SPe C Ia L e D IT IO n L uC e rn e fe ST I VaL
«PrimaDonna»
composer Olga Neuwirth
artists Diana Damrau Mirga Gražinyte˙ -Tyla Emmanuelle HaÏm Barbara Hannigan Susanna Mälkki Anne-Sophie Mutter Kirill Petrenko Simone Rubino
thema Riccardo Chailly, der neue Chef Frauen auf dem Podium
SO MMer 2016
editorial
Liebe Leserin, lieber Leser Diesen Sommer steht Lucerne festival im Zeichen des neuanfangs. eines natürlichen neuanfangs sozusagen, nachdem sowohl das Lucerne festival Orchestra wie die festival academy ihre langjährigen Vordenker und Leiter verloren hatten. Das Orchester bekommt in riccardo Chailly einen neuen Chef, dessen bisheriges Wirken auf Kontinuität wie aufbruch in neue repertoire-bereiche schliessen lässt. Künstlerische eigenständigkeit, ohne die bisherigen Qualitäten leichtfertig preiszugeben – diese Vorgabe erfüllt Chailly wie kaum ein anderer, und wir dürfen gespannt sein, welche neuen musikalischen Perspektiven diese Konstellation erschliesst. Im Gespräch skizziert Chailly seine ersten Ideen, die ihn 2017 beispielsweise rossini mit Strawinsky kombinieren lässt. Der auftakt dieses jahr steht hingegen noch ganz im Zeichen der Kontinuität. Mit Gustav Mahlers riesig besetzter achter Sinfonie füllt das LfO unter seinem neuen künstlerischen Leiter die Lücke in Claudio abbados Mahlerzyklus. auch darüber ist die rede in unserem Gespräch, das Sie in dieser ausgabe finden. neu aufgestellt beginnt auch die Lucerne festival academy nach dem Tod ihres Gründers Pierre boulez. Mit Wolfgang rihm ist es gelungen, einen der wichtigsten Komponisten unserer Zeit an das festival zu binden. Mit ihm wird dem kreativen Prozess, künftig noch vermehrt junge Komponisten einzubauen, zweifellos erheblicher rückenschub verliehen. Luzern stellt sich damit selbstbewusst in die erste reihe jener Veranstalter, denen eine musikalische Zukunft weder feigenblatt, noch lästige Pflicht bedeutet. Dies unterstreicht das engagement von Matthias Pintscher als Co-Leiter der academy und hauptsächlicher Dirigent des eigenen Orchesterensembles. Mit zwei profilierten Komponisten an der Spitze stellt sich die Lucerne festival academy damit der expedition Zukunft, bestimmt auch weiterhin im Zeichen lustvoller Offenheit und risikofreudigkeit. Ich wünsche Ihnen einen erlebnis- und überraschungsreichen Luzerner festivalsommer 2016. Herzlich, Ihr
andrea Meuli
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inserate
Gipfel. Meisterwerke. Aussichten. Die Konzertsaison 2016/17 mit dem Luzerner Sinfonieorchester im KKL Luzern. Erlebnisse die nachhallen.
Martha Argerich spielt Ravel
Beethoven-Projekt mit Oliver Schnyder
Mittwoch, 19. & Donnerstag, 20. Oktober 2016 | 19.30 Uhr Luzerner Sinfonieorchester | James Gaffigan, Leitung Martha Argerich, Klavier Leonard Bernstein: «Prelude, Fugue and Riffs» Maurice Ravel: Klavierkonzert G-Dur Béla Bartók: Konzert für Orchester Preise: CHF 150 | 125 | 90 | 55 | 25
Zyklische Live-Aufführung aller fünf Klavierkonzerte Beethovens. Ein künstlerisch tief lotendes, faszinierendes Konzerterlebnis. Luzerner Sinfonieorchester | James Gaffigan, Leitung Oliver Schnyder, Klavier
Beethovens Fünfte
Mittwoch, 14. Juni 2017 | 19.30 Uhr | KKL Luzern, Konzertsaal Ludwig van Beethoven: Ouvertüre zur Oper «Leonore» I op. 138 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-Dur op. 15 Ouvertüre zum Trauerspiel «Coriolan» op. 62 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 D-Dur op. 58
Mittwoch, 16. & Donnerstag, 17. November 2016 | 19.30 Uhr Luzerner Sinfonieorchester | Hannu Lintu, Leitung Stojan Krkuleski, Klarinette | Christoffer Sundqvist, Klarinette John Adams: «Short Ride in a Fast Machine» Siegfried Matthus: Konzert für zwei Klarinetten & Orchester (UA) Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67 Preise: CHF 110 | 90 | 65 | 45 | 25
Donnerstag, 15. Juni 2017 | 19.30 Uhr | KKL Luzern, Konzertsaal Ludwig van Beethoven: Ouvertüre zur Oper «Fidelio» op. 72b Ouvertüre zur Oper «Leonore» II op. 72 Ouvertüre zur Oper «Leonore» III op. 72a Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op. 37
Kirill Gerstein & James Gaffigan
Sonntag, 18. Juni 2017 | 18.30 Uhr | KKL Luzern, Konzertsaal Ludwig van Beethoven: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 19 Ouvertüre zu Goethes Trauerspiel «Egmont» op. 84 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur op. 73
Mittwoch, 7. & Donnerstag, 8. Dezember 2016 | 19.30 Uhr Luzerner Sinfonieorchester | James Gaffigan, Leitung Kirill Gerstein, Klavier Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 60 C-Dur «Il Distratto» Ferruccio Busoni: «Romanza e Scherzoso» f-Moll op. 54 Richard Strauss: Burleske d-Moll für Klavier und Orchester Franz Schubert: Sinfonie Nr. 5 B-Dur D 485 Preise: CHF 110 | 90 | 65 | 45 | 25
Preise jeweils: CHF 110 | 90 | 65 | 45 | 25
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inhalt
editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
composer Olga neuwirth und ihr Kampf gegen den elfenbeinturm . . . . . . . . . . . . . . 34
artists Susanna Mälkki: «Weiblichkeit ist nichts Musikalisches» . . . . . . . . . . . . . . 16 Mirga Gražinyte˙ -Tyla: «…für die Musik zu brennen» . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Mit Mahlers monumentaler Achter Sinfonie beginnt Riccardo Chailly als neuer Musikdirektor des Lucerne Festival Orchestra. Das Gespräch.
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barbara Hannigan: «Musik ist Hören, auch zuhören!» . . . . . . . . . . . . . . . . 22 emmanuelle Haïm: «…dann ist da noch das Herz» . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 anne-Sophie Mutter: «Ich schlage die Geige ungern» . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Kirill Petrenko – radikal auf die Musik fokussiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Diana Damrau und ihr Straussdebüt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Simone rubino: Kontrollierte Überraschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Der Schlagzeuger Simone Rubino gewinnt den «Credit Suisse Young Artist Award» 2016 und debütiert mit den Wiener Philharmonikern.
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thema «jede, die es schafft, schafft es offenbar für sich allein» . . . . . . . . . . . . . . 6 riccardo Chailly: «Darauf bin ich neugierig» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Michael Haefliger: «Wir haben ein sehr sensibles Publikum» . . . . . . . . . . 14 Die Moderne ist bereits erfunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Wenn Musiker sich in Performer verwandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Hubert achermann: «Die Idee begeistert mich». . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Die Komponistin Olga Neuwirth komponiert für Lucerne Festival und Martin Grubinger ein neues Konzert für Schlagzeug und Orchester.
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Kaum zu glauben: Vierzig Jahre ist es her, dass Anne-Sophie Mutter erstmals bei Lucerne Festival auftrat. Das Gespräch.
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service Lucerne festival im Sommer – die Special events . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Titelfoto: barbara Hannigan bild: Priska Ketterer
Emmanuelle Haïm gehört zu den profiliertesten Frauen am Dirigentenpult. In Luzern leitet sie ein Konzert der Wiener Philharmoniker.
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Die Produktion «Divamania» von Lucerne Festival Young Performance beschäftigt sich auf erfrischende Art mit dem Festivalthema «PrimaDonna».
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Leuchtet das rhetorische Räderwerk einer Partitur aus: Kirill Petrenko dirigiert das Bayerische Staatsorchester.
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thema
«Jede, die es schafft, schafft es offenbar für sich allein» Gedanken von Christine Lemke-Matwey über das Festivalthema «PrimaDonna» –
bild: Musacchio&Iannello/Lucerne festival
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Gilt als Vorzeigebeispiel einer ebenso emanzipierten wie erfolgreichen Musikerin: die kanadische Sängerin und Dirigentin Barbara Hannigan. Das Thema des diesjährigen Lucerne Festivals verspricht, ein «heisses Eisen» anzupacken. «PrimaDonna» heisst es, und die Grafik dazu, weisse Lettern auf mintgrünem Grund, zeigt eine (linke!) Frauenhand mit rotem Armband und roten Fingernägeln, die einen Taktstock hält. Um die Rolle der Frau in der Musik soll es gehen, verrät die Ankündigung, um jenes Wesen also, das es selbst heute noch «ungebührlich schwer» habe, wenn es ein Orchester leiten, als Komponistin zu Gehör kommen oder sich
als Instrumentalistin in einem Orchester durchsetzen wolle. Ein löblicher, längst überfälliger Versuch, dieses Festivalthema? Oder nur das Bedienen, ja Verfestigen überholter Klischees? Musikerinnen auf ihr Geschlecht zu reduzieren, hat eine lange Tradition. Man denke an Clara Schumann, die als einzige Frau am Hochschen Konservatorium in Frankfurt unterrichten durfte, weil sie qua Berühmtheit «so viel als wie ein Mann» galt; man erinnere an die
Schweizerin Sylvia Caduff, die 1977 (!) beim Städtischen Orchester Solingen Deutschlands erste Generalmusikdirektorin wurde; oder man nehme, brandaktuell, die junge litauische Dirigentin Mirga Gražinyte˙ -Tyla , die ab nächster Saison die Geschicke des City of Birmingham Symphony Orchestra lenken wird, in direkter Nachfolge von Andris Nelsons und Simon Rattle. Von der 28-Jährigen verspricht sich die Musikwelt einen Paradigmenwechsel: Denn warum sollte eine Position, die Männern
thema zur grossen internationalen Karriere verhalf, dies im Falle einer Frau nicht tun? Nur weil die Tradition es (noch) nicht hergibt? Rattle wurde bei den Berlinern zum Inbegriff des medienkompatiblen Superstars, Nelsons erprobt gerade den Spagat zwischen dem Boston Symphony
ist der Tenor einhellig: Sie seien es leid, als Frauen angesprochen zu werden, Qualität setze sich durch, Respekt sei geschlechtsneutral und so weiter und so fort. Hier sprechen diejenigen, die ihren Weg gemacht haben und nicht selten der Überzeugung sind, dabei
«Musikerinnen auf ihr Geschlecht zu reduzieren, hat eine lange Tradition» Orchestra und dem Leipziger Gewandhaus. Wenn Gražinyte˙ -Tyla hält, was man sich in Birmingham von ihr verspricht, dann stehen ihr in ein paar Jahren die ersten Pulte der Musikwelt offen. Ob man es nun diskriminierend findet oder nach wie vor nötig, hilfreich oder anachronistisch, über die Frau in der Musik nachzudenken – es gilt: Was in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts bestenfalls feministische Arbeitskreise bewegte, hat inzwischen die internationale Festivalbühne erreicht. Der Vorwurf einer Ghettoisierung freilich ist auch in Luzern nicht ganz von der Hand zu weisen. Warum, so fragt man sich, ist den Musikerinnen ein eigener «Erlebnistag» gewidmet (mit fünf Dirigentinnen, vier Komponistinnen, einer Geigerin, einer Pianistin und einer Bluessängerin), ist das nicht ein bisschen wie im Zoo – auf zum Frauenschauen und -hören? Es gibt zwar auch von dem besagten Tag unabhängige Konzerte wie die mit der kanadischen Sängerin und Dirigentin Barbara Hannigan (die das Mahler Chamber Orchestra leitet und ausserdem am 12. August zur Eröffnung die Festrede halten wird) oder das mit dem São Paolo Symphony Orchestra unter Marin Alsop, doch warum widerfährt keiner von ihnen die Ehre, das Festival zu eröffnen? Sicher, 2016 ist insofern ein besonderer Sommer für Luzern, als Riccardo Chailly mit Mahlers Achter seinen Einstand als Chefdirigent gibt und damit jenen Mahlerzyklus vollendet, den sein Vorgänger Claudio Abbado nicht mehr vollenden konnte. Ein solches Ereignis lässt sich nicht verstecken. Aber hätte es nicht auch andere programmatische Lösungen gegeben, mutigere? Befragt man die betroffenen Dirigentinnen, was sie davon halten, derart unter einen Hut gebracht zu werden,
keinerlei Diskriminierung erfahren zu haben. Vergegenwärtigt man sich allerdings ein paar Zahlen, könnte man fast auf die Idee kommen, dass es mit der weiblichen Solidarität nicht weit her ist. Jede, die es schafft, schafft es offenbar für sich allein – und schert sich nicht gross um andere, die es nicht schaffen, um Repertoireränder (an denen Frauen gerne Unterschlupf finden) oder das Old Boys Network aus Intendanten, Orchestervorständen, Managern, Agenten und Veranstaltern, das in der Musikwelt ungehemmt weiter seine Strippen zieht. Männer hingegen knüpfen mit Vorliebe männliche Seilschaften. Zu den Zahlen: Von den 131 Kulturorchestern in Deutschland werden derzeit ganze zwei von Dirigentinnen geleitet (von Joanna Mallwitz in Erfurt
nis von 127 : 12). Und im Unterbau, im mehr Verborgenen, etwa bei den Musikpädagogen oder -therapeuten, finden sich seit jeher umgekehrte Verhältnisse: Wo es ums Soziale geht, um erzieherische oder pflegerische Kompetenzen, sind Frauen gern zahlreich gesehen. Sicher gibt es auch positive Signale. Mit bis zu einem Drittel weiblichen Studierenden beispielsweise befinden sich die Dirigentinnen eindeutig auf dem Vormarsch. Und ist es nicht auch ein gutes Zeichen, dass die Betroffenen selbst über das leidige Thema der Chancengleichheit nicht mehr reden wollen? Hat Simone Young, die Ex-Generalmusikdirektorin und -Intendantin der Hamburgischen Staatsoper, in den vergangenen 20 Jahren nicht genug geredet und getan, um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren? Mit Verlaub: nein. Wären die Quoten nicht so jämmerlich, könnten sich Frauen an der Spitze wohl das eine oder andere Rückzugsgefecht leisten; in dem Moment aber, in dem hinter ihnen nur so wenige andere sichtbar sind, wird jeder Rückzug zum Problem, drohen sämtliche Mühen und Anstrengungen auf den Stand von anno dunnemals zurückzusinken. Insofern unterscheidet sich der Genderdiskurs in der Kunst nicht gross von dem in Wirtschaft, Wissenschaft oder Politik. Gleichzeitig liegt hier das Hauptargument für Luzerns «PrimaDonna»Idee: Solange eine solche Stagnation herrscht und der «weiche» Kulturbereich sich derart frauenunfreundlich gebärdet, sollten wir uns nicht über ver-
«An der Situation der Frau in der Musik wird sich von ganz allein nichts ändern, gar nichts» und von Julia Jones demnächst in Wuppertal). Das entspricht einer Quote von 1,5 Prozent. In keinem der grossen internationalen Orchester – von den Berliner Philharmonikern über das Concertgebouw Orchester bis zu den Klangkörpern in Zürich oder Chicago – spielen auch nur annähernd so viele Frauen wie Männer (bei den in dieser Hinsicht seit jeher berüchtigten Wiener Philharmonikern herrschte Anfang 2015 ein Verhält-
rutschte Grafiken mit roten Fingernägeln aufregen, sondern vielmehr daran erinnern, dass sich an der Situation der Frau in der Musik von ganz allein nichts ändern wird, gar nichts. ■
Christine Lemke-Matwey Christine Lemke-Matwey ist Feuilleton-Redaktorin der deutschen Wochenzeitung DIE ZEIT
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M&T: Ihr Debüt an der Mailänder Scala gaben Sie sehr früh… Riccardo Chailly: … das war 1978 mit Verdis «Masnadieri». Da war ich tatsächlich noch sehr jung, (lachend) ein ragazzino. M&T: Nun sind Sie als musikalischer Chef der Scala sozusagen im Olymp der Operntradition angekommen. Und tragen gleichzeitig die Verantwortung für die sinfonische Formation des Orchesters, die Filarmonica della Scala… Riccardo Chailly: … ja, mein Engagement beschränkt sich nicht nur auf die Opernsaison in Mailand, sondern
schliesst die Verantwortung für die Filarmonica della Scala mit ein. Ich habe also eine doppelte Aufgabe übernommen! Beide Teile sind wichtig, sie ergänzen sich gegenseitig. Vergessen wir nicht, dass die Filarmonica della Scala aus der gleichen Ausgangssituation heraus entstanden ist wie die Wiener Philharmoniker. Nämlich, dass ein Opernorchester sich parallel zu seinen Aktivitäten im Orchestergraben entschloss, auch mit sinfonischen Programmen aufzutreten. Meine elf Jahre in Leipzig zeigen ebenfalls Parallelen zu einer solchen Konstel-
lation, auch das Gewandhausorchester spielt beide Sparten nebeneinander. Diese doppelte Tätigkeit ermöglicht mir wie auch allen Gastdirigenten, ein ungemein breites Repertoire und Stilpanorama zu pflegen – eine privilegierte Situation. M&T: Sollte jedes Orchester beides spielen, Oper und Sinfonik? Riccardo Chailly: Karajan argumentierte, dass ein Sinfonieorchester erst dann komplett sei, wenn es auch die Fähigkeit besitzt Opern aufzuführen. Genau
Riccardo Chailly beginnt als neuer Musikdirektor des Lucerne Festival Orchestra
«Darauf bin ich neugierig» Der Auftakt ist spektakulär: Riccardo Chailly dirigiert Gustav Mahlers monumentale Achte Sinfonie und füllt damit die Lücke in Claudio Abbados Zyklus aller Sinfonien dieses Komponisten mit dem Lucerne Festival Orchestra. Darüber, wie über seine künftigen Pläne mit dem Orchester, über das Dirigieren an sich sowie über seine Verantwortung an der Mailänder Scala, sprachen wir mit dem neuen Chef des Lucerne Festival Orchestra. Andrea Meuli
deshalb, um diese stilistische Offenheit zu pflegen und zu nutzen, spielte er ja mit den Berliner Philharmonikern jede Saison auch Oper, sei es konzertant in Berlin, sei es bei seinem Osterfestival in Salzburg. M&T: Ist ein solches Orchester agiler, flexibler? Riccardo Chailly: Nicht nur flexibler oder agiler. Es geht auch um ein stilistisches Bewusstsein, den Stil von Brahms oder Mahler wirklich tief zu verstehen. In Mailand beispielsweise ist es für die Filarmonica derzeit enorm wichtig, den sinfonischen
Weg von Bruckner zu erkunden. Dessen Werke haben sie seit Langem nicht mehr gespielt. Deshalb fehlt jede Vertrautheit im Umgang mit dieser Musik. Sich damit intensiv auseinanderzusetzen, erweist sich umgekehrt als ebenso wertvoll und hilfreich, wenn sie Wagner, Verdi oder Puccini spielen. Alle grossen Komponisten verlangen ein spezifisches stilistisches Wissen und Bewusstsein, wenn man sich vertieft mit ihnen befasst. Ein breites Repertoire von der Oper bis zu den grossen Sinfonikern vermittelt zweifellos wesentliche und tiefere Einsichten.
M&T: Wie eng ist die Verbindung zwischen geistiger und körperlicher Energie beim Dirigieren? Riccardo Chailly: Meiner Meinung nach sind das zwei völlig verschiedene Dinge. Kopf und Geist des Dirigenten geben die musikalische Reise einer Interpretation vor. Der Körper nimmt an dieser Reise teil und ist mit seinem Herzschlag natürlich verbunden mit dem, was wir als den emotionalen oder geistigen Teil des Dirigierens bezeichnen. Der Körper und die Bewegungssprache des Dirigierens, also letztlich die Technik
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bild Lucerne festival/Marco borggreve
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SAISON1617 HIN UND WEG VON DER
OPÉRA DES NATIONS OPERN
NEU NG MANON CKETEI MENTS I T DER VAMPYR N ABONNLINE RA.CH & O NEVEOPE LA BOHÈME GE . WWW IL GIASONE WOZZECK DIE JUNGFRAU VON ORLÉANS COSÌ FAN TUTTE NORMA BALLETTE
BA\ROCK EIN DEUTSCHES REQUIEM EINE LEIDENSCHAFT FÜR DIE PASSION KONZERTE
THE INDIAN QUEEN . MANON LESCAUT JOYCE DIDONATO . ERWIN SCHROTT LIEDERABENDE
THOMAS HAMPSON . CAMILLA NYLUND CHRISTIAN GERHAHER . KARITA MATTILA JOHN OSBORN & LYNETTE TAPIA PATRICIA PETIBON FÜR KINDER
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bild: Teatro alla Scala/brescia&amisano
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Riccardo Chailly: «Der Körper und die Bewegungssprache des Dirigierens bleiben ein Mittel und kein Ziel». des Dirigenten, bleiben ein Mittel und kein Ziel. Formulieren wir es so: Die Gebärdensprache ist die Konsequenz eines Gedankens, einer musikalischen Intention. M&T: Wie wichtig ist eine individuelle Dirigiersprache, um eigene Ideen, eine Konzeption zu vermitteln? Riccardo Chailly: Dirigieren studiert man am Konservatorium über viele Jahre. Es ist klar, dass dabei auch der Funktion der Bewegung Beachtung geschenkt wird. Letztlich ist es ja tatsächlich die Bewegungssprache, welche den interpretativen Gedanken zu vermitteln sucht. In den letzten drei Jahren meines Studiums besuchte ich auch Kurse bei Maestro Franco Ferrara in Siena. Er legte grosses Gewicht darauf, ob Körperlichkeit und Technik des Dirigierens von uns Studenten klar oder nicht klar waren, um dem Orchester ganz exakt die musikalische Intention zu vermitteln. Franco Ferrara ging es sehr um die Perfektionierung einer individuellen Schlagtechnik und die damit verbundenen Ausdrucksmöglichkeiten. Diese Transformation des Gedankens ist für unseren Beruf essenziell.
