noces» von Oskar Schlemmer. Wir könnten also in Zukunft diesen Zyklus im Museum zeigen und gleichzeitig im Theatersaal das Ballett von Strawinsky aufführen. So lassen sich die Dinge sinn­ voll kombinieren. In diesem Sinn bekam die Idee eines einzigen Kunstmuseums ungemein Schub. Man erkannte nicht nur das Potenzial verbesserter Arbeitsab­ läufe, auch für das Verhältnis zu einem heutigen Publikum eröffneten sich neue Wege und Möglichkeiten. M&T: Können Sie das konkretisieren? Marco Franciolli: Museen sind lebendi­ ge Instrumente für alle geworden und beschränken sich längst nicht mehr auf das Aufbewahren und die inszenierte Präsentation einzelner Kunstwerke. Sie verstehen sich vielmehr als Orte für alle. Museumsbesucher sind genauso sensib­ lisiert für Musik, für den Tanz oder für das Theater – und umgekehrt. Deshalb war es für uns ein Traum, ein Museum als einen Organismus zu bekommen, in dem sich die verschiedenen Künste be­ gegnen und gegenseitig befruchten. M&T: Und wie liess sich der Traum verwirklichen? Marco Franciolli: Dank der Gründung einer paritätischen Stiftung von Kanton und Stadt Lugano, dazu mit bedeuten­ den privaten Partnern. Dazu gehört in erster Linie die Credit Suisse, die ihr Kunstengagement bei uns erneuert und verstärkt hat. Andere Stiftungen und Institutionen sind dazu gekommen, um jene Ressourcen bereitzustellen, die für ein zeitgemässes Museumsprogramm notwendig sind. Wir haben also ein soli­ des, über Jahre garantiertes finanzielles Fundament bekommen, welches uns ein viel freieres Planen ermöglicht. M&T: Funktionierte der Auftakt? Marco Franciolli: Wir haben im Septem­ ber letzten Jahres eröffnet. Dabei stellten wir uns der Herausforderung, ein offe­

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arte nes Zentrum für alle zu sein und den­ noch auf hochstehende Inhalte zu set­ zen. Zusammen mit den Direktoren der andern Sektoren, Musik, Theater und Tanz, haben wir intensiv darüber disku­ tiert, wie wir die dreiwöchige Eröffnung angehen wollten, um unsere Botschaft von allem Anfang an klar zu vermitteln. Es war dann sehr schön, zu beobachten, wie wunderbar das funktionierte, dass tatsächlich die unterschiedlichsten Leu­ te den Weg zu uns fanden. Es ist sofort gelungen, die Schwellenangst vor einem elitären Kulturzentrum zu nehmen. Die­ se Offenheit, diese Durchsichtigkeit un­ terstützt ganz klar die Architektur des Zentrums. Man sieht von draussen die Leute, die sich in der Halle oder im Mu­ seum bewegen, und umgekehrt bietet das Zentrum von innen die verschiedens­ ten spektakulären Ausblicke an, auf den See natürlich, in den Park hinaus. Diese Form von Transparenz erzeugt eine ganz andere Haltung, als wenn man durch ein monumentales Tor in einen von Mauern umschlossenen Komplex eintritt. M&T: Reagierte das Publikum positiv auf Ihre Ideen, als ambitionierte Kunstinstitution Offenheit statt elitärer Abgehobenheit zu zeigen? Marco Franciolli: Sehr, und das war nicht voraussehbar, denn das ganze Projekt war immer wieder auch von Po­ lemiken begleitet. Doch diese Diskussi­ onen handelten nie von den Inhalten, allenfalls von den Kosten. Doch mit der Eröffnung drehte sich alles ins Positive. So ist es gelungen, einen positiven Aus­ gangspunkt zu setzen, um nun unter­ schiedliche Projekte zu entwickeln. Die Art und der Erfolg der Eröffnung halfen enorm, das zuvor vielleicht noch latent vorhandene Misstrauen zu entkräften. Viele Leute haben ihre Freude über das neue Zentrum ausgedrückt, all die Zei­ chen von Sympathie haben uns in den politischen Auseinandersetzungen den Rücken gestärkt. Diese ungemein positi­ ve öffentliche Meinung war vielleicht das Schönste und Wichtigste, was die erfolg­ reiche Eröffnung bewirkte. M&T: Dennoch bieten Sie auch in den neuen Museumsräumen ein anspruchsvolles Ausstellungsprogramm an. Populistischer Mainstream ist von Ihnen nicht zu haben… Marco Franciolli: Es ist mir wichtig, Kunst nicht bloss belehrend zu vermit­ teln, sondern einen lustvollen Diskurs zu entwickeln. Es war mir immer ein grosses Anliegen, dass das Museum als Ort wahrgenommen wird, den jeder besuchen kann, wenn er Lust dazu hat, egal ob er Barbesitzer, Advokat oder Ei­ senbahner ist. Wer sich ein wenig Neu­ gier bewahrt hat, sollte jene Instrumente vorfinden, die ihm helfen, diese Neugier

zu befriedigen. Natürlich gehört dazu eine breite Palette von Vermittlungsbe­ mühungen und ­veranstaltungen, vom wissenschaftlichen Kolloquium bis zur populären Einführung für alle. M&T: Sie veranstalten ja nicht bloss ein vielschichtes Ausstellungsprogramm, das diesen Ansprüchen gerecht zu werden versucht, sondern haben auch eine reiche Sammlung. Welche Rolle spielt diese im neuen Museum? Marco Franciolli: Eine sehr wichtige! Wir haben die Präsentation der Samm­ lung schon vorher mindestens einmal im Jahr gewechselt. Damit fahren wir fort und zeigen Werke aus den Sammlungs­ beständen jeweils in neuen Konstellati­ onen und thematischen Bezügen. Das

wenig die Obsession Didaktik… Dieses Jahr wollte ich in drei Hauptkapitel ein­ teilen: Wir haben mit Markus Raetz und Rodcˇenko begonnen – zwei ganz ver­ schiedene Arten, die Welt zu betrachten. Danach wurde die Sammlung Annette und Peter Nobel unter dem Titel «And Now the Good News» gezeigt. Ich woll­ te den engen und oft harten Bezug zwi­ schen Leben und Kunst aufzeigen, wie er das ganze 20. Jahrhundert durchzieht. Dieser enge Link hatte schon früher be­ gonnen, und mündete dann in die Be­ wegungen von Futurismus und Bauhaus mit den unterschiedlichsten Erfahrun­ gen. Mit dieser Sammlung kann man erzählen, wie eng Kunst und Leben sich durchdringen, verstrickt und verwoben

