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Mensch und Tier e.V. - Pferdeprojekt Offenstallhaltung im Winter?

Bannio auf winterlicher Weide.

Menschen, die mit Pferden wenig zu tun haben, reagieren oft ungläubig und verwundert, wenn ich erzähle, dass unsere Pferde Tag und Nacht, im Sommer und im Winter, draußen sind. „Die armen Tiere, frieren die denn nicht?“ Ein Bericht von Yoni Musialik

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Pferde sind für ein Leben draußen gemacht! In ihrem ursprünglichen Lebensraum Steppe gibt es sehr hohe und sehr niedrige Temperaturen, so dass Pferde eine Fähigkeit perfektioniert haben, die es ihnen ermöglicht, sich wechselnden Temperaturen und Witterungsbedingungen gut anpassen zu können: die Thermoregulation. Bei Kälte erhöht sich die Stoffwechseltätigkeit, Wenn man sich das Fell eines vermeintlich pitschnassen Pferdes aus der Nähe ansieht, wird man feststellen, dass tatsächlich nur das Fell oberflächlich nass ist – die Haut darunter bleibt trocken. Dafür sorgen ein natürlicher Fettfilm im Fell und die Wuchsrichtung der Haare, die das Wasser ableiten. Sie drehen sich dann mit dem Hinterteil in die Windrichtung, denn Regen im Gesicht finden auch Pferde unangenehm.

Das dichte Winterfell bei Pferden besteht aus Deck- und Unterhaaren, die das Pferd aufstellen kann, so dass eine isolierende Schicht entsteht. An kalten Wintertagen sehen die Pferde deswegen richtig pu schelig aus, wenn das Fell in alle Richtungen absteht!

dadurch halten sie sich warm. Der Herzschlag verlangsamt sich, die Gefäße ziehen sich zusammen und es geht weniger Wärme über die Haut verloren. Auch kalte Füße bekommt ein gesundes Pferd nicht – die Hufe sind gut durchblutet und fühlen sich selbst bei extremer Kälte angenehm warm an. Bei langanhaltendem, starkem Regen kommen diese natürlichen Mechanismen an ihre Grenzen, und selbst das dickste Winterfell ist irgendwann durchnässt. Deswegen brauchen die Pferde eine Möglichkeit, sich unterzustellen. Wir haben beim Pferdeprojekt einen Unterstand, der von drei Seiten geschlossen ist und damit Schutz vor Regen, Wind und im Sommer auch vor Hitze bietet. Auch große Bäume auf dem Paddock werden gerne als Unterstand genutzt. Ein Unterstand muss groß genug sein, damit alle Pferde dort gleichzeitig ausreichend Platz und trockene Flächen zum Liegen finden. Es kommt vor, dass zwei Pferde sich nicht so gut vertragen oder dass ein ranghohes Pferd den Unterstand für sich allein haben möchte. Daher sollten je nach Anzahl der Pferde mehrere räumlich voneinander getrennte Unterstände vorhanden sein. Aber auch bei richtig schlechtem Wetter, wenn wir uns am Stall ganz warm anziehen und uns schon auf die warme Badewanne zuhause freuen, stehen die Pferde meistens nicht im Unterstand, sondern ziehen selbst dann den Aufenthalt unter freiem Himmel vor!

Die Möglichkeit zur freien Bewegung ist ein wichtiges Grundbedürfnis aller Pferde.

Dazu kommen saubere, staubfreie Luft, viel natürliches Sonnenlicht und

Bannio inspiziert neugierig einen Kanister.

die Möglichkeit zum sozialen Austausch mit Artgenossen. Die Offenstallhaltung in der Gruppe ist damit für jedes Pferd – egal ob Shetlandpony oder Vollblutaraber – die Haltungsform, die den natürlichen Bedürfnissen eines Pferdes am ehesten gerecht wird und zu einem gesunden, langen Pferdeleben beiträgt. Wichtig ist aber, dass die Pferde an die Offenstallhaltung gewöhnt sind.