M&T: Sprechen wir über Ihre neue Aufgabe in Luzern: Die Musikerinnen und Musiker des Lucerne Festival Orchestra treffen sich jeweils nur für eine kurze Zeitperiode. Beeinflusst das die Art Ihrer musikalischen Arbeit? Riccardo Chailly: Das ist für mich ein zukünftiger Diskurs. Bisher kenne ich das Orchester nur als Zuhörer aus jenen ausserordentlichen Jahren, in denen Claudio dieses Ensemble formte. Zweimal im Jahr – im August für das Festival in Luzern sowie im Oktober für eine internationale Tournee – jeweils die gleichen Musiker zu vereinen – scheint mir einzigartig, weil man so aus den Schemen und Zwängen des täglichen musikalischen Lebens ausbricht. Darauf bin ich sehr neugierig, darauf freue ich mich auch. M&T: Und es steht mit Gustav Mahlers Achter Sinfonie gleich zu Beginn eine besondere Herausforderung an. Riccardo Chailly: Tatsächlich stehen wir da einem sehr komplexen Meisterwerk gegenüber, das es gemeinsam zu erarbeiten und zu interpretieren gilt. Doch eine solche Gemeinschaft wie sie das Lucerne Festival Orchestra bietet, fördert Leidenschaft und Freundschaft im Zeichen der Musik. Und über allem muss das
gemeinsame Streben nach der instrumentalen Qualität stehen. Stimmt diese Basis, kann man nach einem Amalgam, nach einem persönlichen Klang suchen. Das beeindruckte mich immer in den Konzerten von Claudio: die Idee eines klanglichen Amalgams, verwirklicht mit einem Orchester mit einer starken Identität – dies jedoch nur konzentriert zwei Mal im Jahr. Das ist eine sehr interessante Perspektive. M&T: Wie proben Sie? Eher spontan oder mit einer vorgefassten Strategie? Riccardo Chailly: Schauen Sie, ich kenne das Orchester noch nicht. Natürlich habe ich mein System, nach dem ich normalerweise arbeite und das von der Qualität abhängt, die ich erhalte. In der ersten Probe lasse ich ein Werk immer ganz spielen. Da begibt man sich dann jeweils auf eine Reise in unbekannte Gefilde – mit allen Schwierigkeiten und Problemen, die auftauchen können. Dabei kann allerdings bereits auch eine gewisse Aura entstehen, weil man wenig unterbricht, wenig spricht und der Sinfonie folgt. Ich versuche jeweils die Reaktion der Musiker auf mein Dirigat zu verstehen, auch auf ei-
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CECILIA BARTOLI – ST. PETERSBURG Diego Fasolis – I Barocchisti CD
ANNE-SOPHIE MUTTER – THE CLUB ALBUM Lambert Orkis, Mahan Esfahani, Mutter‘s Virtuosi
MARTHA ARGERICH & DANIEL BARENBOIM – LIVE FROM BUENOS AIRES
MARTHA ARGERICH – THE COMPLETE RECORDINGS ON DEUTSCHE GRAMMOPHON
RICCARDO CHAILLY – BRAHMS: COMPLETE ORCHESTRAL MUSIC Freire, Kavakos, Repin, Mørk – Gewandhausorchester
CD / CD&DVD / Vinyl 2LPs / Blu-Ray
DANIEL BARENBOIM – ELGAR: SYMPHONY NO. 1 Staatskapelle Berlin CD
POLLINI & ABBADO – THE COMPLETE DEUTSCHE GRAMMOPHON RECORDINGS 8 CDs
48 CDs
ALISA WEILERSTEIN – SHOSTAKOVICH: CELLO CONCERTOS 1 & 2 Pablo Heras-Casado – Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks CD
CD
7 CDS
LEONIDAS KAVAKOS – VIRTUOSO CD
thema ner technischen Ebene. Nachher, von der zweiten Probe an, tauchen wir in die Details der Interpretation ein. Das geht dann sehr viel langsamer voran. Man feilt an Details, bewältigt auftretende Schwierigkeiten und arbeitet sich so Schritt für Schritt in einem Werk voran. Jedes Orchester reagiert dabei anders; das hängt von der individuellen Vorbereitung der Musiker wie von ihrer Vertrautheit mit dem aufgeführten Repertoire ab. Diese Dinge lassen sich nie vorhersehen. M&T: Sie waren Chef und haben intensiv mit Orchestern gearbeitet, die auf eine grosse musikalische, auch historische Tradition bauen können. Das gilt für Amsterdam wie für Leipzig. Nun treffen Sie auf ein völlig anders aufgestelltes Ensemble. Riccardo Chailly: Über die organisatorischen Unterschiede, wie dieses Orchester aufgestellt ist, haben wir gesprochen. Natürlich ist das ganz anders als bei einem ständigen Orchester. Zwei Dinge sind wichtig: Zum einen ist die grosse Mehrheit der Musiker, die diesen Sommer nach Luzern kommen, die gleiche wie in den Vorjahren. Hinzu kommen einige Musiker aus dem Orchester der Mailänder Scala, also aus jenen beiden Ensembles, mit denen ich regelmässig arbeite. Deshalb erscheint es mir nur logisch, einige Musiker aus dem Opernorchester wie der Filarmonica della Scala hier in Luzern mit einzubeziehen. Ansonsten bleibt das Orchester fast gleich besetzt. Was einerseits aus der hervorragenden Qualität der einzelnen Musikerinnen und Musiker resultiert, zum andern spielen wir Mahlers Achte, füllen also die Lücke in Claudio Abbados Zyklus mit allen Sinfonien Mahlers beim Lucerne Festival. Das heisst, die Musiker sind vertraut mit dem musikalischen Stil dieses Komponisten. Das hat enormen, ja ich würde sagen fundamentalen Einfluss auf das Verständnis nicht nur des Notentextes, sondern parallel dazu auch auf einer spirituellen, psychologischen Ebene. M&T: Ein schwieriges Werk, um einen schlüssigen Zugang zu finden? Riccardo Chailly: Mahlers Achte ist auf gewisse Weise seine einzige Oper, geschrieben in Konzertform. Sie ist nicht nur aufgrund von Goethes Text ein sehr theatrales Werk. Sondern auch in seiner ganzen Imagination, mit all den Visionen von Natur! M&T: Gerade Mahlers Achte hat immer auch vehemente Gegener gefunden, die sie als verstiegen und misslungenen Monumentalismus einstufen. Adorno ist der berühmteste dieser Kritiker. Welche Beziehung haben Sie zu dieser Sinfonie?
Riccardo Chailly: Ich liebe die Achte und glaube daran, dass es ein Meisterwerk ist. Ich habe sie auch recht oft dirigiert, zweimal in Amsterdam, zweimal in Mailand, im Leipziger Gewandhaus und auch in Berlin – trotz seiner monumentalen Dimensionen erscheint dieses Werk in regelmässigem Abstand immer wieder in meinem Dirigentenleben. So betrachte ich es als glückliche Fügung, wenn ich nun in Luzern damit beginne. Als mir Michael Haefliger die Achte vorgeschlagen hat, um Claudio Abbados Mahlerzyklus zu komplettieren, habe ich sofort zugesagt – mit grossen Emotionen, aber auch mit ebenso grosser Überzeugung, denn es schien mir eine logische Werkwahl. M&T: Diesen Sommer dirigieren Sie nur dieses eine Programm in Luzern. Ab nächstem Jahr werden es dann zwei Programme sein. In welche Richtung von Repertoire denken Sie?
gig von Legenden wie jener, dass er die Reinkarnation Mozarts gewesen sei – und damit die Fortsetzung Mozarts auf der Opernbühne. Klar sind das Fantasien, die jedoch verdeutlichen, als welcher Genius Rossini wahrgenommen wurde. Ich halte es für wichtig, auch heute Rossinis Grösse zu dokumentieren, indem wir ihn regelmässig aufführen. M&T: Warum haben es musikalische Klassizisten schwerer als die Revolutionäre, sich über die Jahrhunderte hinweg im Repertoire zu behaupten? Cherubini und Spontini wären neben Rossini weitere Beispiele. Riccardo Chailly: Das geschieht sehr zu Unrecht! Von Cherubini zum Beispiel dirigiere ich mit der Filarmonica della Scala die Sinfonie in D-Dur – ein authentisches, absolutes Meisterwerk, das wir auch nach Salzburg zu den Festspielen bringen. Die parallele Grösse von Komponisten wie Cherubini zur
«Die Musiker sind vertraut mit Mahlers Stil» Riccardo Chailly: Wir möchten das Spektrum von Komponisten erweitern, damit das Orchester neue Richtungen und Stile kennenlernt. Was allerdings nicht heisst, dass wir uns an Mahlers Musik satt gehört hätten. Mahler ist ein Komponist, der dem Geist dieses Luzerner Orchesters sehr nahe ist. Und so denken wir natürlich an weitere Aufführungen seiner Werke, auch an eher weniger gespielte Werke. Nächstes Jahr steht jedoch Oedipus im Fokus eines Programms, mit Edipo Coloneo – oder Edipo a Colono, wie es auch genannt wird – von Gioacchino Rossini, einer wunderbaren, aber völlig unbekannten szenischen Kantate aus dem Jahr 1817. Nach der Pause führen wir Strawinskys «Oedipus Rex» auf, 110 Jahre liegen zwischen den beiden Werken. Doch wir wissen, dass Strawinsky Rossini sehr schätzte. Rossini hatte durchaus seinen Einfluss auf den neoklassischen Strawinsky. Ich möchte dem Orchester Gelegenheit bieten, den charakteristischen Stil von Rossini kennenzulernen. Dieses Programm kann unsere Idee klarmachen, wie wir künftig neue Komponisten einbeziehen wollen. M&T: Weshalb wird Rossini bis heute oft in eine zweite Reihe von Komponisten eingeordnet? Riccardo Chailly: Ich denke schon, dass Rossini heute zu den absoluten Genies gezählt wird. (Lachend) Völlig unabhän-
Zeit Beethovens verdient auch heute unsere Aufmerksamkeit. Und ich denke, eine Renaissance ihrer Musik wird irgendwann anbrechen. Auch Rossini wird meist nur als Mann des Theaters betrachtet. Wenn man jedoch sakrale Meisterwerke wie sein «Stabat Mater» und die «Petite Messe solenelle» oder auch nur einzelne Ouvertüren oder Ballettmusiken aus seinen Opern aufführt, ist das immer ein grosses Vergnügen, für das Orchester genauso wie für das Publikum. Rossinis Musik drückt immer diese unbändige «joie de vivre» aus. M&T: Gibt es in Ihrer Dirigentenkarriere noch unerfüllte Träume? Riccardo Chailly: Ich habe viel gemacht, ich habe fast schon als Bambino begonnen – und so viele Träume die ich hatte, erfüllten sich in der Zwischenzeit. Ich denke, der Traum ist offen gegenüber dem Neuen. Und da können sich immer wieder viele Möglichkeiten eröffnen! M&T: Sie sind also ein durchwegs zufriedener und glücklicher Interpret? Riccardo Chailly: Sicher, ich bin glücklich darüber, an so wunderbaren Orten wie in Mailand an der Scala Musik zu machen. Oder in ein neues Abenteuer einzutauchen wie hier in Luzern, wo sich wirklich neue Horizonte eröffnen. ■
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Michael Haefliger: «In der Academy gibt es eine starke Konzentration auf den Themenbereich Komposition.»
bild: Marco borggreve
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«Wir haben ein sehr sensibles Publikum» Intendant Michael Haefliger über den zweifachen Neuanfang diesen Sommer, über Zukunftsperspektiven und -ideen bei Lucerne Festival
M&T: Das Lucerne Festival hat sich einem zweifachen Neuanfang zu stellen: Sowohl das Festival Orchestra als auch die Academy beginnen unter einer neuen Leitung. Was erwarten Sie von diesem Neuanfang? Michael Haefliger: Es ist der erste Neuanfang dieser beiden Institutionen nach den Gründungsvätern Abbado und Boulez, die beide so lang und mit ganzer Leidenschaft hier wirkten, dass etwas aufgebaut werden konnte. Natürlich ist der Verlust dieser beiden grossen Persönlichkeiten zu bedauern, aber ihre Institutionen sind so gefestigt, dass einer Nachfolgegeneration alle Möglichkeiten offen stehen, sie weiter zu entwickeln.
M&T: Die Leitung der Academy wurde mit Wolfgang Rihm und Matthias Pintscher auf zwei Künstlerpersönlichkeiten der musikalischen Moderne aufgeteilt. Mit welcher Absicht? Michael Haefliger: Es war uns klar, dass sich Pierre Boulez mit seiner Präsenz für unsere Academy nicht kopieren lässt. Er dirigierte, leitete Workshops sowie Meisterkurse für Komponisten und war von morgens sieben bis abends elf präsent. Deshalb suchten wir eine gewisse Entflechtung all dieser Aufgaben. Die Gesamtleitung mit dem Fokus des Komponierens übernimmt Wolfgang Rihm mit seiner ganzen künstlerischen Autorität und Persönlichkeit, während der
Schwerpunkt des Dirigierens von Matthias Pintscher betreut wird. M&T: Wo wird das bisher Aufgebaute weiter geführt? Was ändert sich in der Lucerne Festival Academy? Michael Haefliger: In der Academy gibt es eine starke Konzentration auf den Themenbereich Komposition. Es werden vermehrt junge Komponisten eingeladen, wir streben eine stärkere Vernetzung zwischen Komponisten, Instrumentalisten und Dirigenten an, die vielleicht auch in neue Projekte münden können. Das wird sich entwickeln müssen, darauf sind wir sehr neugierig.
thema M&T: Und wie sieht es beim Lucerne Festival Orchestra aus, das mit Riccardo Chailly ja ebenfalls einen neuen Leiter bekommt? Michael Haefliger: Hier glaube ich, dass es entscheidend war und ist eine Persönlichkeit zu gewinnen, welche den Status wie die Erfahrungen mit sich bringt, die es für diese Aufgabe braucht. Mit Riccardo Chailly haben wir einen Musiker gewonnen, der mit seinen Interpretationen immer wieder Neuland erschlossen hat, eine künstlerische Persönlichkeit auch, die immer weiter denkt und weiter sucht und die sich auch die Zeit gibt, um sich hier in Luzern mit dieser neuen Aufgabe zu identifizieren. M&T: Und eine gewisse Kontinuität zu seinem Vorgänger Claudio Abbado dürfte sich ebenfalls ergeben. Michael Haefliger: Claudio Abbado war eine Art Vaterfigur für ihn. Und von der Einstellung und vom Duktus her ist diese Nähe geblieben, auch wenn Riccardo Chailly interpretatorisch ein ganz anderer Typ ist. Erneuern wird sich mit Chailly sicher die Repertoire-Ausrichtung, wenn er in Richtung Strawinsky geht und mit Rossini, Strauss oder auch Tschaikowsky neue Kombinationen schafft. Er wird das Orchester damit in ein verbreitertes, teilweise neues Repertoire führen. M&T: Was charakterisiert das Lucerne Festival Orchestra künftig? Michael Haefliger: Der Mix zwischen italienischem und deutschem Klang wird sich noch verstärken. Es war schon Abbados Wunsch, tolle italienische Musiker im orchestralen Bereich zu fördern und im Orchester einzubeziehen. Eine solche Klangkultur ist Riccardo Chailly genauso wichtig. Er hat überdies ein grosses Interesse, dass sein zweites Orchester, das Orchester der Mailänder Scala, sich weiter entwickeln kann und international vermehrt wahrgenommen wird. M&T: Wo sehen Sie das Lucerne Festival in der heutigen Festivallandschaft zwischen Trend und Tradition? Michael Haefliger: Luzern hat sich immer als Plattform für orchestrales Musizieren profiliert. Und diese Tradition wollen wir unbedingt weiter pflegen. Das gilt mit Blick auf das Repertoire der Vergangenheit bis hin zu dem, was die Academy zu verkörpern sucht, nämlich ein Repertoire für die Zukunft zu entwickeln. Dadurch haben wir einen traditionelleren und einen moderneren Bereich. In der historischen Aufführungspraxis liesse sich in den nächsten Jahren vielleicht noch der eine oder andere Akzent setzen. Mit Riccardo Chailly können wir auch mit unserem Orchester den Weg ins 21. Jahrhundert gehen, Strawinsky wird nächstes
Jahr aufgeführt, allenfalls auch einmal Berio oder Maderna. Dafür müssen wir bei unserem Publikum Vertrauen aufbauen. Es muss klar sein, dass Chailly wohl Italiener ist, deswegen jedoch nicht einfach Abbado kopiert. Vielmehr gehört er einer jüngeren Generation mit anderen Ausrichtungen an. Diese Brücke zwischen Tradition und Zukunft zu schlagen ist mir wichtig. Bis hin zum Academy-Orchester, das viel stärker und mit jungen Musikern die Moderne erkundet. Dafür haben wir mit Matthias Pintscher einen total enthusiastischen und engagierten Dirigenten, der diesen Weg sucht und geht.
chen, bei dem jedes Konzert ein extrem wichtiges Ereignis sein soll und eine gewisse Absolutheit darstellen muss. M&T: Was sind die Kriterien, damit Avantgarde und Neuartiges vom Publikum wahrgenommen werden? Michael Haefliger: Wichtig scheint mir, dass eine gewisse Toleranzbereitschaft vorhanden ist, auch wenn man vielleicht etwas einmal nicht versteht. Gleichzeitig jene Leute für Luzern zu begeistern, sie als Besucher zu gewinnen, die sich gerade für diese vielleicht schwierigeren Inhalte interessieren, das ist unsere
«Es gibt hier eine Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen» M&T: Welche Bedeutung wird das klassische Konzert in einer oder zwei Generationen noch haben? Michael Haefliger: Das ist eine sehr schwierig zu beantwortende Frage. Auch medial verändert sich die ganze Landschaft rasant, da Prognosen zu stellen, ist sehr spekulativ. Wir sehen auch, wie sich der Ticketverkauf innert weniger Jahre total verändert hat: Heute verkaufen wir an Einzelkunden fast sechzig Prozent unserer Karten online. Wichtig scheint mir, an diesen Entwicklungen teilzuhaben, ohne sich programmatisch zu verzetteln. Wir haben an neuen Formaten «40min» sehr erfolgreich entwickelt, wir werden unter dem Titel «Interval» ein neues Lounge-Modell vorstellen, das freitags und samstags abends stattfindet, mit einem spontanen Geschehen, auch Diskussionen und Begegnungen mit Künstlern. Wir sind stets auf der Suche nach neuen Wegen der Vermittlung von Musik. Grundsätzlich denke ich, dass man mehr darüber reden muss, was man macht. M&T: Wie sensibel reagiert das Publikum von Lucerne Festival auf Qualität – oder auf nicht erfüllte Erwartungen? Michael Haefliger: Dadurch, dass unser Fokus so klar ist und wir in der Auswahl der Künstler so hohe Ansprüche stellen, haben wir auch ein sehr sensibles Publikum, das sehr schnell merkt, ob etwas ausserordentlich ist oder eben nicht. Das spricht für unser Publikum, das wirklich für die Musik kommt, auch wenn ich den gesellschaftlichen Aspekt nicht völlig verneinen möchte. Aber letztlich wird jeder Auftritt neu beurteilt, das sehen wir ganz direkt am Kartenverkauf. Auch ein renommiertes Orchester kann sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen… Letztlich versuche ich ein Modell zu verwirkli-
Aufgabe. Luzern ist sicherlich ein guter Boden ist für unkonventionelle Inhalte. Es gibt hier eine Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen. Das zeigt sich auch an den Programmen des Luzerner Sinfonieorchesters oder am Entscheid des Luzerner Theaters, Benedikt von Peter als neuen Intendanten zu bestellen. M&T: Wie viel Freiraum hat das Festival, um auch mal mit einem Experiment zu scheitern, sei es künstlerisch oder auch wirtschaftlich. Michael Haefliger: Nicht sehr viel. Künstlerisch betrachtet bewegen wir uns mit einem Festival exponierter als andere Veranstalter, wir werden anders beurteilt als eine Konzertreihe in einem regulären Saisonbetrieb. Festivals gelten eher als Vorzeigesymbole und stehen damit auch vermehrt im Schaufenster. Wirtschaftlich können wir uns wirkliche Einbrüche kaum leisten. Daher muss man sich immer wieder auf seine Kernkompetenz besinnen, gerade dann, wenn man in euphorischer Aufbruchstimmung dazu neigt, allzu viele Dinge aufzugleisen. Da kann es geschehen, dass man das Publikum mit der eigenen Begeisterung nicht anzustecken vermag, da reagieren die Leute durchaus sensibel. M&T: Welche Bedeutung hat Asien heute für das Festival? Michael Haefliger: Asien ist sicher wichtig für uns. Wir werden mit Riccardo Chailly und dem Lucerne Festival Orchestra nächstes Jahr eine grosse Asientournee machen. Es gibt in diesen Ländern und Städten ein unglaublich begeisterungsfähiges Publikum, das alles als neuartig erlebt und nicht saturiert ist. Die Euphorie für Musik dort ist enorm. ■ Interview: Andrea Meuli
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thema Die finnische Dirigentin Susanna Mälkki mit dem Lucerne Festival Academy Orchestra und einer Uraufführung von Olga Neuwirth
«Weiblichkeit ist nichts Musikalisches» Die künftige Chefin des Helsinki Philharmonic Orchestra Susanna Mälkki über Dirigentinnen, die Seltenheit von Frauen am Pult und warum sie selber nur scheinbar eine Spezialistin für Neue Musik ist. Kai Luehrs-Kaiser M&T: Frau Mälkki, in Luzern dirigieren Sie die Uraufführung des neuen Percussion-Konzertes von Olga Neuwirth. Ist das Stück fertig? Susanna Mälkki: Nein, ich habe es bis jetzt noch nicht zu Gesicht bekommen. Das ist allerdings kein Alarmzeichen. Komponisten werden oft sehr knapp fertig. Ich kenne den Stil von Olga Neuwirth und weiss, dass sie eine ausgezeichnete Komponistin von grosser Metiersicherheit, ja Meisterschaft ist. Ausserdem hat sie Humor. Ich bin beruhigt.
ein hohes Mass an Widerstand gegenüber Dirigentinnen – jedenfalls war das mein Eindruck. Plötzlich hat sich der Trend umgekehrt. Es gibt heute eine neue Generation von Dirigentinnen, für die sich Karrierechancen viel selbstverständlicher zu ergeben scheinen als früher. M&T: Sie denken dabei an Mirga Gražinyte˙ -Tyla, die Nachfolgerin von Andris Nelsons beim City of Birmingham Symphony Orchestra?
«Jede Form von Ghetto Bildung bleibt eine zweischneidige Sache» M&T: Beim Lucerne Festival treten Sie im Rahmen eines Dirigentinnen-Schwerpunktes auf. Eine gute Sache – oder zugleich etwas ambivalent? Susanna Mälkki: Meine Antwort lautet: ambivalent. Ich will die gute Absicht gewiss nicht unterschätzen. Und ich weiss, dass noch sehr viel geschehen muss, bevor Dirigentinnen in der Klassik eine Selbstverständlichkeit sein werden. Einstweilen gilt, dass jede Form von Ghetto-Bildung eine zweischneidige Sache bleibt. M&T: Ich schätze, dass Sie sich regelmässig zum Thema «Frauen am Dirigentenpult» äussern müssen...? Susanna Mälkki: Da haben Sie Recht. Eine lange Zeit gab es allerdings auch
Susanna Mälkki: Ja. Oder an Julia Jones in Wuppertal. Dirigentinnen, die wie ich schon eine Weile recht erfolgreich ihren Beruf ausüben, denken indes bei diesem Thema stets auch: «Mein Gott, habe ich denn keine anderen Fähigkeiten?» Weiblichkeit ist kein musikalisches Charakteristikum. Meine Verdienste, falls ich welche habe, liegen anderswo. M&T: Demnächst übernehmen Sie das Helsinki Philharmonic Orchestra. Damit zählen Sie neben Marin Alsop und Simone Young zu den etabliertesten Dirigentinnen weltweit. Die Zahl von Stelleninhaberinnen ist aber nach wie vor sehr begrenzt!? Susanna Mälkki: Das ist richtig. Ich bin etwas jünger als die beiden Kolleginnen. Auch ich bin bei diversen Orchestern,
wo ich aufgetreten bin, noch immer ‚die Erste’ gewesen. Mir ist der Weg auch nicht leicht gemacht worden. Ich bin von Hause aus Cellistin. Eine Ermutigung, Dirigentin zu werden, habe ich kaum erfahren. Das bedeutet: Ich hätte früher anfangen können, wenn ich es nur für möglich gehalten hätte. Noch zu dem Zeitpunkt, als ich mich dazu entschied, meine Orchesterstelle in Göteborg aufzugeben, bin ich oft der Reaktion begegnet: «Wie schade, dass nun nie etwas aus dir werden wird...» M&T: Gibt es eine männliche Eigenschaft des Dirigentenberufs, die Sie anerkennen würden? Susanna Mälkki: Nein. Es geht um Musik, und Musik ist nicht maskulin oder feminin. Selbst der männlich wirkende Dirigentenstab, den einige, aber nicht alle Dirigenten benutzen, ist nur ein Instrument. Mehr nicht. M&T: Sie waren viele Jahre lang Leiterin des Ensemble Intercontemporain, dem äusserst renommierten, von Pierre Boulez gegründeten Spezialensemble. Dieses Orchester haben Sie 2013 verlassen – ohne jede Chefposition in der Hinterhand. Mit vollem Risiko! Susanna Mälkki: Im Grunde schon. Im Dirigentenberuf ist es immer so: Man bringt eine Weile Neuigkeiten und programmatische Impulse zu einem Orchester. Und irgendwann hat jeder seine Geschichte auserzählt. Bei mir gab es ausserdem eine Verschiebung innerhalb meines Repertoires. Ich wollte mich nicht länger so stark auf die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts konzentrieren. Ich musste aufpassen, nicht zu sehr in eine Schublade gesteckt zu werden. M&T: Hat man in der Öffentlichkeit vielleicht überhaupt ein zu einseitiges Bild von Ihnen? Susanna Mälkki: (Lacht) Das kann durchaus sein. Ich dirigiere viel Schumann, Brahms, Beethoven und Berlioz. Ich lie-
thema bild: Simon fowler
spricht nicht gegen Monet. Aber auch nicht gegen Kandinsky. M&T: Beim Helsinki Philharmonic Orchestra blicken Sie auf eine lange Galerie von Vorgängern zurück, darunter Leif Segerstam, Paavo Berglund und Robert Kajanus. Wem fühlen Sie sich am nächsten? Susanna Mälkki: Leif Segerstam! Denn Segerstam, ein Lehrer von mir und eine wahrlich vulkanische Erscheinung, war für mich eine grosse Inspiration. Ich glaube, man hört sein Erbe am Klang des Helsinki Philharmonic Orchestra noch immer. So wie man in Chicago bis heute etwas von Georg Solti und in Cleveland von George Szell spürt. M&T: Betrachtet man Ihre CDs, so fällt auf, dass Sie – mit alleiniger Ausnahme von Mahler – ausschliesslich neuere Musik dirigiert haben. Weil Sie immer nur dafür angefragt wurden? Susanna Mälkki: Nein, das ist nicht der Grund. Ich denke, dass es von sehr vielen bekannten Werken genug Aufnahmen gibt. Was man tun sollte, sind Weltersteinspielungen! Es handelt sich in meinen Augen übrigens nicht um «meine» Schallplatten. Sondern um Aufnahmen von Werken, die gemacht zu haben ich stolz bin. Das ist ein Unterschied. In Helsinki wird sich das jetzt geringfügig ändern. Für die schwedische Firma «BIS» planen wir mehrere BartókAufnahmen, unter anderem vom «Holzgeschnitzten Prinz». Ich habe es nie gut gefunden, sich allzu sehr über Aufnahmen zu definieren. Daran wird sich auch nichts ändern. Ich mache Musik nicht für mich selbst. M&T: Sondern? Susanna Mälkki: Für die Werke, um die es geht. Wir Musiker sind Medien. Wir bringen Musik zur Aufführung, die höher steht als wir. M&T: Klingt beinahe religiös! Susanna Mälkki: (Lacht) Wenn Respekt religiös ist, dann: Ja. Wäre es anders, dann wäre ein Dirigentinnendasein für mich völlig uninteressant. ■ be auch Haydn, Debussy, Ravel und Strawinsky. Und in Helsinki planen wir, da ich die letzten zehn Jahre in Paris gelebt habe, mehr französisches Repertoire. Aber auch vermehrt Mahler, Bruckner und Russisches. Da ich eigentlich Orchestermusikerin bin, konnte ich eine Spezialisierung für Neue Musik gar nicht in dem Umfang ausbilden, wie man vielleicht denkt. Mein Herz schlägt für das romantische Cello-Repertoire. M&T: Ich hätte erwartet, Sie würden eine leidenschaftliche Lanze für die Avantgarde brechen!?