«Wir müssen dem Publikum verständlich machen, dass das Museum mehr als ein Ausstellungsort ist» ermöglicht einen lebendigen Umgang und eröffnet dem Publikum immer neue Aspekte und Einsichten. Es ist auch eine Möglichkeit immer wieder neue Werke aus der Sammlung zu zeigen, die mehr als 10 000 Werke umfasst. Die Sammlung ist für uns auch das bevorzugte Instru­ ment für die Kunstvermittlung. M&T: Also doch ein didaktischer Ansatz, den es zu nutzen gilt…? Marco Franciolli: Wir müssen dem Pu­ blikum verständlich machen, dass das Museum mehr als ein Ausstellungsort ist. Es soll vielmehr als lebendiger Teil eines Ortes und einer Gegend mit all ihren Traditionen wahrgenommen wer­ den. Das gilt vor allem für die bildende Kunst. Vergessen wir nicht, das gleiche Werk in einen Dialog mit anderen Wer­ ken gesetzt, wechselt vollständig seinen Charakter, es erzählt eine andere Ge­ schichte. Dies den Leuten zu vermitteln ist eine Aufgabe, die ebenso herausfor­ dert, wie sich lohnt. Ich spreche oft dar­ über: Ein Iglu von Mario Merz bedeutet einmal Behausung, in einem andern Moment ist der Stein wesentlich, oder das Licht – es sind ganz verschiedene Geschichten, die uns Kunstwerke erzäh­ len. M&T: Kommen wir noch auf Ihre Pläne für die nähere Zukunft zu sprechen. Welche Ausstellungsprojekte erwarten uns als nächste? Marco Franciolli: Ich pflege immer ein

sind. Der dritte Teil im Herbst ist Signac und Calderara gewidmet. In meinem ersten Jahr wollte ich mich unbedingt mit dem Thema der Malerei beschäf­ tigen. Und Signac gehört zu den wich­ tigsten Künstlern mit einer wissenschaft­ lichen Annährung an die Malerei, um deren Gesetzmässigkeiten zu erforschen und zu lösen. Auch bei ihm spielen Rhythmus und zweifellos auch Musikali­ tät eine grosse Rolle. Antonio Calderara ist zwar weniger bekannt, doch ebenso interessant, sein Ausgangspunkt ist eine figurative Haltung, die auch von Seurat ausgeht, dann jedoch bald die Form be­ freit, sich von der Gegenständlichkeit emanzipiert und schliesslich zu einer Frage nach dem reinen Licht wird. Auch hier können wir viel an Musikalität ent­ decken. M&T: Und die weiteren Perspektiven? Marco Franciolli: Für das Frühjahr 2017 bereite ich zusammen mit dem Muse­ um von Utrecht eine Schau des engli­ schen Fotografen Craigie Horsfield vor. Auch darin wird es für den Besucher mit «Soundscapes» eine musikalische Erleb­ nisebene geben, die ihn durch die Aus­ stellung begleitet. Und im Herbst werden wir Wolfgang Laib eine monografische Werkschau widmen. Diese soll durch eine eigentliche Stagione am LAC zum Thema Indien umrahmt werden, wofür wir mit den Kollegen von Musik, Theater und Tanz zusammenarbeiten. ■


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Das Orchestra della Svizzera italiana (OSI) ist Residenzorchester im neuen Konzertsaal des LAC

bild: OSI/Dániel Vass

Aufbruch zu neuen Zielen

Das Orchestra della Svizzera italiana (OSI) in der Eingangshalle des neuen Kulturzentrums LAC.

Das Orchestra della Svizzera italiana (OSI) ist das Residenzorchester im neuen Kulturzentrum LAC in Lugano. Der architektonisch wie akustisch ambitionierte Konzertsaal verhalf dem traditionsreichen Ensemble bereits in der ersten Saison zu einem künstlerischen Schub. Der könnte hilfreich sein, wenn es darum geht, neue Trägerschaften zu entwickeln, nachdem der schrittweise Rückzug der SRG aus ihren Verantwortlichkeiten beschlossene Sache ist. Der italienische Musikjournalist Nicola Cattò sprach mit Denise Fedeli, der künstlerisch-administrativen Direktorin des Orchesters, über das künstlerische Potenzial des OSI sowie über mögliche Strategien, sich als einziges Berufsorchester der italienischen Schweiz auch künftig zu behaupten. Nicola Cattò


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musik Am 25. September des vergangenen Jahres war es so weit: Dem Dirigenten Vladimir Ashkenazy mit dem Orchestra della Svizzera italiana (OSI) fiel die Ehre zu, den Konzertsaal des neuen Kultur­ zentrums LAC Lugano Arte e Cultura einzuweihen. Auf dem Programm stand Beethovens Neunte Sinfonie – ein Freu­ dentag für alle Beteiligten. Auf welch hohem musikalischen Niveau sich das Orchester derzeit bewe­ gen kann, manifestierte sich besonders eindrucksvoll im Projekt «Rileggendo Brahms» unter seinem Direttore prin­ cipale Markus Poschner. Der Zyklus be­ scherte eine erhellende und unverstell­ te Lektüre der vier Sinfonien sowie der vier Instrumentalkonzerte. Ausgangs­ punkt dafür war ein intensives Studi­ um jener Fassungen, die Brahms für die Meininger Hofkapelle eingerichtet hatte, ein Ensemble, das exakt der Be­ setzung und damit jenen Klangvorstel­ lungen entspricht, wie sie für das OSI heute gelten. Resultat war eine wunder­ bar klare und schlanke Lesart, weit weg