Als im Dezember 2012 unser Therapiepferd Bannio bei uns auf dem Kinderbauernhof eingezogen ist, war er an Stallhaltung gewöhnt und hatte noch nicht so ein dichtes, warmes Winterfell. So hat er auch bei uns die Nächte des ersten Winters im Stall verbracht. Dieser bietet mehr Schutz vor Witterung und einen Untergrund aus wärmendem Stroh, während die Temperatur sich nicht stark von der Außentemperatur unterscheidet. So konnte Bannio seine Fähigkeit zur Thermoregulation trainieren und sich mit den steigenden Temperaturen im Frühjahr daran gewöhnen, rund um

Damit die Durchblutung und der Stoffwechsel und damit die Thermoregulation gut funktionieren, muss ein Pferd die Möglichkeit haben, sich zu bewe gen. Deswegen muss die Fläche groß genug sein, und am besten sind die einzelnen Bereiche – Unterstand, Lie geflächen, Futterstellen und Wasser – möglichst weit voneinander entfernt, das schafft Bewegungsanreize für die Pferde.

Karli, wo sind deine Manieren?

die Uhr draußen zu sein. Seither ist auch Bannio das ganze Jahr über im Offenstall, genießt das Zusammensein mit seiner Herde und die Möglichkeit, sich auf dem Paddock frei zu bewegen. Und ein richtig kuscheliges Winterfell bekommt er inzwischen auch!

Thermoregulationsmechanismen können bei kranken oder schon älteren Pferden unter Umständen nicht mehr so gut funktionieren.

Das bedeutet nicht, dass diese Pferde nicht mehr im Offenstall gehalten werden können, aber man muss darauf achten und ihnen, wenn nötig, eine warme Decke anziehen. Denn ältere oder kranke Pferde bekommen oft nicht mehr so ein dichtes Winterfell, der Aufstellmechanismus der einzelnen Haare funktioniert nicht mehr so gut, und durch den höheren Energieverbrauch bei Kälte können sie schnell abnehmen. So bekommen auch unsere zwei nicht mehr ganz jungen Stuten Kali und Kembali, die wir euch im letzten Heft vorgestellt haben, in kalten Winternächten und bei starkem Regen eine warme, regendichte Decke.

Die kalte Jahreszeit verlangt von uns, die die Pferde versorgen, eine größere Anstrengung ab als den Pferden. Zum einen verfügen wir nicht über diese natürlichen Kälteschutzmechanismen, sondern laufen dann in dicken Schuhen und Jacken über den Hof und frieren oft trotzdem. Zum anderen macht die Offenstallhaltung

Murphy und Kembali

im Winter noch mehr Arbeit als im Sommer:

Pferde haben, um den Stoffwechsel und die Durchblutung in Gang zu halten, bei kalten Temperaturen einen höheren Energiebedarf.

Außerdem fällt das Gras von der Weide weg, denn die Grasnarbe muss sich im Winter erholen damit das Gras im Frühjahr wieder gut wächst. Das bedeutet, dass sie mehr Raufutter benötigen, was wiederum bedeutet, dass wir mehr Heu in die Netze stopfen und diese zum Paddock tragen müssen. Kali und Kembali benötigen größere Mengen ihres Breis aus Heucobs und Müsli. Bei Minusgraden friert die Wasserleitung am Paddock ein, und wir müssen das Wasser – ein Pferd trinkt 30 bis 60 Liter täglich – in Kanistern mit dem Bollerwagen vom Stallgebäude zum Paddock transportieren. Wenn es tagelang regnet, verwandelt sich der Sandpaddock teilweise in einen matschigen Platz, der es dann sehr schwer macht, die randvoll mit Äppeln beladene Schubkarre zu schieben. Bei Bodenfrost frieren die Äppel fest und man muss sie vom Boden abhacken...

Aber für all diese Mühen wird man belohnt, wenn man bei der Arbeit die zufriedenen Pferde, die mit ihrem Winterfell wie Teddys aussehen, in ihrer Herde beobachten darf. Und bei Bodenfrost dürfen sie auch mal kurz auf die Weide, um mit ihren Artgenossen zu laufen und zu toben!

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