Susanna Mälkki: Kann ich tun, wenn Sie das gerne möchten… Wir sollten uns durchaus wundern, wenn ein Musiker auf zeitgenössische Musik ganz verzichtet. Viele junge Musiker scheren sich wirklich nicht viel darum. Übrigens hat die Zurückhaltung, der man angeblich gelegentlich noch beim Publikum begegnet, nichts mit der Neuen Musik selbst zu tun. Sondern mit Erwartungen. Man rechnet mit romantischen Klängen im Konzert, weil man so sehr daran gewöhnt ist. Wer ein Monet-Museum besucht, erwartet nicht Kandinsky. Das
25.8. 2016, KKL Luzern, 18.20 Uhr «40min 5», «Schlagfertig» von Olga Neuwirth Orchester der Lucerne Festival Academy Susanna Mälkki (Leitung) Martin Grubinger (Schlagzeug) (Eintritt frei) 27.8.2016, KKL Luzern, 18.30 Uhr Orchester der Lucerne Festival Academy Susanna Mälkki (Leitung) Martin Grubinger (Schlagzeug) Werke von Schönberg, Neuwirth (UA Roche Commissions), Webern, Lachenmann
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thema Mirga Gražinyte˙-Tyla debütiert mit dem Chamber Orchestra of Europe bei Lucerne Festival
«…für die Musik zu brennen» Die Dirigentin Mirga Gražinyte˙-Tyla über kleine Terzen, grosse Karrieren und den Ursprung der Autorität, über die Seele der Musik und den Blickkontakt zu den Musikern. Und über einen Lieblingskomponisten, über dessen Rolle in der Musikgeschichte sie sich aber erst noch klarmachen will. Benjamin Herzog
Mirga Gražinyte˙-Tyla: «Inspiriert und mit Feuer und Leidenschaft zu spielen – darum geht es!»
bild: La Phil/Vern evans
thema Heidelberg im Juni. Roter Sandstein an den Häusern. Das Hochwasser im Neckar schäumt braun. Touristen gibt’s auch. Der Regen hat sie nicht alle vertrieben. Heidelberg, eine Kleinstadt mit Orchester, Theater, einer Uni. In Heidelberg hat Mirga Gražinyte˙ -Tyla vor fünf Jahren als Kapellmeisterin gearbeitet. Bevor sie 2012 an das Theater Bern wechselte. Jetzt, ab Herbst 2016, dirigiert die Dreissigjährige in leitender Funktion und als Nachfolgerin von Andris Nelsons das City of Birmingham Symphony Orchestra. Dies neben ihrem Posten als Musikdirektorin am Landestheater Salzburg. Ja, und regelmässig fliegt sie auch nach Los Angeles, das dortige Sinfonieorchester mag die junge Dirigentin ebenfalls. Ein Jet-Set-Leben, von dem Mirga Gražinyte˙ -Tyla manchmal selbst denkt: «Ging das nicht alles etwas zu schnell?» Den Eindruck einer Gehetzten macht sie jedoch nicht. Im Gegenteil. Bei unserem Gespräch in Heidelberg wirkt sie ruhig, wägt die Worte in ihrem leicht singenden Deutsch ab. M&T: Sie haben Chefposten in Grossbritannien und Österreich, wohnen aber in Heidelberg. Warum? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Ich hatte hier ab 2011 meine erste feste Stelle. Und es ist doch ein schöner Ort, nicht wahr? M&T: Beruflich sind Sie viel unterwegs. Wie viele Wochen pro Jahr verbringen sie noch in Heidelberg? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Das müsste ich jetzt ausrechnen. Aber es gibt immer wieder längere Zeitabschnitte, in denen ich nicht hier bin. Das schon. Heidelberg, das ist für mich eine Frage des Zuhause-Seins. Es gibt Menschen hier, die mir teuer sind. Und ich kann hier ruhen und arbeiten. M&T: Bei Ihrem Auftritt in Luzern dirigieren sie Beethovens 6. Sinfonie, die «Pastorale». Wie gehen Sie Beethoven an? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Durch die historische Perspektive, klar. Aber ich frage mich auch, was uns diese Sinfonie heute sagt? Natürlich entdeckt man beim Partiturstudium immer wieder neue Aspekte in dieser Musik. Das ist wie eine Reise, die nie zu Ende geht. Wie bei allen Meisterwerken machen jedoch nicht nur wir etwas mit dieser Musik, wenn wir sie aufführen. Sondern sie macht auch mit uns etwas. M&T: Was macht etwa der berühmte Anfang der Pastoralen mit uns Hörern? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Sie hören drei Takte lang die Grundtonart, die Tonika. Im vierten Takt geht es zur Dominante. Ganz simpel und ruhig. Dieser Schritt
zur Dominante ist ein Schritt von zu Hause weg. Wir gehen auf eine Reise, auf der dann alles Mögliche passiert. Da ist es harmonisch, dann viel weniger simpel und gemächlich. Im letzten Satz erreichen wir eine Harmonie, die durch das Drama wieder erlangt ist und somit auf einer anderen Ebene von Seligkeit steht. Aber wir kommen wieder nach Hause. M&T: Eine Art Heidelberg-Effekt – man kommt dahin zurück, wo man sich wohl fühlt? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Nun, dafür gäbe es auch andere Worte. Aber, ja, man fragt sich ja immer, was das Zuhause ist. Da gibt es schon ganz verschiedene Möglichkeiten. Das muss nicht ein bestimmter Ort sein. Es muss nicht mal ein Ort als solcher sein. M&T: Im selben Konzert in Luzern dirigieren Sie ein «De Profundis» von Raminta Šerkšnyte˙ . Eine Komponistin, die wie Sie aus Litauen stammt. Gibt es eine Verbindung zu Beethoven? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Raminta hat vor ein paar Jahren von Mariss Jansons den Auftrag bekommen, ein Stück zu schreiben, das sich auf Beethovens 5. Sinfonie beziehen sollte. «Fire» hiess dieses Stück und es spielt stark mit der kleinen Terz, mit der bekanntlich die Fünfte beginnt. «Fire» ist wie eine Geburtsgeschichte dieses Schicksals-Motivs. Aus dieser Spannung von kleinen und grossen Terzen besteht auch «De Profundis», wo das tonale Material sehr stark aus Terzen gebaut ist. «De Profundis» ist dunkel und rhythmisch wie besessen aufgeladen. M&T: «Aus der Tiefe rufe ich zu dir, Herr.» So lässt sich der Psalmtext übersetzen. Beethoven äussert in seiner Sechsten «frohe und dankbare Gefühle» in F-Dur, einer Tonart, die er in einem späten Streichquartett für den «Dank an die Gottheit» verwendet. Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Tatsächlich finde ich die Kombination von Beethoven und Šerkšnyte˙ in diesem Konzert passend. Die Idee der Bewegung vom Dunkel zum Hellen hin ist in beiden Stücken vorhanden. M&T: Jemanden, den Sie in Luzern diesen Sommer wohl nicht antreffen werden, ist Andris Nelsons. Aber Birmingham – gab es da so etwas wie eine Stabübergabe? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Andris Nelsons hat mir nach meiner Wahl zu seiner Nachfolgerin eine sehr liebe Nachricht geschickt, mit allen besten Wünschen und Glückwünschen. M&T: Werden Sie als Music Director in Birmingham gleich viel wie er verdienen? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Ehrlich gesagt, weiss ich das gar nicht. Und will das auch gar nicht wissen.
M&T: Was sind Ihre Pläne mit dem Orchester? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Da meine Wahl ja recht kurzfristig erfolgt ist, kam diese erste gemeinsame Spielzeit eher plötzlich zustande. Wir zeigen ein breites Spektrum an möglichen Werken, was wir auch in den folgenden Spielzeiten machen werden. Mahler, Rachmaninow, Strawinsky sowie zeitgenössische Musik, die bei diesem Orchester immer eine grosse Rolle gespielt hat. Aber um ein Beispiel zu nennen: Die Saison beginnen wir mit der Ouvertüre zu Mozarts «Zauberflöte» und enden mit einer konzertanten Aufführung des «Idomeneo». Dazwischen werden wir auch Sinfonien von Haydn spielen. Die Pflege des klassischen Repertoires ist wie die Pflege der Seele, aus der die Musik kommt. M&T: Ein Komponist, der in Ihrer ersten Saison in Birmingham auftaucht, den Sie aber auch anderswo schon dirigiert haben, ist der Schostakowitsch-Zeitgenosse Mieczysław Weinberg. Zeichnet sich da ein Schwerpunkt ab? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Für Weinberg habe ich eine unglaubliche Leidenschaft entwickelt und ich bin gespannt darauf, sein Werk zu entdecken und aufzuführen. Auch um die Frage zu beantworten, welche Rolle dieser Komponist in unserer Musikgeschichte spielt. Doch, um einen Schwerpunkt klar für sich benennen zu können, braucht man einen breiten Horizont. Ich geniesse das zur Zeit noch sehr. Weinberg wird allerdings sicher auch in den kommenden Spielzeiten eine wichtige Rolle spielen. M&T: Ihre Erfahrung mit angelsächsischen und kontinentaleuropäischen Orchestern zeigt sicher auch, was die Unterschiede sind zwischen diesen Orchestern. Die schnellen Angelsachsen…? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: … die sind schnell, oh ja! Als ich noch als Assistentin in Los Angeles in einer ersten Probe mit Gustavo Dudamel sass, war ich schon erstaunt, dass bei dieser ersten Probe bereits die Qualität einer guten Aufführung erreicht wurde. Und das mit einer Sinfonie von Mahler! In Salzburg nehme ich die Zusammenarbeit, wie sie das Mozarteum Orchester am Landestheater mit den Werken der Klassik pflegt, als das grösste Geschenk mit. Man will historisch informiert sein, hat grosse Traditionen und sucht dennoch stets den lebendigen Geist in diesen Traditionen. Von meinen ersten Erfahrungen in Birmingham kann ich sagen, dass ich einem unglaublich offenen Orchester begegnet bin. Dort sagt niemand, wir spielen diesen oder jenen Komponisten so oder so, vielmehr freuen sich die Musiker auf neue Leseweisen.
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thema
Lionel Bringuier Chefdirigent
So 18.09.16 *
Schostakowitsch Sinfonie Nr. 15, Bearbeitung für Klaviertrio und Schlagzeug sowie Werke von Psathas, Xenakis und Piazzolla
Sa 17.12.16 *
Werke von Bartók, Tschaikowsky u. a. mit Yuja Wang
So 22.01.17
Familienkonzert «Schlag auf Schlag» mit Sandra Studer
Sa 18.03.17 *
«The Big Six» mit Werken von Cerha, Rihm, Xenakis, Grisey und Reich
Mi 22. – Fr 24.03.17 *
Eötvös «Speaking Drums»
Mo/Di 27./28.03.17
tonhalle@ZHdK Masterclass zusammen mit Péter Eötvös * Diese Konzerte sind auch als Abonnement erhältlich (mit 10% Rabatt).
Artist in Residence
Mi/Do 14./15.09.16 *
Dorman «Frozen in Time» Konzert für Schlagzeug und Orchester
Martin Grubinger
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Artist in Residence wird unterstützt durch Swiss Re
tonhalle-orchester.ch
thema M&T: Sie haben mal gesagt, das Dirigieren sei ein Geben und Nehmen… Mirga Gražinyte˙ -Tyla: … diesen Gedanken habe ich von meinem Lehrer in Zürich, Johannes Schläfli, bekommen. Oder genommen. M&T: Muss ich mir das als steten Gedankenstrom zwischen den Musikern und Ihnen vorstellen. Mirga Gražinyte˙-Tyla: Dazu möchte ich erst eine Geschichte erzählen. Für die Stelle meines Assistenten in Birmingham haben wir acht Kandidaten eingeladen. Vier davon haben eine halbe Stunde lang mit dem Orchester geprobt. Dabei wurde klar, dass es sich in den ersten Minuten entscheidet, ob diese Energie fliesst. Welcher Art sie ist bleibt zwar ein Geheimnis, aber sie muss da sein. Die Probe fängt an, und man packt entweder gleich das Schicksal am Kragen. Oder es bleibt ohne klare und gut verbundene Kommunikation. Wenn es gelingt, dann sitzen die Musiker ganz selbstverständlich auf der Stuhlkante und wollen ihr Allerbestes geben. Leonard Bernstein hat mal gesagt, er beginne jede Probe, ob zum ersten Mal mit einem Orchester oder nicht, so intensiv, dass in dieser Probe das ganze Potenzial genutzt werden könne. M&T: Könnte das Geheimnis im direkten Blickkontakt zu den Musikern liegen? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Augenkontakt ist in der Tat sehr wichtig. Auswendig zu dirigieren erleichtert einen da enorm. Nicht, dass es die Qualität einer Aufführung insgesamt beeinflusst, hingegen schon die Möglichkeit, eben auch mit den Augen zu dirigieren. Ich halte die nonverbale Kommunikation – und darin als zentralen Bestandteil den Blick – für sehr wichtig. Ausserdem ist es aber genauso essenziell, dass man authentisch bleibt. Während meines Studiums in Zürich hatten wir auch einen Meisterkurs bei David Zinman. Er sagte mir: «Warum setzt du so eine Maske auf, wenn du vor das Orchester stehst? Bleib doch einfach so, wie du auch sonst bist.» Das war ein sehr hilfreicher Gedanke. Man tendiert als Dirigent leicht dazu, sich vom Ernst der Sache in diese Rolle drängen zu lassen. Dann ist aber vieles von der menschlichen Kommunikation erst mal weg. M&T: Mario Venzago hat während ihrer Zeit in Bern über Sie gesagt, Sie besässen eine «natürliche Autorität» ohne dabei überheblich zu wirken. Haben Sie das? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Die Autorität kommt aus der Musik, aus den Werken. Wenn ich die in mir trage, vermittelt sich ihre entsprechende Kraft und Richtung durch mich. Ich bin Mediator und kann das transparent weitergeben.
M&T: An anderer Stelle haben Sie einmal erwähnt, die Musik fliesse beim Studium nicht nur in ihren Geist ein, sondern auch in ihren Körper. Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Genau. Dadurch, dass ich eine klare Vorstellung von dem Werk habe – warum ich es mag, wie ich es mag und wie es klingen soll. Das hat alles auch mit Leidenschaft zu tun. Mozart zum Beispiel hat kurz vor der Premiere seines «Idomeneo» an den Vater geschrieben, er fände es unmöglich, wie uninspiriert die Sänger sängen. Das war zum Glück nicht immer der Fall. Aber eben: Inspiriert und mit Feuer und Leidenschaft zu spielen – darum geht es! Nicht nur darum, die Noten zu exekutieren. Sondern für die Musik zu brennen. M&T: Eine ihrer wenigen Aufnahmen, sie entstand beim Young Conductors Award in Salzburg, umfasst Mozarts Jupitersinfonie. Ich höre hier eine feine Musik auch im Forte. Elastisch, schwungvoll, nie grob. Logisch in den Farbwechseln, viel Mittelstimmen. Sehen Sie sich in einer solchen Beschreibung als Dirigentin richtig wahrgenommen?
lernen, den ich mal persönlich treffen konnte und den wir alle vermissen. Oder von Herbert Blomstedt, einem hervorragenden Bruckner-Dirigent, dem gerade die geistige und geistliche Ebene bei Bruckner so wichtig ist. Und natürlich auch von Gustavo Dudamel, zu dem und dessen Orchester ich in Los Angeles seit drei Jahren eine besondere Nähe habe. Wie Dudamel die Musik über alles liebt… – wenn wir in den Wirren des Lebens unsere ursprüngliche Aufgabe manchmal vergessen, so ist diese Liebe das Zentrale, und ich werde mich immer daran erinnern. M&T: Sie sind dabei, eine steile Karriere hinzulegen. Hatten Sie trotzdem schon mal das Gefühl, an die sogenannte gläserne Decke gestossen zu sein? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Tatsächlich gab es wenige solche Situationen. Einmal jedoch war es so, 2006, zum Ende meines zweiten Studienjahres bei einem Wettbewerb in Madrid. Da kam ich in die zweite Runde dieses Wettbewerbs. Ausgerichtet hatte ihn das Teatro Real, wo man an-
«Das ist wie eine Reise, die nie zu Ende geht» Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Ich müsste selber wieder mal in diese Aufnahme hineinhören. Was Sie benannt haben, sind jedoch essenzielle Bestandteile eines guten Dirigates. Vor allem für Mozart. Ich glaube, dass ich auf dem Weg zu den bekannten Sinfonien Mozarts erst einmal seine Opern dirigieren werde. Und möglichst viele Sinfonien von Haydn. M&T: Haben Sie in Ihrer Karriere Vorbilder erlebt? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Es gibt da sehr viele Menschen, von denen ich gelernt habe und weiter lerne. Darunter sind viele Kommilitonen oder sogar jüngere als ich. Zum Beispiel der 19-jährige Litauer Martynas Stakionis. Er hat vor einem Jahr mit meiner Schwester zusammen die Litauische Kunstschule abgeschlossen, wo auch ich studiert habe, und ist jetzt zum Studium in Hamburg. Er ist in seiner Jugend eine fantastische Persönlichkeit. M&T: Und unter den Älteren? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Ich werde weiterhin viel von Nikolaus Harnoncourt
schliessend ein ganzes Jahr hätte dirigieren können. Ich fiel nach dieser zweiten Runde raus, was mich erstaunte. Denn ich hatte nicht einmal erwartet, dass sie mich für die erste Runde einladen. Ich wusste, dass ich eigentlich noch gar nicht so weit war. M&T: Sehen Sie sich selbst als Vorbild für andere Musiker? Mirga Gražinyte˙ -Tyla: Ich denke nicht so viel darüber nach. Aber vor einigen Monaten habe ich ein Familienkonzert in Los Angeles dirigiert. Anschliessend kamen ein paar lateinamerikanische Mütter zu mir und bedankten sich. Es sei so gut, dass ich als Frau dirigiere. Das sei vorbildhaft für ihre Töchter. Jemand, dem ich diese Geschichte später erzählt habe, antwortete darauf, es sei wohl auch gut für die Söhne dieser Frauen… ■ 21.8.2016, KKL Luzern, 11.00 Uhr Chamber Orchestra of Europe, Mirga Gražinyte˙-Tyla (Leitung) Werke von Šerkšnyte˙ und Beethoven
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thema Die Dirigentin und Sopranistin Barbara Hannigan über Frauen am Pult und ihre Haltung als Orchesterleiterin
«Musik ist Hören, auch Zuhören!» Als Sängerdarstellerin, die von der Alten bis zur Neuen Musik ein überaus breites Repertoire pflegt, hat Barbara Hannigan längst Massstäbe der Interpretation gesetzt. Seit fünf Jahren tritt die gebürtige Kanadierin auch als Dirigentin in Erscheinung – mit grossem Erfolg. In dieser Doppelfunktion war sie erstmals 2014 am Lucerne Festival zu erleben. Jetzt kommt sie wieder. Doch wofür steht die Dirigentin Hannigan? Marco Frei (Text) & Priska Ketterer (Bild) M&T: Barbara Hannigan, warum sind weibliche Dirigenten im internationalen Musikleben noch immer eine Seltenheit? Barbara Hannigan: Ich denke, weil es einfach nicht so viele von ihnen gibt. Die Frage ist also, warum das so ist. In meiner Generation wurde dieser Beruf nicht als Möglichkeit erachtet, die uns Frauen offensteht. Als ich ein Kind war, kam für Frauen nicht wirklich in Betracht, eine Dirigentenlaufbahn einzuschlagen – was auch für manch anderen Job gilt. Viele Tätigkeiten waren absolut von Männern dominiert, darunter eben auch dieser Beruf. Mit der Zeit hat sich einiges getan. Es gab einen Wandel, und mit ihm mehr und mehr Frauen, die in bestimmten Bereichen tätig wurden. M&T: Weshalb tut sich aber bei den Dirigentinnen vergleichsweise wenig? Barbara Hannigan: Ja, aus manchen Gründen ist der Dirigentenberuf länger eine von Männern dominierte Welt geblieben. Aber Frauen in leitenden Positionen sind auch in Politik oder Wirtschaft noch immer eine Minderheit. Es ändert sich gerade viel, trotzdem bin ich darüber in der Musikwelt überrascht – weil Musik kein Geschlecht kennt. Ich persönlich habe erstmals Ende der 90erJahre eine Frau dirigieren erlebt, und zwar Marin Alsop beim Toronto Symphony Orchestra. Das war meine erste und lange auch einzige Erfahrung. Jetzt aber sehen junge Musiker mehr und mehr Frauen auf den Podien. So wie sie auch Angela Merkel sehen. Das setzt viel in Gang. M&T: Wie kann das forciert werden?
Barbara Hannigan: Durch den sozialen Wandel. Eltern und Lehrer werden junge Frauen und Männer verstärkt dazu bewegen, denn für diesen Wandel muss schon in früher Kindheit die Wurzel gelegt werden. Kinder müssen mit einer Selbstverständlichkeit dafür aufwachsen, und das geschieht gerade. Wenn ich dirigiere, achte ich sehr darauf, dass die Musiker möglichst ihre Kinder ins Konzert oder auf die Probe mitnehmen. Als ich kürzlich bei den Münchner Philharmonikern gastierte, war ich wirklich sehr glücklich darüber, dass das erste Konzert von insgesamt dreien im Rahmen des Jugendprogramms des Orchesters stattfand. Fast 75 Prozent der Konzertbesucher waren unter 16 Jahre alt. All diese jungen Menschen haben gesehen, wie ich als Frau Männer und Frauen dirigiere – noch dazu das grosse Orchester der Stadt München. Erwachsenen mag dieser Anblick bisweilen noch komisch erscheinen, aber lasst uns verhindern, dass dies auch für die Kids so bleibt! M&T: Eine weit verbreitete These besagt, dass Frauen insgesamt weniger darauf aus seien, eine Führungsposition anzustreben. Was halten Sie davon? Barbara Hannigan: Nichts! Natürlich kann ich nur für mich selbst sprechen. Klar, nach dem alten Schema sind Frauen als Mütter die Erzieher und Männer als Väter die Ernährer. Aber wer in die Geschichte blickt, stellt schnell fest, dass das nur eine Seite ist. In der Antike gab es nicht nur Götter, sondern auch Göttinnen. Und ich denke nicht, dass irgendeine Göttin in leitender Position ein Problem damit hatte – nach dem
Motto: «Hey, ich habe wirklich keinen Bock, eine Göttin zu sein.» (lacht) M&T: Dirigenten können die alte Autoritätsschule à la Toscanini kultivieren, oder moderne Haltungen leben, für die Persönlichkeiten stehen wie Claudio Abbado, Bernard Haitink oder Mariss Jansons. Inwieweit ist die Frage sinnvoll, ob Frauen anders führen als Männer? Barbara Hannigan: Ich verstehe genau, was Sie meinen. Für mich kann ich sagen: Alle Dirigenten, die ich liebe, sind absolut authentisch. Sie sind stets sich selbst gegenüber aufrichtig, ob auf dem Podium oder privat. Natürlich ist man konzentrierter und disziplinierter, wenn man vor hundert Musikern steht. Aber die Authentizität bleibt bestehen. Und auf diese Ehrlichkeit reagieren die Orchester. Auch mich erleben die Musiker so, wie ich bin. Was immer wir brauchen, um die Musik in dem Moment zu vervollkommnen und der Partitur zu dienen, muss gegeben werden: Darum geht es mir. Das spüren die Musiker und die Konzertbesucher. M&T: Was halten Sie von Abbados Maxime «Fare musica insieme», das Musikmachen aus einem partnerschaftlichen, kammermusikalischen Geist heraus? Barbara Hannigan: Aber klar doch! Musik ist Hören, auch Zuhören! Das ist es, was wir tun. Dirigenten sind nur ein Körper unter vielen auf der Bühne, aber oft stehen sie vollständig im Fokus. Wenn die Musiker zu viel Kontrolle aufgeben und an den Dirigenten abgeben, schadet das der Balance. Andererseits sind Dirigenten auch dazu da, um aufzuzeigen, auf wen und auf was der Fokus ge-
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PREMIEREN 16/17 18 Sept 2O16 6 Nov 2O16 19 Nov 2O16 3 Dez 2O16
Oper
Der Freischütz Carl Maria von Weber Die Entführung aus dem Serail Wolfgang Amadeus Mozart Der Zauberer von Oz Pierangelo Valtinoni Messa da Requiem Giuseppe Verdi Inszenierung und Choreografie von Christian Spuck
22 Jan 2O17 26 Feb 2O17 2 Apr 2O17 7 Mai 2O17 18 Jun 2O17
8 Okt 2O16
Médée Marc-Antoine Charpentier Orest Manfred Trojahn Werther Jules Massenet Der feurige Engel Sergej Prokofjew Das Land des Lächelns Franz Lehár
Ballett
Petruschka /Sacre Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug
11 Feb 2O17
Quintett Choreografien von Hans van Manen, Jacopo Godani und William Forsythe
27 Mai 2O17
Corpus Choreografien von Douglas Lee und Filipe Portugal
www.opernhaus.ch
thema rade liegen sollte. Meine Aufgabe ist es sicherzustellen, dass wir dies als Orchester alle wissen und umsetzen. Es ist ein angeleitetes Hören: Man leitet die Art an, wie etwas gehört werden sollte. M&T: Bernard Haitink sagte einmal, dass Dirigenten «Luftsortierer» seien. Barbara Hannigan: Warum nicht?! Man kann es im Grunde so sehen, aber es geht schon noch um weitaus mehr. Es geht um den Blick, die Richtung der Bewegung, eine bestimmte Art der Kommunikation, die das Hören mitorganisiert – auch um einen ästhetischen Klang. Die Proben sind wirklich unglaublich wichtig. In der Regel erlebt das Publikum im Konzert ja nur das Ergebnis. Aber in den Proben geht es darum, gemeinsam den Klang zu finden. Man muss schon eine starke Idee von einer Sache haben, und die Fähigkeit, diese dem Orchester zu erklären, mit Händen und Worten – damit es das umsetzt. Ich mag eine alte Sängerin sein, aber ich bin eine noch junge Dirigentin. Ich lerne die ganze Zeit, was sehr aufregend ist. Das ist ein «work in progress». M&T: Wann und warum haben Sie mit dem Dirigieren begonnen? Barbara Hannigan: Mein offizielles Debut war 2011 am Pariser Théâtre du Châtelet. Im Rahmen des Festivals «Présences» habe ich Ligeti und die Kurzoper «Renard» von Strawinsky dirigiert. Die Idee, dass ich dirigiere, stammt von René Bosc, dem damaligen künstlerischen Leiter des Festivals. Er hat mein Wachsen als Sängerin und Musikerin begleitet und war der Meinung, dass es interessant wäre, wenn ich das Dirigentenpult entdecke. Er sagte: «Wenn du singst, führst du in einer bestimmten Art – wie ein Dirigent.» Viele Kollegen haben das auch gesagt, aber ich wollte nicht. Dann hat mich René Bosc zum Essen eingeladen und ernsthaft mit mir darüber geredet. Vor dem Debüt hatte ich Dirigierkurse, aber vor allem habe ich Partituren studiert und vorbereitet. Am meisten setzte ich auf mein eigenes Kapital. Natürlich braucht man Technik und Kenntnis, aber es ist eben auch eine sehr persönliche Sache. Ich muss mir selbst treu bleiben. M&T: Hat Ihnen beim Dirigieren Ihre Erfahrung als Sängerdarstellerin geholfen? Barbara Hannigan: Natürlich fliesst das mit ein, zumal ich mich als Sängerdarstellerin auf der Opernbühne ja auch präsentieren und mich bewegen muss. Meine Agilität auf dem Podium, der Raum und die Zeit in Relation des Atmens, überdies die Kontrolle über die Gestik und die Aktion: Das alles hilft
sehr. Meine Erfahrungen als Sängerin sind wirklich sehr wichtig für das Dirigieren. In meinen 20ern habe ich zudem als junge Sängerdarstellerin in Kanada mit Tanzkompanien zusammengearbeitet. Bis heute arbeite ich in Opernproduktionen oft mit Tänzern. Seit 2009 verbindet mich eine rege Tätigkeit mit der Kompanie von Sasha Waltz. Diese Erfahrungen helfen mir auch als Dirigentin. Die umfassende, totale Achtsamkeit ist sehr wichtig.
die Zeit unter Sergiu Celibidache erlebt haben… M&T: … der berüchtigt war für seine Frauensprüche. In Celibidaches Münchner Zeit fiel auch der skandalöse, langjährige Mobbing-Fall gegen die damalige Solo-Posaunistin Abbie Conant. Barbara Hannigan: Das ist die Vergangenheit, ich spreche von der Gegenwart. Die Münchner Philharmoniker waren unglaublich generös und offen zu mir.