von den spätromantisch aufgeladenen Interpretationen, die Brahms in die Nähe von Bruckner rücken. Vielmehr vermittelten Poschner und das OSI, wie viel von Schubert und Schumann, um nicht von Beethoven zu sprechen, in diesen Werken weiter lebt. Dies alles geschieht glücklicherweise ohne be­ lehrende Attitüde, die dem Publikum oft unerträglicherweise einzutrichtern versucht, wie wenig alle vorangehenden Interpreten­Generationen von von die­ sen populären Meisterwerken verstan­ den hätten. Unter den fünf Konzerten, die Po­ schner und das OSI zwischen Oktober und Mai dem sinfonischen Brahms widmeten, war das erste besonders auf­ schlussreich. Auf dem Programm eine fulminante Erste Sinfonie, musiziert mit einer atemberaubenden Klarheit der Details, in den grossen Linien klanglich ebenso transparent nachvollziehbar und von einer unbändigen Spannung erfüllt. Dann aber auch das Violinkonzert mit dem Solisten Frank­Peter Zimmermann,

der diese neue Lesart von Brahms mit seinem ebenso aufgeschlossenen wie in­ telligenten Zugriff wunderbar mittrug. Nicht zu vergessen ist aber auch der Pi­ anist Marc­André Hamelin, dessen pia­ nistisches Virtuosentum auf dem Papier vielleicht keine idealen Voraussetzungen für das Zweite Klavierkonzert zu bieten schien. Doch die Aufführung liess alle Vorurteile vergessen und verzauberte das Publikum. So lässt sich nach dieser ersten Sai­ son erfreulicherweise bilanzieren, dass das Orchestra della Svizzera italiana hörbar an künstlerischem Profil gewon­ nen hat. Dazu trugen sowohl der neue Konzertsaal wie das Engagement, mit welcher die langfristig angelegten künst­ lerischen Projekte angegangen wurden, bei. Bleibt zu hoffen, dass die düsteren finanziellen Wolken, die sich wegen dem beschlossenen Rückzug der SRG aus der Trägerschaft des Orchesters in den nächsten Jahren, zusammengezogen haben, sich verziehen und der künstleri­ sche Aufschwung des OSI anhält. ■

«…unser eigenständiges Profil zu schärfen» M&T: Wie hat sich die Rolle des Orchestra della Svizzera italiana (OSI) in der musikalischen Landschaft des Tessins durch die Eröffnung des Kulturzentrums LAC mit seinem neuen Konzertsaal verändert? Denise Fedeli: Das OSI wurde sofort als Residenzorchester des LAC angefragt und ausgewählt. Dies hilft dem Or­ chester zweifellos, seine zentrale Rolle im Tessiner Musikleben weiter zu festi­ gen. Das OSI gibt nicht nur zahlreiche Konzerte in der Region für ganz unter­ schiedliche Publikumsschichten, es trägt auch als Kulturbotschafter den Namen der Svizzera Italiana in die Welt hinaus und dient zudem als Lokomotive für alle anderen musikalischen Institutio­ nen der Region. Es funktioniert sozusa­ gen als eine Maschine mit einer vitalen künstlerischen Produktion, die sich auf ein dichtes Netz an Kompetenzen stützt, aufgebaut in mehr als achtzig Jahren Geschichte. Tatsächlich unterscheidet dies unsere Region von anderen, pro­ vinziellen Gegenden, in denen man sich

darauf beschränkt, ein Musikgeschehen bloss mit eingekauften Gastspielen zu gestalten. M&T: Welche neuen Ziele anzugehen ermöglichte das neue Kulturzentrum LAC? Welche könnten es künftig sein? Denise Fedeli: Das LAC hat dem OSI ei­ nen starken Aufschwung gegeben. Es be­ feuert die Musiker sowie die verschiede­ nen Dirigenten in ihrem Streben nach höchster Qualität in Sachen Interpre­ tation wie Klang. Regelmässig in einem hervorragenden Konzertsaal arbeiten zu können, erweist sich als eine ausseror­ dentlich motivierende und qualitätsför­ dernde Erfahrung. In diesem ersten Jahr im LAC ist es dem OSI und seinem Hauptdirigenten Mar­ kus Poschner gelungen, internationales Interesse zu wecken. So konnten wir bei­ spielsweise auch wichtige wissenschaftli­ che Persönlichkeiten von nördlich der Alpen wie Wolfgang Sandberger, den Direktor des Brahms­Instituts an der

Musikhochschule Lübeck, und Laurenz Lütteken, Ordinarius für Musikwissen­ schaft an der Universität Zürich, bei uns empfangen. Auch das Publikumsinteres­ se ist gestiegen, wir konnten einen kla­ ren Zuwachs an Besuchern registrieren. Sämtliche Konzerte der Saison waren ausverkauft. M&T: Die beiden Hauptdirigenten der vergangenen Saison waren Markus Poschner und Vladimir Ashkenazy – zwei ganz unterschiedliche künstlerische Persönlichkeiten. Wie reagierte das Orchester auf so verschiedene Impulse? Denise Fedeli: Vladimir Ashkenazy stell­ te, dank seines Ansehens und seiner weltweiten Bekanntheit, das OSI auf internationalem Niveau in ein neues Licht. Er war für alle Musikerinnen und Musiker eine Quelle grosser Inspiration, und er brachte das Orchester in die be­ rühmtesten Konzertsäle von Berlin und London. Markus Poschner hingegen ist es gelungen, mit dem Orchester einen unüberhörbar eigenen und authenti­


bild: OSI/Dániel Vass

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Denise Fedeli: «Markus Poschner ist es gelungen, mit dem Orchester einen unüberhörbar eigenen und authentischen musikalischen Weg einzuschlagen».

schen musikalischen Weg einzuschla­ gen. Im Mittelpunkt stand dabei eine neue, unverstellte Auseinandersetzung mit dem klassischen und romantischen Repertoire, die sich um eine lebendige Ausgestaltung der feinsten Details be­ mühte. M&T: Wie hat sich die künstlerische Eigenart, der klangliche Charakter des Orchesters in den letzten Jahren verändert? Welche hauptsächlichen Qualitäten sehen Sie heute? Denise Fedeli: Wir haben unsere Kon­ zertprogramme auf ein Repertoire abgestimmt, das zum regulären Perso­ nalbestand des Orchesters passt. Das heisst, wir bauten auf eine Orches­ tergrösse, wie sie die Wiener Klassik kannte. So versuchten wir, unser eigen­ ständiges Profil zu schärfen und indivi­ duelle Qualitäten zu entwickeln. Dazu gehören auf der einen Seite «Schweizer

Präzision» oder technische Sauberkeit, Virtuosität sowie Agilität in den Tempi und klangliche Frische, auf der andern Seite italienische Fantasie, Flexibilität oder die Fähigkeit zu improvisieren, sich an die unterschiedlichsten Situati­ onen anzupassen, etwa lyrische Phrasen spontan zu entwickeln. Konsequenz dieser Ausrichtung ist ein Repertoire, das um Mozart, Schubert oder Rossini kreist. M&T: Das LAC könnte auch als Opernbühne genutzt werden. Besteht die Möglichkeit, das OSI künftig auch im Orchestergraben zu erleben? Denise Fedeli: Das LAC hat einen wunderbaren Orchestergraben. Das OSI hat ihn bereits eingeweiht mit einer Produktion von LuganoInSce­ na mit Debussys «La Mer» und Stra­ winskys «Sacre du printemps» in der Choreografie von Virgilio Sieni und

mit seiner Kompagnie. Natürlich den­ ken wir über Opernprojekte nach, die allerdings nur möglich sind, falls es die Kräfte von OSI, RSI, LAC und der Stadt Lugano zu bündeln und private Sponsoren hinzuzugewinnen gelingt. Sehr gerne möchten wir mit der Tri­ as von Mozartopern auf Libretti von Da Ponte beginnen, allenfalls in ei­ ner Koproduktion mit einem andern Theater. Wir arbeiten auf jeden Fall mit Markus Poschner an interessanten Ideen… M&T: Wie ist das Verhältnis des Orchesters zur Stadt Lugano. Gibt es Aktivitäten über die traditionellen Konzertreihen hinaus? Denise Fedeli: Das OSI spielt zwei Kon­ zerte pro Saison für LuganoMusica im LAC. Darüber hinaus tritt die Stadt Lugano immer häufiger als Initiator von Veranstaltungen auf, mit denen sie

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musik die Zusammenarbeit mit dem Orches­ ter sucht, beispielsweise das Silvester­ konzert. Ebenfalls im Veranstaltungs­ kalender des LAC – im Rahmen des Vermittlungsprogrammes LAC edu – erscheinen zahlreiche Initiativen, wel­ che das OSI für Kinder und Familien durchführt. In der vergangenen Saison beispielsweise haben wir im Lauf ei­ ner Woche mit unseren – frei zugäng­ lichen – Konzerten für Schulen 8000 Kinder und weitere 2000 Personen erreicht, ohne die Zuschauer der TV­ Direktübertragung zu rechnen. In Zu­ kunft kann ich mir auch grosse Open­ Air­Konzerte auf der wunderschönen Piazza des LAC vorstellen, sei es mit spektakulären Programmen oder als Live­Begleitung grosser Kinohits.

Denise Fedeli: Die Saison 2016/17 wur­ de bereits ein Jahr vor der Eröffnung des LAC konzipiert – voller Enthusias­ mus und Vorfreude auf die Möglich­ keiten des neuen Konzertsaales. Auch die bevorstehende Zusammenarbeit mit Markus Poschner als Chefdirigent beflügelte uns und trieb uns an, die Aktivitäten des OSI international wahr­ nehmbar zu machen. Deshalb prä­ sentiert sich das ganze Programm als eine ausserordentliche Konzertserie mit wichtigen Namen, von Evgeny Kissin bis Khatia Buniatishvili, von Lisa Batiashvili bis Sol Gabetta. Im nächsten Oktober geht das OSI mit Markus Poschner auch auf eine ausgedehnte Tournee mit Kon­ zerten in Innsbruck, Salzburg, Maribor, Linz, Aachen und Frankfurt. Das heisst,

«Das OSI trägt als Kulturbot­ schafter den Namen der Svizzera Italiana in die Welt hinaus» M&T: Brennendstes Problem des Orchesters derzeit ist der schrittweise Rückzug der SRG/ SSR, das Herunterfahren der Subventionen im Lauf der nächsten Jahre. Wie präsentiert sich die Situation gegenwärtig? Wie denken Sie, die Probleme zu meistern? Denise Fedeli: Die SSR hat entschieden, die Zusammenarbeit mit dem OSI neu zu definieren und sich künftig auf den Einkauf von Orchesterleistungen zu be­ schränken, gleichsam als ein externer Kunde. Diese neue Situation steht im Gegensatz zu unserer Geschichte und verlangt vom OSI ein Überdenken al­ ler seiner Aktivitäten. Gegenwärtig sind wir noch daran einen neuen Vertrag zu formulieren. Je nachdem wie das Resul­ tat ausfällt, drängt sich die Suche nach neuen Wegen auf. Auf jeden Fall wird es notwendig sein, alle möglichen Partner des OSI um einen Tisch herum zu ver­ sammeln, um eine Strategie zu entwer­ fen und zu verankern, welche dem Mu­ sikschaffen in der italienischen Schweiz langfristig nicht nur das Überleben, son­ dern eine blühende Zukunft sichert. M&T: Welche Auswirkungen hatte diese unsichere Situation auf die Programmation der Saison 2016/17?

die ersten wirklichen Auswirkungen des Rückzugs der SSR wird man erst in der Saison 2017/18 sehen, die derzeit noch in Planung ist. M&T: Wie sieht die kommunale und kantonale Politik die künftige Rolle des OSI? Besteht tatsächlich die Gefahr, das einzige Berufsorchester der italienischen Schweiz zu verlieren? Denise Fedeli: Wir bemühen uns und sind daran, die politischen Entschei­ dungsträger zu sensibilisieren, nicht nur hinsichtlich der Bedeutung des OSI für die kulturelle und soziale Entwicklung unserer Region, sondern genauso für die finanziellen Auswirkungen, welche un­ ser Orchester auf verschiedene Bereiche hat. Kürzlich wurde – durch unabhän­ gige Spezialisten – eine Studie durch­ geführt, worin man analysierte, wie der gross der wirtschaftliche Rücklauf der Aufwendungen der öffentlichen Hand für das OSI ist, wie viel dem Staat durch Steuererträge wieder zurückfliesst. Die ökonomischen Auswirkungen unserer vielfältigen Aktivitäten mit über 50 000 Besuchern sind dabei wirklich überra­ schend! ■ Übersetzung: Andrea Meuli

Seit einem Jahr ist Markus Poschner «Direttore principale» des Orchestra della Svizzera italiana. Mit dem OSI erprobte er als Erster den neuen Konzertsaal des LAC. Und hofft nun, mit dem Orchester zu neuen künstlerischen Höhenflügen aufzubrechen. Andrea Meuli


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Das OSI spielt Brahms unter Markus Poschner vor ausverkauftem Saal im neuen LAC.