«Ich muss mir selbst treu bleiben» M&T: In Luzern werden Sie auch gleichzeitig dirigieren und singen, und zwar in einem recht komplexen Repertoire wie «Luonnotar» von Sibelius. Ist das ein Wagnis? Barbara Hannigan: Ja, aber in diesem speziellen Stück geht es strikter und klarer voran als in anderen Werken von Sibelius. Ich habe dieses Stück bislang noch nicht dirigiert, sondern nur gesungen. Ich bin ziemlich gespannt, wie das wird. Aber die «Lulu-Suite» von Berg wird tückischer werden, weil es eine schwierigere, grössere, längere Komposition ist. Die Singstimme wird zwar nur im dritten und fünften Satz eingesetzt, aber die Musiker müssen meine Partner sein und mir nicht nur einfach folgen. Normalerweise zählen Orchestermusiker nach dem Schlag der Dirigenten. M&T: Berührt das auch den Respekt und das Vertrauen füreinander? Barbara Hannigan: Ja, aber ich bin seit 24 Jahren professionelle Sängerin. Und die meisten davon habe ich mit internationalen Musikern und Orchestern verbracht. Wenn ich zu einem Orchester komme, zu meinen Kollegen, ist normalerweise das Vertrauen bereits da. Sie wissen, dass ich eine ernsthafte Musikerin bin. Ich muss ihnen nichts beweisen, und sie treten mir auch nicht mit dieser Einstellung entgegen. M&T: Haben ältere Musiker eher Probleme mit weiblichen Dirigenten? Barbara Hannigan: Nein, ganz und gar nicht. Dem muss ich entschieden widersprechen. Als Beispiel nenne ich die Münchner Philharmoniker. Unter ihnen sind rund 35 Musiker, die noch
Weil echte Musiker echte Musiker respektieren. Mehr nicht. Punkt. Mit Frau oder Mann hat das heute nichts zu tun. M&T: Heisst das auch, dass es ebenso unter Frauen schlechtere und bessere Dirigenten gibt? Barbara Hannigan: Klar, nur würden wir das niemals bei Männern feststellen und betonen. Wir würden niemals sagen, dass es unter Männern auch schlechte Dirigenten gebe. Es gibt gute und schlechte Dirigenten, weiter nichts. Das hat auch nichts mit dem Geschlecht zu tun. M&T: Was halten Sie von Frauenquoten? Barbara Hannigan: Wenig. Wenn man der Meinung ist, dass Frauen qualifiziert und geeignet sind, sollte man sie auswählen. Das Geschlecht darf keine Rolle spielen. Man benötigt vor allem die besten Kräfte für eine Tätigkeit. Aber alles wächst und entwickelt sich ganz natürlich weiter, auch die Gesellschaft – Schritt für Schritt. Ich halte nichts von belehrendem Druck. Ein Druck von aussen kann sogar kontraproduktiv sein. ■ 22.8.2016, KKL Luzern, 18.20 Uhr «40min 4», «Die singende Maestra» Barbara Hannigan (Sopran und Leitung), Mahler Chamber Orchestra (Eintritt Frei) 23.8.2016, KKL Luzern, 19.30 Uhr Barbara Hannigan (Gesang und Leitung), Mahler Chamber Orchestra Werke von Debussy, Sibelius, Haydn, Berg und Gershwin.
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thema Emmanuelle Haïm: «Die Idee des Dirigierens hatte ich eigentlich schon als Kind.»
thema Die französische Dirigentin Emmanuelle Haïm leitet beim Lucerne Festival die Wiener Philharmoniker
«…dann ist da noch das Herz» Der Morgen danach. Nach der Premiere am Festival von Aix-en-Provence mit Georg Friedrich Händels «Trionfo del Tempo e del Disinganno». Emmanuelle Haïm hat ein paar Ringe unter den Augen. Nicht nur der geleisteten Arbeit wegen. Mit ihrem Ensemble Le Concert d’Astrée hat sie nach einem fulminanten Händel Premiere gefeiert. Bis sechs Uhr morgens, wie sie lachend erzählt. Die Kinder seien dann um halb acht aufgestanden, es wurde gefrühstückt… Wir treffen uns in der Gluthitze des Nachmittags in Aix. Beim Bischofspalast, wo Haïm vor wenigen Stunden frenetisch für ihre Leistung bejubelt wurde. Benjamin Herzog (Text) & Priska Ketterer (Bilder) M&T: Le Concert d’Astrée, das ist das Orchester, mit dem Sie am meisten unterwegs sind. Wie würden Sie es beschreiben? Emmanuelle Haïm: Ich würde für das Orchester das Wort familiär benutzen. Wir haben uns vor etwa fünfzehn Jahren aus dem Umstand heraus gegründet, dass wir sehr ähnliche musikalische Ideen hatten. Ein beachtlicher Teil der Gründungsmitglieder spielt übrigens noch heute mit. Die Arbeit geht von diesem gemeinsamen Geist aus und, das ist wichtig, lässt dabei doch auch eine gewisse individuelle Freiheit des Einzelnen zu – so weit das halt geht in einem Orchester. M&T: Sind die Mitglieder bei Ihnen vollzeitbeschäftigt? Emmanuelle Haïm: Nein. Das ist aber ein Vorteil. Ich versuche anzuregen, dass meine Leute so viele eigene Projekte wie möglich neben dem Concert d’Astrée spielen. Einfach aus dem Grund heraus, weil sie so ihre Kreativität intakt halten können und frisch bleiben wie am ersten Tag. M&T: Glauben Sie, dass dieser familiäre Geist sich auf andere Ensembles übertragen lässt? Ein Ensemble, das man nicht selbst gegründet hat? Emmanuelle Haïm: Solche familles d’esprit gibt es häufig in der Alte MusikSzene, wo man ein gemeinsames ästhetisches Ideal verfolgt. Wo man sich auf der Suche nach diesem Ideal auch wiedererkennt. So etwas lässt sich schon auf andere Ensembles übertragen. Auch solche, die man nicht selbst gegründet hat.
M&T: Gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern? Emmanuelle Haïm: Sicher. Nehmen Sie etwa die Deutschen. Das Freiburger Barockorchester…
Emmanuelle Haïm: Die Idee des Dirigierens hatte ich eigentlich schon als Kind. Es gab dann aber tausend Gründe, teils auch mir selbst verborgene, warum ich das nicht gemacht habe. Dazu gehört
«An der Zukunft wirken Frauen und Männer mit» M&T: … das in Aix Mozarts «Così fan tutte» gespielt hat. Emmanuelle Haïm: Genau. Dieses Orchester hat einen sehr starken kollektiven Zug. Wenn man das mal vergleicht mit unserem Orchester, wo die Individuen eine grosse Rolle spielen, ist das doch sehr anders. M&T: Ja, so familiär-bunt wie bei Ihnen geht es in Freiburg glaube ich nicht zu. Die sind stark, wenn sie alle am gleichen Strang ziehen. Emmanuelle Haïm: Sagen wir es vielleicht so: Ich suche mit meinen Musikern einen warmen Klang, wogegen es beim Freiburger Barockorchester eher eine Reinheit des Klanges ist, die ich höre. M&T: Sie haben Ihr Ensemble als Cembalistin gegründet. Heute dirigieren Sie es, und jemand anderes spielt das Cembalo. Wie war dieser Schritt für Sie?
auch, dass einen die Leute nicht wirklich dazu ermuntern. M&T: Weil Sie eine Frau sind? Emmanuelle Haïm: Ich glaube ja. Zu einem Teil wenigstens. Nicht aus Böswilligkeit, sondern weil es niemandem einfiel. Aber, ja, ich habe das Cembalo geliebt. Liebe es immer noch. Und damit kann man ja schon mal sehr viele Dinge tun. Ich habe meine Rolle als Korrepetitorin geliebt, als Assistentin am Cembalo. Aber eines Tages war einfach die Zeit gekommen. Ich war auch reif genug, um selbst zu dirigieren. Eine Entscheidung übrigens, die ich nicht nur selbst getroffen habe. M&T: Sondern? Emmanuelle Haïm: Es gab da eine ganze Anzahl von Orchestern, die mich darum gebeten haben. Das Orchestra of the Age of Enlightenment zum Beispiel, Les
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thema Folies Françoises. Oder auch das Festival von Glyndebourne. So kam das alles ganz natürlich. M&T: Haben Sie in Ihrer Karriere je die sogenannte gläserne Decke gespürt? Emmanuelle Haïm: Ich bin auf solche Hindernisse nicht besonders sensibel. Wenn ich sie nicht sehen will, dann möchte ich auch nicht wissen, ob es sie gibt. Darum, weil ich gerne das mache, was ich tun will. Und dann passiert das auch. (Lacht) M&T: Glauben Sie, Sie dienen einer anderen Generation als Vorbild? Emmanuelle Haïm: Sicherlich. Ich glaube, unsere Gesellschaft verändert sich. Da sind nicht mehr dieselben Modelle gültig wie einst. An dieser Zukunft wirken Frauen und Männer mit. Das betrifft auch junge Frauen oder Mädchen, die zum Beispiel davon träumen, eines Tages Dirigentin zu werden. Dagegen spricht kein einziger objektiver Grund, dass sie das nicht tun sollten. Es gibt übrigens auch eine ganze Menge Männer, die so denken. Es ist nur so, dass die Gesellschaft diese Möglichkeiten bisher nicht gesehen hat. M&T: Sie haben schon verschiedentlich das Orchester der Berliner Philharmoniker dirigiert. In Luzern werden es nun zum ersten Mal die Wiener Philharmoniker sein. Ein Orchester, das sehr spät überhaupt Frauen in seine Reihen aufgenommen hat. Worauf stellen Sie sich ein?
M&T: Gab es für Sie einen Punkt, an dem Ihnen klar wurde, dass Sie Musikerin werden wollten? Emmanuelle Haïm: Meine Familie ist sehr musikalisch, alle meine Geschwister spielen Instrumente. Meine Mutter spielte zu Hause Brahms, das hat mich immer sehr berührt. Wir hatten auch im-
«Und wenn es überhaupt keine Frauen auf der Welt gäbe?» Emmanuelle Haïm: Was mir nicht unwichtig dabei scheint, ist, dass das Orchester selbst mich als Dirigentin haben wollte. Von daher kann das nur positiv sein, wenn ein solches Orchester sich eine Dirigentin wünscht. Das bedeutet doch, dass sich die Dinge ändern. Ich finde es auf jeden Fall sehr bemerkenswert. M&T: Ich habe in einer Kritik über Sie gelesen: «Sogar ihre Locken scheinen mitzudirigieren». Sie verzichten ja auf den Dirigierstab. Wie kommunizieren Sie? Emmanuelle Haïm: Mit den Augen, mit den Händen. Ich weiss nicht, was am wichtigsten ist. Und dann ist da noch das Herz. Das ist wohl der wichtigste Körperteil der Kommunikation.
mer Musikerfreunde zu Hause. Als ich acht Jahre alt war wusste ich, ich kann der Musik nicht entkommen. Weil sie schön ist. M&T: War es nur die Schönheit? Emmanuelle Haïm: Nicht nur. Die Musik ist ja auch ein Zufluchtsort. Sowohl für ein Kollektiv, mit dem man, wie etwa gestern Abend, zusammen an einen Punkt kommt, wo sich so vieles abspielt. Und sie ist es auch für einen ganz alleine. Dann, wenn man am Cembalo zum Beispiel eine Fuge von Bach spielt und mit sich und mit dem Komponisten kommuniziert. Das ist etwas sehr angenehmes. Und drittens gibt es da ja auch das Publikum, das etwas spürt und schön findet,
was man selbst auch schön findet. Das sind wunderbare Momente. Das ist das Leben. M&T: Wenn es keine Dirigentinnen gäbe, was würde der Welt fehlen? Emmanuelle Haïm: Und wenn es überhaupt keine Frauen auf der Welt gäbe? Dann wäre das Leben doch sehr traurig, nicht wahr? Es ist doch wichtig, dass es verschiedene Künstler gibt, Frauen, Männer, Alte, Junge – dass die Kunst von ganz verschiedenen Seiten angegangen wird. M&T: Sind wir an einem Punkt angekommen, wo der westliche, männliche Dirigent ein Auslaufmodell ist? Emmanuelle Haïm: Sicher entwickelt sich da etwas. Wie in unserer Gesellschaft überhaupt. Mit einer Geschwindigkeit, die ja unglaublich ist. Da hinkt die klassische Musik vielleicht etwas hinterher. Da ist es auch gut, wenn wir etwa den Einfluss der sich rasant verändernden Kommunikationstechnik auf uns spüren. Die grösste Herausforderung in der Klassik – ich würde sie so beschreiben: eine Frau als Dirigentin zu haben, die schwarz ist, älter, nicht hübsch. Wenn das passiert ist, dann hat sich die Gesellschaft wirklich weiterentwickelt. ■ 8.9.2016, KKL Luzern, 19.30 Uhr Wiener Philharmoniker Emmanuelle Haïm (Leitung) Werke von G.F. Händel
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ÂŤGar nichts zu wissen ist der Tod eines kulturellen Anlasses, egal ob es Musik, Theater oder Museum ist.Âť
bilder: Stefan Höderath / DG
artists Die Geigerin Anne-Sophie Mutter feiert mit drei Konzerten ihr 40jähriges Bühnenjubiläum
«Ich schlage die Geige ungern» Man mag es kaum glauben: Bereits ihr 40-Jahr-Bühnenjubiläum kann Anne-Sophie Mutter diesen Sommer feiern. Und das Lucerne Festival hat dabei nicht nur beim Karrierestart eine wichtige Rolle gespielt, sondern auch später immer wieder für Höhepunkte im Künstlerleben der Geigerin gesorgt. Ein Gespräch über Paul Sacher, Karajan, Beethoven und Sprüngli-Truffes. Reinmar Wagner M&T: Eine meiner ersten Erinnerungen an Luzern ist Rihms Violinkonzert «Gesungene Zeit» mit Ihnen und Paul Sacher vor dem Löwendenkmal. Was sind ihre ersten oder auch schönsten Erinnerungen an dieses Festival? Anne-Sophie Mutter: Auch für mich gehören die Auftritte mit Paul Sacher dazu, er hat eine sehr wichtige Rolle gespielt für mich, und mir den Zugang zur zeitgenössischen Musik eröffnet. Und es ist immer wieder zeitgenössische Musik, die mich mit Luzern verbindet, was für mich dieses Festival auch zu einem Synonym für Erneuerung macht, zu einem Leuchtturm unter den Festivals Europas, weil die Neue Musik völlig gleichberechtigt neben dem Standardrepertoire steht. Ich konnte das Konzert «In tempus praesens» von Sofia Gubaidulina mit den Berlinern unter Simon Rattle uraufführen, dieses Jahr spiele ich «En rêve» von Norbert Moret und das Konzert von Alban Berg mit dem Jugendorchester der Academy. Das ist auch ein Markenzeichen des Lucerne Festivals, dass stets auch die Jugend gefördert wurde, der Blick also sowohl in die Zukunft des Repertoires wie die Zukunft der Interpretation gepflegt wird. M&T: Sie können diesen Sommer 40 Jahre Bühnenjubiläum beim Lucerne Festival feiern, man glaubt es kaum. Was wissen sie noch von Ihrem ersten Auftritt? Neue Musik haben Sie jedenfalls nicht gespielt. Anne-Sophie Mutter: Nein, ich war dreizehn, da war ich voll beschäftigt mit dem traditionellen Repertoire. M&T: Aber immerhin stand neben Tartinis «Teufelstriller-Sonate» auch die Chaconne von Bach auf dem Programm.
Anne-Sophie Mutter: Das war nicht meine Entscheidung, sondern die Anregung meiner wunderbaren Schweizer Lehrerin Aida Stucki. Es ging darum, mich vorzustellen, eine möglichst grosse stilistische Bandbreite zu zeigen. Ich habe auch Sarasate und Paganini neben Bach und Tartini gespielt. M&T: Und es hat funktioniert, Herbert von Karajan hat sie danach zum Vorspielen eingeladen. Wie geht eine 13-Jährige zum Vorspiel bei Karajan? Anne-Sophie Mutter: Ohne falsche Hoffnungen, sehr entspannt, weil die Aussicht, mit ihm zu arbeiten, eigentlich nicht bestand. Ich ging aus reinem Pflichtbewusstsein meiner Lehrerin gegenüber dahin. Ich musste stundenlang warten, gedanklich war ich schon fast wieder im Zug, auf dem Heimweg in die Sicherheit, weg von diesem Waterloo. Erstaunlicherweise wurde es dann kein Waterloo sondern eine 13-jährige Zusammenarbeit, die uns auch oft nach Luzern führte. Da habe ich auch beobachtet, wie er jahrelang vehement die Bemühungen um einen neuen Konzertsaal unterstützte, was ja dann auch gelungen ist. Für mich eine Verpflichtung, dasselbe auch in München zu versuchen. M&T: Wie erleben Sie die Akustik des KKL-Konzertsaals? Anne-Sophie Mutter: Ich liebe sie, fast alle Musiker haben sie von Anfang an geliebt. Es fühlt sich an wie ein wunderbares Instrument, mit dem man spielen kann, nicht wie ein Raum, den man bezwingen oder überlisten muss, wenn man darin konzertiert. Man hört sich und die anderen, man kann wunderbar subtil musizieren, der Saal ist akustisch wie optisch
ein einziger Glücksfall, dazu kommen die grandiose Landschaft, der See und die Berge – und Sprünglis «Truffes du jour»: damit ist das Glück vollkommen. M&T: Welche künstlerischen Höhenflüge sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben? Auch mit André Previn gab es eine Uraufführung. Anne-Sophie Mutter: «Tango, Song and Dance» haben wir hier uraufgeführt. Ich erinnere mich an Konzerte mit Kurt Masur, die mich zu Tränen rührten. Meine eigenen Konzerte – ich kann das nicht so gut, mir selber auf die Schulter zu klopfen und in Erinnerungen zu schwelgen. M&T: Sie schauen lieber voraus. Anne-Sophie Mutter: Unbedingt, die Hoffnung stirbt zuletzt! Ich freue mich auf das Jahr 2020 mit dem Beethoven-Jubiläum, das wird weltweit ein besonderes Klassikjahr, wegen der Fülle des Repertoires, aber auch wegen des humanistischen Anspruchs in seiner Musik, der hilft, Gegensätze zu überwinden und Brücken zu bauen. M&T: Für die Geige gibt es das grosse Konzert und die zehn Sonaten… Anne-Sophie Mutter: … das Tripelkonzert und die Kammermusik, die Klaviertrios, Streichtrios. Und natürlich die Streichquartette, von denen ich eigentlich schon lange träume. Es ist mir aber bisher nicht gelungen, sie in meinen Arbeitsrhythmus einzubringen, und weil ich schon wieder einige Kompositionsaufträge erteilt habe für die nächsten drei bis vier Jahre, wird der Fokus doch wohl eher auf der Erweiterung des Repertoires liegen, um den Kollegen der nächsten Generation etwas Spannendes zu hinterlassen, woran sie zu knabbern haben. So wie es mir auch ging:
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artists Ich habe zum Beispiel lange gebraucht, um mich mit der Tonsprache Alban Bergs anzufreunden, und so mag es einer jüngeren Generation vielleicht mit Rihms Musik gehen. Aber es ist wichtig, diesen Erneuerungsprozess in ständigem Gang zu halten, so dass es selbstverständlich ist, jeder Generation einen Berg neuer Musik zu hinterlassen. M&T: Sie haben sich immer wieder stark für die zeitgenössische Musik in die Bresche geworfen, viele Werke uraufgeführt, viele auch in Auftrag gegeben. Dabei aber haben Sie immer eine Linie durchgehalten und Abstand vor den ganz krassen Techniken der Avantgarde gehalten. Wo liegt die Schmerzgrenze dessen, was sie auf der Geige mitmachen? Anne-Sophie Mutter: Ich schlage die Geige ungern, wobei ich das auch schon gemacht habe, in «Night Music» von George Crumb, vier ganz kurzen esoterischen Stücken, mit elektronisch verstärkter Geige. Man kann das spielen, aber ich nehme dafür sicher nicht meine Stradivari. Was Spieltechnik an sich betrifft, bin ich aber ein sehr abenteuerlustiger Mensch und möchte noch viel Neues lernen. Aber wenn ein Werk nicht mehr über eine erkennbare Struktur verfügt, nur eine Aneinanderreihung von manchmal aberwitzig undurchsichtigen und unhörbaren Klangeffekten ist, dann habe ich überhaupt kein Interesse daran. Wenn der Komponist selber nicht mehr unterscheiden kann, ob von seinen 1000 Tönen nur 900 richtig sind, dann beginne ich zu zweifeln. Umgekehrt hat mich Dutilleux sehr beeindruckt, als er ohne Partitur in der Generalprobe von «Sur le même accord» sass und aus dem Gedächtnis die Bratschenstimme auf ein Blatt Papier notierte. Chapeau! M&T: Wie wünschen Sie sich ihr Publikum für zeitgenössische Musik? Anne-Sophie Mutter: Man sollte ganz unbefangen zuhören, wir haben oft aus der Hörgewohnheit vorgefasste Meinungen, und die muss man bewusst ablegen, egal ob man Mozart oder Rihm hört. Wolfang Rihm beispielsweise kann sehr eloquent und intellektuell über seine Musik sprechen, das kann schon helfen. André Previn andererseits ist der Meinung, dass Musik aus sich heraus wirken muss und schätzt es überhaupt nicht, wenn er dazu befragt wird. Man sollte sich die Mühe machen, genau hinzuhören, sich anzufreunden, und es immer wieder von Neuem versuchen, was nicht heisst, dass man ein Stück dann lieben muss. Manche Menschen finden emotional Zugang zur Musik, andere brauchen unbedingt Begleittext und Einführung. Aber man sollte sich auf jeden Fall etwas Mühe geben. Um zehn vor acht reinrennen und
gar nichts wissen, das ist der Tod eines kulturellen Anlasses, egal ob es Musik, Theater oder Museum ist. Man muss den Sender einstellen, wie beim Radio, wenn der nicht sauber eingestellt ist, dann kann es auch nicht schön klingen. M&T: Sie spielen in Luzern das Konzert von Alban Berg im Format «40 Minuten», das sich genau an ein solches Publikum richtet, das einfach mal reinsitzt, nichts bezahlt, und wohl auch nichts über das Konzert weiss. Anne-Sophie Mutter: Das Konzert von Alban Berg ist ein Glücksfall, weil diese Geschichte von der früh verstorbenen Tochter Alma Mahlers beim Verstehen hilft. Im ersten Satz hören wir fröhliche Ländler, sehen ein unbeschwertes junges Leben. Der zweite Satz beginnt mit diesem Aufschrei, und die rhythmisch peitschenden Figuren schildern den Kampf gegen die Krankheit, mit dem Bach-Choral schliesslich folgt die Hoffnung auf Erlösung. Dem kann man doch sehr gut folgen, auch wenn man es zum ersten Mal hört, und man spürt die Dimension menschlich fassbaren Leidens, in der sich wohl jeder irgendwie finden kann. M&T: Das Berg-Konzert ist zum vielleicht wichtigsten Violinkonzert des 20. Jahrhunderts geworden. Ihm zur Seite stellen Sie «En rêve» des Westschweizer Komponisten Norbert Moret, das für Sie geschrieben wurde, aber dann auch aus Ihren Konzerten verschwand. Anne-Sophie Mutter: Ich habe es 1988 uraufgeführt, dann aufgenommen und danach tatsächlich nicht mehr gespielt. Zum 100. Geburtstag von Moret bat man mich, es wieder aufzuführen, und ich musste es praktisch neu lernen, habe mich aber wieder total verliebt in dieses Konzert. Es ist sehr einfallsreich, delikat, hat einen starken Bezug zur Natur, sicher ein Werk, das in seiner feinen Orchestrierung und in den reichen Klangfarben besonders überzeugend ist. M&T: Zusammen mit ihrem langjährigen Begleiter Lambert Orkis spielen Sie in Luzern auch ein Rezital-Programm, das Ihre angesprochene Vielseitigkeit schön illustriert: Mozart, Currier, Saint-Saëns und die grosse Sonate von Respighi. Was mögen Sie an diesem Werk? Anne-Sophie Mutter: Respighi, der grosse Orchestermaler, hat auch seine Geigensonate sehr sinfonisch angelegt. Diese Klangfülle ist ein wunderbarer Gegensatz zu der fein ziselierten Mozartsonate K 454, die meine eigentliche Lieblingssonate ist, weil sich im zweiten Satz ein wirklich gleichberechtigter Dialog zwischen Geige und Klavier entwickelt. M&T: Ihre Klanglichkeit habe ich schon immer bewundert, diese leisen Töne mit unglaublicher Substanz. Was ist das Geheimnis dahinter?
«Der Konzertsaal im KKL ist akustisch wie optisch ein einziger Glücksfall.» Anne-Sophie Mutter: Erst mal darf ich eine sehr schöne Geige spielen, die nie dünn wird. Mich persönlich fasziniert an den Geigen von Stradivari nicht nur, dass man jede Farbe heraus holen kann, und die Brillanz, die durchaus beeindruckend sein kann, sondern auch, dass tatsächlich der Korpus eines Tons nie verloren geht. Und dann ist es ein bisschen wie beim Tennis, wo man für einen guten Schlag exakt den richtigen Punkt auf dem Schläger treffen muss: Auf der Geige braucht es sehr feine Nuancen – richtiger Druck, richtige Geschwindigkeit – um leise, aber mit Sub-
artists stanz zu spielen. Dafür entwickelt man mit der Zeit ein Gefühl. Und das Leise ist natürlich das, was der Musik die Magie gibt. M&T: Das Festivalmotto in Luzern heisst diesen Sommer «Primadonna». Wie sehr sind Sie eine Primadonna? Anne-Sophie Mutter: Das kommt auf die Definition an: Ich bin das einzige Mädchen neben zwei Brüdern, also Primadonna. Aber das Kapriziöse, das mit diesem Begriff in Verbindung gebracht wird, das ist ganz und gar nicht meine Sache. Das wäre mir viel zu anstrengend, und ich könnte es mir als allein erziehende Mutter auch gar nicht erlauben. M&T: Es geht in Luzern auch darum, den Dirigentinnen ein Podium zu bauen, ein Gebiet, auf dem die Männer noch dominieren. Wie sehen Sie die Situation der Frau sonst in der klassischen Musik heute?
ganischen Abläufe eingreifen, weil sie einem Orchester gar nichts mehr zutrauen. Karajan konnte ganze Takte lang einfach dastehen und ein Oboensolo solo sein lassen. Da haben die Musiker dann auch intensiver aufeinander gehört. M&T: Welche Machtposition haben sie als Solistin? Anne-Sophie Mutter: Um Macht geht es selten. Wenn es nicht gerade Celibidache ist, geht man aufeinander zu, die Dirigenten hören sich die Angebote an, bringen ihre Ideen ein. Eine relativ neue Zusammenarbeit verbindet mich mit Thomas Adès. Ich habe ihm einen Kompositionsauftrag erteilt, aber er ist auch ein phänomenaler Dirigent und bringt in ein Brahmskonzert Aspekte ein, die neu und anders sind, und das ist für mich auch sehr anregend. Lieber zu viel Wissen in den Raum gestellt, als einfach nur Begleitung, so lange jemand nicht dogmatisch ist.
«Das Lucerne Festival ist ein Synonym für Erneuerung» Anne-Sophie Mutter: Es scheint mir, dass sich die gute Leistung unabhängig vom Geschlecht durchsetzt. Der Gedanke, Dirigent zu werden, ist vielleicht von unserem Rollenverständnis her weniger stark in unseren Köpfen. Aber es macht eigentlich keinen Unterschied, ob einer vorne steht und dirigiert, oder ob ich von der Geige aus ein Ensemble anführe. Konsens ist zentral für die Musik, es geht darum, zusammenzuwachsen mit Menschen von ganz unterschiedlicher Herkunft und Gedankenwelt. Es geht nicht darum, dass ich jemandem meinen Willen aufzwinge, sondern zu hören, was entgegen klingt. Dadurch verändern sich auch die eigenen schöpferischen Gedanken, und das ist ein sehr schöner Prozess. M&T: Dieser partnerschaftliche Gedanke hat sich heute etabliert, ein Karajan hat noch nicht so gedacht. Anne-Sophie Mutter: Vielleicht verbal nicht, aber er war einer der wunderbarsten Begleiter, den man sich denken kann. So streng er in der Forderung war, das Beste aus jedem herauszuholen, so vertrauensvoll konnte er nach langen Probenphasen sein. Es gibt heute vielleicht Dirigenten, die weniger dominant scheinen, die aber viel stärker in die or-
M&T: Sie haben im neuen Format «yellow lounge» der Deutschen Grammophon mitgemacht, wie waren Ihre Erfahrungen? Anne-Sophie Mutter: Exzellent, ich werde das ab und zu wiederholen. Der relativ kleine Rahmen mit 300 bis 500 Zuhörern, die physische Nähe, die lockere Atmosphäre, die Sichtbarkeit der körperlichen Anstrengung sorgen auch emotional für Intensität. Und ich mag auch das Repertoire, das ich dort spielen kann, ich war schon immer ein grosser Fan von diesen Heifetz-Arrangements, ich mag die Filmmusik eines John Williams, das sind für mich Ausflüge in eine Welt, in der die Geige schon immer zu Hause war und sich von ihren schönsten virtuosen aber auch gesanglichen Seiten zeigen kann. Klassische Musik wird in diesem Format für ein Publikum erlebbar, das sonst kaum damit in Berührung kommt. Aus dem Fernsehen ist Klassik total verschwunden, Klassikradio wird zum Entspannen gehört – warum klassische Musik Entspannung sein soll, habe ich noch nie verstanden. So ein Clubabend eröffnet ungeahnte Möglichkeiten, die Musik in ihrer vollen Wucht zu erleben, da ist ordentlich Feuer dahinter. Und ich bin auf ein Publikum getroffen, das sehr emotional reagiert hat.
M&T: Geht nicht auch etwas an Konzentration und Vertiefung verloren dabei? Anne-Sophie Mutter: Natürlich, aber das geht nicht in drei Minuten, das ist ohne das Heranziehen der Jugend an diese Werte nicht möglich. Es gibt Dinge im Leben, die Zeit brauchen, nicht alles lässt sich im Multitasking nebenher erledigen. Das macht Kunstgenuss ja auch so wertvoll, aber dieses Bedürfnis kann man nur entwickeln, wenn man es kennenlernt. Deswegen führt nichts an einer frühen Einführung in der Grundschule oder besser schon im Kindergarten vorbei. In Deutschland ist der Musikunterricht in der Grundschule ein Witz, die höheren Schulen können auf nichts aufbauen, und Musik wird jeweils als erstes gestrichen, wenn die Schulzeit verkürzt wird. Wofür ich nicht ein bisschen eine Neigung entwickelt habe, das kann ich auch nicht wirklich geniessen. Wir können doch nicht eine Generation von brav funktionierenden Konsumenten heranziehen wollen! Soziale Fähigkeiten wie Dialog, Empathie, der Umgang mit Schicksal oder Leid, das ist kaum woanders so leicht zu lernen wie in der Musik. Geld und Karriere sind kein guter Massstab für ein glückliches Leben. M&T: Ein gutes Stichwort: glückliches Leben… Anne-Sophie Mutter: … da sind wir wieder bei Sprüngli… M&T: Oder bei Marcel Proust. Seinen berühmten Fragebogen haben Sie auch ausgefüllt, man kann Ihre Antworten auf Ihrer Webseite nachlesen. Und als Ihre Lieblingshelden in der Literatur haben Sie Philemon und Baucis genannt, das Ehepaar aus der griechischen Mythologie, das zufrieden zusammen alt geworden ist. Sind Sie ein zufriedener Mensch? Anne-Sophie Mutter: Ich habe diese Geschichte immer so begriffen, dass man aufeinander wartet in einer Beziehung, dass es die ewige Liebe gibt. Nun bin ich seit ?????? 21Jahren Witwe, für mich ist das also nicht Realität geworden. Und zufrieden, nein. Ich bin zufrieden mit dem, was Gott mir gegeben hat, aber zufrieden mit mir, überhaupt nicht. Ich freue mich, dass mir Einiges gelungen ist, dass ich zum Beispiel meine Stiftung errichten konnte, und dabei aussergewöhnliche Menschen fördern durfte mit einem starken sozialen Gewissen, die sich nicht von Sirenenrufen locken lassen, sondern wirklich ihre Aufgabe als Musiker ernst nehmen und ein Gefühl dafür entwickelt haben, dass sie an die Gesellschaft etwas zurück geben müssen und nicht nur an der Vervollkommnung ihrer eigenen Fähigen arbeiten sollten. Denn das ist nicht Sinn und Zweck eines Künstlerdaseins. ■
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composer Durchbricht den Elfenbeinturm exemplarisch, unentwegt – die Komponistin Olga Neuwirth
Mut, Kritik, etwas wagen Die Österreicherin Olga Neuwirth ist heuer bereits zum zweiten Mal als Composer-in-Residence ans Lucerne Festival eingeladen. Und im Rahmen der Roche Commissions bringen Susanna Mälkki, Martin Grubinger und das Orchester der Lucerne Festival Academy ihr neues Konzert für Schlagzeug und Orchester «Trurliade – Zone Zero» zur Uraufführung. Thomas Meyer (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
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composer Als sie vor zehn Jahren in der Veranstaltungsreihe «Gefahr Bar» (in der Burgtheater-Kasinobar) auftrat, klebte sie sich einen Groucho-Marx-Schnauz an (der ihr freilich immer wieder herunter fiel) und behauptete unentwegt «Komponistinnen gibt es nicht», womit das Gespräch eigentlich zum Erliegen kam, aber mit unerbittlicher Konsequenz fortgesetzt wurde. Es war ein absurder Spass, und ich komme mir nun etwas bierernst vor, wenn ich daraus meine journalistischen Schlüsse über Olga Neuwirth zu ziehen versuche. Dabei ist weniger die Aussage über die Komponistinnen von Interesse. Dass es welche gibt, ist allmählich doch den meisten Konzertgängern des mitteleuropäischen Musikbetriebs bekannt, und auch das Lucerne Festival stellt sein diesjähriges Motto «PrimaDonna» mit etwas Selbstironie vor. Typisch war in diesem Fall eher die Schelminnenhaftigkeit Neuwirths, die sich da eine Maske aufsetzte und sich so entzog. Gewiss, ihre Werke (Kompositionen, Installationen, Filme und so weiter) sind keine Lachnummern, aber sie liebt es, sich dabei musikalische Masken aufzusetzen und damit die klassischen wie die avantgardistischen Kreise zu frappieren und wohl zuweilen auch zu entsetzen. In Luzern werden gleich zwei solcher Stücke zu erleben sein: «Eleanor» für Bluessängerin, drum-kit-player, Ensemble und Samples, eine Huldigung an Billie Holliday, sowie «Hommage à Klaus Nomi», an jenen 1983 an AIDS verstorbenen Countertenor, der die Grenzen überschritt und zum Beispiel PurcellArien in ein poppiges Gewand kleidete. Für Neuwirth sind dies «Hommages an Menschen, die zu ihren Lebzeiten vergessen oder missverstanden wurden, wie auch den Schriftsteller Herman Melville [«Moby Dick»]. Denn mich beschäftigten immer schon die vergessenen und übersehenen Räume der Geschichte, auch der Musikgeschichte, der klassischen wie der ‚populären‘. Daher sind ‚Mut‘, ‚Kritik‘, ‚etwas zu wagen‘ für mich Schlüsselbegriffe. Diese Menschen/ Künstler mit Haltung berühren und faszinieren mich. Ich bin mit Jazz und Pop aufgewachsen, nicht mit Klassik. Daher war das Einbeziehen dieser Musikrichtungen (Instrumentarium, Ausdrucksweise, Harmonik usw.) als Referenz und Material für mich von Anbeginn an selbstverständlich und nicht aufgesetztes Benützen, nur weil es gerade ‚in‘ ist. Ich bewundere Menschen, die ihren eigenen Weg such(t)en, wie schwierig dieser auch immer sein mag. Vielleicht wird schon das allein als Provokation meinerseits angesehen...»
composer Darin spiegelt sich ihre Biografie: Geboren 1968 in Graz, Tochter des Jazzpianisten Harry Neuwirth, Nichte des Komponisten Gösta Neuwirth. Sie beginnt mit sieben Trompete zu spielen und will das Instrument, begeistert von Miles Davis, auch studieren, woran sie aber ein Unfall hindert. Sie wird von Klassik-, Jazz-, Pop- und Punk beeinflusst. Zunächst studiert sie in San Francisco Malerei und Film, erst danach Musik in Wien. Ihre wichtigen Vorbilder sind Adriana Hölszky, Tristan Murail und Luigi Nono. Mit 22 findet sie mit zwei Mini-Opern nach Elfriede Jelinek erstmals internationale Beachtung. Mit der späteren Nobelpreisträgerin hat sie später mehrmals zusammengearbeitet. Vor vierzehn Jahren war sie schon einmal in Luzern als Composer in Residence zu Gast. Damals setzte sie auch ein Konzert aufs Programm, bei dem DJ Spooky ihre Musik remixte. Auch das zeigt, wie durchlässig die Grenzen sind – auf gelegentlich spielerische Weise – was nicht verdecken kann, dass es ihr Ernst damit ist. So sagt sie zu ihrem neuen Schlagzeugkonzert «Trurliade – Zone Zero», das Martin Grubinger in Luzern uraufführen wird: «Das Stück möge eine Metapher sein für eine ironisch-bittere Abrechnung gegen die Unerbittlichkeit, Behäbigkeit, Starrheit und Gewalt von ‚Masse/ Macht-Maschinen‘ gegen ein Individuum, das versucht, nicht aufzugeben.» Olga Neuwirth formuliert Widerspruch, ist eine politische Intellektuelle und äussert sich auch zum Tagesgeschehen. Zuletzt kommentierte sie die Wahlen in Österreich – nicht zum ersten Mal. Schon 2000 wurde sie angefragt, bei einer Grossdemonstration in Wien gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ eine Rede zu halten. «Ich habe schon immer Stellung bezogen. Ich bin seit meiner Jugend geprägt von ‚politischen Menschen‘ wie Luigi Nono oder auch Hanns Eisler. Mich interessierten immer schon Menschen, die es wagten und wagen, Kritik auszusprechen, trotz aller sozialen und politischen Widerstände. Es geht für mich aber auch immer darum, wann man was tut und sagt: Nicht erst dann, wenn es ohnehin schon alle Spatzen von den Dächern pfeifen und man nicht mehr angegriffen werden kann, es also ‚gratuit‘ ist.» Nono starb, bevor Neuwirth als Komponistin bekannt wurde. In Venedig, wo Nono lebte, hat sie einige Jahre verbracht. Ihre grosse Raumkomposition «Le Encantadas o le avventure nel mare delle meraviglie», die nun auch in Luzern erklingt, ist wiederum eine
Hommage – an ein Venedig, «das es so nicht mehr gibt, wie ich es erlebt habe; an die Chiesa San Lorenzo, die für immer geschlossen ist; an mein Vorbild, den Venezianer Luigi Nono, und an den von mir so geschätzten und zu seiner Zeit völlig verkannten Autor Herman Melville, daher der Titel des Stückes. Der ‚Untertitel‘ verweist an ‚Le avventure di Alice nel Paese delle Meraviglie‘.» Die wer weiss wann vielleicht versinkende Stadt, der kommunistische Komponist, Moby Dick und Alice also sind gemeinsam auf einer musikalischen Schifffahrt. Und inmitten dieses über einstündigen Werks taucht ein Popsong auf, den sie selber komponiert und getextet hat, «ein ‚surrealer Moment», wie sie sagt, «in dem alles künstlich wird. Diese plötzlich auftauchende ‚einsame Insel‘ liefert das Double aller Instrumente und Stimmen. Ein unbeständiges Double, vom Realen (also auch den live spielenden Musikern) getrennt. Die ‚Schifffahrt‘ durch unterschiedliche musikalische Inseln diente mir als Metapher für das Dasein. Das Inselmotiv wiederum als Metapher des auf sich selbst Zurückgeworfen-Seins, als Bild für das Bedrohtsein von Aussen. Deswegen schrieb ich diesen Song 2014 für die digitale Vocaloid-Stimme von Hatsune Miku [einer virtuellen Figur japanischer Mangas] und baute sie dann in ‚Le Encantadas‘ ein». Solche voice synthesis-Programme zur Erzeugung digitaler Stimmen beschäftigen Olga Neuwirth schon seit ihrer Oper «Bählamms Fest» 1992. Die technische Innovation, kreativ übernommen, aber auch kritisch hinterfragt, wird bei ihr häufig thematisiert. «Heute ist die Programmiertechnik viel weiter. Ich benutzte diese Art von künstlicher Stimme, deren Klang ich früher gern als ‚androgyn‘ bezeichnet habe, auch deswegen, da ‚Le Encantadas‘ für mich eine Art Musiktheater sind. Der letzte Satz des Songs heisst übrigens: ‚Pull me out of the sea‘. Diese kurze Formulierung, die sich auf Melville bezieht, der die Weite des Meeres als Metapher für die menschliche Seele, für Hoffnung, aber auch als eine Metapher für den Tod sah, dieses ‚Über das Meer‘ ist seit einiger Zeit in Europa zu einer schrecklichen Metapher für Flüchtlinge geworden…» Auch in der Hommage an Vergangenes ist Neuwirth eine Künstlerin ihrer/unserer Zeit. In ihrem Werk vollzieht sich seit drei Jahrzehnten jene Grenzüberschreitung der Neuen Musik aus dem Elfenbeinturm heraus auf exemplarische Weise. Ihre Filme,
die sie initiierte oder auch selber drehte, erzählen davon, und sie lässt dabei auch die Musik nicht unangetastet. So wie DJ Spooky einst ihre Werke remixte, hat sie 2007 bei der documenta in Kassel ihr eigenes Trompetenkonzert «...miramondo multiplo...» auseinandergenommen und zum Ausgangspunkt einer Installation gemacht. Man sieht und hört dort durch eine Glasscheibe hindurch, wie sie immer wieder den Anfang des Stücks auf das Glas notiert, ausstreicht, neu notiert… Sie wollte dadurch dem Wesen des «Offenen» nachspüren, wie sie sagt, in «utopischen Erinnerungsorten, in dem sich irreale Hör-Bilder und kleine Szenen verbinden, «ein räumlichendzeitlichter Zauberatlas», eine Vielfalt von «Weltfragmenten», ein dicht gewobenes Netzwerk aus Texten von Hannah Arendt und Walter Benjamin, «ein ‚Atlas des Lebens‘, der uns die Fragilität des Denkens und Schreibens des Künstlers in seiner Existenz sowie den Schaffensprozess vor Augen führt. Dieser ‚Zauber-Atlas‘ wird allerdings durch ein aggressives ‚Aussen‘ einer ständigen Möglichkeit der Zerstörung ausgesetzt. In der Installation wurde das ‚Zerstörungspotenzial‘ durch tieffrequente ‚Störklänge‘ verdeutlicht. Je mehr Leute (durch eine motioncapture-camera registriert) den Raum betraten, desto lauter wurden die ‚Störklänge‘, die die Texte von Arendt und Benjamin sowie meine ephemeren, fragilen Glas-Klänge brutal übertönten.» In Luzern wird nun lediglich der Film und nicht die gesamte Installation gezeigt, aber deutlich wird darin ebenfalls, wie sich der Künstler/die Künstlerin der Welt aussetzt. Solches «Zerstörungspotenzial» spielt übrigens auch in der nächsten Oper eine Rolle, an der sie zurzeit arbeitet und deren Uraufführung für Dezember 2019 vorgesehen ist: «Orlando» nach Virginia Woolf. Es ist die Geschichte eben dieses Orlandos, der durch die Jahrhunderte in der Gestalt von Männern und Frauen erscheint. Die Essenz dieser fiktiven Biografie sei «die Liebe zum Seltsamen, Übernatürlichen, zur List, zur Kunstfertigkeit, Überhöhung und Übertreibung. Auch geht es immer wieder um Erinnerung und eine kultivierte, höchst raffinierte Form von sexueller Anziehungskraft und gegen das Einzwängen in die Laufrichtung eines einzigen Geschlechts.» So Olga Neuwirth. «Jedes Leben entsteht durch einen Prozess der Selbsterschaffung. Indem wir leben, erschaffen wir unsere eigene Welt. Wie in der Musik, wie mit und durch Orlando.» ■
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Die Moderne ist bereits erfunden Deshalb erfinden sie die beiden Leiter der Lucerne Festival Academy auch nicht neu. Matthias Pintscher und, als neuer k端nstlerischer Leiter, Wolfgang Rihm gehen jene Wege weiter, die Academy-Gr端nder Pierre Boulez bereits geeebnet hat. Neu profitieren die rund 120 Studenten dieser Akademie f端r neue Musik von einem Komponistenseminar und einem sogenannten Alumni-Ensemble, mit dem ehemalige Akademisten nach Luzern zur端ckkehren. Benjamin Herzog (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
thema Die Märzsonne scheint über Luzern. Doch den Menschen sitzt der Winter noch in den Knochen. Sie tragen Mäntel und schwitzen. Vor dem «Südpol», dem Probelokal der Lucerne Festival Academy, sitzt Matthias Pintscher im offenen Hemd. Studenten daneben beim Verzehr von Brötchen. Einige rauchen. Dominik Deuber von der Festival Academy ist auch dabei. Er hält als Managing Director die Fäden der Academy im Hintergrund zusammen. Es ist Pause – man wärmt sich an der Sonne. Ein bisschen Sommergefühl schon. Denn im August, am Lucerne Festival, treffen sich die Musiker der Academy wieder. Sie werden Ligeti proben, Strawinskys «Feuervogel». Werden jungen Komponisten begegnen und ehemaligen Akademisten, etwas älteren Kollegen also, die es als «Alumni» nach Luzern zurückzieht.
M&T: Wolfgang Rihm, Sie wälzen als künstlerischer Leiter der Festival Academy gerade Partituren für die neue Komponisten-Akademie im Sommer. Wie hoch ist der Stapel? Wolfgang Rihm: Sehr hoch. Es haben sich 240 Komponisten gemeldet. Es ist ja kein Kompositions-Wettbewerb. Sondern es soll sich die Möglichkeit eines Kompositions-Seminars zeigen. Da dachten wir, dass wir vielleicht zwölf Leute zusammenbringen. Diese zwölf Komponisten müssen nicht auf einem Level sein. Wichtig ist, dass das unterschiedliche Charaktere sind, unterschiedliche Figuren und auch Kulturkreise, die da zusammenkommen. Es ist ja schon erstaunlich, zu sehen, wie ähnlich die Artikulationsformen sind, selbst wenn die Orte, an denen sie ersonnen wurden, erdteilhaft auseinanderdriften. Die Noten sehen oft aus, als stammten sie aus dem gleichen Computer.