Markus Poschner über seine Erfahrungen mit dem neuen Saal im LAC und seine Pläne mit dem OSI

«Vieles kann man jetzt neu erfinden»

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musik Artikulationen sehr gut – und all diese Qualitäten sind auch in der letzten Rei­ he zu erleben, was in grösseren Sälen nicht unbedingt der Fall ist. Hier im LAC verschwimmt der Klang nie. M&T: Auf der anderen Seite verzeiht ein Saal mit diesen Eigenschaften nichts. Ist er unerbittlich? Markus Poschner: (Lachend) Ja, total! Er verzeiht wirklich nichts. Jede Intonations­ trübung, jede Schwebung hört man, ohne dass er Wärme vermissen lässt. Was für uns Musiker ja eine ganz wichtige Eigen­ schaft ist: Hat ein Raum Wärme, besitzt er Charme, einen eigenen Charakter? Und da kann ich den Machern des LAC ein

Markus Poschner: Das Portfolio des Orchesters ist ein sehr weit und breit gefächertes, bis hin zu zahlreichen Pro­ jekten für Schulen und Familien auch in anderen Sälen, aber natürlich bedeu­ tet das LAC etwas ganz besonderes für uns. Ich denke schon, dass unsere Kon­ zertdichte dort stimmt, wir sind ja dort nahezu lückenlos präsent. Und über künftige Projekte, wie sich dies alles op­ timieren lässt, sind wir im Gespräch. Es eröffnen sich nun plötzlich wunderbare Perspektiven für Festivals, thematische Zyklen, ja auch für Opernaufführun­ gen. Vieles kann man jetzt völlig neu erfinden.

«Hier im LAC verschwimmt der Klang nie» grosses Kompliment aussprechen. Wir hatten im Vorfeld ja mehrere Akustik­ proben, worauf noch etliches optimiert wurde, vor allen Dingen direkt auf der Bühne. Um noch eingreifen zu können war es schon wichtig, diese Klangproben rechtzeitig anzusetzen. Und jetzt ist der Saal so, wie wir ihn uns erträumt haben! M&T: Das OSI ist nun das offizielle Residenzorchester im LAC. Reicht die Zahl Ihrer Konzerte, um diese Präsenz künstlerisch nachhaltig zu markieren?

bilder: OSI/Dániel Vass

M&T: Markus Poschner, Sie blicken auf Ihre erste Saison als «Direttore principale» des OSI zurück. Haben sich Ihre Erwartungen, vor allem auch mit dem neuen Konzertsaal im LAC, erfüllt? Markus Poschner: Für uns ist der Saal absolut ideal – geradezu traumhaft. Und besonders für ein klassisch­romantisches Repertoire halte ich die Akustik für na­ hezu perfekt. In dieser, meiner ersten, Saison lag ja der Fokus auf den vier Sin­ fonien von Johannes Brahms, ganz ver­ ankert in der Meininger Tradition – im Gegensatz zur Wiener Schule eine sehr klassische Lesart, die uns faszinierte und interessierte. Das Projekt lag mir sehr am Herzen. Ich habe die letzten Jahre in­ tensiv über eine ganz bestimmte roman­ tische Aufführungspraxis nachgedacht, die sich sehr von dem allgemeinen Kli­ schee unterscheidet. Gerade bei Brahms sind die Missverständnisse enorm. Ich habe viel Material in den Bibliotheken und Archiven sichten können, etwa sei­ ne eigenen Eintragungen und die seiner unmittelbaren Assistenten in das No­ tenmaterial. Daran kann man gut seine Klangvorstellung ablesen und wie frei, respektive wie streng er mit seinen eige­ nen Angaben umging, speziell mit dem Parameter Tempo. All das zusammen, liess das Projekt «Rileggendo Brahms» in Lugano entstehen. Nochmal – dafür ist dieser Saal wie gemacht. Mit knapp tausend Plätzen ist er nicht übermässig gross, hat aber eine unglaubliche Klar­ heit und Transparenz, gerade für einen solchen kammermusikalischen Ansatz. Er erlaubt es, atemberaubend leise zu spielen, man hört alle Feinheiten und

Markus Poschner: «Etwas Frisches, Bewegliches und Temperamentvolles schwingt da automatisch schon einmal mit».

M&T: Wie sieht es mit Ihrer Präsenz als «Direttore principale» beim OSI aus? Markus Poschner: Wir handhaben das relativ flexibel. Es sind sieben bis neun Wochen im Jahr, was wir selbstverständ­ lich durch Tourneen anreichern wer­ den. Jetzt im Oktober beispielsweise steht eine grosse Tournee durch Öster­ reich, Slowenien und Deutschland an. Auch Projekte wie unser Brahmszyklus, den wir übrigens im Herbst bei SONY auf DVD herausbringen werden, spielen eine sehr wichtige Rolle. Da wir dort ei­ nen völlig eigenen interpretatorischen Ansatz verfolgt haben, sind viele gros­ se Festivals sofort neugierig geworden. Etliche Anfragen gibt es bereits, diesen Zyklus dort komplett zu wiederholen. Das freut uns natürlich sehr und bestä­ tigt uns in unserer Arbeit – was ja das Schönste ist. M&T: Das klingt alles nach wunderbaren künstlerischen Perspektiven, nach Aufbruch. Gleichzeitig steckt das Orchester mit seiner Zukunftsplanung in einer Krise, aus der man – allenfalls mit einer gewissen Autonomie von der RSI – erfolgreiche Wege zu finden sucht… Markus Poschner: In einer Krise steckt immer auch eine gewaltige Chance, ge­ stärkt und verbessert daraus hervorzu­ gehen – so möchte ich die momentane Situation am liebsten beschreiben… Es ist natürlich immer eine bedauerliche Entscheidung, wenn ein Sender be­ kannt gibt, sich aus der aktiven Rolle mehr und mehr zurückziehen zu wol­ len. Dieses Lied kenne ich aus Deutsch­ land ja in­ und auswendig. Wichtig ist nur, dass allen politischen Akteuren dabei immer klar ist, welch entschei­