«Es möge zusammenwachsen, was zusammenkommt»
Wolfgang Rihm
Auch der charismatische Schädel von Wolfgang Rihm wird in der einen oder anderen Probe auftauchen. Nach Pierre Boulez’ Tod im Januar hat man Rihm als neuen künstlerischen Leiter der Akademie einberufen. Eine Galionsfigur. Jetzt steckt er im Stau. Verspätet sich grandios für das gemeinsame Interview mit Co-Leiter Matthias Pintscher. Wir nehmen es gelassen. Trinken einen Kaffee in der Sonne. Ein Vorwegplausch voller Vorfreude. Dann taucht Rihm am Horizont auf. Wir gehen ins Künstlerzimmer. Los geht’s. M&T: Herr Pintscher, Sie proben mit den Musikern des Lucerne Festival Academy Orchestra gerade für ein Gedenkkonzert für Pierre Boulez, versammeln die Akademisten also schon jetzt mal im Frühling. Monate vor den drei Wochen, die sie dann gemeinsam im Sommer in Luzern sind. «Mémorial» von Pierre Boulez steht auf dem Programm. Des Namens wegen? Matthias Pintscher: Nein, nicht deswegen. Sondern, weil «Mémorial» das persönlichste, intimste und auch verletzlichste Werk ist, das Pierre Boulez je geschrieben hat. Es gibt in dem Stück diesen Ton Es, der wie ein Horizont durchwegs da bleibt, sich auffächert, Fragen aussendet, die eigentlich kaum beantwortet werden. Und dann landet das Stück wieder auf diesem Es, und alle Fragen bleiben unbeantwortet. Das ist nicht nur sehr poetisch, sondern auch sehr tief und sehr schön. Ich denke, dass das eine sehr passende Verneigung ist.
Aber es gibt unter den 240 Partituren, die wir durchgesehen haben, immer wieder erstaunliche Beispiele von grossem Können, von grossem Wollen, grossem Wissen und grosser Hoffnung auch. Das zusammenzubringen, dass es sich gegenseitig steigert… vielleicht gelingt›s. M&T: Zusammenbringen ist auch das Stichwort für die erneuerte Lucerne Festival Academy, die Sie beide ja nun zusammen leiten. Matthi-
as Pintscher, Sie sind schon zum dritten Mal dabei. Sie dirigieren hauptsächlich. Wolfgang Rihm, Sie sind neu bei der Akademie, leiten das Kompositionsseminar. Inwiefern treffen sich die beiden Bereiche? Matthias Pintscher: Es hat sich schon längst alles getroffen. Die Leitung zusammen mit Wolfgang Rihm ist eine der natürlichsten und logischsten Kombinationen. Alleine schon der Freundschaft wegen. Wenn nun auch die Werke der Komponisten und das, was wir aufführen, zusammenkommen – umso schöner. Das muss aber nicht sein. Wir forcieren nichts. Aber ich denke, wir werden schon das eine oder andere Kaninchen aus dem Hut zaubern. Wolfgang Rihm: Wir beginnen jetzt nicht aus dem Stand, sondern führen darüber schon seit eineinhalb Jahren Gespräche. Noch mit Pierre Boulez haben wir das getan. Das hat sich alles organisch ergeben. Wir sind nicht nur für die jungen Komponisten zuständig. Sondern wir überlegen uns auch, welchen Gastdirigenten wir einladen, mit wem wir welche Programme aufführen. Und so weiter. Das sind alles natürliche und nicht auf Schnittmengen bedacht sein müssende Prozesse. Matthias Pintscher: Wir haben in Luzern auch den Luxus, dass wir hier Programme ersinnen können, die nicht nur effektvoll und appetitliche KonzertkassenFüller sein müssen. Uns geht es um die künstlerische Diskussion. M&T: Es kommen Musiker aus der ganzen Welt zusammen, denen Sie ein neues Repertoire nahebringen wollen. Um was genau geht es bei dieser Diskussion?
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Musiques Suisses – Schweizer Klassik, Neue Volksmusik und Jazz Andrea Lorenzo Scartazzini Der Sandmann
Oper in 10 Szenen
Theater Bern ken
Arthur Honegger «Rugby». Mouvement symphonique Symphonie liturgique Symphonie «Di tre re»
MGB CD 6287 Berner Symphonieorchester Mario Venzago, Leitung
MGB CD 6288 Der Sandmann Oper in 10 Szenen Chor des Theater Basel; Einstudierung, Henryk Polus Sinfonieorchester Basel; Tomáš Hanus, Leitung
Yves Theiler Trio
Schänner Blech-Füfermusig
Dance In A Triangle
MGB Jazz 18
MGB-NV 33 David Jud, Klarinette Lorenz Stöckli, Trompete Fabian Jud, Flügelhorn Jérôme Müller, Tenorhorn Tobias Zwyer, Tuba
Yves Theiler, Piano, Wurlitzer Luca Sisera, Bass Lukas Mantel, Drums
online shop: www.musiques-suisses.ch Musiques Suisses/Neue Volksmusik wird getragen von Pro Helvetia, Suisa-Stiftung, Gesellschaft für die Volksmusik in der Schweiz, Haus der Volksmusik Altdorf und Migros-Kulturprozent. Pro Helvetia, Suisa, Suisa-Stiftung, Schweizerischer Tonkünstlerverein, Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft und Migros-Kulturprozent bilden die Trägerschaft von Grammont Portrait.
Ein Projekt des
thema Wolfgang Rihm: Es kommen ja nicht nur die Komponisten, sondern überhaupt interessierte Interpreten nach Luzern. Denen wollen wir, ich sage es mal so, den Kanon der Moderne beibringen. Ich bin zwar dem Begriff Kanon gegenüber sehr vorsichtig. Aber natürlich gibt es etwas, auf das man sich bezieht. Das hat Pierre Boulez hier exemplarisch vorgemacht. M&T: Zum Kanon gehören Debussy, Schönberg, Strawinsky. Meinen Sie die? Wolfgang Rihm: Ja, das sind doch die Komponisten, die in die Moderne hineinragen, sie überhaupt hervorbringen. Was darauf aufbaut, bis ins Jetzt hinein, das gilt es als Programmidee zu pflegen! M&T: Die Spannweite der Programme, die das Orchester der Akademie im Sommer spielt, ist sehr weit. Ein Konzert etwa leitet die amerikanische Komponistin und Dirigentin Maria Schneider mit eigenen Werken. Matthias Pintscher: Mit Maria Schneider erweitern wir das Spektrum allerdings sehr weit, da haben Sie recht. M&T: Ein kurzer Blick zurück: Die Akademie vor zwölf Jahren, bei ihrer Gründung, und jetzt – was ist der Unterschied? Wolfgang Rihm: Ich habe die Akademie immer als Bereicherung erfahren. Und so soll es auch bleiben. Auch was das schon genannte Repertoire betrifft. Das bleibt der Fonds hier. Wir fangen nicht neu an und sagen, wir revidieren jetzt die Moderne. Nein. Pierre Boulez hatte Recht, und es ist in unserem Sinne, dass es so weitergeht. M&T: Heisst das also, die Studenten bekommen von Ihnen nichts anderes, als was sie von Boulez auch schon bekommen haben? Wolfgang Rihm: Das kann ich nicht beantworten. Denn ich kannte Boulez nicht als Lehrer, sondern als uomo universale, der er war. Er war ja keiner, der im Unterricht eine explodierende Didaktik ausbreitete oder den Leuten irgendwelche Sachen austreiben wollte. Auch wenn man sich solche Geschichten über ihn erzählt. Das mag vielleicht für die Frühzeit gelten, als es noch um das Besetzen von Stühlen und Plätzen ging, von Deutungsmacht. Das stammt noch aus den 50er-Jahren. Matthias Pintscher: Was hier in Luzern geschieht, ist wirklich etwas anderes, als was andere Sommerakademien bieten, wie etwa Tanglewood oder SchleswigHolstein. Die Leute kommen für ein bestimmtes Repertoire und, wie ich das mittlerweile sehr stark spüre, auch für einen ganz bestimmten Spirit. Ich habe in den letzten Monaten mit jungen Mu-
sikern aus der ganzen Welt gesprochen, die das bestätigen. Boulez hat mit seinen Ansprüchen den Massstab sehr hoch gesetzt. Und das ist etwas, was die Akademisten sehr schätzen – für sich selber. M&T: Wollen Sie das etwas ausdeutschen? Was heisst «Spirit»? Wolfgang Rihm: Die Musiker der Akademie sollen die Moderne aus ihren Wurzeln heraus verstehen. Diese Wurzeln reichen weit und gehen irgendwann mal auch in das romantische Repertoire zurück, zum Beispiel zu einem Brahms, der am Festival sonst ja viel gespielt wird. Wenn hier Schönbergs Orchestervariationen gut interpretiert werden, dann kommt man automatisch auf das Finale seiner Vierten Sinfonie.
ennale des New York Philharmonic Orchestra mit dem Dirigenten Alan Gilbert. Ein ehemaliger Teilnehmer der Academy hier, der Cellist Jay Campbell, wurde für ein Projekt an diesem Festival angefragt. Er sagte Gilbert, er wolle mit seinen ehemaligen Kollegen aus Luzern arbeiten, weil er dabei die besten Erfahrungen gemacht hatte. So ähnlich entstehen mittlerweile überall auf der Erde aus diesem Kreis von Musikern solche Projekte. Darum, weil diese Musiker nun selbst in der Lage sind, gestalten zu können. Das Ensemble unterscheidet sich von dem Orchester der Lucerne Festival Academy insofern, als dass die Alumni-Musiker schon einen Schritt weiter sind. Und sie werden auch bezahlt.
«Uns geht es um die künstlerische Diskussion»
Matthias Pintscher
M&T: Matthias Pintscher, Ihr Wort zum von Ihnen beschworenen «Spirit»? Matthias Pintscher: Was uns in der Akademie verbindet, ist die Chance mit Pierre Boulez zusammengearbeitet zu haben. Seine Grosszügigkeit, die Neugierde, die er hatte, und dieser unglaubliche Anspruch an sich selbst, sich zu objektivieren, um der beste Anwalt der Partitur zu werden. Das versuchen wir zu vermitteln. Und es ist erstaunlich, wie die jungen Musiker denselben Anspruch haben.
M&T: Neuerungen und Aufbauen auf dem Gewachsenen. Ein letztes Statement von Ihnen noch zur Academy 2016? Wolfgang Rihm: Es möge zusammenwachsen, was zusammenkommt. Was will man sich noch wünschen?
M&T: Eine Neuerung dieses Jahr stellen die Alumni der Akademie dar, also ehemalige Teilnehmer. Was ist deren Funktion? Wolfgang Rihm: Die Komponisten sollen so die Möglichkeit bekommen, ihre eigenen Werke in Luzern auch aufzuführen. Wir stellen uns ein Ensemble vor, bestehend aus diesen Alumni, das den momentan benötigten Kräften entspricht und so diese Aufgaben wahrnehmen kann.
Mit ein paar Neuerungen wartet die Lucerne Festival Academy in Luzern 2016 auf. Nach dem Tod ihres Gründers Pierre Boulez vergangenen Januar übernimmt der Komponist Wolfgang Rihm die künstlerische Gesamtleitung der Akademie. Als «Principal Conductor» steht ihm der Dirigent und Komponist Matthias Pintscher zur Seite. Beide Verträge sind auf fünf Jahre angelegt. Mit einem neuen Kompositions-Seminar soll es ab 2016 eine Werkstätte geben, in der junge Komponisten ihre Werke mit jungen Musikern direkt erarbeiten können. Auf diese Weise erhält die Förderung von Komponisten einen zusätzlichen Schwerpunkt in der Akademie. Die Festival Academy ist seit ihrer Gründung vor zwölf Jahren ein internationaler Ausbildungscampus im Bereich der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Sie bietet Weiterbildung für rund 120 Instrumentalisten im Alter von 18 bis 32 Jahren und steht jungen Dirigenten und Komponisten offen.
Die beiden Herren scheinen nicht ganz auf dem neusten Wissensstand zu sein punkto Alumni. Dominik Deuber von der Festival Academy schaltet sich ein. Dominik Deuber: Das Alumni-Ensemble ist jetzt zum ersten Mal fest im Festival drin. Die Idee ist, dass dieses Ensemble mit den jungen Komponisten zusammenarbeitet. Gespielt hat es zum Beispiel schon in New York an der Bi-
Matthias Pintscher: Ja, jetzt machen wir mal, und dann kucken wir! ■
Lucerne Festival Academy 2016
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Das rhetorische Räderwerk einer Partitur ist ihm so wichtig wie das Klangbild – Kirill Petrenko.
Kirill Petrenko gibt mit dem Bayerischen Staatsorchester sein Debüt bei Lucerne Festival
Radikal auf die Musik fokussiert Kirill Petrenko legt die Messlatte hoch, wo er auftritt. Ob in Bayreuth oder in seiner Funktion als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München. Gespannt wartet man deshalb auf seinen Amtsantritt als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker 2019. Mit einem reinen Richard-Strauss-Programm gibt Petrenko mit dem Bayerischen Staatsorchester diesen Sommer sein Debüt bei Lucerne Festival. Christine Lemke-Matwey
bild: Lucerne festival/Wilfried Hösl
artists Es war einmal eine Zeit, in den Nullerjahren, da gab Kirill Petrenko noch Interviews. Das heisst, man sass mit ihm in seinem leicht unbehaust wirkenden Büro in der Komischen Oper Berlin und sprach über Mozart oder Richard Strauss, über das, was Felsenstein wollte und Opernregie darf und ähnliches mehr. Lange Sätze machte Petrenko schon damals nicht, und ausser dass seine Augen bisweilen blitzten, schien er wenig Spass daran zu haben, über Musik zu reden, ja
tig nach dem grossen Ruhm und dem noch grösseren Geld. Die Abende, an denen er in seinen bislang drei Jahren als GMD der Bayerischen Staatsoper gastieren war, kann man an zwei Händen abzählen. Der gebürtige Omsker braucht ein künstlerisches Zuhause. Und ist in allem, was er tut, treu. Das hat er auf seinem Weg an die Weltspitze gelernt, wenngleich er die legendäre Ochsentour durch die Provinz sozusagen in Siebenmeilenstiefeln absolvierte:
«Kirill Petrenko traut der Reibung des Ungefähren nicht» überhaupt als Person in die Öffentlichkeit zu treten. Daran dürfte sich wenig geändert haben, im Gegenteil. Umgekehrt reziprok zur Prominenz seiner Ämter gibt Petrenko heute keine Interviews mehr, weder als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper seit 2013 noch als designierter Chefdirigent der Berliner Philharmoniker ab 2019. Der gebürtige Sibirier und gelernte Vorarlberger scheint altmodischerweise radikal auf die Musik fokussiert zu sein. Die journalistische Arbeit macht das nicht leichter, aber durchaus interessant. Und auch das Publikum wird dazu angehalten, sich mit eigenen Augen und Ohren ein Bild zu machen und nicht alles in Interviews, Reportagen oder Porträts vorgekaut zu bekommen. Ob das Petrenkos geheime Absicht ist, seine Philosophie? Wahrscheinlich nicht einmal. Wahrscheinlich ist er einfach nur allergisch: gegen die enthemmten Mätzchen des Musikbetriebs, gegen jeden Personenkult. Er habe schlechte Erfahrungen gemacht, heisst es auf die Frage, warum er sich verweigere. Für die Orchester und Institutionen, denen er vorsteht und die sich ihrerseits auf dem Markt behaupten müssen, keine einfache Situation. Die Berliner Philharmoniker, die ihre zeitgemässe Identität nicht unwesentlich auf aussermusikalische Errungenschaften wie die Digital Concert Hall gründen oder auf ihre prestigeträchtigen Education-Projekte, werden sich um Kompensation bemühen müssen. Für Sponsorendinner ist der 44-Jährige ebensowenig zu haben wie für intime Bekenntnisse auf Facebook oder Twitter. Auch jettet Petrenko nicht, wie viele seiner Kollegen, von Pult zu Pult, süch-
Als 18-Jähriger zog er mit seinen Eltern nach Österreich, studierte in Feldkirch und Wien, ging mit 25 als Kapellmeister an die Wiener Volksoper und wurde zwei Jahre später Generalmusikdirektor in Meiningen, wo ihn Andreas Homoki für die Komische Oper entdeckte und 2002 nach Berlin holte. Da gastierte er längst auch international, an grossen Häusern, bei renommierten Orchestern. Alles in Massen, wie gesagt. Kirill Petrenko ist ein aussergewöhnlich konsequenter Musiker. In der Probenarbeit, so berichten Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters, könne er sich an einer Zugabe, einer Petitesse wie Rimski-Korsakows «Hummelflug» ebenso festfressen wie an den Hammerschlägen in Gustav Mahlers sechster Symphonie, der «Tragischen». Disziplin und Präzision als höchste Tugenden eines Orchesters gelten für ihn immer und überall. Genau dafür wird Petrenko freilich auch gefürchtet, ein ruhiges, bequemes Leben ist mit ihm musikalisch nicht zu haben. Das rhetorische Räderwerk einer Partitur ist ihm so wichtig wie das Klangbild, er liebt es, an beidem zu feilen, und zwar so lange, bis sich sein inneres und sein äusseres Ohr vollständig einig sind. Manche nennen ihn dafür einen Kontrollfreak und vermissen eine Art musikantisches Laisser faire, andere schwärmen geradezu von seiner Unnachgiebigkeit. Bestens studieren liess sich das Phänomen Petrenko bei den Bayreuther Festspielen, wo er von 2013 bis 2015 Wagners «Ring» dirigierte (in der Inszenierung von Frank Castorf): vorzüglich analytisch, ja fast sachlich. Vieles hatte man so überhaupt noch nie gehört, so
fein ausgehorcht und modelliert, als sei die Partitur ein Bergwerk mit tiefen Stollen und glitzernden Grotten – und Petrenko darin der Scout mit der Stirnlampe. Beim Einzug der Götter in Walhall am Ende des «Rheingolds» baut er ihnen eine der schönsten, impressionistischsten Regenbogenbrücken, die das Festspielhaus je gehört haben dürfte. Im Walkürenritt fliegen, rabiat kurz punktiert, höchstens die Hufe kleiner Antilopen durch die Luft (und nicht die klobiger Kaltblüter), und die grossen Zweierzwiste des Weltendramas spiesst er gern mit geifernden, ätzenden, spöttelnden Holzbläsern auf. Das mag nicht jedermanns Sache und Geschmack sein. Gerade die grossen Bekenntnisstellen der Tetralogie, Wotans Abschied und Feuerzauber in der «Walküre» oder der Trauermarsch in der «Götterdämmerung», blieben sicher etwas schuldig, boten mehr kluge Einsicht ins Musiktheatralische als dieses selbst oder gar genuines Herzflimmern. Aber das ist eben auch Petrenko, und man sieht es seinem Dirigierstil an, seiner exakten Gestik: Dass er wenig Unschärfen kennt, dass er der Reibung des Ungefähren nicht traut. Vielleicht ist das eine Frage des Alters, nicht zuletzt. Ins Kapitel «Treue» respektive «Konsequenz» hingegen gehört die Tatsache, dass er den Bayreuther «Ring» entgegen herrschender Gepflogenheiten nach nur drei Jahren wieder zurückgab. Wegen terminlicher Überschneidungen mit den Münchner Opernfestspielen – und weil sich die Atmosphäre auf dem Grünen Hügel nach dem Abgang von Eva Wagner-Pasquier als Festspielleiterin kaum in Petrenkos Sinn entwickelt haben dürfte. Bernd Alois Zimmermanns «Soldaten», Wagners «Meistersinger», demnächst Schostakowitschs «Lady Macbeth von Mzensk»: Petrenkos Opernrepertoire ist schillernd. Von seinem sinfonischen Repertoire kann man das nicht behaupten, da fehlen schlicht noch Masse und Erfahrung. Bis er bei den Berliner Philharmonikern anfängt, seinem ersten reinen Konzertorchester, bleibt ihm so gesehen nicht viel Zeit. Die Musikwelt wird die Ohren spitzen, wenn Kirill Petrenko im September mit dem Bayerischen Staatsorchester auf Europatournee geht und etwa – wie bei seinem Debüt in Luzern – Richard Strauss’ «Vier letzte Lieder» und seine «Sinfonie domestica» im Gepäck führt. ■ 07.9.2016, KKL Luzern, 19.30 Uhr Bayerisches Staatsorchester, Kirill Petrenko (Leitung) Diana Damrau (Sopran) Werke von Wagner und Richard Strauss
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Neue Konzertreihe Zürich Abonnementskonzerte 2016/17 Tonhalle Zürich, Grosser Saal, 19.30 Uhr
Freitag, 11. November 2016 Kammerorchester Basel Alison Balsom, Trompete Samstag, 26. November 2016 Arcadi Volodos, Klavier Sonntag, 4. Dezember 2016 RIAS Kammerchor Freiburger Barockorchester René Jacobs, Leitung Montag, 12. Dezember 2016 Cecilia Bartoli, Mezzosopran Ensemble Les Musiciens du Prince Sonntag, 18. Dezember 2016 Windsbacher Knabenchor Kammerorchester Basel Martin Lehmann, Leitung Samstag, 4. Februar 2017 Cappella Andrea Barca Sir András Schiff, Leitung & Klavier Sonntag, 26. Februar 2017 Grigory Sokolov, Klavier Sonntag, 26. März 2017 Freiburger Barockorchester Pablo Heras-Casado, Leitung Isabelle Faust, Violine Montag, 1. Mai 2017 Kammerorchester Basel Julia Lezhneva, Sopran Sonntag, 21. Mai 2017 Schwedisches Radio-Sinfonieorchester Daniel Harding, Leitung Sol Gabetta, Violoncello Montag, 12. Juni 2017 Sir András Schiff, Klavier Detailprogramm: Hochuli Konzert AG, Postfach 41, 9056 Gais Telefon 071 791 07 70, Fax 071 791 07 72, info@hochuli-konzert.ch www.hochuli-konzert.ch
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bild: Warner/Simon fowler
«…wirklich eine besondere Dimension» Diana Damrau singt erstmals die «Vier letzten Lieder» von Richard Strauss in der Orchesterfassung. Bevor im Herbst mit der Gräfin Almaviva an der Scala in Mailand ein weiteres wichtiges Debüt ansteht.
M&T: Sie gehen mit den «Vier letzten Liedern» von Richard Strauss mit dem Bayerischen Staatsorchester unter Kiril Petrenko auf Reisen. Diese Tournee führt Sie auch nach Luzern. Haben Sie eine besondere Verbindung zu diesem Werk, zu diesen Liedern? Diana Damrau: Ich habe gerade zu diesen Liedern schon eine besondere Beziehung. Seit meiner frühesten Studienzeit waren das Stücke, die mich faszinierten. Meine zweite Lehrerin Hanna Ludwig hat mir die Aufnahme mit Elisabeth Schwarzkopf gegeben. Ich war in den Bergen bei Salzburg, lag im Gras und hörte mir diese Aufnahme an – das war wirklich ein prägendes Erlebnis. Natürlich habe ich mich lange nicht getraut diese Stücke anzufassen. Ich denke, es braucht dafür nicht nur eine Stimme, die sich vom Koloratursopran etwas in eine lyrische Richtung entwickelt. Man muss dafür – vom ganzen emotionalen und spirituellen Gehalt – auch bereit sein, wie etwa für eine Violetta in «La traviata». Ich fühlte damals, dass ich noch wachsen musste. Jetzt hat sich diese Möglichkeit ergeben. Natürlich stellt sich bei jeder Aufführung dieser Lieder mit Orchester auch die Frage nach dem Dirigenten. Gefragt ist ein Musiker, der die Stimmen kennt und der mit dem Orchester einen Klangteppich hinzuzaubern vermag, dass die Stimme dennoch gut durchkommt und all das machen kann, was in den Noten steht. Ich bin ganz, ganz glücklich, dass das mit dem Bayerischen Staatsorchester München und Kirill Petrenko geschieht. M&T: Singen Sie die Lieder zum ersten Mal? Diana Damrau: Ja , das wird mein Debüt. Mit Klavier habe ich sie schon öfter gesungen, noch nie jedoch mit Orchesterbegleitung. Darauf freue ich mich ganz besonders.