musik dende Bedeutung dem Orchester für die Region zukommt. Auch unsere neue Immobilie LAC ist als Hülle allein ziemlich wertlos, da ohne Leben. Nur wir Kulturschaffenden können Iden­ titäten stiften, für Lebensqualität und Lebendigkeit sorgen. All dies sind die entscheidenden Standortvorteile und machen einen Ort, eine Region oder einen Kulturraum auch für den Touris­ mus erfahrbar und attraktiv – und las­ sen für die Einheimischen überhaupt erst so etwas wie Heimat entstehen. Alle müssen wissen, dass dieses Orches­ ter der bestmögliche Botschafter für Lugano und den Kanton in der Welt sein kann – ein enormer Qualitätsmul­ tiplikator! Die Qualität des Klangkör­ pers ist enorm, und die internationale Aufmerksamkeit wächst von Stunde zu Stunde. Meine Vision ist es, eine neue und noch bessere Struktur für das Or­ chester und Lugano beziehungsweise das gesamte Tessin zu finden, von der letztlich alle profitieren werden – mit oder ohne SRG, das ist dann gar nicht mehr so wichtig. Wenn sich das Radio daran nicht oder nur gering beteiligen will, ist das deren Entscheidung. Jetzt sind Gespräche und Ideen nötig, dann denke ich, wird man kulturell im Tes­ sin eine wunderbare Zukunft vor sich haben. M&T: Wie sind Sie zum Orchestra della Svizzera italiana gekommen? Markus Poschner: Eine gewisse Ge­ schichte mit diesem Orchester hatte ich ja schon, auch wenn sie mit rund drei Jahren noch relativ jung ist. Ich dirigierte damals ein Konzert mit Schu­ bert und Mozart – das war mein erster Kontakt. Wir haben uns gegenseitig auf Anhieb sehr gut verstanden, sind uns daraufhin näher gekommen, ha­ ben Ideen und Gedanken ausgetauscht und an einem Nachmittag sehr schnell einen gemeinsamen Weg skizziert, wo­ hin alles so führen könnte. So einfach war das. M&T: In einem Jahr beginnen Sie neu als Chefdirigent des Linzer Bruckner Orchesters. Wird dies das dritte Engagement neben Bremen und Lugano sein? Markus Poschner: Nein, das würde nicht gehen! Meine Arbeit in Bremen endet nach zehn Jahren im nächsten Frühjahr, mehr als zwei Chefpositionen gleich­ zeitig machen doch überhaupt keinen Sinn. Ich bin ja eher eine Art Famili­ enmensch, ich liebe das Gemeinsame. Ich merke immer wieder, wie viel dar­ aus entstehen kann. Das sehe ich auch hier in Lugano, es bieten sich so viele Möglichkeiten. Das sind auch alles ganz fantastische Musiker, die das OSI zu ei­

nem ganz modernen Orchester werden lassen. Es gibt darin keine ersten und zweiten Bläser, sondern nur gleichran­ gige Solobläser, die ständig rotieren. Das halte ich für sehr motivierend, weil jeder viel mehr Verantwortung und En­ gagement mitbringt, jeder ist hier Leis­ tungsträger, ebenso in den Streichern. Ich denke, das ist unser grosser und entscheidender Vorteil gegenüber grös­ seren Ensembles. M&T: Wie reagiert das Publikum auf das OSI im neuen Saal? Markus Poschner: Es gibt einen rich­ tigen Run, die Konzerte sind alle aus­ verkauft, alle wollen dabei sein, wollen mitbekommen, was da geschieht und entsteht. Jetzt treten wir in eine nächste

Dazu können auch solche Gegenüber­ stellungen viel beitragen. Alle Orches­ ter spielen natürlich Beethoven oder Brahms, dennoch geht es einzig und allein immer um den eigenen Blick. Wir müssen aufzeigen, was es bedeutet, wenn wir Brahms spielen. Wenn ein Or­ chester wie das Orchestra della Svizzera italiana aus diesem kulturellen Schmelz­ tiegel Tessin mit all seinen Einflüssen Brahms aufführt, ist das nicht vergleich­ bar mit anderen Sinfonieorchestern – etwas Frisches, Bewegliches und Tempe­ ramentvolles schwingt da automatisch schon einmal mit. Und das deckt sich glücklicherweise genau mit dem, was ich sowieso in den Partituren wiederzufin­ den glaube. Dieser authentische Zugriff interessiert mich.

«Wir wollen eine eigene Tradition kreieren» Phase, in der es zu zeigen gilt, dass die­ ser Ort lebendig ist und wandelbar. Wir wollen eine eigene Tradition kreieren, am liebsten auch im Musiktheater. Das ist unser Credo. Dazu gehört, dass wir uns öffnen – das wird eine grosse Her­ ausforderung werden, aber auch sehr spannend. Dafür möchte ich alle Tessi­ ner Kräfte bündeln. M&T: In ein Programm der letzten Saison bauten Sie beispielsweise die Fado-Sängerin Misia ein. Betrachten Sie das als eine solche Öffnung? Markus Poschner: Ja, natürlich. Musik bedeutet Freiheit, Grenzen überwin­ den und sie nicht akzeptieren, schon gar nicht diese dummen Klassifizierun­ gen wie E­ und U­Musik. Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust – eines davon schlägt für den Jazz, aus der Ecke ich ja auch ein wenig komme. Sie erwähnen das Programm mit Mi­ sia. Portugiesischer Fado ist in seiner Melancholie so verwandt mit Schubert, mit der frühen Wiener Musik! Er hat seine Wurzeln übrigens auch fast in derselben Zeit. Ich höre Fado einfach wie einen anderen Dialekt. Dies inhalt­ lich einander gegenüberzustellen, fas­ ziniert mich. M&T: Gegenüberstellungen durchziehen oft Ihre Programme… Markus Poschner: Ich sehe es als eine grosse Chance an, dem immer selben Kanon an berühmtem Repertoire stets wieder einen neuen Sinn einzuhauchen.