M&T: Strauss’ «Vier letzte Lieder» klingen überwiegend schwebend und leicht, sind sie auch so zu singen? Diana Damrau: (Lachend) In Gedanken schon, aber der Orchestersatz ist doch relativ dick. Zudem liegt das erste Lied sehr hoch, da kommt man nicht weit mit Pianissimo und Koloratursopranklang. Alle diese Stücke brauchen einen erfüllten, schimmernden lyrischen Klang… M&T: …vergleichbar mit den früheren Orchesterliedern von Strauss, die Sie ja regelmässig singen und auch eingespielt haben? Diana Damrau: Es kommt darauf an, Strauss hat auch dramatischere Lieder geschrieben. Allerdings merkt man den Stücken die lange Lebenserfahrung, eine gewisse Abgeklärtheit an. Ihr Thema, «Tod und Abschied», zu erfassen und klanglich einzuhüllen, erfordert Reife. So gesehen haben diese Lieder wirklich eine besondere Dimension. M&T: Die Lyrik von Eichendorff und Hesse war der Ausgangspunkt für diese Komposition. Hat Strauss seine eigene Abenddämmerung darin vertont? Diana Damrau: Das mag sein und wird oft so gesagt. Aber es gibt ja noch ein allerletztes Lied, was posthum herausgegeben wurde, die «Malven». Doch ich denke schon, dass ihn das Thema Lebensabend ziemlich beschäftigt hat – und ihn dazu inspirierte, diese Gedanken meisterhaft zu Papier zu bringen. M&T: Was macht die Orchesterlieder von Richard Strauss attraktiv für Sänger? Seine Meisterschaft im Orchestrieren oder die reiche Erfahrung des Opernkomponisten? Diana Damrau: Ich denke, es ist beides. Er war ein Liebhaber der Sopranstimme, und für den Sopran ist sein ganzes Liedschaffen ein Schlaraffenland. Das gilt natürlich auch für seine Opern. Strauss hat es wie kaum ein anderer verstanden, für diese Stimmlage mit ihren vielen Möglichkeiten in der Höhe zu zaubern, gleichzeitig in tieferen Lagen lyrisch und dramatisch zu werden. Der Liedkomponist Strauss verleugnet dabei nie
den Opernkomponisten. Manche Lieder sind wie kleine Arien geschrieben, die eine ausgebildete Opernstimme verlangen, um ihnen gerecht zu werden. Nicht zufällig hat er die meisten seiner Lieder für seine Frau Pauline geschrieben. (Lachend) Da hatte er sein Modell, für das er viele passende Kleider schneiderte… M&T: Das Festivalthema in Luzern diesen Sommer ist «PrimaDonna» – in zwei Wörtern geschrieben. Was verbinden Sie mit dem Begriff? Diana Damrau: «PrimaDonna» – das sind Frauen, die in ihrem Beruf brillieren und es schaffen, ihr Leben selbst zu gestalten. Natürlich denkt man dann sehr schnell an Primadonnen im Sinne der ersten Sängerinnen der Opernhäuser. Von daher kommt ja der Begriff. M&T: Wie stehen Sie selber zu dieser Bezeichnung. Mögen Sie es, wenn man Sie so bezeichnet? Diana Damrau: Es gehört einfach zum Opernjargon dazu. Und wie soll man jene Sängerinnen, welche die Titel- und Hauptrollen verkörpern anders bezeichnen? (Lachend) Ich denke, «Primadonna» ist weniger negativ besetzt als «Diva»! Denn als Göttin bezeichnet man sich selbst eigentlich nicht… M&T: Die Frage bleibt, wie belastend solche Begriffe für eine Sängerin, für eine Künstlerin werden können? Diana Damrau: Wissen Sie, Begriffe sind das eine – und letztlich sind sie egal. Wir müssen uns jeden Abend auf der Bühne neu beweisen. Es geht immer weiter, es hilft einem nichts. Man muss weiter machen – und jeden Abend sein Bestes geben, Das wollen wir ja auch, deshalb haben wir uns diesem Beruf verschrieben. Würde man leidenschaftslos abliefern, wird es rasch zu anstrengend. Dann muss man schnell aufhören und sich andersrum orientieren. Aber wir wollen ja die Musik als unser kulturelles Erbe weiter tragen und vor allem die Seelen der Menschen berühren. (Lachend) Und das geht nur mit vollem Einsatz! ■ Interview: Andrea Meuli
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Simone Rubino ist der Preisträger des «Credit Suisse Young Artist Award» 2016
Kontrollierte Überraschung Schlagzeug ist ein ungemein (klang)-vielfältiges Instrument. Und es hat in den letzten Jahrzehnten einen enormen Boom erlebt. Einer der jüngsten Aufsteiger ist der italienische Schlagzeuger Simone Rubino. Ausgezeichnet mit dem diesjährigen «Credit Suisse Young Artist Award», tritt er am 9. September mit den Wiener Philharmonikern unter Tugan Sokhiev auf. Tan Duns Konzert «The Tears of Nature» steht auf dem Programm. Andrea Meuli (Text) & Priska Ketterer (Bild)
artists Klarinettistin ist, habe ich damit begonnen, doch bald einmal gemerkt, dass dies nicht mein Instrument ist und bin auf Schlagzeug umgestiegen. Dass habe ich dann seriös zu studieren begonnen… M&T: Wie alt waren Sie da? Simone Rubino: Acht Jahre, und mit elf kam ich ins Konservatorium. M&T: Das ist enorm früh… Simone Rubino: (Lachend) … ja! M&T: Immerhin scheinen Sie früh erkannt zu haben, dass dieses vielseitige Instrumentarium Ihre künstlerische Fantasie am meisten anregte. Simone Rubino: Schon, doch ich habe damals zunächst nur mit Drumset begonnen – kleine Trommel, ein bisschen Pauken. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was alles zum Schlagzeug gehört. Deswegen lernte ich die Hauptinstrumente wie Marimbafon und Vibrafon erst im Konservatorium kennen. Doch entwickelte ich sofort eine besondere Beziehung zu diesen Instrumenten. Mein Feuer war gross, und bereits nach zwei Jahren spielte ich meine ersten Konzerte auf dem Marimbafon. Es ging alles sehr einfach für mich. Und meine frühe Liebe zu diesen Instrumenten ist bis heute nicht abgekühlt. Vibrafon und Marimbafon stehen für die melodische Seite des Schlagzeugs.
Simone Rubino: «Vibrafon und Marimbafon stehen für die melodische Seite des Schlagzeugs.»
M&T: Wie wird man Perkussionist? Gibt es ein besonderes Gen dafür, wird man sozusagen dazu geboren? Simone Rubino: So war es bei mir! Als kleiner Junge hörte ich sehr gerne bei Musik zu, gleichzeitig hatte ich immer diesen Rhythmus im Körper. Und ich suchte stets nach Klängen. So interessierte mich immer, wie ein Glas klingt, wenn man es anschlägt, wie eine Flasche oder ein Tisch. Deshalb denke ich, dass es das vielleicht tatsächlich gibt. M&T: Beginnt man trotzdem mit einem konventionellen Instrument? Simone Rubino: Schon. Ich habe es zuerst mit der Klarinette versucht, doch klappte das nicht. Da meine Mutter
M&T: Welche Bedeutung haben Melodie oder melodische Linien für das Schlagwerk? Simone Rubino: Eine viel grössere als man gemeinhin denkt! Man kann auch nur mit dem Schlagzeug weinen – dazu braucht man nicht unbedingt ein Orchester oder ein Geiger zu sein. Es kommt sehr auf den einzelnen Musiker darauf an, es gibt so viele Ausdrucksmöglichkeiten. M&T: Ist es bloss ein Klischee, wonach das ganze Schlaginstrumentarium wenig melodische Entfaltungsmöglichkeiten bietet? Simone Rubino: … oder man kennt sie vielleicht bloss nicht. Ich finde, das Schlagzeug funktioniert wie ein kleines Orchester: Man erzeugt einmal den Rhythmus durch die kleine und grosse Trommel sowie durch die Pauken. Dazu kommen die ganzen Varianten an melodischen Möglichkeiten – Marimbafon, Vibrafon, Glockenspiele, Xylofon. Ergänzt werden sie durch beinahe unbegrenzte Möglichkeiten, mit Klängen zu spielen – sei es mit Flaschen bis hin zu Autobremsen. Meine Solorecitals beginne ich immer mit der kleinen Trommel. Damit lassen sich bereits so viele Klänge erzeugen, wie man das von der Verwen-
dung des Instruments im Orchester her – zum Beispiel in einer Mahlersinfonie – nie erwarten würde. Deswegen gehe ich davon aus, mit den melodischen Instrumenten fahre ich fort und komme schliesslich zu jenem erweiterten Ausdrucksspektrum, bei dem man auch ohne Instrumente spielen darf. Das kann ein Stück für Playback und Tape sein. Dabei spielt man kein Instrument, sondern reproduziert mit Bewegungen, was von der Anlage kommt. Das fasziniert mich, denn Bewegung hat für die Musik eine besondere Bedeutung. Oder ich verwende in einem andern Stück nur Metallinstrumente, Aluminiumplatten oder eine Traktorbremse – die klingt fantastisch! Sie erzeugt einen ganz besonderen Klang, der eigentlich auch wieder melodisch ist. (Lachend) Man kann die verrücktesten Dinge machen – und das klingt dann ziemlich cool. M&T: Da befinden wir uns dann in einem Grenzbereich zur Performance und gleichzeitig mitten drin in der Fragestellung, wo der Interpret zum gleichberechtigten schöpferischen Partner des Komponisten wird. Simone Rubino: Auf jeden Fall. Das ist wichtig, und deshalb gibt uns der Komponist auch diese Freiheiten. Um zu zeigen, dass der Schlagzeuger tatsächlich nicht nur laut und eintönig die Drums spielt wie in einer Rockband. M&T: Wie müssen wir uns die Notation solcher Stücke vorstellen? Wird vieles offen gelassen? Simone Rubino: Eigentlich nicht. Es gibt Komponisten, die ihre Ideen sehr avantgardistisch und abstrakt aufschreiben, bei anderen jedoch ist alles sehr klar, da sehen die Noten wie eine Klavierpartitur aus. M&T: Sie wechselten früh nach München. Was zog Sie gerade nach München? Simone Rubino: Das war wegen meinem Professor Peter Sadlo. Er hatte in den achtziger Jahren als einer der ersten eine Karriere als Solo-Schlagzeuger gemacht und gehört noch heute zu den bekanntesten auf diesem Instrument. Wir hatten uns zuerst in Turin kennen gelernt und zusammen gespielt. Mit achtzehn bin ich dann nach München gezogen und habe bei ihm studiert. M&T: Es gibt einige international bekannte Schlazeuger wie Martin Grubinger, Peter Sadlo oder Evelyn Glennie. Gibt es auch ganz verschiedene Schulen für junge Perkussionisten, wie dies auf anderen Instrumenten der Fall ist? Simone Rubino: Die gibt es mehr und mehr. München war am Anfang am grössten und am wichtigsten, weil viele Schlagzeuger dort studierten. Heute
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60 JAHRE FESTIVAL STRINGS LUCERNE
festkonzert zum Jubiläum
Wolfgang Schneiderhan und Rudolf Baumgartner gründeten mit einem Konzert bei LUCERNE FESTIVAL am 26. August 1956 die «Festival Strings Lucerne». Die Stradivari, auf der Schneiderhan im Gründungskonzert J. S. Bachs E-Dur-Violinkonzert spielte, befindet sich heute in den Händen Julian Rachlins.
so 16.10.2016 | 18.30 uHr | kkL Luzern, konzertsaaL | konzert reiHe Luzern JuLian raCHLin
DanieL DoDDs
FestiVaL strings LuCerne
Violine
konzertmeister
künstlerische leitung: daniel dodds
JoseF suk Meditation über den Choral «St. Wenzel» op. 35 a JoHann sebastian baCH Violinkonzert Nr. 2 E-Dur BWV 1042 Franz Liszt/sergei Dreznin Konzert-Fantasie für Violine und Streichorchester WoLFgang amaDé mozart Sinfonie Nr. 38 D-Dur KV 504 «Prager Sinfonie» Julian Rachlin mit der Ex-Schneiderhan (Ex-Liebig)Stradivari von 1704
Daniel Dodds mit der Ex-Baumgartner (Ex-Hämmerle)Stradivari von 1717
Eine Veranstaltung der Festival Strings Lucerne www.festivalstringslucerne.org Vorverkauf (CHF 105/85/65/45/25): KKL Luzern, 041 226 77 77, www.kkl-luzern.ch LZ Corner | Manor | Hotelplan | SBB-Vorverkaufsstellen | Starticket CallCenter: 0900 325 325 (CHF 1.19/Min. ab Festnetz), www.starticket.ch Fotos: Archiv der Stiftung Festival Strings Lucerne (2); Julia Wesely; Dorothee Falke
artists M&T: Macht es einen Unterschied ob ein Perkussionist Links- oder Rechtshänder ist? Simone Rubino: (Lacht) Ich glaube, beim Drumset macht es keinen Unterschied…
spielen Hochschulen in der Schweiz – Zürich, Genf – oder das Mozarteum in Salzburg eine ebenso wichtige Rolle.
Simone Rubino: (Denkt nach) Nein, ich weiss genau, wo, wie und warum ich etwas will.
M&T: Cellisten haben logistische Probleme zu lösen, wenn sie mit ihrem Instrument reisen. Bei einem Schlagzeuger dürfte das noch weit schwieriger sein… Reisen Sie mit einem Truck herum? Oder wie macht man das? Simone Rubino: Für Reisen in Europa mietet man meistens einen Transporter, um das ganze Instrumentarium mitzuführen. Darin hat alles Platz – und mit der Hilfe von Sponsoren geht das. Aber wenn eine Konzertreise in die USA, nach Russland, China oder Japan führt, ist es natürlich aufwendiger. Die Bedeutung von Sponsoren ist dann noch höher, damit das ebenfalls möglich wird. Wird man jedoch von einem Orchester eingeladen, sind die verschiedenen Schlaginstrumente dort meist vorhanden. Es ist nicht sehr kompliziert, man muss einfach gut organisiert sein.
M&T: Alles vorgesteuert? Wo bleibt da ein spontanes Musizieren? Simone Rubino: Konzeptuell habe ich alles vorher angelegt, aber natürlich spielt Spontaneität dennoch eine wichtige Rolle. Unmittelbar auf musikalische Situationen zu reagieren, vor allem auf der Bühne, ist eine grosse Herusforderung.
M&T: Und am Zoll bleibt man nicht hängen? Simone Rubino: (Lachend) Nein, eigentlich nicht. Aber es ist tatsächlich schon geschehen, einem Lehrer aus München, Adel Shalaby, der einmal mit drei Marimbafonen nach Ägypten einreisen wollte.
«Man kann auch nur mit dem Schlagzeug weinen»
M&T: Wie üben Sie unterwegs? Simone Rubino: Das ist schwer. Eigentlich übe ich dann ausschliesslich mental. M&T: Kann man das? Simone Rubino: Ja klar. Genauso wie Klavier. Rubinstein hat einmal gesagt, er hätte immer nur drei Stunden geübt, weil danach Körper und Geist nicht mehr zusammenzubringen seien. Das macht dann keinen Sinn mehr. Im Kopf konzentriert und agil zu sein ist wichtiger, als sich nur auf Muskulatur und Koordination zu beschränken. Fehler macht man, weil im Kopf etwas falsch läuft. M&T: Sie betrachten demnach die mentale Ebene im Vergleich zur technisch-mechanischen Seite Ihres Berufs als die grössere Herausforderung? Simone Rubino: Klar, wie beim Dirigenten! M&T: Kann man das vergleichen? Der Dirigent erzeugt selber ja keinen Klang. Simone Rubino: Ja, aber wenn jemand seine genauen Klangvorstellungen im Kopf hat, bringt ihn dies weiter, als tausend Stunden zu üben. M&T: Gibt es Momente, in denen der Klang nicht so realisiert wird wie der Kopf es möchte?
M&T: Sie überraschen sich selber – oder lassen sich überraschen? Simone Rubino: Das ist auch sehr wichtig! Aber man muss darauf achten, dass es eine kontrollierte Überraschung ist.
M&T: Wenn das Instrumentarium von Ort zu Ort wechselt, müssen Sie sich da immer neu darauf einstellen? Gibt es beispielsweise klanglich ganz verschiedene Arten von Vibrafon oder Marimbafon? Simone Rubino: Das ist wie beim Klavier. Es gibt verschiedene Firmen, die Instrumente und Schlagzeuge herstellen, und bei allen haben Vibrafon oder Marimbafon einen andern Klang. Das zwingt einen jeweils zu reagieren. Ich spiele seit zehn Jahren mein Instrument, und ich weiss ganz genau wie es reagiert. Aber ich kann nicht wissen, wie ein anderes, mir fremdes Instrument auf meine Klangvorstellungen reagiert. M&T: Haben Sie schon Enttäuschungen erlebt, oder lassen sich die im Vorfeld abbiegen? Simone Rubino: Beides ist möglich. So wie ein Pianist sich normalerweise in jedem neuen Saal auf ein neues Instrument einzulassen hat, müssen wir Schlagzeuger das auch. Das zwingt einen auch, flexibel zu sein. Man muss sehr sensibel sein – Schlagzeug ist weder immer laut, noch bedeutet es immer nur unmittelbare Umsetzung von Energie. Differenzierte Klangvorstellungen sind genauso wichtig. Für mich auf jeden Fall.
M&T: …und beim Marimbafon gibt es wohl keine spiegelverkehrt gebauten Instrumente. Simone Rubino: Nein, das geht nicht. M&T: Repertoiremässig sind Sie – zumindest was Originalliteratur betrifft – auf neuere bis zeitgenössische Musik fixiert. Erleben Sie das als eine Einschränkung? Simone Rubino: Auf jeden Fall. Als Schlagzeuger muss man die ganze Literatur kennen, von John Cage über Jannis Xenakis bis zu Stockhausen. Aber es gibt natürlich auch jene Wer-
ke, die in enger Zusammenarbeit eines Komponisten mit einem bestimmten Schlagzeuger entstehen. Denn unsere Technik entwickelt sich mit jedem Tag. Es ist nicht wie bei einem Geiger, dass die Technik mit einem Virtuosen wie Paganini sozusagen definiert und danach kanonmässig weiter vermittelt wurde. Deswegen ist diese schöpferische Beziehung zwischen Komponist und Instrumentalist im Fall des Schlagzeugs noch wichtiger. M&T: Pflegen Sie solche Kooperationen mit Komponisten? Simone Rubino: Schon, und es ist mein Ziel, solche Beziehungen immer mehr aufzubauen. Aber ich glaube, ein Tschaikowskykonzert für Schlagzeug gibt es noch nicht. Das haben wir bisher nicht bekommen. Aber es wird kommen. M&T: Wie steht es bei Ihnen um das Komponieren? Simone Rubino: Da würde ich eher von Improvisieren sprechen. Natürlich gibt es Schlagzeuger, die auch als Komponisten auftreten – aber sie bleiben trotzdem Schlagzeuger (lacht). ■
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thema Wenn Musiker sich in Performer verwandeln – «Divamania» bei Lucerne Festival Young Performance
Posing und Vergänglichkeit Im Rampenlicht stehen und bewundert werden: Die Produktion «Divamania» von Lucerne Festival Young Performance beschäftigt sich auf eine eigene und erfrischende Art mit dem Festivalthema «PrimaDonna». Pirmin Bossart (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
thema «The ass was really good now. Concentrate on your ass!» ruft der Choreograf. Die Musikerinnen haben ihre Instrumente beiseite gelegt und sind jetzt voll mit ihrem Körper beschäftigt. Sie stehen verteilt auf der Bühne und bewegen ihre Hüften zu einem funky Rhythmus von Kontrabass und Marimba. Im Nu wechseln die Bilder. Jetzt spielen die Musiker wieder ihre Instrumente und bewegen sich mit ihnen. Irgendwann schreiten alle über eine kleine Treppe, halten für einen Moment inne, werfen die Hände hoch, recken ihre Brust und senden ein Lächeln. Bald kommt eine Party in Gang! «Ich habe das noch nie gemacht vorher. Eigentlich bin ich Musikerin. Hier muss ich mich viel bewegen und auch tanzen. Aber es macht total Spass»,
grinst Kathryn Schulmeister während einer Pause. Die junge Amerikanerin spielt Kontrabass und ist Mitglied im Hawaii Symphony Orchestra. In den letzten drei Jahren wirkte sie im Orchester der Lucerne Festival Academy mit. Auch ihre fünf Kollegen und Kolleginnen, die jetzt in diesem Stück nicht nur Musik spielen, sondern auch tanzen und performen, waren schon in der Academy dabei. Eine Tänzerin und ein Tänzer vervollständigen das diesjährige Ensemble von Lucerne Festival Young Performance. Das Konzertformat Lucerne Festival Young Performance ist vor drei Jahren auf Initiative des LF-Dramaturgen Johannes Fuchs entstanden. «Es geht darum, das Musikmachen auch als theatralisches Ereignis zu verstehen und die Musikerinnen und Musiker stärker als
Menschen und Persönlichkeiten spürbar zu machen.» Also werden die Musiker mit Künstlern aus den Sparten Tanz, Theater und Performance zusammengebracht, um gemeinsam herkömmliche Grenzen zu überwinden und ein Stück zu kreieren. «Für Musiker ist das sehr ungewohnt. Normalerweise bekommen sie fertige Partituren. Hier können sie sich auch nicht hinter ihren Instrumenten verstecken.» Für Fuchs ist wichtig, dass in Projekten von Young Performance die Musik die treibende Kraft bleibt. Es gehe nicht darum, zur Musik zu tanzen oder sonst etwas zur Musik zu machen. «Vielmehr wollen wir einen Kontext kreieren, der in der Musik immer schon angelegt ist, aber mit unseren Ideen neu aktiviert werden kann.»
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luzernertheater.ch 041 228 14 14
Ab 9.9.
09.09. Prometeo
03.03. No Future Forever 03.04. Marienvesper
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Eine Tragödie des Hörens von Luigi Nono
Musikalische Leitung: Clemens Heil Szenische Einrichtung: Benedikt von Peter Bühne: Natascha von Steiger
Musiktheater von Luzerner Jugendlichen
Inszenierung: Marco Štorman, Text: Jakob Nolte Komposition und Musikalische Leitung: Silvan Koch Bühne und Video: Demian Wohler Kostüme: Silvana Arnold
Eine Liturgie von Claudio Monteverdi
Musikalische Leitung: Olof Boman Inszenierung und Choreographie: Sebastian Matthias Bühne und Kostüme: Kostas Murkudis
In Kooperation mit dem Lucerne Festival
thema Nach «Heroica» (2014) und «Fensadense» (2015) steht dieses Jahr das Projekt ««Divamania»» auf dem Programm der Young Performance. Fuchs beauftragte den Choreografen Massimo Gerardi, die Musiker und Tänzer zu rekrutieren und mit dem Ensemble ein Stück zu erarbeiten, das sich am Festivalthema Primadonna orientiert. Als Fan von Andy Warhol sei ihm zu diesem Thema schnell dessen bekannter Ausspruch in den Sinn gekommen, dass in Zukunft jeder für 15 Minuten weltberühmt sein würde, sagt der Choreograf. Dieses Zitat setzte die Grundstruktur des Stücks. Gerardi dachte sich vier Teile von maximal 15 Minuten aus und arbeitete zusammen mit den Musikern und Tänzern an verschiedenen Szenen, in denen die Sehnsucht nach Anerkennung im Mittelpunkt steht.
soll, war während der Probenzeit noch nicht ganz klar. «Wir möchten den Kindern und Jugendlichen eine Art Auflösung oder Botschaft anbieten, aber nicht pädagogisch sein», sagt Fuchs. «Bei allen Nachteilen, wie sie in der heutigen Exzessivität aufscheinen können, hat das sich nach vorne Stellen und sein Ding machen ja auch etwas Positives.» Gerardi, der als Dozent, Trainer und Choreograf vor allem in Deutschland arbeitet, liess rund 60 Musikerinnen und Musiker zum Casting antreten. «Ich habe mit ihnen eine kurze Bewegungsabfolge einstudiert, die sie zunächst ohne und dann mit ihrem Instrument vorführen mussten. Die Musiker wussten alle, auf was sich einlassen. Nicht alle eignen sich für dieses spartenübergreifende Projekt. Ich habe neben ihrem Talent, sich zu bewegen, vor allem auf eine
«Es geht darum, das Musik machen auch als theatralisches Ereignis zu verstehen»
Johannes Fuchs
«Heute muss alles schneller, höher, weiter, besser sein», sagt Gerardi. «Es ist ein dauernder Wettbewerb im Gang. Diese Situation, und wie wir damit umgehen, wird in den vier Teilen mit unterschiedlichen Schwerpunkten zum Ausdruck gebracht.» So wird neben dem üblichen Posing und dem miteinander Konkurrenzieren, den virtuosen und den spielerischen Momenten auch die dunkle Seite des Traums vom Berühmtsein aufgezeigt: Jede Schönheit ist vergänglich, jede Diva, die sich im Erfolg sonnt, wird einmal alt und kann nicht mehr mithalten. In diesem Teil verändern sich die Kostüme plötzlich zu Skeletten und wird die Musik barockbesinnlich. Die Musikauswahl (Bach, Andriessen, Ravel, Xenakis) wurde vom Ensemble gemeinsam getroffen. Die Arrangements stammen von Keno Hankel, der auch selber eine Komposition beiträgt. In anderen Teilen des Stücks wird auf sanft ironische Weise das Wettbewerbsverhalten dargestellt und das sich Darstellen und mit sich beschäftigt Sein vorgeführt. Es wird gefeiert und virtuos-solistisch auf den Instrumenten gespielt, bis sich die Protagonisten am Ende doch so etwas wie zusammenraufen und gemeinsam etwas erarbeiten. Wie das genau bewerkstelligt werden
gute Präsenz geachtet.» Gerardi trainierte die Musiker jeden Morgen in Bewegung, «damit sie ein bisschen ein Körperbewusstsein bekommen». Während der mehrwöchigen Probenzeit hat er die Protagonisten stark in die Entwicklung des Stücks mit einbezogen. «Ich möchte, dass sie nicht nur Musiker oder Tänzer, sondern Akteure und Performer sind. So wird das Stück persönlicher. Einige Szenen haben inzwischen schon einen andern Verlauf genommen, als ich sie geplant habe.» Die Tänzerin Malwina Stepien und der Tänzer Martin Angiuli, die auch privat ein Paar sind, wurden von Gerardi für das Ensemble direkt angefragt. Ist dieses Projekt, in dem sich auch die Musiker bewegen müssen, für einen professionellen Tänzer nicht eine kleine Unterforderung? «Auf keinen Fall», sagt Angiuli. «Ich habe schon in vielen klassischen Opern mitgewirkt, aber so direkt mit Musik involviert bin ich noch nie gewesen. Hier müssen wir zusammen eine gemeinsame Sprache finden. Ich lerne vor allem rhythmisch sehr viel, und auch meine Ohren werden aufmerksamer für den Sound», sagt der Tänzer. Kathryn Schulmeister ist wieder zu ihrem Kontrabass zurückgekehrt. Sie hat Freude an diesem spartenübergreifenden Stück. «Ich habe in einigen
avantgardistischen Projekten mitgemacht, aber diese Art von dynamischer Performance ist neu für mich.» Dass zwei Tänzer dabei sind, findet sie super. «Sie helfen uns und schrauben für uns als Performer den Level höher.» ■ ««Divamania»», 10.09.2016, KKL Luzern, Luzerner Saal, 11.00 und 15.00 Uhr Lucerne Festival Young Performance, ab neun Jahren
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«Die Idee begeistert mich» Hubert Achermann über Festivalfreunde in aller Welt sowie über die Herausforderung Salle Modulable bild: Priska Ketterer
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Hubert Achermann: «Wir machen heute bewusst mehr für die Luzerner.» Kaum einer ist mit dem Lucerne Festival enger verbunden: Hubert Achermann präsidiert die Stiftung des Festivals ebenso wie jene der Vereinigung der Freunde, welche heuer ihr 50-Jahr-Jubiläum feiern kann. Und er steht auch der Stiftung Salle Modulable vor, welche das visionäre Projekt entschlossen vorantreibt. Gleich mehrere Themen für ein Gespräch. M&T: Das Lucerne Festival ist als Stiftung aufgestellt. Bedeutet das in der heutigen kulturpolitischen Situation einen Vor- oder Nachteil? Hubert Achermann: Ich bin eindeutig der Meinung, dass es ein Vorteil ist, weil damit Kontinuität und Stabilität gesichert werden. Wir müssen keine Eigentümer wie etwa Aktionäre zufriedenstellen, zudem ist die Unternehmensführung einfach, und es gibt eine Aufsicht. Auch das sehe ich eher als Vorteil, weil damit die vorgegebenen Linien beibehalten werden können. Ich halte die Stiftung nach wie vor für die beste rechtliche Form für eine Organisation wie dieses Festival. M&T: Sponsoren zu gewinnen oder zu pflegen erweist sich zunehmend aufwendiger. Inwieweit ist die Stiftung, und sind damit auch Sie als Präsident, in die Beschaffung finanzieller Mittel einbezogen?