M&T: Spielt die Oper in Ihrer Zusammenarbeit mit dem OSI keine Rolle? Markus Poschner: Doch, allerdings will ich da noch nicht mehr verraten, weil die Dinge erst in Planung sind. Oper braucht mehr Anlauf, deshalb gibt es für diese Saison noch kein Projekt. M&T: Was sind denn die Schwerpunkte der Saison 2016/17? Markus Poschner: Es wird kein über­ greifendes Motto, wie wir es die letzte Saison hatten, geben. Schubert wird uns stark beschäftigen, natürlich Beetho­ ven, auch Mozart und selbstverständlich viel Zeitgenössisches. Auch machen wir mit Richard Strauss weiter, mit unseren CD­Aufnahmen. Wir hatten ja mit sei­ nem späten Duett­Concertino gleich­ sam «unser» Stück aufgenommen – Strauss schrieb es für dieses Orchester. Diese Serie führen wir mit frühen Wer­ ken – «Aus Italien» sowie dem Violin­ konzert – fort. Nicht zuletzt kommen wirklich die besten Solisten zu uns, dar­ auf freue ich mich unglaublich. M&T: Was wohl auch ein wenig dem neuen Saal zu verdanken ist. Markus Poschner: Hundertprozentig. Ein toller Saal, der einem spielerisch alle Möglichkeiten bietet, motiviert jeden Musiker! ■

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LAC edu LAC edu – ein Vermittlungsprogramm mit Ambitionen

Den Enthusiasmus wecken LAC ist nicht nur ein Kulturzentrum mit einem hochkarätigen Programm, sondern bietet mit dem Vermittlungsprogramm LAC edu auch eine breite Palette an Veranstaltungen, die nicht nur Wissen und Inhalte vermitteln, sondern auch die Philosophie des Zentrums vorleben: ein Ort für alle zu sein – und an den man immer wieder gerne und mit Gewinn zurückkehrt.

Kunst und Kultur als spielerisches wie informatives Erlebnis – LAC edu lebt dies in zahlreichen Programmen exemplarisch vor – auch für Kinder. «Entscheidend ist der Enthusiasmus von jenen, die etwas präsentieren, die etwas vermitteln. Dieser Funke muss über­ springen», meint Isabella Lenzo Massei – verantwortlich für das Vermittlungs­ programm LAC edu – mit einem Fun­ keln in ihren Augen, das von freudigem Tatendrang kündet. Nein, gemeint sind mit diesem State­ ment nicht Künstler, die ihr Publikum zu faszinieren suchen, die Rede ist viel­ mehr von Leuten, die Kunst, Literatur oder Musik vermitteln. Von einem gan­ zen Team an Mitarbeiterinnen und Mit­ arbeitern also, die all die Angebote des

LAC sozusagen unter die Leute bringen, Lust und Interesse daran zu wecken su­ chen. Das ist die anspruchsvolle Aufgabe von LAC edu. In einem Zeitalter, in dem Kommu­ nikation einen enormen Stellenwert eingenommen hat, wird auch der Kul­ turvermittlung viel mehr Bedeutung beigemessen, selbstredend auch im Tessin. Erst recht jetzt, da man mit dem neuen Kulturzentrum LAC gleichsam in der Champions League der Veran­ stalter mitspielen will – und von den Ansprüchen des kühnen Unterneh­ mens her auch mitspielen muss. Ver­

mittlung der Inhalte wird bei dem am­ bitionierten Programm des Zentrums geradezu zur Notwendigkeit. Möglich ist ein so vielfältiges, ambitioniertes Vermittlungsangebot allerdings nur mit entsprechenden finanziellen Mitteln. «Glücklicherweise haben wir mit UBS einen Partner, der genau diese Aktivi­ täten unterstützt und ermöglicht. Ohne diesen Partner könnten wir dieses viel­ seitige und aufwendige Programm nie realisieren. Vieles können wir so auch kostenfrei anbieten und sind damit für alle zugänglich» meint Isabella Lenzo Massei.


LAC edu

bilder: LAC Lugano Arte e Cultura 2016

Zwar gab es bereits zuvor Vermitt­ lungsaktivitäten, vor allem im Umfeld des Museo Cantonale d’Arte. Schon dort hatte man versucht, Musik und Theater erlebnishaft miteinander in Verbindung zu bringen. Isabella Lenzo Massei wirk­ te damals schon mit. Beispielsweise in einer Ausstellung mit Werken von Klee und Fausto Melotti. Genau dieses spar­ tenverbindende Konzept wurde im LAC als Impuls aufgenommen. Mit Erfolg, wie Isabella Lenzo Massei feststellen kann: «Das funktioniert sehr, das LAC bietet darin ideale Voraussetzungen. Und wir sind sehr erfreut, wie viele Leu­ te unseren Angeboten in der ersten Sai­ son gefolgt sind.» Die Palette an Vermittlungsange­ boten schliesst nicht nur eine grosse Anzahl an Veranstaltungen für Kinder ein, sondern bezieht die Erwachsenen genauso ein. Das können Lesungen vor bestimmten Werken der bildenden Kunst sein. Immer jedoch achtet man darauf, dass all die thematischen Ange­ bote nicht als trockene Bildungsübun­ gen daher kommen. Ganz wichtig ist der Verantwortlichen von LAC edu, dass alles entspannt und locker geschieht. Ja, auch Vermittlung von Kunst und Kultur soll lustvoll wahrgenommen werden, ohne dass Wissen und Hintergrund zu Werken und Künstlern aus den Augen verloren würden. Aber eines bleibt Isa­ bella Lenzo Massei und ihren Kolle­ gen und Kolleginnen oberste Maxime: «Kunst, in allen Sparten, soll Vergnügen machen». Das gilt beispielsweise auch für Werkeinführungen im Museum, bei denen der Diskurs untereinander oder mit dem Kunstführer beim lockeren Apéro weiter geführt und vertieft wer­ den kann: «Diese Dialoge sind uns wich­

Offene Räume für einen offenen Geist: Die weite Eingangshalle des Kulturzentrums LAC hat sich sofort als beliebter Veranstaltungsort für die Programme von LAC edu etabliert.