Achermann: Der Stiftungsrat ist nicht unmittelbar operativ tätig, diese Ebene hat Michael Haefliger als Intendant zu verantworten. Dem Stiftungsrat fällt sozusagen die Oberaufsicht zu. Dennoch ist es letztlich ein Gemeinschaftswerk. Der Grossteil der Arbeit liegt natürlich beim Intendanten, auch und vor allem wenn es um die Sponsorenkontakte geht. Und dass er das hervorragend versteht, hat Michael Haefliger ja längst und nachhaltig bewiesen. Ich selber komme dann hinzu, wenn sich irgendwo besondere Herausforderungen abzeichnen, oder wenn es um neue Sponsoren geht. Dank meinem weiten soliden Netzwerk ergeben sich manche Kontakte, durch die ich Türen öffnen kann. M&T: Wie sieht es bei den Mäzenen und Freunden des Festivals aus? Achermann: Da sind die Aufgaben etwas anders verteilt, aber letztlich bleibt es eine gemeinsame Aufgabe, bei der wir sorgsam abwägen, wer wo Kontakte nutzen kann und wo es Sinn machen könnte, zu zweit aufzutreten. In der Person der Geschäftsführerin der Freunde Stiftung, Valentina Rota, habe ich eine wertvolle zusätzliche Kraft erhalten, wenn es um die Pflege und Gewinnung neuer Freunde und Mäzene geht.
M&T: Eine so definierte, offene Struktur verlangt viel Vertrauen nach allen Seiten hin. Achermann: Das ist so. Wir könnten nie mit einer solchen Freiheit für den Intendanten funktionieren, wenn nicht so viel Vertrauen vorhanden wäre. Das ist einer der Vorzüge, wie unser Festival organisiert ist: Der Intendant kann einen unglaublichen Freiraum nutzen: in die Programmgestaltung oder die Auswahl der Künstler soll und wird sich der Präsident nicht einmischen. Dies strikt zu trennen ist mir wichtig. M&T: Ist darin auch das künstlerische Risiko oder sich einmal wirtschaftlich zu verrennen mitbedacht? Achermann: Auf jeden Fall. Man muss in Kauf nehmen, dass ein Projekt auch einmal schieflaufen kann. Erfolg lässt sich nie hundertprozentig programmieren. Glücklicherweise lagen wir jedoch mit den bisherigen Ideen nur sehr selten falsch. M&T: Ist es schwieriger geworden, die notwendigen Mittel für ein Festival von der Dimension des Lucerne Festival zu beschaffen? Achermann: Ich glaube, es war immer schwierig. Wir erhalten heute zahlenmässig mehr an Unterstützung durch die öffentliche Hand, dafür zahlen wir die volle Billettsteuer. Am Ende liefern
thema wir mehr an Billettsteuern ab als wir Subventionen bekommen. Diese haben allerdings nie eine wesentliche Rolle gespielt, wir mussten immer gut 95 Prozent selber finanzieren. Knapp die Hälfte unserer Erträge kommt aus dem Kartenverkauf, die andere Hälfte müssen wir mit Beiträgen von Sponsoren und Zuwendungen der Freunde bestreiten. Diese Aufgabe, meine ich, ist nicht unbedingt schwieriger geworden. Der Aufwand jedoch, um die verschiedenen Sponsoren zu betreuen, um ihnen attraktive Pakete anzubieten, der nimmt laufend zu. So gesehen sind die Herausforderungen komplexer geworden. M&T: Die bewusste Öffnung des Festivals in den letzten Jahren – bis hin zu den erfolgreichen Kleinformaten, etwa den hochkarätigen Kurzkonzerten bei freiem Eintritt – hat dem Festival ein anderes, auch jugendlicheres Gesicht verliehen Achermann: Wenn Sie in der Geschichte des Festivals zurückblicken, dann ist nicht von der Hand zu weisen, dass viele Dinge früher schon sehr elitär waren, was auch immer wieder zu Diskussionen führte. Damit muss man sich immer wieder auseinandersetzen. Das gilt auch für die öffentliche Diskussion um das Projekt der Salle Modulable. Aber wenn man betrachtet, was das Festival in den letzten Jahren alles angerissen, wie es sich geöffnet hat, wie es hinaus auf die Strasse gegangen ist – dann ergibt das doch ein ganz anderes Gesicht als früher. Und die von Ihnen erwähnten «40min»-Konzerte haben einen riesigen Anklang gefunden. Sie wurden auch nicht mit einer zweiten oder dritten Garnitur besetzt, sondern mit den wichtigsten Künstlern des Festivals von Sir Simon Rattle bis Bernard Haitink und so weiter. Wir machen heute bewusst mehr für die Luzerner sowie für jene Leute, die ansonsten nicht ins KKL kommen würden. Das sind wir der Stadt und der Region Luzern ebenso schuldig wie uns selber, damit wir genügend breit verankert bleiben. M&T: Die Öffnung auch als Investition in die Zukunft, in nächste Publikumsgenerationen? Achermann: Das ist ein Gedanke, der uns dauernd begleitet. Wir wollen nicht nur für eine kleine Schicht da sein, das Festival muss auch Leuten mit weniger Geld erlauben, hochkarätige Veranstaltungen zu besuchen. Im Projekt der Salle Modulable ist daher vor allem auch aus diesem Grund vorgesehen, eine grosse Aussenwand als Screen zu benutzen und Veranstaltungen nach draussen zu übertragen. Die Idee begeistert mich, es wäre eine wunderbare Sache, diese Offenheit permanent zu leben.
M&T: Sie sind auch Stiftungsratspräsident der «Freunde» von Lucerne Festival, die heuer ihr 50-Jahr-Jubiläum feiern. Was hat sich verändert in den letzten Jahren? Wo steht die Organisation heute? Achermann: Die Vorgeschichte der Freunde geht weit zurück, bereits 1943 wurde damit begonnen, private Geldgeber zu suchen. Die eigentliche Gründung der Vereinigung erfolgte dann 1966, also vor fünfzig Jahren. Die Beiträge waren anfänglich sehr moderat, und grosse Anstrengungen waren notwendig, um nach einigen Jahren 150 Mitglieder zu erreichen. Heute ist das ganz anders: die Organisation ist zu einem respektablen Apparat mit rund 500 Mitgliedern in verschiedenen Kategorien angewachsen. Vor allem hat man in den letzten Jahren die internationalen Ableger in Amerika, England und Deutschland viel enger in die Vereinigung eingebunden, nachdem sie zuvor gleichsam als unabhängige Satelliten existiert hatten. Heute sind wir eine vereinheitlichte internationale Freundesvereinigung, organisiert als Schweizer Stiftung, ausgestattet mit einer eigenen Geschäftsführerin und unabhängigen Stiftungsräten. M&T: Wie viel an Unterstützung für das Festival kommt so jährlich zusammen? Achermann: Mit den regelmässigen jährlichen Beiträgen und den einmaligen Beiträgen für den Neueintritt in den Freundeskreis kommen in der Schweiz jährlich 1,1 bis 1,3 Millionen Franken zusammen. Die Freunde in Amerika steuern rund 350‘000 Franken bei, dazu kommen jeweils noch regelmässig einige weitere einmalige Zuwendungen von Geldgebern und Mäzenen. Alle diese Mittel fliessen in die FreundeStiftung, die sich mit dem Intendanten abspricht, wo grössere Beiträge sinnvoll sind und besondere Projekte – wie etwa die Gesamtaufführung von Wagners «Ring» – ermöglichen. Alle diese grösseren Beiträge werden den Mitgliedern transparent kommuniziert. Das war mir wichtig, als wir die Organisation neu aufstellten. M&T: Sie präsidieren auch die Stiftung Salle Modulable. Das Projekt musste völlig neu aufgegleist werden, der zeitliche Ablauf ist noch ambitiöser geworden. Im November werden zunächst die Stadtluzerner über einen Projektierungskredit sowie das unentgeltliche Baurecht abstimmen. Was sind die nächsten Herausforderungen? Achermann: Zunächst geht es um den Standort. Diese Diskussion wird sehr emotional geführt, aber ich bin optimistisch, dass wir eine Zustimmung zum vorgesehenen Platz am Inseli hinbekom-
men. Die veranschlagten Baukosten für das Projekt sind mit 208 Mio. Franken hoch, allerdings sind darin 20 Mio. für das durch die Stadt überlassene Land enthalten, die nicht kostenwirksam werden. 35 Mio. wollen wir zusätzlich zu den geschenkten 80 Millionen gemeinsam bei privaten Geldgebern sammeln. So bleiben für Stadt und Kanton letztlich Kosten von 73 Millionen Franken, womit wir in Luzern jedoch ein nigelnagelneues, technisch erstklassiges OpernTheaterhaus erhalten werden. Wenn dieser zukunftsweisende Neubau von den Luzernern abgelehnt wird, werden die Probleme mit dem heutigen Theater akut. Der jetzt bespielte Bau ist marode und kann innert absehbarer Zeit nicht mehr weiter betrieben werden, darüber herrscht Einigkeit. Es müsste ein vollständig neuer Bau realisiert werden, für dessen Kosten von 60 bis 100 Mio. Franken die Stadt und der Kanton selber und allein aufkommen müssten. Das heisst, eine solche Variante würde letzten Endes gleich viel oder unter Umständen gar mehr kosten als die visionäre Idee einer Salle Modulable. Das müssen wir den Leuten erklären, und ich glaube fest daran, dass uns dies gelingen wird. Denn die Luzerner hängen an ihrem Theater. Ich auch. M&T: Die Frage nach den zusätzlich notwendigen Betriebskosten wird im politischen Prozess wohl ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Achermann: Kernfrage wird tatsächlich sein, wie die jährlichen Betriebskosten gedeckt werden können. Diese sind auf 31 Millionen berechnet, darin eingerechnet 5,5 Millionen Unterhaltskosten, während heute 21 Millionen nur für das Theater aufgewendet werden. Dessen notwendiger Unterhalt von rund 3 Millionen ist in dieser Summe nicht enthalten und wurde auch nie bezahlt oder zurück gestellt. Die für die Zukunft ausgewiesenen 5,5 Millionen sind meines Erachtens zu hoch und dürften mindestens 1,5 Millionen tiefer zu liegen kommen. Herausforderung für uns alle Beteiligten – Luzerner Theater, Lucerne Festival, Luzerner Sinfonieorchester, Freie Szene, Südpol und KKL, – wird sein, ein tragfähiges und finanzierbares Modell zusammen mit der Politik zu entwickeln, und dann müssen wir gemeinsam die Bevölkerung davon überzeugen, dass das was wir zu diesem Preis erhalten werden, sich lohnt: nämlich ein einmaliges, zukunftsweisendes neues Luzerner Theater/Salle Modulable, um das uns alle beneiden werden. ■ Interview: Andrea Meuli
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Chefdirigent: Douglas Bostock
AARGAU IM ABO 2016 I 2017
1. ABO-KONZERT Vorhang auf: Beethoven! BEETHOVEN Symphonie Nr. 1 BERG Violinkonzert BEETHOVEN Symphonie Nr. 5 DOUGLAS BOSTOCK Leitung SOPHIA JAFFÉ Violine Aarau (18./20.09.16) I Baden (23.09.16)
4. ABO-KONZERT Neue Welt BERNSTEIN On the Town RAVEL Klavierkonzert G-Dur RUNE BERGMANN Leitung VOLODYMYR LAVRYNENKO Klavier Aarau (19./21.03.17) I Baden (24.03.17)
2. ABO-KONZERT Feuer und Flamme LISZT Prometheus CHOPIN Klavierkonzert Nr. 2 TSCHAIKOWSKY Symphonie Nr. 4 JAMES JUDD Leitung ANDREW TYSON Klavier Aarau (06./08.11.16) I Baden (11.11.16)
5. ABO-KONZERT In der Natur BEETHOVEN Symphonie Nr. 6 Huber Symphonie Nr. 7 DOUGLAS BOSTOCK Leitung Aarau (07./09.05.17) I Baden (12.05.17)
3. ABO-KONZERT Vermächtnis und Erbe SCHUMANN Ouvertüre, Scherzo & Finale BRAHMS Doppelkonzert BEETHOVEN Symphonie Nr. 7 DOUGLAS BOSTOCK Leitung SEBASTIAN BOHREN Violine CHIARA ENDERLE Cello Aarau (22./24.01.17) I Baden (20.01.17)
ABO-PREISE KAT I. CHF 256.- I KAT II. CHF 212.- I KAT III. CHF 184.-
info@argoviaphil.ch I 062 834 70 00 I www.argoviaphil.ch Besuchen Sie die Playlist „Live-Mitschnitte“ auf unserem YouTube-Kanal. QR-Code scannen oder www.youtube.com aufrufen und nach argovia philharmonic suchen.
service LUCERNE FESTIVAL | Sommer-Festival 12. August – 11. September 2016 40min
10x während des Festivals | jeweils 18.20 Uhr | KKL Luzern, Luzerner Saal | Eintritt frei Die Gratis-Konzertreihe präsentiert am frühen Abend 40 Minuten Musik zum Kennenlernen und für Kenner, zum Einsteigen und zum Eintauchen: Programme zwischen Unterhaltung und Herausforderung, zwischen alter und neuer Musik, die von den Künstlern selbst moderiert werden. montag, 15. August | 40min 1 En miniature. Kammermusik mit dem LUCERnE FESTiVAL ORCHESTRA Solisten des LUCERNE FESTIVAL ORCHESTRA mittwoch, 17. August | 40min 2 Blech pur! Brass Ensemble des LUCERNE FESTIVAL ORCHESTRA Freitag, 19. August | 40min 3 Der Feuervogel. im Zauberreich der Orchesterklänge Orchester der LUCERNE FESTIVAL ACADEMY | Matthias Pintscher montag, 22. August | 40min 4 Die singende maestra Mahler Chamber Orchestra | Barbara Hannigan Donnerstag, 25. August | 40min 5 Schlagfertig. Olga neuwirths neues Schlagzeugkonzert Orchester der LUCERNE FESTIVAL ACADEMY | Susanna Mälkki | Martin Grubinger montag, 29. August | 40min 6 Wie aus einem märchen musik wird. Aschenputtel, neu erzählt Nina Kupczyk u.a. mittwoch, 31. August | 40min 7 «composer-in-residence». Kammermusik von Olga neuwirth Studierende der LUCERNE FESTIVAL ACADEMY | Olga Neuwirth Freitag, 2. September | 40min 8 Dem Andenken eines Engels. Alban Bergs Violinkonzert Orchester der LUCERNE FESTIVAL ACADEMY | Alan Gilbert | Anne-Sophie Mutter Dienstag, 6. September | 40min 9 Eine Ehe in Tönen. Kammermusik von Clara und Robert Schumann Studierende der Hochschule Luzern – Musik Donnerstag, 8. September | 40min 10 Tanz der Töne. Sechs musiker, zwei Tänzer Young Performance: Malwina Stepien | Martin Angiuli | Rachel Koblyakov | Javier Aznárez | Josh Henderson | Kathryn Schulmeister | Jean Laurenz | Noè Rodrigo Gisbert
inTERVAL
Freitags, 19. August, 2. und 9. September und samstags, 13., 20. und 27. August, 3. und 10. September | Eintritt frei Lassen Sie das Musikerlebnis noch ein wenig nachhallen, begegnen Sie in lockerer LoungeAtmosphäre Festivalkünstlern: im neuen «Interval», bei einem Drink oder einem Snack. Luzern, KKL, Foyer, ab 20.00 Uhr
SOUnDZZ.Z.ZZZ…Z
Bildende Kunst meets Musik: Der Wettbewerb «Soundzz.z.zzz…z» verbindet die Künste und spürt den vielfältigen Beziehungen zwischen visuellem Ausdruck und Klang nach. Gewinner der vierten Ausgabe ist das dokumentarischkünstlerische Projekt «The Conductress», das mit dem zweimaligen Auftritt eines multimedialen Improvisationsorchesters am 7. und 11. September seinen Abschluss findet. mittwoch, 7. September | 18.00 Uhr und Sonntag, 11. September | 15.00 Uhr | KKL Luzern, Karten über das Kunstmuseum Improvisationsorchester Sophia martell | Silke Strahl «The Conductress», Eine Multimediaperformance LUCERnE FESTiVAL «in den Strassen» | Dienstag, 23. August bis Sonntag, 28. August Allabendlich von 18.00 bis 22.00 Uhr (am Samstag auch tagsüber) sorgt «In den Strassen» auf dem Mühlenplatz und dem Kapellplatz, auf dem Jesuitenplatz und dem Kornmarkt für ein buntes Musikspektakel. Anschliessend treten je zwei Gruppen bis spät in die Nacht im Sentitreff auf. mit Alexia & Aftâb | Donauwellenreiter | Duo Tanidades | magda mendes | mujer Klórica | nilsa | Rodinka | Zapjevala Eröffnungsveranstaltung (vor dem KKL Luzern): Dienstag, 23. August | 17.30 Uhr Samstag, 27. August, 11.00 Uhr Gedenkkonzert für Aurèle nicolet (22.1.1926 – 29.1.2016) Marianischer Saal | (Eintritt frei) Felix Renggli, Flöte, Altflöte, Bassflöte | Heinz Holliger, Oboe d’amore, Oboe | Jean Sulem, Viola | Anita Leuzinger, Violoncello | Matthias Würsch, Glasharmonika, Tempelglocken | Frédéric Cambreling, Harfe Werke von Debussy, Boulez, Holliger, Wyttenbach, Mozart Abschlusskonzert (vor dem KKL Luzern): Sonntag, 28. August | 17.00 Uhr
FESTiVAL-TERminE | VORSCHAU
Piano-Festival 19. – 27. november 2016 Grigory Sokolov | Rudolf Buchbinder | maria João Pires, Kammerorchester Basel, Trevor Pinnock | murray Perahia, Academy of St. martin in the Fields | igor Levit | Cameron Carpenter | Lars Vogt | Louis Schwizgebel | Andrew Tyson | Kit Armstrong u.a. Online-Direktbuchung ab Montag, 2. August 2016, 12.00 Uhr | Schriftlicher Kartenverkauf ab Freitag, 5. August 2016 | Kartenverkauf am LUCERNE FESTVAL Ticketschalter am Haupteingang des KKL seeseitig und telefonischer Kartenverkauf ab Freitag, 12. August 2016
ALLGEmEinE inFORmATiOnEn
ihre Konzertkarte gilt als Fahrschein! Freie Fahrt im Tarifverbund Passepartout In Luzern gilt die Konzertkarte am Veranstaltungstag auch für die Hin- und Rückfahrt zum und vom Spielort innerhalb der Passepartout-Zone 10 (2. Klasse). Gültig ab 3 Stunden vor Beginn und bis 3 Stunden nach Veranstaltungsende. An- und Abreise mit dem Zug: Der 50%-Rabatt im SBB-netz Gegen Vorweisen Ihrer Konzertkarte erhalten Sie an jedem Schweizer Bahnschalter 50% Ermässigung auf eine Hin- und Rückfahrt nach Luzern in der 1. oder 2. Klasse. Mit dem Halbtax kostet die Fahrt lediglich 25% des Volltarifs. Das Spezial-Billett muss vor Reiseantritt an einem Schweizer Bahnschalter, beim Rail Service unter 0900 300 300 (CHF 1.19/Min vom Schweizer Festnetz) oder online im SBB Ticketshop (www.sbb.ch/lucernefestival.ch) bezogen werden. Ermässigungen Studenten, Schüler und KulturLegi-inhaber Studenten, Schüler, Berufsschüler und Mitglieder JTC bis zum 30. Altersjahr sowie KulturLegiInhaber erhalten bei Vorweisen eines gültigen Ausweises ab einer Stunde vor Konzertbeginn für nicht ausverkaufte Veranstaltungen Karten zu CHF 20. Spezielle Studentenangebote sind unter www.lucernefestival.ch ausgewiesen. Aktion «mit dem nachwuchs ins Konzert» Beim Kauf einer Eintrittskarte für ausgewählte Veranstaltungen erhalten Erwachsene eine gleichwertige Freikarte für ihre jugendliche Begleitung bis 17 Jahre dazu (Kat. I–III). Die Konzertauswahl finden Sie auf www.lucernefestival.ch.
ZU GAST BEi DER BUVETTE
3x donnerstags: 18. und 25. August | 1. September immer 18.00 – 19.00 Uhr | inseli | Eintritt frei Open-Air-Überraschungskonzerte am Ufer des Vierwaldstättersees
Karten und informationen www.lucernefestival.ch, info@lucernefestival.ch +41 41 226 44 80
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impressum 37. Jahrgang, august / September 2016 Special Edition Lucerne Festival Sommer 2016 Redaktionsanschrift: Somedia Production aG Musik&Theater Neugasse 10, CH-8005 Zürich Tel. +41 44 491 71 88, Telefax 044 493 11 76 http://www.musikundtheater.ch redaktion@musikundtheater.ch Herausgeberin Somedia Production aG Sommeraustrasse 32 Postfach 491, CH-7007 Chur Verlagsleitung Ralf Seelig Tel. +41 81 255 54 56 ralf.seelig@somedia.ch
Chefredaktor andrea Meuli Redaktion Reinmar Wagner, Werner Pfister Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe Pirmin Bossart, Marco Frei, Benjamin Herzog, Christine Lemke-Matwey, Kai Luehrs-Kaiser, andrea Meuli, Thomas Meyer, Reinmar Wagner Bildkonzept und Fotos Priska Ketterer Abonnementverwaltung Kundenservice/abo Sommeraustrasse 32 Postfach 491, CH-7007 Chur Tel. 0844 226 226 abo@somedia.ch Herstellung Somedia Production aG Korrektorat Ernst Jenny Copyright Musik&Theater, Somedia aG alle Rechte vorbehalten Abonnementspreise und -bedingungen 1 Jahr CHF 120.– 2 Jahre CHF 230.– Studenten (mit beigelegter Legitimation): CHF 78.– Schnupperabonnement (2 ausgaben): CHF 25.– ausland: 1 Jahr Einzelverkaufspreise:
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Nahe dran. Auch bei Lucerne Festival. «Musik&Theater» ist nahe dran, wo die grossen Stars auftreten, wo die Sterne von morgen entdeckt werden. Ausgabe für Ausgabe sind Sie im Bild über die meistdiskutierten Aufführungen von Paris bis Mailand. Oder über die Festivals von Luzern bis Salzburg, von Bayreuth bis Erl.
www.musikundtheater.ch | +41 844 226 226 Jahresabonnement CHF 120.– | Schnupperabonnement (2 Ausgaben) CHF 25.–
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FĂźr junge Talente, die hoch hinaus mĂśchten.
Wir gratulieren dem Schlagzeuger Simone Rubino zum Credit Suisse Young Artist Award 2016. Seit 1993 ist die Credit Suisse stolzer Hauptsponsor des Lucerne Festivals.
credit-suisse.com/sponsorship