tig». Auch andere Formen werden regel­ mässig angeboten. Etwa, wenn Musiker ein Bild mit einem musikalischen Werk in Verbindung bringen, das die gleichen Emotionen ausdrückt, eine vergleich­ bare Sensibilität anspricht. «Solche Ver­ bindungen und Reflexionen suchen wir – LAC ermöglicht sie.» Und nach einem Jahr LAC lässt sich feststellen, dass das Publikum nicht nur neugierig in all die Konzerte, Tanz­ und

spielweise, wenn LuganoMusica­Direk­ tor Etienne Reymond kurze Einführun­ gen zu Werken und Komponisten gibt und auch die Musiker vorstellt. Oder wenn ein Werk nach kurzen Erläuterun­ gen der Musiker ein zweites Mal gespielt wird. «So lernt man schwierigere Stücke ganz anders hören und schätzen. Alles bei uns geschieht in einem sehr locke­ ren Rahmen, denn es soll vor allem auch ein Publikum eingebunden werden, das

«Kunst in allen Sparten soll Vergnügen machen» Theaterveranstaltungen oder hochkarä­ tigen Ausstellungen in den attraktiven neuen Museumsräumen strömt. Genau­ so hat das Angebot von LAC edu seine begeisterten und regelmässigen Anhän­ ger gefunden. Ob bei «Arte, poesia e musica», jeden ersten Freitag im Monat, oder bei musikalischen Happenings, welche die Musik aus dem Konzertsaal hinaus tragen – in die weite, offene Hal­ le des Kulturzentrums. Klassische Musik, zugänglich für alle: «Hier kommen Fa­ milien mit ihren Kindern. Es herrscht eine ganz lockere Atmosphäre, es gibt Stühle, aber auch Kissen am Boden, auf denen es sich die Kleinen bequem ma­ chen können.» Und die Leute strömen in Scharen herbei. Vierhundert Perso­ nen waren es bei der ersten Ausgabe. Da­ bei achtet man natürlich darauf, nicht allzu schwierige Programme anzubieten, doch gibt es immer wieder auch etwas sperrigere Begegnungen. Dann hilft bei­

sich in dieser Szene weniger bewegt. Und vielleicht Schwellenangst davor hat, ein Konzert im grossen Konzertsaal zu besuchen – vor allem mit kleinen Kin­ dern», meint Isabella Lenzo Massei mit einem Lächeln. Natürlich richtet sich LAC edu auch an Schulen oder Familien, von denen inzwischen offensichtlich viele die An­ gebote regelmässig nutzen. Nicht selten motivieren Kinder nach einem LAC­ Besuch mit der Schule ihre Eltern zu einem gemeinsamen Besuch, erzählt Isabella Lenzo Massei. Und fügt als Fazit an: «Wir möchten ein lebendiges Kultur­ zentrum sein, über die einzelnen künst­ lerischen Angebote hinaus. LAC soll ein Ort sein, an den man immer wieder ger­ ne zurückkehrt. Auch ohne grosse Ver­ anstaltung, unangestrengt, und wenn es nur für eine kleine halbe Stunde ist». ■ Andrea Meuli

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impressum impressum 37. Jahrgang, September 2016 Special Edition LAC Lugano Arte e Cultura Erscheinungsweise sechsmal jährlich + Specials Diese Ausgabe erscheint in Zusammenarbeit mit LAC Lugano Arte e Cultura Redaktionsanschrift: Somedia Production AG Musik&Theater Neugasse 10, CH-8005 Zürich Tel. +41 44 491 71 88, Telefax 044 493 11 76 http://www.musikundtheater.ch redaktion@musikundtheater.ch Herausgeberin Somedia Production AG Sommeraustrasse 32 Postfach 491, CH-7007 Chur Verlagsleitung Ralf Seelig Tel. +41 81 255 54 56 ralf.seelig@somedia.ch

Chefredaktor Andrea Meuli Redaktion Reinmar Wagner, Werner Pfister Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe Nicola Cattò, Marco Frei, Werner Huber, Andrea Meuli Bildkonzept und Fotos Priska Ketterer Weitere Fotos: Nicolas Brodard/Verbier Festival, Felix Broede/ Decca, LAC Lugano Arte e Cultura, Dániel Vass/OSI Anzeigen Musik&Theater +41 44 491 71 88 redaktion@musikundtheater.ch Abonnementverwaltung Kundenservice/Abo Sommeraustrasse 32 Postfach 491, CH-7007 Chur Tel. 0844 226 226 abo@somedia.ch Herstellung Somedia Production AG Korrektorat Ernst Jenny Copyright Musik&Theater, Somedia AG Alle Rechte vorbehalten Abonnementspreise und -bedingungen 1 Jahr CHF 120.– 2 Jahre CHF 230.– Studenten (mit beigelegter Legitimation): CHF 78.– Schnupperabonnement (2 Ausgaben): CHF 25.– Ausland: 1 Jahr Einzelverkaufspreise:

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ORCHESTRA DELLA SVIZZERA ITALIANA LAC, LUGANO ARTE E CULTURA

29. SEPTEMBER 2016 . 20.30 Daniel Müller-Schott Violoncello Alain Lombard Leitung

9. FEBRUAR 2017 . 20.30 Jan Lisiecki Klavier John Axelrod Leitung

15. OKTOBER 2016 . 20.30 Khatia Buniatishvili Klavier Markus Poschner Leitung

23. MÄRZ 2017 . 20.30 Francesco Piemontesi Klavier Vladimir Ashkenazy Leitung

10. NOVEMBER 2016 . 20.30 Sunwook Kim Klavier Vladimir Ashkenazy Leitung

6. APRIL 2017 . 20.30 Vadim Gluzman Violine Markus Poschner Leitung

24. NOVEMBER 2016 . 20.30 Lisa Batiashvili Violine Markus Poschner Leitung

11. MAI 2017 . 20.30 Nikolai Lugansky Klavier Pablo González Leitung

1. DEZEMBER 2016 . 20.30 Evgeny Kissin Klavier Vladimir Ashkenazy Leitung

18. MAI 2017 . 20.30 Boris Brovtsyn Violine Howard Griffiths Leitung

12. JANUAR 2017 . 20.30 Antoine Tamestit Viola Juraj Valčuha Leitung

1. JUNI 2017 . 20.30 Sol Gabetta Violoncello Markus Poschner Leitung

Live-Radioübertragungen auf RSI Rete Due: rsi.ch/rete-due Alle Infos zur Konzertsaison auf: rsi.ch/concertirsi Abonnements und Tickets: ticketcorner.ch

CONCERTI


Š UBS 2016. Alle Rechte vorbehalten.

Miterleben

Einzigartige Momente im LAC Lugano Arte e Cultura. ubs.com/lac


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